Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2007 - X ZR 56/03

bei uns veröffentlicht am22.05.2007
vorgehend
Bundespatentgericht, 3 Ni 35/01, 04.02.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 56/03 Verkündet am:
22. Mai 2007
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
injizierbarer Mikroschaum
PatG §§ 81 ff., §§ 110 ff.; EPÜ Art. 56, Art. 138

a) Zur Möglichkeit des beklagten Patentinhabers, sich auf eine abweichende
Fassung der im Patentnichtigkeitsverfahren verteidigten Patentansprüche
zurückzuziehen, wenn die zunächst verteidigte Fassung zu einer Erweiterung
führen würde.

b) Zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bei einer beliebigen Auswahl
aus verschiedenen dem Fachmann zur Verfügung stehenden Möglichkeiten
(Fortführung von BGHZ 156, 179 - blasenfreie Gummibahn I).
BGH, Urt. v. 22. Mai 2007 - X ZR 56/03 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Mai 2007 durch die Richter Scharen, Keukenschrijver, die
Richterinnen Ambrosius und Mühlens und den Richter Asendorf

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 4. Februar 2003 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des unter Inanspruchnahme der Priorität einer internationalen Anmeldung vom 23. Juni 1993 am 21. Juni 1994 angemeldeten, auch mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 656 203 (Streitpatents), das "injectable microfoam containing a sclerosing agent" ("injizierbaren Mikroschaum, der ein Verödungsmittel enthält") betrifft und 15 Patentansprüche umfasst, die in der Verfahrenssprache Englisch wie folgt lauten: "1. An injectable micro-foam for therapeutic uses, prepared or for preparation as required, characterized in that the micro-foam is prepared with any sclerosing substance.

2. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claim 1, characterized in that the sclerosing substance is polidocanol. 3. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claim 1, characterized in that the sclerosing substance is sodium tetradecyl sulphate. 4. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claim 1, characterized in that the sclerosing substance is a hypertonic glucose or glucosaline solution. 5. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claim 1, characterized in that the substance used is chromic glycerol. 6. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claim 1, characterized in that the substance used is ethanolamine oleate. 7. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claim 1, characterized in that the substance used is sodium morrhuate. 8. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claim 1, characterized in that the substance used is any iodic solution. 9. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to the preceding claims for use in phlebology. 10. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claims 1 to 8, for use in the tretament of oesophageal varices. 11. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claims 1 to 8, for the use in proctology. 12. An injectable micro-foam for therapeutic uses according to claims 1 to 8, for use in angiology.
13. A method for the preparation of an injectable micro-foam for use in therapy characterized in that it comprises producing a micro-foam with a sclerosing substance. 14. A method as claimed in claim 13 characterized in that the sclerosing substance is a polidocanol, sodium tetradecyl sulphate, hypertonic glucose or glucosaline solution, chromic glycerol, ethanolamine oleate, sodium morrhuate or iodic solution. 15. A micro-foam for use in therapy characterized in that is obtainable by beating a sclerosing solution with a micromotor rotated brush at 8.000 to 15.000 r.p.m. for 60 to 120 seconds."
2
In der deutschen Übersetzung der Patentschrift lauten diese Patentansprüche wie folgt: "1. Injizierbarer Mikroschaum für therapeutische Zwecke, hergestellt oder zur Herstellung nach Bedarf, dadurch gekennzeichnet , daß der Mikroschaum mit irgendeiner sklerosierenden Substanz gebildet ist. 2. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die sklerosierende Substanz Polidocanol ist. 3. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die sklerosierende Substanz Natriumtetradecylsulfat ist. 4. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die sklerosierende Substanz eine hypertonische Glucose oder Glucose /Salz-Lösung ist. 5. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die verwendete Substanz Chromglycerin ist. 6. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die verwendete Substanz Ethanolaminoleat ist.

7. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die verwendete Substanz Natriummorrhuat ist. 8. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die verwendete Substanz irgendeine Iodverbindung ist. 9. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach einem der vorangehenden Ansprüche zur Verwendung in der Phlebologie. 10. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach den Ansprüchen 1 bis 8 zur Verwendung bei der Behandlung von Ösophagusvarizen. 11. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach den Ansprüchen 1 bis 8 zur Verwendung in der Proktologie. 12. Injizierbarer Mikroschaum zur therapeutischen Verwendung nach den Ansprüchen 1 bis 8 zur Verwendung in der Angiologie. 13. Verfahren zur Herstellung eines injizierbaren Mikroschaums zur Verwendung bei der Therapie, dadurch gekennzeichnet, daß es die Herstellung eines Mikroschaums mit einer sklerosierenden Substanz umfaßt. 14. Verfahren nach Anspruch 13, dadurch gekennzeichnet, daß die sklerosierende Substanz ein Polidocanol, Natriumtetradecylsulfat , hypertonische Glycose oder Glucose/Salz-Lösung, Chromglycerin, Ethanolaminoleat, Natriummorrhuat oder eine Iodlösung ist. 15. Mikroschaum zur Verwendung bei der Therapie, dadurch gekennzeichnet , daß er erhältlich ist durch Aufschlagen einer sklerosierenden Lösung mit einer durch einen Mikromotor angetriebenen rotierenden Bürste mit 8.000 bis 15.000 UpM während 60 bis 120 s."
3
Die Klägerin hat geltend gemacht, dass der Gegenstand des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig sei. Sie hat sich dazu auf zahlreiche Veröffentlichungen der Jahre 1895 bis 1993, die deutsche Patentschrift 34 17 182 und nachveröffentlichte Schriften bezogen; wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen. Sie hat beantragt, das Streitpatent für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in vollem Umfang für nichtig zu erklären. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten; sie hat das Streitpatent mit geänderten Patentansprüchen verteidigt, und zwar mit einem Hauptantrag und vier Hilfsanträgen, wegen derer auf das angefochtene Urteil verwiesen wird.
4
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig erklärt.
5
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die das Streitpatent nunmehr in erster Linie mit folgenden Patentansprüchen verteidigt, wobei sie sich damit einverstanden erklärt hat, dass in Patentanspruch 1 die entfallenen Worte "hergestellt oder zur Herstellung nach Bedarf" wieder eingefügt werden: "1. Injizierbarer Mikroschaum für therapeutische Zwecke, erhältlich durch Aufschäumen einer sklerosierenden Lösung in einer Atmosphäre aus Sauerstoff oder einem Gemisch aus Sauerstoff und Kohlendioxid in einem sterilen luftdichten Behälter. 2. Mikroschaum nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass man das Aufschäumen durch mechanisches Schlagen durchführt. 3. Mikroschaum nach Anspruch 2, dadurch gekennzeichnet, dass das mechanische Schlagen das Rotieren einer Bürste umfasst.
4. Mikroschaum nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass man die Bürste mit 8.000 bis 15.000 UpM für einen Zeitraum von 60 bis 120 Sekunden rotiert. 5. Mikroschaum nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet , dass die sklerosierende Lösung eine sklerosierende Substanz, ausgewählt aus Polidocanol, Natriumtetradecylsulfat , hypertonischer Glucose oder Glucose/Salz-Lösung, Chromglycerin, Ethanolaminoleat, Natriummorrhuat oder einer Iodlösung, umfasst. 6. Mikroschaum nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet , dass die sklerosierende Lösung weiterhin eine Substanz mit Schaumbildungsfähigkeit enthält. 7. Mikroschaum nach einem der Ansprüche 1 bis 6 zur Verwendung in der Phlebologie, Proktologie oder Angiologie. 8. Verfahren zur Herstellung eines injizierbaren Mikroschaums, dadurch gekennzeichnet, dass man eine sklerosierende Lösung in einer Atmosphäre aus Sauerstoff oder einem Gemisch aus Sauerstoff und Kohlendioxid in einem sterilen luftdichten Behälter aufschäumt. 9. Verfahren nach Anspruch 8, dadurch gekennzeichnet, dass man das Aufschäumen durch mechanisches Schlagen durchführt. 10. Verfahren nach Anspruch 9, dadurch gekennzeichnet, dass das mechanische Schlagen das Rotieren einer Bürste umfasst. 11. Verfahren nach Anspruch 10, dadurch gekennzeichnet, dass man die Bürste mit 8.000 bis 15.000 UpM für einen Zeitraum von 60 bis 120 Sekunden rotiert. 12. Verfahren nach einem der Ansprüche 8 bis 11, dadurch gekennzeichnet , dass die sklerosierende Lösung eine sklerosierende Substanz, ausgewählt aus Polidocanol, Natriumtetradecylsulfat , hypertonischer Glucose oder Glucose/Salz-Lösung, Chromglycerin, Ethanolaminoleat, Natriummorrhuat oder einer Iodlösung, umfasst.
13. Verfahren nach einem der Ansprüche 8 bis 12, dadurch gekennzeichnet , dass die sklerosierende Lösung weiterhin eine Substanz mit Schaumbildungsfähigkeit umfasst. 14. Verwendung eines injizierbaren Mikroschaums umfassend eine sklerosierende Substanz und Gas zur Behandlung von Krampfadern mit einem Durchmesser von gleich oder größer 7 mm durch Injektion ohne Operation, wobei das in der Vene enthaltene Blut verdrängt wird und der ganze von dem Mikroschaum eingenommene Venenabschnitt sklerosiert wird. 15. Verwendung nach Anspruch 14, dadurch gekennzeichnet, dass die sklerosierende Substanz aus Polidocanol, Natriumtetradecylsulfat , hypertonischer Glucose oder Glucose/SalzLösung , Chromglycerin, Ethanolaminoleat, Natriummorrhuat oder einer Iodlösung ausgewählt wird. 16. Verwendung nach einem der Ansprüche 14 oder 15, dadurch gekennzeichnet, dass das Gas Sauerstoff oder ein Gemisch aus Sauerstoff und Kohlendioxid ist. 17. Verwendung nach Anspruch 16, dadurch gekennzeichnet, dass der Mikroschaum nach einem Verfahren nach einem der Ansprüche 8 bis 13 erhältlich ist."
6
Hilfsweise verteidigt die Beklagte, wie sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, das Streitpatent in seiner erteilten Fassung.
7
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
8
Im Auftrag des Senats hat Professor Dr. med. W. L.
ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Berufungsklägerin hat ein Parteigutachten von Prof. Dr. med. Dr. med. habil. M. M. eingereicht.

Entscheidungsgründe:


9
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
10
I. 1. Infolge der Verteidigung durch die Beklagte steht das Streitpatent in der verteidigten eingeschränkten Fassung, daneben in der Fassung des Erteilungsbeschlusses zur Überprüfung. Dabei hat der Senat in der verteidigten Fassung die Worte "hergestellt oder zur Herstellung nach Bedarf" wieder eingefügt , womit sich die Beklagte einverstanden erklärt hat. Dies war schon deshalb geboten, weil durch das Weglassen dieser Worte im vorliegenden Fall die Gefahr begründet würde, dass in den Schutz des Patents nicht nur hergestellte (im Sinn eines konfektionierten Produkts) und nach Bedarf herzustellende Mikroschäume einbezogen würden, sondern auch Mikroschäume, die der einen wie der anderen Voraussetzung nicht entsprächen; dies könnte zu einer Erweiterung des Schutzbereich des Streitpatents führen, die auch im Patentnichtigkeitsverfahren ausgeschlossen ist (st. Rspr. des Senats, zuletzt Sen.Urt. v. 14.9.2004 - X ZR 149/01, GRUR 2005, 145 - elektronisches Modul). Dem kann jedoch durch Wiedereinfügung der gestrichenen Worte Rechnung getragen werden (vgl. - zum Gebrauchsmusterlöschungsverfahren - BPatGE 19, 161, 163; vgl. auch BPatGE 29, 223, 226 = GRUR 1988, 530). Der weiteren Prüfung wird somit der verteidigte Patentanspruch 1 unter Wiedereinfügung der Worte "hergestellt oder zur Herstellung nach Bedarf" zugrunde gelegt.
11
2. Die im verteidigten Patentanspruch 1 eingefügten Merkmale, dass das Aufschäumen in einer Atmosphäre aus Sauerstoff oder einem Gemisch aus Sauerstoff und Kohlendioxid erfolgen solle, sind in den ursprünglichen Unterlagen (PCT-Anmeldung ES94/00064) und im erteilten Patent ausreichend als zur Erfindung gehörend offenbart.

12
Die Beklagte kann sich auch im Nichtigkeitsverfahren auf einen Gegenstand beschränken, der in den Anmeldeunterlagen als zur Erfindung gehörend offenbart worden ist (vgl. zum Einspruchsverfahren Sen.Beschl. v. 30.10.1990 - X ZB 18/88, GRUR 1991, 307, 308 - Bodenwalze). In diesem Sinn offenbart ist alles das, was in der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen schriftlich niedergelegt ist und sich dem fachkundigen Leser ohne weiteres aus dem Gesamtinhalt der Unterlagen am Anmeldetag erschließt. Die Ermittlung des Gesamtinhalts der Erstunterlagen hat dabei mit den Augen eines Fachmanns zu erfolgen; es kommt darauf an, welche Erkenntnisse ihm objektiv und ohne weiteres vermittelt worden sind. Der Fachmann orientiert sich dabei nicht an dem Wortlaut der Unterlagen, sondern an dem mit der Erfindung im Hinblick auf die Nachteile des Stands der Technik verfolgten Zweck und an dem Lösungsvorschlag mit seinen Elementen (Sen. BGHZ 111, 21, 26 - Crackkatalysator I; Sen.Beschl. v. 6.10.1994 - X ZB 4/92, GRUR 1995, 113 - Datenträger). Die entsprechende Offenbarung ist im Beispiel 1 (example 1) des Streitpatents (Beschr. Abs. 0019) wie schon in der ursprünglichen Anmeldung (PCTAnmeldung ES94/00064 Seite 3 Z. 17 - 23) enthalten.
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II. 1. Das Streitpatent betrifft einen injizierbaren Mikroschaum, insbesondere zur Verödung von Krampfadern. Als Krampfadern werden erweiterte und geschlängelte Venen des oberflächlichen Venensystems bezeichnet. Je nach der Lokalisation der Krampfaderbildung unterscheidet man zwischen Stammvarikosis , Seitenastvarikosis, retikulärer Varikosis, Perforansvarikosis und Besenreiservarikosis als pathologische Zustände. Die Stammvarikosis betrifft die Vena saphena magna oder parva (große und kleine verborgene Vene) im Bein. Die Beschreibung des Streitpatents schildert einleitend, dass die Sklerose der Varikose auf der Injektion von flüssigen Substanzen in die Venen beruht, die eine lokalisierte Entzündungsreaktion hervorruft und dadurch die Ausschaltung dieser anormalen Venen begünstigt (Beschr. Abs. 0001). Die sklerosierende Flüssigkeit werde, so die Beschreibung, mit dem in der Vene enthaltenen Blut vermischt und in unbekanntem Maß und mit ungewissem Ergebnis verdünnt (Abs. 0002). Krampfadern mit Durchmessern ab 7 mm würden chirurgisch behandelt (Beschr. Abs. 0003), die Verödungsbehandlung sei auf große Krampfadern nicht anwendbar (Beschr. Abs. 0004). Die Konzentration der sklerosierenden Substanz in der Vene, ihre homogene Verteilung im Blut und die Zeit, in der sie mit den Innenwänden des behandelten Gefäßes in Kontakt stehe, seien nicht bekannt (Beschr. Abs. 0005).
14
1946 habe Orbach einige (a few) Kubikzentimeter Luft in kleine Krampfadern injiziert und eine Verdrängung des Bluts durch die injizierte Luft innerhalb des Gefäßes festgestellt. Die unmittelbar danach erfolgte Injektion der sklerosierenden Lösung sei wirksamer als die Injektion in das Blut gewesen (Beschr. Abs. 0006). Bei dicken Krampfadern bilde die injizierte Luft eine Blase im Inneren der Vene, wodurch das Verfahren in diesen Gefäßen unwirksam sei (Beschr. Abs. 0007). Orbach habe einige Jahre später auch Schaum injiziert, der durch Schütteln (agitation) eines Natriumtetradecylsulfat enthaltenden Behälters hergestellt worden sei (Beschr. Abs. 0008). Das Verfahren sei nur wenig nützlich gewesen, weil die gebildeten Bläschen groß gewesen seien; es sei zudem wegen der Nebenwirkungen des atmosphärischen Stickstoffs gefährlich gewesen, der in Blut nur in geringem Maß löslich sei (Beschr. Abs. 0009).
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2. Nach den Angaben in der Beschreibung, die freilich insoweit in Patentanspruch 1 in seiner verteidigten Fassung keinen Niederschlag gefunden hat, kann ein Mikroschaum eines pharmakologisch inerten, sterilen, physiologischen Serums bei Injektion in horizontaler Lage auch in großen Krampfadern das in ihnen enthaltene Blut auf Grund dessen geringen Drucks in horizontaler Lage verdrängen (Beschr. Abs. 0012). Dabei verringere das Anheben des Glieds, in das die Injektion erfolge, den Venendruck noch mehr und erleichtere so die Füllung der Vene ausschließlich mit Mikroschaum, der in der Vene verbleibe, solange der Patient nicht vom Operationstisch aufstehe (Beschr. Abs. 0013). Wenn der mit physiologischem Serum gebildete Mirkoschaum durch mit einer sklerosierenden Substanz gebildeten Mikroschaum ersetzt werde , verdränge er das in der Vene enthaltene Blut und stelle - anders als der Einsatz von flüssigen Sklerosierungsmitteln - sicher, dass das unverdünnte sklerosierende Mittel in homogener Verteilung mit dem Endothel (d.h. den zum Lumen hin gerichteten Zellen der innersten Wandschicht) des Gefäßes in einer bekannten Konzentration und für eine kontrollierbare Zeit in Kontakt komme, wodurch eine Sklerosierung des gesamten eingenommenen Segments eintrete (Beschr. Abs. 0014/0015).
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Das Streitpatent beschreibt sodann zwei Herstellungsverfahren für den Mikroschaum je in einem sterilen, hermetisch verschlossenen Behälter, wobei nach dem einen Verfahren der Behälter mit einer Druckflasche mit Sauerstoff oder einem Gemisch aus Sauerstoff und Kohlendioxid oder anderen physiologischen Gasen verbunden sein kann und das Aufschlagen mit einer in die sklerosierende Lösung eingetauchten Bürste mittels eines Mikromotors bei 8.000 bis 15.000 UpM über eine Zeit zwischen 60 und 120 Sekunden erfolgt (Beschr. Abs. 0019 bis 0022). Nach dem zweiten Verfahren wird die sklerosierende Substanz in einen Druckbehälter eingeführt und der Schaum wird durch Rühren der Lösung erzeugt.
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3. a) Der verteidigte Patentanspruch 1 soll einen Schaum unter Schutz stellen, 1 bei dem es sich um einen injizierbaren Mikroschaum handelt, 2 der entweder hergestellt (d.h. ein Fertigprodukt) 2’ oder nach Bedarf herstellbar ist, 3 erhältlich ist 3.1 durch Aufschäumen 3.2 einer sklerosierenden Lösung 3.3 in einer Atmosphäre 3.3.1 aus Sauerstoff 3.3.1’ oder einem Gemisch aus Sauerstoff und Kohlendioxid 3.4 in einem Behälter, der 3.4.1 steril 3.4.2 und luftdicht ist.
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b) Dies bedarf hinsichtlich einiger Merkmale näherer Erläuterung:
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aa) Der Begriff des Mikroschaums ist nicht als feststehender Terminus definiert. Im Sinn des Streitpatents ist unter Mikroschaum ein Schaum zu verstehen , der mit einem Sklerosierungsmittel insbesondere nach den Beispielen 1 und 2 des Streitpatents erzeugt wird, wobei das Beispiel 2 das Herstellungsverfahren schon deshalb nicht abschließend beschreibt, weil durch bloßes Rühren nicht ohne Weiteres Schaum entsteht. Unter injizierbarem Mikroschaum ist aber ein Schaum zu verstehen, dessen Bläschen klein sind und dessen Oberfläche im Verhältnis zur Menge des sklerosierenden Mittels deshalb groß ist und der von einer Konsistenz ist, die dazu führt, dass sich aus dem Blut und dem Schaum nicht eine Emulsion oder Suspension bildet, sondern dass das in der Vene enthaltene Blut durch den Schaum verdrängt wird.
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bb) Die Atmosphäre aus Sauerstoff oder aus einem Gemisch aus Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid (Kohlendioxid), in der das Aufschlagen erfolgen soll, bleibt hinter der Offenbarung in der Beschreibung des Streitpatents zurück.
Erfasst ist jedenfalls nicht eine Atmosphäre aus reinem Kohlenstoffdioxid (Kohlendioxid ); erfasst sind weiter nicht Atmosphären, die nur aus (Umgebungs)luft oder etwa aus reinem Stickstoff bestehen. Die Erörterung in der mündlichen Verhandlung, insbesondere die Befragung des gerichtlichen Sachverständigen, hat jedoch zur Überzeugung des Senats ergeben, dass auch Atmosphären erfasst sind, die Luft oder auch Stickstoff als Bestandteile aufweisen können. Dies ergibt sich zum einen schon daraus, dass der Sauerstoff, das Kohlendioxid oder andere physiologische Gase in ein Behältnis eingeführt werden sollen , das im Regelfall zuvor Luft (mit einem Anteil von rund 80% molekularen Stickstoffs (N2)) enthalten wird, über deren (völlige) Verdrängung keine Aussage gemacht wird und die somit auch nicht notwendig zum beschriebenen Herstellungsverfahren gehört. Zum anderen hat die fakultative Zuführung anderer physiologischer Gase auch die Möglichkeit zum Inhalt, dass diese physiologischen Gase Luft- oder Stickstoffanteile aufweisen, wie dies auch der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, ohne dass eine der Parteien dem widersprochen hätte.
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4. Der nebengeordnete verteidigte Patentanspruch 14 soll die Verwendung eines injizierbaren Mikroschaums schützen, der 1. eine sklerosierende Substanz und Gas umfasst 2. zur Behandlung von Krampfadern mit einem Durchmesser von gleich oder größer 7 mm 3. durch Injektion ohne Operation, 4. wobei das in der Vene enthaltene Blut verdrängt und 5. der ganze vom Mikroschaum eingenommene Venenabschnitt sklerosiert wird.
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III. Die Lehre des verteidigten Patentanspruchs 1 ergab sich für den Fachmann, einen Pharmakologen oder Pharmazeuten, der sich die erforderlichen Kenntnisse auf den Gebieten der Phlebologie und der Angiologie in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Fachmedizinern erschließt, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (Art. 56 EPÜ).
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1. Die Verödung von Varizen war an sich seit den 40er Jahren des 20. Jahrhunderts bekannt. Davon geht auch das Streitpatent aus (Beschr. Abs. 0006 - Orbach). Seinerzeit erfolgte allerdings keine Injektion von Mikroschaum , sondern zunächst von Luft und dann einer sklerosierenden Lösung. Die Verwendung eines kleinblasigen Schaums ist jedoch bereits in den Aufsätzen von Flückiger, Nicht-operative retrograde Varicenverödung mit Varsylschaum , Schweizerische Medizinische Wochenschrift 1956, S. 1368 - 1370 (Anl. K1), und Beitrag zur Technik der ambulanten Varizenbehandlung, Med. Welt 1963, S. 617 - 621 (Anl. K4) beschrieben. Während das von Flückiger (K1) verwendete und beschriebene Varsyl nicht sicher identifiziert werden konnte, hat Flückiger (K4) später 5%iges Sotradecol (Natriumtetradecylsulfat entsprechend Patentanspruch 3 des Streitpatents) verwendet. Auch die 1988 veröffentlichte deutsche Patentschrift 34 17 182 (Anl. K 11 - Hess) verwendet einen homogenen und dichten Schaum, der einem Mikroschaum im Sinn des Streitpatents zumindest nahe kommt. Somit waren die Merkmalsgruppen 1 und 2 des verteidigten Patentanspruchs vorbeschrieben. Dass der Schaum als Fertigschaum vorliegen wie für die einzelne Anwendung hergestellt werden kann, ist dabei eine Selbstverständlichkeit, auch wenn das Fertigpräparat möglicherweise nur über eine begrenzte Standzeit verfügt. Fertigpräparate oder die Herstellung nach Bedarf sind die nächstliegenden Möglichkeiten in der pharmazeutischen Technologie. All dies zieht auch die beklagte Patentinhaberin nicht mehr ernsthaft in Zweifel.
24
2. Dass das Aufschäumen in einer (oben unter III. 3. a näher bestimmten ) Atmosphäre aus Sauerstoff oder aus Sauerstoff und Kohlendioxid erfolgen soll (Merkmalsgruppe 2.3), war ebenfalls naheliegend.
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Dem Fachmann standen verschiedene Atmosphären zur Verfügung, in denen er das Aufschäumen vornehmen konnte. Zunächst bot sich dafür die atmosphärische Luft an, die etwa von Flückiger (K1 und K4) verwendet worden ist und, wie der gerichtliche Sachverständige zur Überzeugung des Senats ausgeführt hat, trotz des an sich nicht ganz unproblematischen Stickstoffanteils bei den den Schaum bildenden Luftmengen unkritisch war; dies entspricht auch den Ausführungen von Flückiger (K1) sowie von Sigg, der allerdings die AirBlock -Technik angewandt und nicht mit Mikroschaum verödet hat (Therapeutische Umschau 1949, 127, 130 - Anl. K12). Daneben kamen andere Gase für die Atmosphäre in Betracht, vor allem das bekannte, gut verfügbare und auf Grund seiner Eigenschaften völlig unproblematische Kohlenstoffdioxid (Kohlendioxid ). Aber auch eine Sauerstoffatmosphäre musste dem Fachmann auf Grund der Eigenschaften des Sauerstoffs als geeignet erscheinen, wenngleich sich nicht ohne weiteres aufdrängen. Gleiches galt für Atmosphären aus Gasgemischen , z. B. aus Sauerstoff und Kohlendioxid, aber auch aus Sauerstoff und anderen physiologischen Gasen. Wie sich aus den Bekundungen des gerichtlichen Sachverständigen ergibt, ist die Auswahl der Gasatmosphäre nach dem Beispiel 1 des Streitpatents, aus dem der verteidigte Patentanspruch 1 für einen Ausschnitt Schutz beansprucht, damit letztlich nahezu völlig willkürlich und beliebig möglich. Wie der Senat bereits für die Bereichsauswahl entschieden hat, kann die willkürliche Auswahl aus einem größeren Bereich - anders als die gezielte Auswahl zum Erreichen eines bestimmten Ergebnisses - das Kriterium des Naheliegens erfüllen (BGHZ 156, 179 - blasenfreie Gummibahn I; Sen.Urt. v. 30.3.2004 - X ZR 199/00, im Druck nicht veröffentlicht), denn einen Rechtssatz, dass nur die Lösungsalternative, die der Fachmann voraussichtlich zunächst ausprobieren würde, naheliegend ist, gibt es nicht (s. nur Sen. BGHZ 133, 57, 65 - Rauchgasklappe; Sen.Urt. v. 18.2.1997 - X ZR 25/95, bei Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen, Bd. 1, S. 445, 452 f. - Zerstäubervorrichtung m.w.N.; v. 26.7.2001 - X ZR 93/95, bei Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen, Bd. 3, S. 119, 127, insoweit in Mitt. 2002, 16 - Filtereinheit nicht abgedruckt). Kommen für den Fachmann Alternativen in Betracht , können daher mehrere von ihnen nahliegend sein (vgl. Sen.Urt. v. 6.5.2003 - X ZR 113/00, im Druck nicht veröffentlicht). So verhält es sich auch hier. In welcher Atmosphäre das Aufschäumen vorgenommen wird, ist, solange ein physiologisch ausreichend verträgliches Gas zum Einsatz kommt, völlig gleichgültig. Die Auswahl des Gases ist in diesem Rahmen beliebig. Dass gegen eines der von Patentanspruch 1 in seiner verteidigten Fassung erfassten Atmosphären von der Anwendbarkeit her Bedenken bestehen konnten, erscheint ausgeschlossen und trifft nicht einmal für Luft zu, wie der gerichtliche Sachverständige zur Überzeugung des Senats bekundet hat. Auf dieser Grundlage begründet die Vorgabe der Atmosphäre im verteidigten Patentanspruch 1 eine erfinderische Leistung nicht.
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Den übrigen hierzu ins Spiel gebrachten Argumenten kommt demgegenüber allenfalls bestätigender Charakter zu. So könnte verschiedenen Entgegenhaltungen , die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken (insbesondere den Aufsätzen von Steffey et al., Nitrous Oxide Intensifies the Pulmonary Arterial Pressure Response to Venous Injection of Carbon Dioxide in the Dog, Anesthesiology 1980, 52 - 55 [Anl. E 17], Moore/Braselton, Injections of Air and of Carbon Dioxide into a Pulmonary Vein, Ann. Surg. 1940, 212 [Anl. E18] und Graff et al., Gas Embolism: A Comparative Study of Air and Carbon Dioxide as Embolic Agents in the Systemic Venous System, An. J. Obst. & Gynec. 1959, 259 [Anl. E 19] sowie dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Aufsatz von Hess, Digitale Subtraktionsarteriographie mit Kohlen- dioxid …, in Fortschr. Röntgenstr. 1990, 233 [Anl. D 4]) allenfalls - wenn man dem gerichtlichen Sachverständigen nicht folgen wollte - entnommen werden, dass gegen stickstoffhaltige Atmosphären wegen deren geringerer Bioverträglichkeit (die etwa auch aus Phänomenen wie der "Taucherkrankheit" bekannt ist), in Fachkreisen Bedenken bestehen konnten. Die Beklagte hat zudem selbst darauf hingewiesen, dass der Einsatz einer stickstoffhaltigen Atmosphäre in Patientenkreisen wegen möglicher Assoziationen etwa mit Erscheinungen nach Art einer Luftembolie auf Vorbehalte stoßen konnte. Unterstellt man das eine oder das andere hiervon als zutreffend, musste dies für den Fachmann ein Anlass dafür sein, die Verwendung von Stickstoff einzuschränken, wenn nicht zu vermeiden, und böte damit einen zusätzlichen Anreiz dahin, mit Gasen zu arbeiten, die keinen Stickstoff enthalten.
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3. Bei der Herstellung des Schaums in einem Behälter, der steril und luftdicht ist, handelt es sich um eine geläufige Anordnung zur Herstellung pharmazeutischer Produkte, für die Sterilität und Luftabschluss immer wünschenswert sind und etwa nach der deutschen Patentschrift 34 17 182 (Anl. K11) schon praktiziert wurde; bei der dort beschriebenen Zwillingsspritze zur Schaumbereitung handelt es sich ersichtlich um einen sterilen und luftdichten Behälter, wie dies auch der gerichtliche Sachverständige - von den Parteien nicht angegriffen - bestätigt hat.
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4. Auch eine Zusammenschau der verschiedenen Merkmale zeigt nichts, was eine erfinderische Tätigkeit zu stützen geeignet wäre.
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IV. 1. Der verteidigte Patentanspruch 4 enthält nicht mehr als einen - noch dazu relativ weiten - Wertebereich, in dem ein Mikroschaum der gewünschten Konsistenz erhalten werden kann. Diese Werte zu bestimmen, be- durfte es, wie auch der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, nur weniger und einfacher Versuche.
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2. Ein eigenständiger erfinderischer Gehalt der verteidigten Unteransprüche ist weder geltend gemacht noch sonst für den Senat ersichtlich.
31
V. 1. Die Lehre des verteidigten Patentanspruchs 14 unterscheidet sich grundsätzlich nicht von dem von Flückiger (Anl. K1) beschriebenen Verfahren. Flückiger diskutiert auch schon seine Anwendung bei sehr großen Venen, sagt dazu allerdings aus, dass er dem Patienten eine kombinierte Behandlung vorschlage. Schon daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass die Verwendung des Mikroschaums ohne Operation bereits angedacht und damit naheliegend war. Auch Sigg (Neue Gesichtspunkte zur Technik der Varizenbehandlung, Therapeutische Umschau 1949, 127 ff., Anl. K12) hat bereits großkalibrige Varizen nur mit Flüssigkeitsverödung behandelt (so Parteigutachten Prof. M. , S. 19). Dies bei der Schaumverödung ebenso zu machen, bedurfte keiner erfinderischen Tätigkeit. Auch wenn die therapeutischen Anweisungen, die Patentanspruch 14 enthält, als Eigenschaften des Schaums bei der Prüfung der Schutzfähigkeit mit herangezogen werden, wie dies die Beklagte in Anspruch nimmt, enthalten sie doch nichts, was gegenüber den Entgegenhaltungen eine erfinderische Tätigkeit zu begründen geeignet wäre.
32
2. Der verteidigte Patentanspruch 15 reichert Patentanspruch 14 lediglich mit bekannten Verödungsmitteln an.
33
3. Der verteidigte Patentanspruch 16 ergänzt den verteidigten Patentanspruch 14 dadurch, dass er das von dem injizierbaren Mikroschaum umfasste Gas näher als Sauerstoff oder ein Sauerstoff-Kohlendioxid-Gemisch definiert.
Hierzu gelten die zum verteidigten Patentanspruch 1 genannten Gesichtspunkte gleichermaßen.
34
VI. Die hilfsweise verteidigten Patentansprüche des Patents in seiner erteilten Fassung enthalten nichts über die verteidigten Patentansprüche Hinausgehendes ; sie können daher nicht zu einer für die Patentinhaberin günstigeren, abweichenden Beurteilung der Patentfähigkeit führen.
35
VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 97 ZPO.
Scharen Keukenschrijver Ambrosius
Asendorf Mühlens
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 04.02.2003 - 3 Ni 35/01 (EU) -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 81


(1) Das Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats oder wegen Erteilung oder Rücknahme der Zwangslizenz oder wegen der Anpassung der durch Urteil festgesetzten Vergütung für eine Zwangslizenz wird dur

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 149/01 Verkündet am:
14. September 2004
Groß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
elektronisches Modul
PatG (1981) §§ 81 ff., 110 ff.
Ein Gegenstand, der durch das erteilte Patent zwar offenbart, von ihm aber
nicht geschützt ist, kann im Patentnichtigkeitsverfahren nicht nachträglich in das
Patent einbezogen und unter Schutz gestellt werden.
BGH, Urt. v. 14. September 2004 - X ZR 149/01 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Melullis, den Richter Keukenschrijver, die Richterinnen Ambrosius und
Mühlens und den Richter Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin, die im übrigen zurückgewiesen wird, wird das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 15. März 2001 abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt: Das europäische Patent 0 674 828 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Patentansprüche 1-5 dadurch teilweise für nichtig erklärt , daß an die Stelle des Patentanspruchs 1 in seiner erteilten Fassung folgender Patentanspruch 1 tritt, die Patentansprüche 2 und 3 entfallen und die Patentansprüche 4 und 5 auf den neuen Patentanspruch 1 rückbezogen werden: "1. Elektronisches Modul, insbesondere Speichermodul, das an zwei gegenüberliegenden Seiten jeweils eine Leiste (16, 17) aufweist zur Aufnahme und Halterung des Moduls in dazu korrespondierenden Nuten (26) zweier U-förmiger Schienen eines Kunststoffträgers, mit einem Kunststoffrahmen (1), der eine bestückte Leiterplatte (2) aufnimmt und der an seiner Ober- und Unterseite eine elektrisch leitende Abdeckung (7, 8) trägt, welche sich bis auf die Leisten (16, 17) erstreckt, wobei - auf beiden Seiten eine Abdeckung (7, 8) vorhanden ist und - der Kunststoffrahmen (1) im Umfangsbereich Ausnehmungen (10) aufweist, in welche rechtwinklig abgebogene Laschen (11, 18) der beiden Abdeckungen (7, 8) hineinragen und auf Grund Federkraft aneinanderliegen und so eine elektrische Verbindung zwischen den Abdeckungen (7, 8) herstellen und - der Kunststoffrahmen (1) im Umfangsbereich weitere Ausnehmungen (10) aufweist, die derart ausgebildet sind, daß sie mit hineinragenden Haken (12) der Abdeckungen eine Rastverbindung eingehen." Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin ein Viertel, die Beklagte drei Viertel.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Gebrauchsmusteranmeldungen 92 17 265 und 92 17 302 vom 17. Dezember 1992 am 8. Dezember 1993 international angemeldeten , mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 674 828 (Streitpatents). Das in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlichte Streitpatent betrifft eine "Vorrichtung mit einem Kunststoffträger zur Aufnahme und Halterung eines elektronischen Moduls" und umfaßt 14 Patentansprüche. Die allein angegriffenen Patentansprüche 1 bis 5 haben folgenden Wortlaut: "1. Elektronisches Modul, insbesondere Speichermodul, das an zwei gegenüberliegenden Seiten jeweils eine Leiste (16, 17)

aufweist zur Aufnahme und Halterung des Moduls in dazu korrespondierenden Nuten (26) zweier U-förmiger Schienen eines Kunststoffträgers, mit einem Kunststoffrahmen (1), der eine bestückte Leiterplatte (2) aufnimmt und der an seiner Oberund /oder Unterseite eine elektrisch leitende Abdeckung (7, 8) trägt, welche sich bis auf die Leisten (16, 17) erstreckt. 2. Elektronisches Modul nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet , - daß auf beiden Seiten eine Abdeckung (7, 8) vorhanden ist und - daß der Kunststoffrahmen (1) im Umfangsbereich Ausnehmungen (10) aufweist, in welche rechtwinklig abgebogene Laschen (11, 18) der beiden Abdeckungen (7, 8) hineinragen und eine elektrische Verbindung zwischen den Abdekkungen (7, 8) herstellen. 3. Elektronisches Modul nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet , - daß der Kunststoffrahmen (1) im Umfangsbereich weitere Ausnehmungen (10) aufweist, die derart ausgebildet sind, daß sie mit hineinragenden Haken (12) der Abdeckungen eine Rastverbindung eingehen. 4. Elektronisches Modul nach Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet , - daß die Rastverbindung unlösbar ist. 5. Elektronisches Modul nach einem der Ansprüche 2 bis 4, dadurch gekennzeichnet, - daß die beiden Abdeckungen (7, 8) identisch sind." Die Klägerin hat geltend gemacht, daß der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 5 des Streitpatents gegenüber dem Stand der Technik, wie ihn insbesondere die Veröffentlichungen der europäischen Patentanmeldungen 0 417 648 A2 (K3), 0 459 044 A1 (K4), zwei Datenblätter von Mitsubishi K.K. (K5 und K6), eine Veröffentlichung in „Elektronik“ vom 17./19. August 1988, S. 42/43 (K7) und ein Beitrag von Cathérine Gross in „Electronique“ Nr. 21, Oktober 1992, S. 80 bis 82, sowie von der Mitsubishi Electric Corporation 1991 gefertigte IC-Cards bildeten, nicht patentfähig sei. Sie hat beantragt, das Streit-

patent im Umfang seiner Patentansprüche 1 bis 5 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat Patentanspruch 1 des Streitpatents in einer eingeschränkten Fassung verteidigt, bei der der letzte Satzteil folgende Fassung erhalten sollte:
"welche sichzur elektrischen Kontaktierung eines Bezugspotentials bis auf die Leisten (16, 17) erstreckt", und auf die sich die Patentansprüche 2 bis 5 bei unverändertem Wortlaut zurückbeziehen sollen, und im übrigen die Abweisung der Klage begehrt.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent entsprechend der eingeschränkten Verteidigung der Beklagten teilweise für nichtig erklärt und die Klage im übrigen abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die weiterhin die Nichtigerklärung des Streitpatents für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Patentansprüche 1 bis 5 begehrt. Zusätzlich stützt sich die Klägerin u.a. auf den PCMCIA PC Card Standard Release (November 1992; K11), die US-Patentschrift 4 955 817 (K12), die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 406 610 A2 (K13) sowie verschiedene Datenblätter (K14-K16).
Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel nur insoweit entgegen, als sie das Streitpatent mit weiter eingeschränkten Patentansprüchen verteidigt, und zwar mit Patentansprüchen 1 bis 8 nach Hauptantrag, hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 7 nach Hilfsantrag 1 und Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2,

auf den sich, wie sie in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, die erteilten Patentansprüche 4 und 5 zurückbeziehen sollen.
Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:
"1. Vorrichtung mit einem Kunststoffträger und mit einem elektronischen Modul, insbesondere mit einem Speichermodul, das an zwei gegenüberliegenden Seiten jeweils eine Leiste (16, 17) aufweist zur Aufnahme und Halterung des elektronischen Moduls in dazu korrespondierenden Nuten (28) zweier U-förmiger Schienen des Kunststoffträgers,
- wobei das elektronische Modul einen Kunststoffrahmen (1) aufweist, der eine bestückte Leiterplatte (2) aufnimmt und der an seiner Ober- und Unterseite eine elektrisch leitende Abdeckung (7, 8) trägt, welches sich bis auf die Leisten (16, 17) erstreckt,
- wobei im Kunststoffträger zur Aufnahme und Halterung des Moduls zwei elektrisch leitende Blattfedern (29, 30, 31, 32) auf den Innenseiten der Schenkel mindestens einer Uförmigen Schiene (37, 38) des Kunststoffträgers einander gegenüberliegend angeordnet sind zur Kontaktierung der Abdeckungen (7, 8) des Moduls im Bereich der Leiste (16, 17) und
- wobei die Blattfedern (29, 30, 31, 32) an mindestens einem Ende durch ein das Joch der Nut in der U-förmigen Schiene übergreifendes Teil (33, 34) miteinander verbunden und mit

mindestens einer Fahne (47, 48) zur elektrischen Verbindung mit einem Bezugspotential versehen sind und
- wobei die Schienen (26, 38, 27, 37) zweigeteilt sind und daß das Schienenanfangsteil (20) in dem Schienenendeteil (21), das einen Steckverbinder für das elektronische Modul aufweist , durch eine lösbare Rastverbindung befestigt ist."
Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet:
"1. Vorrichtung mit einem Kunststoffträger und mit einem elektronischen Modul, insbesondere mit einem Speichermodul, das an zwei gegenüberliegenden Seiten jeweils eine Leiste (16, 17) aufweist zur Aufnahme und Halterung des elektronischen Moduls in dazu korrespondierenden Nuten (28) zweier U-förmiger Schienen des Kunststoffträgers,
- wobei das elektronische Modul einen Kunststoffrahmen (1) aufweist, der eine bestückte Leiterplatte (2) aufnimmt und der an seiner Ober- und Unterseite eine elektrisch leitende Abdeckung (7, 8) trägt, welches sich bis auf die Leisten (16, 17) erstreckt,
- wobei im Kunststoffträger zur Aufnahme und Halterung des Moduls zwei elektrisch leitende Blattfedern (29, 30, 31, 32) auf den Innenseiten der Schenkel mindestens einer U-förmigen Schiene (37, 38) des Kunststoffträgers einander gegenüberliegend angeordnet sind zur Kontaktierung der Abdeckungen (7, 8) des Moduls im Bereich der Leiste (16, 17) und

- wobei die Blattfedern (29, 30, 31, 32) an mindestens einem Ende durch ein das Joch der Nut in der U-förmigen Schiene übergreifendes Teil (33, 34) miteinander verbunden und mit mindestens einer Fahne (47, 48) zur elektrischen Verbindung mit einem Bezugspotential versehen sind und
- wobei eine Fahne (47, 48) als Fortsatz am Ende einer Blattfeder (30, 32) ausgebildet ist, der um 180° gebogen a n der Außenseite des Schenkels zurückgeführt und mit einer Lasche (45, 46) versehen ist, die eine Grundplatte (44) des Kunststoffträgers im Bereich einer Bohrung zur Befestigung auf einer weiteren Leiterplatte abdeckt und
- wobei die Schienen (26, 38, 27, 37) zweigeteilt sind und daß das Schienenanfangsteil (20) in dem Schienenendeteil (21), das einen Steckverbinder für das elektronische Modul aufweist , durch eine lösbare Rastverbindung befestigt ist."
Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 lautet in der Fassung, in der ihn die Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung verfolgt hat:
"1. Elektronisches Modul, insbesondere Speichermodul, das an zwei gegenüberliegenden Seiten jeweils eine Leiste (16, 17) aufweist zur Aufnahme und Halterung des Moduls in dazu korrespondierenden Nuten (26) zweier U-förmiger Schienen eines Kunststoffträgers, mit einem Kunststoffrahmen (1), der eine bestückte Leiterplatte (2) aufnimmt und der an seiner Ober- und Unterseite eine elektrisch leitende Abdeckung (7, 8) trägt, welche sich bis auf die Leisten (16, 17) erstreckt, wobei - auf beiden Seiten eine Abdeckung (7, 8) vorhanden ist und - der Kunststoffrahmen (1) im Umfangsbereich Ausnehmungen (10) aufweist, in welche rechtwinklig abgebogene La-

schen (11, 18) der beiden Abdeckungen (7, 8) hineinragen und auf Grund Federkraft aneinanderliegen und so eine elektrische Verbindung zwischen den Abdeckungen (7, 8) herstellen und - der Kunststoffrahmen (1) im Umfangsbereich weitere Ausnehmungen (10) aufweist, die derart ausgebildet sind, daß sie mit hineinragenden Haken (12) der Abdeckungen eine Rastverbindung eingehen." Im Auftrag des Senats hat Professor Dr.-Ing. G. R. ,
ein schriftliches , Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur weitergehenden Teilnichtigerklärung des Streitpatents, nämlich in dem Umfang, in dem die Patentansprüche 1-5 über die Fassung gemäß Hilfsantrag 2 der Beklagten hinausgehen.
I. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent nur mit diesem Hilfsantrag im Umfang der allein angegriffenen Patentansprüche 1-5 in zulässiger Weise.
1. In den Fassungen des erteilten Patents und des angefochtenen Urteils verteidigt die Beklagte die angegriffenen Patentansprüche des Streitpatents nicht mehr. An ihre abweichende Verteidigung in erster Instanz ist sie im Berufungsverfahren nicht gebunden (Sen.Urt. v. 17.2.2004 - X ZR 48/00, GRUR 2004, 583 - Tintenstandsdetektor, für die Berufung des Patentinhabers; v. 4.5.1995 - X ZR 29/93, GRUR 1996, 757, 758 - Zahnkranzfräser; st. Rspr.).

2. In den Fassungen, in denen sie diese Patentansprüche nach Hauptantrag und nach Hilfsantrag 1 verteidigen will, kann sie dies allerdings nicht tun, da sie hierdurch den Nichtigkeitsgrund der Erweiterung des Schutzbereichs des Streitpatents (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 4 IntPatÜG; Art. 138 Abs. 1 Buchst. d EPÜ) schaffen würde (vgl. u.a. Sen. Urt. v. 12.11.1996 - X ZR 103/94, bei Bausch, Nichtigkeitsrechtsprechung in Patentsachen, BGH 1994-1998, 378, 383 - Deckengliedertor; Busse/Schwendy, PatG 6. Aufl. 2003, Rdn. 25 zu § 22 PatG mit umfassenden Nachw. in Fußn. 9; Schulte, PatG 6. Aufl. 2001 Rdn. 123 zu § 81 PatG). Die angegriffenen Patentansprüche 1-5 schützen nämlich jeweils nur elektronische Module als solche, während die Patentansprüche 6-14 "Kunststoffträger zur Aufnahme und Halterung eines elektronischen Moduls" betreffen. Der Gegenstand, für den die Patentinhaberin im Weg einer geänderten Verteidigung nach Hauptantrag und erstem Hilfsantrag Schutz haben will, ist demgegenüber eine "Vorrichtung mit einem Kunststoffträger und mit einem elektronischen Modul". Selbst wenn ein solcher Gegenstand durch das erteilte Patent offenbart werden sollte, wird er von ihm aber, da nicht in einem Patentanspruch unter Schutz gestellt, nicht geschützt. Eine nachträgliche Einbeziehung eines solchen, vom Streitpatent nicht geschützten Gegenstands in dieses ist im Patentnichtigkeitsverfahren nicht möglich. Ein Gegenstand, der durch das erteilte Patent zwar offenbart, von ihm aber nicht geschützt ist, kann im Patentnichtigkeitsverfahren nicht nachträglich in das Patent einbezogen und unter Schutz gestellt werden. Das Patentnichtigkeitsverfahren dient der Nichtigerklärung eines Patents, soweit bei ihm ein gesetzlich vorgesehener und vom Nichtigkeitskläger geltend gemachter Nichtigkeitsgrund vorliegt, und eröffnet in diesem Umfang dem Patentinhaber die in der Sache veranlaßten Verteidigungsmöglichkeiten, es dient aber nicht darüber hinaus der Gestaltung des Patents; diese Funktion ist vielmehr einzig dem Patenterteilungsverfahren zugewiesen (vgl. BGHZ 103, 262, 266 - Düngerstreuer

).



Daß das Patent im Nichtigkeitsverfahren vom Patentinhaber eingeschränkt verteidigt werden kann, rechtfertigt sich aus diesen Grundsätzen. Die Rechtsprechung hat es zugelassen, daß der einer Nichtigkeitsklage ausgesetzte Patentinhaber nur einen beschränkten Inhalt des Patents verteidigt und auf diese Weise eine Beschränkung des Prozeßstoffs herbeiführt, ohne daß er den vom Gesetz dafür an sich vorgegebenen Weg des Beschränkungsverfahrens (§ 64 PatG) beschreiten muß (BGHZ 21, 8, 11 f. - Spritzgußmaschine I; seither st. Rspr.; vgl. Benkard/Rogge, PatG 9. Aufl. § 22 Rdn. 33; Busse, PatG 6. Aufl. § 83 Rdn. 36; Schulte, PatG 6. Aufl. § 81 Rdn. 118, 143). In der Sache ist dies jedenfalls dadurch gerechtfertigt, daß ein Verlangen, im Rahmen des im Patentnichtigkeitsverfahren zur Überprüfung Stehenden ein gesondertes Beschränkungsverfahren durchzuführen, eine von der Sache nicht gebotene Erschwerung der Möglichkeiten des Patentinhabers bedeuten würde, das Patent in einem sich als schutzfähig erweisenden Umfang zu verteidigen. Das durch Richterrecht geschaffene Institut der beschränkten Verteidigung im Nichtigkeitsverfahren hat sich in der Praxis bewährt und ist aus dem Nichtigkeitsverfahren des deutschen Rechts nur mehr schwer hinwegzudenken. Die Selbstbeschränkung muß sich sachlich freilich immer in dem durch das Beschränkungsverfahren vorgegebenen Rahmen halten (vgl. BGHZ aaO - Spritzgußmaschine I), also zu einer (zulässigen) Einschränkung des Patents führen (vgl. hierzu Benkard/Schäfers aaO § 64 Rdn. 15; Busse/Schwendy aaO § 64 PatG Rdn. 32). Demgegenüber bedeutete die Zulassung der Einbeziehung vom Streitpatent nicht umfaßter Gegenstände durch eine Änd erung des Patents im Nichtigkeitsverfahren keine Einschränkung, sondern ein zugunsten des Patentinhabers korrigierendes Wiederaufgreifen des Erteilungsverfahrens, das dem deutschen Recht grundsätzlich fremd ist und deshalb selbst dann nicht in Betracht kommen kann, wenn im Einzelfall feststellbar sein sollte, daß eine Erweiterung des Schutzbereichs (ausnahmsweise) ausgeschlossen werden kann.

3. Was die Verteidigung des Streitpatents mit Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 und den auf diesen rückbezogenen Patentansprüchen 4 und 5 betrifft, handelt es sich zunächst bei der Ersetzung der Formulierung "Oberund /oder Unterseite" durch "Ober- und Unterseite" um eine Beschränkung auf eine von zwei Lösungsalternativen, die ohne weiteres zulässig ist. Bei den zusätzlich aufgenommenen Merkmalen, "wobei auf beiden Seiten eine Abdekkung vorhanden ist", "der Kunststoffrahmen im Umfangsbereich Ausnehmungen aufweist, in welche rechtwinklig abgebogene Laschen der beiden Abdekkungen hineinragen und auf Grund Federkraft aneinanderliegen und so eine elektrische Verbindung zwischen den Abdeckungen herstellen" und "der Kunststoffrahmen im Umfangsbereich weitere Ausnehmungen aufweist, die derart ausgebildet sind, daß sie mit hineinragenden Haken der Abdeckungen eine Rastverbindung eingehen", handelt es sich um solche, die sowohl in den ursprünglichen Unterlagen (Patentansprüche 2 und 3 der PCT-Anmeldung) als zur Erfindung gehörend offenbart als auch im Streitpatent in seiner erteilten Fassung (ebenfalls Patentansprüche 2 und 3) genannt sind. Ihre Aufnahme in den Patentanspruch 1 beschränkt diesen mithin in zulässiger Weise.
II. Das Streitpatent betrifft, soweit es von der Nichtigkeitsklägerin angegriffen ist, ein elektronisches Modul, bei dem es sich insbesondere um ein Speichermodul handeln kann. Nach der Beschreibung des Streitpatents sind durch elektronische Module, die in einem Kunststoffträger auf einer Leiterplatte aufgenommen werden, Systemkomponenten mit einem variablen Speicherausbau realisierbar. Dabei muß das Modul den Anforderungen an die Industrietauglichkeit genügen (vgl. Beschr. Sp. 1 Z. 9-19).
Durch das Streitpatent soll ein Modul bereitgestellt werden, das mit einfachen Mitteln eine gute elektromagnetische Verträglichkeit gewährleistet und Potentialverschiebungen zwischen dem Modul und seiner Umgebung vermeidet (Beschr. Sp. 1 Z. 20-27). Die Beschreibung des Streitpatents spricht in die-

sem Zusammenhang insbesondere die Ausgestaltung der Rastverbindungen zwischen Abdeckungen und Kunststoffrahmen, also die mechanische Verbindung , und die Ausgestaltung der Kontaktierungsstellen im Umfangsbereich der Abdeckungen, also die elektrische Verbindung, an (Beschr. Sp. 1 Z. 42-52).
III. Das elektronische Modul nach dem mit Hilfsantrag 2 in der Formulierung in der mündlichen Verhandlung verteidigten Patentanspruch 1 weist folgende Merkmale auf:
1. an zwei gegenüberliegenden Seiten jeweils eine Leiste 1.1 zur Aufnahme und Halterung des Moduls 1.2 in dazu korrespondierenden Nuten zweier Uförmiger Schienen eines Kunststoffträgers, 2. einen Kunststoffrahmen, 2.1 der eine bestückte Leiterplatte aufnimmt und 2.2 an seiner Ober- und Unterseite eine elektrisch leitende Abdeckung trägt, 2.2.1 die sich bis auf die Leisten erstreckt, 2.3 der im Umfangsbereich Ausnehmungen aufweist, 2.3.1 in die rechtwinklig abgebogene Laschen der beiden Abdeckungen hineinragen, die 2.3.2 auf Grund Federkraft aneinanderliegen und so 2.3.3 eine elektrische Verbindung zwischen den Abdeckungen herstellen, und 2.4 im Umfangsbereich weitere Ausnehmungen aufweist , 2.4.1 die derart ausgebildet sind, daß sie mit hineinragenden Haken der Abdeckungen eine Rastverbindung eingehen. Dabei ist der Verweis auf weitere Ausnehmungen (Merkmal 2.4), wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend und von den Parteien unwidersprochen ausgeführt hat, dahin zu verstehen, daß es sich gegenüber den Ausnehmungen (mit elektrischer Funktion) in Merkmal 2.3 um zusätzliche Ausnehmungen (mit mechanischer Funktion) handelt. Der gerichtliche Sachverständige hat dies weiter dahin erläutert, daß das Streitpatent

in seiner verteidigten Fassung von dem bekannten Konstruktionsprinzip der Funktionstrennung Gebrauch macht, indem es mechanische und elektrische Verbindung trennt, und dadurch - anders als bei der Integration verschiedener Funktionen in einem Element - eine optimale Anpassung des Elements an die jeweilige Funktion erlaubt.
IV. Der Gegenstand des gemäß Hilfsantrag 2 verteidigten Patentanspruchs 1 ist neu, weil im Stand der Technik ein elektronisches Modul mit seinen sämtlichen Merkmalen nicht vorbeschrieben ist (Art. 52, 54 EPÜ). Hinsichtlich des nach Hilfsantrag 2 beschränkten Patentanspruchs 1 kann der Senat nicht feststellen, daß der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit vorliegt, weil sich die Lehre dieses Patentanspruchs für den Fachmann, einen Elektronikingenieur, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben hätte (Art. 52, 56 EPÜ); dies geht zu Lasten der das Patent angreifenden Klägerin.
1. Die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 417 648 A2 beschreibt eine IC-Karte mit integrierter Schaltung, die einen Rahmen mit einer Öffnung umfaßt, die mit einer oberen und einer unteren Oberfläche ausgebildet sein kann, mit einer im Rahmen enthaltenen elektronischen Einheit und einer Platte, die die Öffnung überdeckt, wobei der Rahmen mit einer Vielzahl von Aussparungen am Rand versehen ist und die Platte eine entsprechende Zahl von elastischen Vorsprüngen (25, 26) aufweist, die sich an den Aussparungen im Rahmen entsprechenden Stellen befinden. Dabei erstreckt sich jeder der elastischen Vorsprünge, der aus einem vorspringenden Stück (25a) und aus einem durch Umbiegen des vorspringenden Stücks gebildeten Haken (25b) besteht , senkrecht zur Plattenoberfläche in vertikaler Richtung. Jede der Aussparungen (27, 28) besteht aus einem Eingangsraum und einem Bodenraum, dessen Innenwand eine Schräge bildet. Die elastischen Vorsprünge sind derart geformt , daß ihr Haken bei Einführen in die Aussparung zunächst elastisch ver-

formt wird, bis der Bodenraum erreicht wird, in dem der Haken sich elastisch zurückstellt und mit der Innenwand des Bodens in Eingriff kommt. Eine Rastverbindung entsteht dabei nicht, wie dies etwa Figur 12 zeigt:

2. Figur 1 der vorveröffentlichten europäischen Patentanmeldung 0 406 610 A2 zeigt ein elektronisches Modul, insbesondere ein Speichermodul:

Dieses Modul weist an (jeweils) zwei gegenüberliegenden Seiten jeweils eine Längsleiste des Kunststoffrahmens 5 auf, die zur Aufnahme des Moduls in dazu korrespondierende Nuten 22 zweier U-förmiger Schienen eines Steckverbinders 20 dient (Merkmale 1, 1.1 und 1.2). Dabei ist in der inneren Randfläche des Steckverbinders 20 eine Kantenführungsnut 22 vorgesehen. Die elektrische Kontaktierung erfolgt über Verbindungselemente 8, die die obere und die untere

Platte verbinden und intern mit einem Masseanschluß der Leiterplatte 2 verbunden sind (Beschr. Sp. 2 Z. 43-46). Die Figuren 2 und 3 zeigen dabei die Aufnahme einer bestückten Leiterplatte in dem Kunststoffrahmen (Merkmale 2, 2.1):

An Ober- und Unterseite ist eine metallische, d.h. elektrisch leitende Abdichtung vorgesehen, die sich - wie Figur 1 zeigt - bis auf die Längsleisten des Rahmens 5 erstreckt (Merkmale 2.2, 2.2.1).
Dagegen zeigt die Entgegenhaltung nicht das Merkmal, daß der Kunststoffrahmen im Umfangsbereich Ausnehmungen aufweist, in die die rechtwinklig abgebogenen Laschen der beiden Abdeckungen hereinragen. Damit ist die

Merkmalsgruppe 2.3 insgesamt dem Fachmann nicht nahegelegt. Auch für eine Funktionstrennung zwischen elektrischer und mechanischer Verbindung (Merkmalsgruppe 2.4) bietet die Veröffentlichung keine Anregungen. Die mechanische Verbindung als solche ist in der Veröffentlichung nicht angesprochen. Anders als beim Streitpatent steht die Abschirmung in einer elektrisch leitenden Verbindung mit dem Masseanschluß der Leiterplatte der im Abschirmungsbereich untergebrachten elektrischen Einheit.
3. Die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 459 044 A1 zeigt eine IC-Karte, bei der einerseits die Festigkeit der Verbindung der beiden Platten mit dem Rahmen erhöht ist und andererseits die mechanische Verbindung aus elektrisch leitfähigem Material hergestellt wird, wodurch mechanische und elektrische Verbindung miteinander integriert werden; vgl. Beschr. Sp. 2 Z. 15-22: "… provide an IC card in which the strength of bonding of both panels to the frame is enhanced and the necessity for the potential equalizer spring for electrically connecting both panels is eliminated so as to reduce the number of parts and to facilitate the assembly"; übersetzt: "… IC-Karte, bei der die Festigkeit der Verbindung beider Platten mit dem Rahmen erhöht ist und die Notwendigkeit der Verwendung der Potentialausgleichsfeder zum elektrischen Miteinanderverbinden der beiden Platten eliminiert ist, so daß die Zahl der Teile reduziert ist und die Montage erleichtert wird." Dies läuft der Zielsetzung einer Funktionstrennung nach dem mit Hilfsantrag 2 verteidigten Patentanspruch 1 des Streitpatents diametral entgegen.
4. Auch der Prospekt von Hosiden Electronics Co. Ltd. (K16) zeigt nur einen Sandwich-Aufbau des Moduls und keinen besonderen Aufbau des Rahmens im Sinn des hilfsweise verteidigten Patentanspruchs 1.
5. Anregungen in Richtung auf eine Funktionstrennung zwischen mechanischer und elektrischer Verbindung geben auch die übrigen Entgegenhaltun-

gen nicht. Der Fachmann kann ihnen keine Hinweise entnehmen, wie mechanische und elektrische Verbindung zueinander auszugestalten sind. Allerdings war ihm das Prinzip der Funktionstrennung, das das Modul nach dem mit Hilfsantrag 2 verteidigten Patentanspruch 1 verwirklicht, als allgemeines Konstruktionsprinzip geläufig, auch war ihm, wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt hat, bekannt, daß die Funktionstrennung eine optimale Funktionsanpassung ermöglicht. Daraus folgt jedoch noch nicht, daß der Fachmann Anlaß hatte, sich Gedanken in Richtung auf eine Entwicklung zu machen, die das Prinzip der Funktionstrennung verwirklichte. Wie etwa der europäischen Patentanmeldung 0 459 044 A1 zu entnehmen ist, wurde eine hohe Zahl von Teilen zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents durchaus als nachteilig angesehen (Beschr. Sp. 2 Z. 2-11). Das spricht gegen die Annahme, daß es für den Fachmann zum Prioritätszeitpunkt in dem Sinn naheliegend war, zur verteidigten Lösung des Streitpatents zu gelangen, daß er (im Sinn des in der Praxis insbesondere des Europäischen Patentamts entwikkelten "could-would"-Ansatzes; vgl. etwa Benkard, EPÜ, 2002, Art. 56 Rdn. 60; Kroher in Singer/Stauder, EPÜ, 2. Aufl. 2000, Art. 56 Rdn. 58 ff.) die Lösung nicht nur hätte finden können, sondern auch tatsächlich vorgeschlagen hätte.
V. Die Unteransprüche 4 und 5 werden durch ihre Rückbeziehung auf den erfolgreich verteidigten Patentanspruch 1 in der Fassung des zweiten Hilfsantrags mitgetragen.

VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit §§ 91, 92 Abs. 1, 97 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Ambrosius
Mühlens Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 199/00 Verkündet am:
30. März 2004
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und
die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, Keukenschrijver und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 5. September 2000 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte war eingetragene Inhaberin des am 24. August 1990 unter Inanspruchnahme der Priorität einer Patentanmeldung in den Vereinigten Staaten von Amerika vom 24. August 1989 angemeldeten, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 417 928 (Streitpatents ), das während des Rechtsstreits auf die M. , Inc. in S. R. umgeschrieben worden ist. Das Streitpatent betrifft "endovascular support device and method" (Einrichtung und Verfahren zur endovaskulären Abstüt-

zung) und umfaßt neun Patentansprüche. Die im Berufungsverfahren allein im Streit stehenden Patentansprüche 1 bis 8 lauten in der Verfahrenssprache Englisch :
"1. An endovascular support device suitable for implantation within a coronary or other vessel within the human body comprising a unitary member (10) configured to provide a plurality of upper and lower peaks (12, 14), the unitary member being capable of being compressed onto the outer surface of a catheter for delivery to an affected area of a vessel and then expanded by inflation of the catheter to maintain the affected area of a vessel at a diameter larger than if the support device were not implanted , characterised in that the unitary member is of wire-like material and has no joints. 2. The device of claim 1 wherein the wire-like material is surgical stainless steel. 3. The device of claim 2 wherein the stainless steel is plated with platinum. 4. The device of claim 1, 2, or 3 wherein the number of peaks is between 3 and 10. 5. The device of claim 4, wherein the number of peaks is four. 6. The device according to any one of the preceding claims wherein said number comprises a plurality of N substantially straight segments (16) of wire-like material, each segment having first and second ends wherein the first end of the first segment is connected to the first end of a second segment, the second end of the second segment is connected to the second end of the third segment, the first rend of the third segment is connected to the first end of the fourth segment, and so on until the second end of the Nth segment is connected to the second end of the first segment, with no segment overlapping any other segment and the plurality of segments being capable of being compressed to a catheter for delivery to an affected area of a

vessel and then forcibly expanded to maintain the affected area of a vessel at a diameter larger than if the support device were not implanted. 7. The device of claim 6, wherein the value of N is between six and twenty. 8. The device of claim 6 or 7, wherein the plurality of segments of wire-like material are formed as a single unit and then bent to form the plurality of segments." In der deutschen Fassung der europäischen Patentschrift lauten diese Patentansprüche:
"1. Endovaskuläre Abstützvorrichtung, die für eine Implantation in ein Koronar- oder anderes Blutgefäß im menschlichen Körper geeignet ist, aus einem einheitlichen Bauteil (10) besteht, das so ausgelegt ist, daß es mehrere obere und untere Spitzen (12, 14) aufweist, wobei das einheitliche Bauteil auf der äußeren Oberfläche eines Katheters zusammengedrückt werden kann, um zu einem betroffenen Bereich eines Blutgefäßes befördert zu werden, und dann durch Aufpumpen des Katheters aufgeweitet werden kann, um den betroffenen Bereich eines Blutgefäßes auf einem Durchmesser zu halten, der größer ist, als wenn die Abstützvorrichtung nicht implantiert worden wäre, dadurch gekennzeichnet, daß das einheitliche Bauteil aus drahtähnlichem Material besteht und keine Fugen aufweist. 2. Vorrichtung nach Anspruch 1, wobei das drahtähnliche Material ein chirurgischer rostfreier Stahl ist. 3. Vorrichtung nach Anspruch 2, wobei der rostfreie Stahl mit Platin beschichtet ist. 4. Vorrichtung nach Anspruch 1, 2 oder 3, wobei die Anzahl der Spitzen zwischen 3 und 10 liegt.

5. Vorrichtung nach Anspruch 4, wobei die Anzahl der Spitzen vier beträgt. 6. Vorrichtung nach irgendeinem der vorhergehenden Ansprüche, wobei das Bauteil mehrere, nämlich N, im wesentlichen gerade Segmente (16) aus drahtähnlichem Material aufweist, jedes Segment erste und zweite Enden besitzt, wobei das erste Ende des ersten Segments mit dem ersten Ende eines zweiten Segments verbunden ist, das zweite Ende des zweiten Segments mit dem zweiten Ende des dritten Segments verbunden ist, das erste Ende des dritten Segments mit dem ersten Ende des vierten Segments verbunden ist, und so weiter, bis das zweite Ende des Nten Segments mit dem zweiten Ende des ersten Segments verbunden ist, wobei sich kein Segment mit irgendeinem anderen Segment überschneidet und die mehreren Segmente auf einem Katheter zusammengedrückt werden können, um zu einem betroffenen Bereich eines Blutgefäßes befördert und dann gewaltsam aufgeweitet zu werden, um den betroffenen Bereich eines Blutgefäßes auf einem Durchmesser zu halten, der größer ist, als wenn die Abstützvorrichtung nicht implantiert worden wäre. 7. Vorrichtung nach Anspruch 6, wobei der Wert N zwischen sechs und zwanzig liegt. 8. Vorrichtung nach Anspruch 6 oder 7, wobei die mehreren Segmente aus drahtähnlichem Material als einzelne Einheit geformt und dann gebogen sind, um die mehreren Segmente zu bilden." Die Klägerinnen haben mit ihren vor dem Bundespatentgericht verbundenen Klagen geltend gemacht, daß das Streitpatent gegenüber dem Stand der Technik, wie ihn insbesondere die US-Patentschriften 4 733 665, 4 214 587, 4 800 882 sowie die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 177 330 und der Aufsatz von Josef Rösch u.a., Experimental Intrahepatic Portacaval Anastomosis: Use of Expandable Gianturco Stents, Radiology 1987, 481 - 485, bildeten, nicht patentfähig sei. Die Klägerin zu 2 hat zu-

dem unzulässige Erweiterung und mangelnde Ausführbarkeit geltend gemacht. Die Klägerinnen haben beantragt, das Streitpatent im Umfang seiner Patentansprüche 1 bis 7 (Klägerin zu 1) bzw. 1 bis 8 (Klägerin zu 2) mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.
Die Beklagte hat in erster Linie beantragt, die Klage abzuweisen; hilfsweise hat sie sich mit einem eingeschränkten Patentanspruch 1 verteidigt, an den die Worte "the peaks (12, 14) being rounded with a diameter of curvature greater than the diameter of the wire-like material" angefügt werden sollen.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang seiner Patentansprüche 1 bis 8 für nichtig erklärt.
Mit ihrer Berufung verteidigt die Beklagte das Streitpatent in seiner erteilten Fassung, hilfsweise in seiner vor dem Bundespatentgericht hilfsweise verteidigten Fassung. Sie macht außerdem einen eigenständigen erfinderischen Gehalt des Gegenstands des Patentanspruchs 6 geltend. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen und verteidigen das angefochtene Urteil.
Im Auftrag des Senats hat der Sachverständige für Medizintechnik Dipl.-Ing. Dr. med. H. H. , W. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat eine schriftliche Stellungnahme von Prof. Dr. med. C. H. , , Abteilung Kardiologie, in B. N. , vorgelegt.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg; der Wechsel der Rechtsinhaberschaft am Streitpatent während des laufenden Verfahrens ist auf den Verfahrensgang ohne Einfluß (§ 99 Abs. 1 PatG i.V.m. § 265 ZPO; BGHZ 117, 144, 146 - Tauchcomputer). Das Bundespatentgericht hat zu Recht das Streitpatent in dem Umfang, in dem es angegriffen ist, für nichtig erklärt. Daß die Klägerin zu 1 Patentanspruch 8 des Streitpatents nicht angegriffen hat, steht wegen der Gestaltungswirkung der Nichtigerklärung (vgl. Benkard/Rogge, PatG, 9. Aufl. 1993, § 84 PatG Rdn. 5; Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, § 84 PatG Rdn. 41) dem Nichtigkeitsausspruch auch hinsichtlich dieses Patentanspruchs insgesamt - und nicht nur im Verhältnis zur Klägerin zu 2 - nicht entgegen.
I. 1. Das Streitpatent betrifft, soweit es mit den Nichtigkeitsklagen angegriffen ist, eine medizinische Vorrichtung zur Behandlung der Verengung koronarer oder peripherer menschlicher Gefäße. Die Beschreibung des Streitpatents schildert eine Anzahl von Behandlungsmethoden für koronare Herzerkrankungen als bekannt, darunter die perkutane transluminale Koronarangioplastie , bei der das Lumen der betroffenen Koronararterie durch radiale hydraulische Expansion erweitert werde. In einigen Fällen restenosiere das Gefäß chronisch oder erleide einen akuten Verschluß (Beschr. Sp. 1 Z. 14 - Sp. 2 Z. 19). Zur Verminderung der Restenosegefahr seien verschiedene Vorrichtungen zum mechanischen Offenhalten des geschädigten Gefäßes vorgeschlagen worden. Derartige allgemein als Stents bezeichnete Vorrichtungen würden typischerweise in das Gefäß eingeführt, über die Läsion hinweg positioniert und dann expandiert (Beschr. Sp. 2 Z. 20 - 31). Das Streitpatent beschreibt sodann

einen Stent mit einem Rohr aus Edelstahlgeflecht, das während des Einsetzens längs einer Einführvorrichtung in gestreckter Form positioniert werde. Nach der Positionierung über der Läsion werde der Stent expandiert, wobei sich die Länge des Rohrs kontrahiere. Ein derartiger Stent könne ein selbstexpandierendes Edelstahldrahtgeflecht, aber auch ein durch Ballondilatation expandierbarer Metallzylinder sein; derartige Vorrichtungen seien aus den US-Patentschriften 4 733 665 und 4 776 337 bekannt ("Palmaz-Stent"). Auch sei eine wärmeexpandierbare Vorrichtung vorgeschlagen worden. Bei dem Palmaz-Stent habe der Edelstahlzylinder eine Anzahl von Schlitzen in seinem Umfang, was bei Expandieren zur Ausbildung eines Gitters führe. Der Zylinder werde mittels eines Ballonkatheters in den geschädigten Bereich verbracht und dann durch Inflatieren des Ballons auf die geeignete Größe expandiert (Beschr. Sp. 2 Z. 32 - Sp. 3 Z. 11). Eine andere Form von Stents offenbare die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 0 177 330. Diese bestehe aus einem zu einer geschlossenen Zickzackkonfiguration geformten Draht, der eine endlose Reihe von durch Biegungen verbundenen geraden Abschnitten aufweise, wobei er federnd in eine kleinere erste Gestalt zusammendrückbar sei, in der die geraden Abschnitte zur Einführung in einen Durchgang nebeneinander und nahe benachbart zueinander angeordnet seien, wobei der Stent federnd in eine zweite Gestalt expandierbar sei, in der die geraden Abschnitte gegen die Wand des Durchgangs drückten und ihn offen hielten (Beschr. Sp. 3 Z. 12 - 25). Die Beschreibung stellt weiter dar, daß bei all diesen Stents erhebliche Schwierigkeiten aufgetreten seien, die zu einem niedrigen Akzeptanzgrad geführt hätten.
2. Durch das Streitpatent soll, wie dessen Beschreibung - unter Weglassung eines Lösungselements (selektive Bemeßbarkeit gemäß der durch die Läsion diktierten anatomischen Konfiguration) - angibt, ein leicht und zuverläs-

sig implantierbarer Stent zur Verfügung gestellt werden, der das Thromboserisiko minimiert.
3. Hierzu schlägt Patentanspruch 1 des Streitpatents eine für die Implantation in ein Koronar- oder anderes Blutgefäß im menschlichen Körper geeignete endovaskuläre Abstützvorrichtung vor, die
(1)
aus einem einheitlichen Bauteil besteht, das (1.1) mehrere obere und untere Spitzen aufweist, (1.2.) zur Beförderung zu einem betroffenen Teil eines Blutgefäßes auf der äußeren Oberfläche eines Katheters zusammengedrückt und (1.3) durch Aufpumpen des Katheters aufgeweitet werden kann, (1.3.1) um den betroffenen Teil des Blutgefäßes auf einem Durchmesser zu halten, der größer ist, als wenn die Abstützvorrichtung nicht implantiert worden wäre,
(2)
aus drahtähnlichem Material besteht und
(3)
keine Verbindungen ("joints") aufweist.
Dabei besteht Einigkeit zwischen den Parteien darüber und auch der gerichtliche Sachverständige hat bestätigt, daß die Übersetzung des maßgeblichen englischen Begriffs "joints" mit "Fugen" in der - nach Art. 70 EPÜ für das Verfahren nicht maßgeblichen - deutschen Fassung des Patentanspruchs 1 irreführend ist. Der gerichtliche Sachverständige hat insoweit die Übersetzung "ist nahtlos" vorgeschlagen. Dem vermag der Senat nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung nicht beizutreten. Danach hat sich ergeben, daß sich der auch in dem nicht angegriffenen Patentanspruch 9 des Streitpatents ver-

wendete Begriff "joints" in Patentanspruch 1 zum einen nicht notwendig und jedenfalls nicht allein auf die Fugen- oder Nahtlosigkeit des nach Patentanspruch 9 gebildeten toroidförmigen Körpers bezieht, für die in Patentanspruch 6 des Streitpatents der allgemeinere Begriff "is connected" (ist verbunden) verwendet wird, sondern die insbesondere aus den Figuren 1, 6a und 6b der Zeichnungen ersichtliche Ausgestaltung dahin betrifft, daß der unter Schutz gestellte Gegenstand überhaupt keine festen (körperlichen) Verbindungen etwa an (im Streitpatent nicht beschriebenen) Kreuzungsstellen oder sonstige Verbindungsteile aufweist. Figur 1 zeigt dies wie folgt:

Auf der anderen Seite sind - wie es schon das allgemeine Verständnis des Begriffs "joints" im Sinn von Verbindung, Nahtstelle, Fuge oder Gelenk nahelegt - die in Patentanspruch 6 angesprochenen Fälle des bloßen SichÜberschneidens von Segmenten der Vorrichtung ohne körperliche Verbindung, für die das Streitpatent den Bergiff "overlapping" verwendet, nicht von dem Begriff "joints" erfaßt. Auch der gerichtliche Sachverständige hat bestätigt, daß für solche Überschneidungen der Begriff "crossing parts" gebräuchlich war.

II. 1. Es kann dahinstehen, ob der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinausgeht , weil er jedenfalls im Sinn der Art. 52 Abs. 1, 56 EPÜ für den Fachmann , als den der Senat in Übereinstimmung mit dem gerichtlichen Sachverständigen einen anwendungsorientierten Techniker mit Kenntnissen auf dem Gebiet biomedizinischer Werkstoffe, der sich die notwendigen medizinischen Kenntnisse durch Zusammenarbeit mit einem auf dem einschlägigen Gebiet tätigen Arzt erschließt, ansieht, durch den Stand der Technik nahegelegt war. Dies füllt den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ aus. Dabei bedarf es keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob dieser Gegenstand neu war.
2. a) Aus der im Jahr 1986 veröffentlichten europäischen Patentanmeldung 0 177 330 (Gianturco I) war ein selbstaufweitender endovaskulärer Stent aus Stahldraht bekannt, der aus Stahldraht besteht, der in einer geschlossenen Zickzack-Gestalt geformt ist, wobei die geraden Abschnitte durch spitzwinklige Biegestellen miteinander verbunden sind. Dies zeigt Figur 1 der Entgegenhaltung :

Der Stent ist federelastisch und kann in eine erste Gestalt zusammengedrückt werden, die Figur 4 der Entgegenhaltung zeigt. In dieser Gestalt wird der Stent in eine rohrförmige Patrone eingesetzt, die wiederum in den Adapter einer Hülse eingesetzt wird. Der Stent wird sodann durch die Hülse vorgeschoben und dehnt sich an Ort und Stelle durch das Zurückziehen der Hülse aus und drückt gegen die Gefäßwand (Beschreibung Seite 8 mittlerer Absatz). Die Stents hielten im Tierversuch die Gefäße, in denen sie implantiert waren, im dilatierten Zustand offen. Die Entgegenhaltung beschreibt als klinische Anwendungen des Stents die Bekämpfung des Vena-cava-superior-Syndroms, die Aufrechterhaltung der Gefäßdurchgängigkeit nach perkutaner Ballondilatation und die Korrektur einer Gefäßstenose (Seite 11 vorletzter Absatz). Den aufgeweiteten Zustand des Gefäßes zeigt z.B. Figur 6. Weder die Beschreibung noch die Zeichnungen der Entgegenhaltung enthalten einen Hinweis auf Verbindungen ("joints") im vorstehend erläuterten Sinn; der Fachmann kann der Darstellung deshalb entnehmen, daß solche Verbindungen fehlen. Anders als nach dem Streitpatent findet sich in der Entgegenhaltung kein Hinweis auf eine

Aufweitung durch Aufpumpen im Sinn einer Ballondilatation, vielmehr handelt es sich ersichtlich um selbstexpandierendes Material. Damit beschreibt diese Veröffentlichung eine Vorrichtung, die die Merkmale (1), (1.1), (1.2), (1.3.1) und (3) des Streitpatents aufweist und sich von Merkmal (2) nur durch die Verwendung von Draht und nicht von drahtähnlichem Material unterscheidet. Nicht verwirklicht ist demgegenüber das die Art und Weise der Aufweitung betreffende Merkmal (1.3).

b) Der nur wenige Monate nach der Veröffentlichung dieser europäischen Patentanmeldung erschienene Aufsatz von Rösch u.a. beschreibt die experimentelle Verwendung von solchen selbstaufweitenden Gianturco-Stents des Herstellers C. Inc., B. (Indiana), der Anmelderin der europäischen Patentanmeldung, in Gefäßen der Leber von Schweinen. Dabei wurden mehrere bereits freigesetzte und selbstexpandierte Stents weiter mit einem Angioplastieballon aufgeweitet. Die Diskussion der Versuchsergebnisse stellt die gute Eignung des Gianturco-Stents heraus und verweist auf die Bedeutung einer (zusätzlichen) Ballonaufweitung des Stents nach dessen Positionierung für das Erreichen einer guten Durchgängigkeit in bestimmten näher beschriebenen Fällen; die intrinsische Expansionsspannung des Stents habe nicht hinreichend Kraft besessen, ihm im Lebertrakt ein ausreichendes Lumen zu öffnen. Damit ist die Verwendung eines selbstaufweitenden Gianturco-Stents in einer Weise beschrieben, wie dies Merkmal (1.3) des Patentanspruchs 1 des Streitpatents vorsieht. Eine Einschränkung der Lehre dieses Patentanspruchs dahin, daß nicht mit selbstexpandierenden Stents gearbeitet werden solle, ist dem Streitpatent nicht zu entnehmen. Eine Zusammenschau der europäischen Patentanmeldung 0 177 330 und der Veröffentlichung von Rösch u.a. offenbart daher den Gegenstand des Streitpatents in vollständiger Weise. Zu einer solchen Zu-

sammenschau hatte der Fachmann auch allen Anlaß, weil der Aufsatz von Rösch u.a. die Verwendung eines Stents nach der europäischen Patentanmeldung beschreibt. Dieses Ergebnis deckt sich mit der den Senat überzeugenden und von der beklagten Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung nicht ernsthaft angegriffenen Äußerung des gerichtlichen Sachve rständigen, daß zum Prioritätszeitpunkt des Streitpatents keine Vorbehalte gegen eine zusammenschauende Betrachtung der verschiedenen Entwicklungen auf dem Gebiet der Stents bestanden und daß es insoweit mehrere Übersichtsveröffentlichungen gab. Auch der Aufsatz von Rösch u.a. diskutiert die Verwendung von ballonaufweitbaren Stents (Palmaz; vgl. die US-Patentschrift 4 733 665) und von selbstexpandierenden Stents (Gianturco) gemeinsam. Demnach können Vorbehalte der Fachwelt, beide Arten von Stents nebeneinander zu beurteilen, ausgeschlossen werden. Es kommt hinzu, daß nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Stents zur Aufrechterhaltung von Körperöffnungen wie der blutführenden Gefäße im Prioritätszeitpunkt des Streitpatents Gegenstand intensiver Forschungen waren, mit denen auch bis dahin nicht befriedigenden Ergebnissen entgegengewirkt werden sollte. Im Rahmen dieser Forschungen hatten die beteiligten Fachleute umfassend den bisher erzielten Ergebnissen bei allen Alternativen der Aufrechterhaltung der Größe des Lumens durch Implantate Aufmerksamkeit geschenkt. Der bereits angeführte Aufsatz von Rösch u.a. bestätigt diese Einschätzung des gerichtlichen Sachverständigen. Der Fachmann hatte deshalb Anlaß, die Lehren beider Entgegenhaltungen zu kombinieren, und gelangte auf diese Weise jedenfalls in naheliegender Weise zum Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents.

III. Einen eigenständigen erfinderischen Gehalt der Patentansprüche 2 bis 5 des Streitpatents hat die Patentinhaberin nicht geltend gemacht. Für einen solchen haben sich in der mündlichen Verhandlung auch keine Anhaltspunkte ergeben.
IV. Patentanspruch 6 des Streitpatents entspricht dem in Figur 1 dargestellten Ausführungsbeispiel. Die Ausgestaltung der Vorrichtung entspricht der in der europäischen Patentanmeldung (Fig. 1), wobei dort die Zahl der Segmente N nach Patentanspruch 6 des Streitpatents 10 beträgt. Wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt hat, kommt es auch bei dem in Figur 1 der europäischen Patentanmeldung dargestellten Stent nicht zur Ausbildung von Verbindungen ("joints"), wie sie das Streitpatent ausschließt, wohl aber zu Überschneidungen im Sinn von Patentanspruch 6 des Streitpatents. Damit weist Patentanspruch 6 gegenüber der Zusammenschau der europäischen Patentanmeldung und des Aufsatzes von Rösch u.a. jedenfalls keinen erfinderischen Überschuß aus.
V. Für die Patentansprüche 7 und 8 des Streitpatents, die dessen Patentanspruch 6 weiter ausbilden, ist ein selbständiger erfinderischer Gehalt ebenfalls weder geltend gemacht noch erkennbar.
VI. Die hilfsweise verteidigte Fassung des Patentanspruchs fügt diesem die weitere Merkmalsgruppe hinzu
(4)
daß die Spitzen gerundet sind (4.1) mit einem Krümmungsdurchmesser, der größer ist als der Durchmesser des drahtähnlichen Materials.

Es kann dahinstehen, ob die Aufnahme dieses lediglich in den Zeichnungen offenbarten Merkmals zur Verteidigung des Streitpatents zulässig ist (vgl. zum Streitstand Busse, aaO, § 34 PatG Rdn. 248 m.w.N.; Schulte, PatG, 6. Aufl. 2001, § 34 Rdn. 281 ff.; Benkard/Schäfers, aaO, § 35 Rdn. 30; vgl. schon zur früheren Rechtslage nach § 26 PatG 1968 Sen.Beschl. v. 17.11.1987 - X ZB 15/87, GRUR 1988, 197 - Runderneuern). Jedoch besagt die zusätzlich eingefügte Merkmalsgruppe im Ergebnis, wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung eingehend und überzeugend erläutert hat, nicht mehr als daß der Winkel zwischen den durch die Drahtschenkel an den Spitzen gebildeten Winkeln größer als 0° sein soll. Dabei handelt es sich nicht um mehr als eine Trivialität, die erfinderische Tätigkeit nicht begründen kann. (vgl. Sen.Urt. v. 24.9.2003 - X ZR 7/00, GRUR 2004, 47 - blasenfreie Gummibahn I, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen).

VII. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 ZPO.
Melullis Jestaedt Scharen
Keukenschrijver Asendorf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 93/95 Verkündet am:
26. Juli 2001
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Juli 2001 durch
den Vorsitzenden Richter Rogge, die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Dr. Melullis,
Keukenschrijver und die Richterin Mühlens

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 6. April 1995 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 155 003 (Streitpatents), das unter Inanspruchnahme der Unionspriorität von Voranmeldungen in Japan vom 15. und 27. März 1984 am 14. März 1985 angemeldet worden ist. Das in englischer Sprache veröffentlichte Streitpatent betrifft eine Filtereinheit zum Entfernen von Leukozyten, es umfaßt sechs Patentansprüche; Patentanspruch 1 lautet in der deutschen Übersetzung der Patentschrift:

"1. Filtereinheit zum Entfernen von Leukozyten aus einer Leukozyten enthaltenden Suspension, enthaltend einen Behälter (1), der mit mindestens einer Einleitungs-Einrichtung (7) und mindestens einer Ableitungs-Einrichtung (8) versehen ist, wobei der Behälter (1) ein Hauptfilter (6) aufweist, welches in den Behälter in Form eines Vliesstoffes gepackt ist, das Fasern mit ei- nem durchschnittlichen Durchmesser x von 0,3 µm bis weniger als 3 µm umfaßt und eine Schüttdichte D von 0,01 g/cm³ bis 0,7 g/cm³ hat und in dem der durchschnittliche Abstand y zwischen zwei benachbarten Fasern, der durch die nachstehende Gleichung (1) definiert ist, von 0,5 µm bis 7,0 µm beträgt:

(1)

æ p r ö y = xç · - 1 ÷ è 2 3 D ø
worin y der durchschnittliche Abstand zwischen zwei benachbarten Fasern in Mikron (µm) ist, x der durchschnittliche Faserdurchmesser in Mikron (µm) ist, r die Dichte der Fasern in g/cm³ bedeutet, D die Schüttdichte des Filters in g/cm³ ist und p die Kreiskonstante darstellt."
Wegen der englischen Fassung dieses Patentanspruchs und wegen der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprü-
che 2 bis 6 in der Fassung der Verfahrenssprache und in ihrer deutschen Übersetzung wird auf die Patentschrift verwiesen.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents sei gegenüber dem Stand der Technik nicht patentfähig , und zwar nicht neu, jedenfalls beruhe er aber nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Die Beklagte hat das Streitpatent unter Aufnahme zusätzlicher Merkmale in den Patentanspruch 1 verteidigt.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.
Die beklagte Patentinhaberin verfolgt mit ihrer Berufung ihren Antrag auf Klageabweisung in dem Umfang weiter, in dem sie das Streitpatent in der Berufungsinstanz verteidigt. Danach soll in Patentanspruch 1 der oben in Kursiv gesetzte Satzteil folgende Fassung erhalten:
"der aus Fasern mit einem durchschnittlichen Durchmesser x von 0,3 µm bis weniger als 3 µm besteht und eine Schüttdichte D von 0,15 g/cm³ bis 0,5 g/cm³ hat",
und am Ende dieses Patentanspruchs sollen die Worte:
"wobei die Fasern des Hauptfilters nicht Glasfasern sind"
angefügt werden. Die Patentansprüche 2 bis 6 sollen sich auf den so gefaßten Patentanspruch 1 zurückbeziehen.
Hilfsweise verteidigt die Beklagte das Streitpatent als Verwendungspatent zum Entfernen von Leukozyten aus einer Leukozyten enthaltenen Suspension.
Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat das Europäische Patentamt gemäß Art. 25 EPÜ ein schriftliches Gutachten erstellt, das in der mündlichen Verhandlung durch den Hauptprüfer beim Europäischen Patentamt Dipl.-Ing. S. J. ergänzt und erläutert worden ist.
Die Beklagte hat schriftliche Gutachten von Professor Dr. med. E. S. sowie von Professor Dr.-Ing. T. M. vorgelegt. Die Klägerin hat ein schriftliches Gutachten von Professor Dr. med. Dr.-Ing. H. K. überreicht.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
I. Soweit die Patentinhaberin das Streitpatent in durch die ursprüngliche Offenbarung und das erteilte Patent gedeckter Weise nur noch beschränkt durch weitere Begrenzung des für die Schüttdichte beanspruchten Bereichs, durch Ausschluû anderer Bestandteile als der genannten Fasern für den Vliesstoff und durch Ausschluû von Glasfasern als Fasern für das Hauptfilter verteidigt , ist das Patent in dem davon nicht erfaûten Teil bereits wegen dieser auch im Nichtigkeitsverfahren zulässigen Selbstbeschränkung (vgl. BGHZ 21, 8, 10 ff. - Spritzguûmaschine I; BGHZ 110, 123, 125 f. - Spleiûkammer) für nichtig zu erklären. Dies gilt auch für die Patentansprüche 2 bis 6, soweit sie sich auf Patentanspruch 1 in der Fassung des erteilten Patents bezogen haben.
Der Zulässigkeit und Wirksamkeit der Selbstbeschränkung steht es auch nicht entgegen, daû dabei eine Bereichsangabe, nämlich die für die Schüttdichte des Vliesstoffs, in einer Weise eingegrenzt wurde, die von einer in der Beschreibung des Streitpatents als bevorzugt genannten Angabe (0,10 g/cm³ bis 0,5 g/cm³; Beschreibung S. 3 Z. 58; deutsche Übersetzung S. 8 2. Abs.) hinsichtlich der Untergrenze (verteidigt mit 0,15 g/cm³) abweicht; mangels - hier nicht erkennbarer - gegenteiliger Anhaltspunkte ist nämlich davon auszugehen, daû der Fachmann durch Grenzwerte definierte Bereiche dahin versteht, daû alle innerhalb der angegebenen Grenzen liegenden Werte erfaût sind, die Nennung der Grenzwerte somit nur eine vereinfachte Schreibweise auch für
die Zwischenwerte darstellt (BGHZ 111, 21, 27 - Crackkatalysator I; BGHZ 118, 210, 217 - Chrom-Nickel-Legierung).
Nichts anderes ergibt sich, wenn man mit den Beschwerdesenaten des Europäischen Patentamts darauf abstellt, ob der Fachmann die nunmehr beanspruchte Lehre "unter Berücksichtigung" ihres "Kontextes in der übrigen Anmeldung in der eingereichten Fassung ernsthaft als mögliche praktische Ausführungsart der beschriebenen Erfindung in Betracht zöge und nichts Gegenteiliges erwarten würde" (EPA - T 187/91, ABl. EPA 1994, 572, 581 = GRUR Int. 1994, 1036, 1038 - Lichtquelle/LELAND). Denn es liegt für den Fachmann auf der Hand, bei einer Bereichsangabe für die Schüttdichte jedenfalls eine engere Bereichseingrenzung eines bevorzugten Bereichs als praktische Ausführungsart in Betracht zu ziehen.
Es bestehen schlieûlich auch keine rechtlichen Bedenken dagegen, daû die Patentinhaberin die Beschränkung nicht in der Verfahrenssprache des Streitpatents, sondern in deutscher Sprache vorgenommen hat (vgl. BGHZ 118, 221, 222 f. - Linsenschleifmaschine; BGH, Urt. v. 07.02.1995 - X ZR 58/93, BlPMZ 1995, 322 - Isothiazolon; BGHZ 133, 79, 81 - Bogensegment; vgl. auch Rogge, GRUR 1993, 284).
II. Der Gegenstand des mit dem Hauptantrag verteidigten Patentanspruchs 1 ist nicht patentfähig (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. a, Art. 54-57 EPÜ).
1. Das Streitpatent betrifft eine Filtereinheit zum Entfernen von Leukozyten aus einer Leukozyten enthaltenden Suspension. Einleitend verweist die
Beschreibung des Streitpatents darauf, daû neuerdings anstelle von Gesamtbluttransfusionen häufig Komponentenbluttransfusionen angewandt werden, bei denen nur die für die Patienten benötigten oder gewünschten Blutbestandteile übertragen werden und zu diesem Zweck zuvor von nicht benötigten oder schädlichen Komponenten abgetrennt werden. Insbesondere seien für Erythrozytensuspensionen , die für die Erythrozytentransfusion hergestellt werden, die Leukozyten zu entfernen, die Histokompatibilitäts-Antigene enthalten könnten. Zum Entfernen der Leukozyten seien als typische Verfahren Zentrifugalverfahren , Sedimentationsverfahren und Filtrationsverfahren bekannt; die erstgenannten böten verschiedene Nachteile. Das Filtrationsverfahren, bei dem das Blut durch ein Filter geleitet werde, das aus einem Leukozyten zurückhaltenden Material bestehe, besitze den Vorteil, daû aus Blut leicht in hoher Ausbeute leukozytenarme Suspensionen erhalten werden könnten. Die bekannte konventionelle Leukozytenfiltervorrichtung, wie sie in der US-Patentschrift 4 330 410 gezeigt sei, umfasse eine Säule mit einer darin gepackten Masse von Fasern mit einem mittleren Durchmesser von 3,0 µm bis 10 µm in einer Schüttdichte von 0,02 g/cm³ bis 0,40 g/cm³; sie sei in der Lage, Leukozyten leicht und hocheffizient aus einer Erythrozytensuspension abzutrennen. Sie eigne sich jedoch nicht zur Behandlung einer nennenswerten Blutmenge.
2. Demgegenüber soll durch das Streitpatent eine Filtereinheit zum Entfernen von Leukozyten aus leukozytenhaltigen Suspensionen wie Blut durch eine einfache Operation und innerhalb einer kurzen Zeitspanne bereitgestellt werden, die Leukozyten sehr weitgehend ("mit erhöhter Reinheit") entfernen kann.
3. Hierzu gibt Patentanspruch 1 des Streitpatents in der verteidigten Fassung eine Filtereinheit zum Entfernen von Leukozyten aus einer Leukozyten enthaltenden Suspension mit folgenden Merkmalen an, wobei die Änderungen gegenüber der erteilten Fassung (in den Merkmalen 3.1, 3.2 und 3.4) durch kursive Schrift erkennbar gemacht sind:
(1)
die Filtereinheit enthält einen Behälter mit (1.1) mindestens einer Einleitungseinrichtung und (1.2) mindestens einer Ableitungsvorrichtung,
(2)
der Behälter weist ein Hauptfilter auf, das (2.1) in den Behälter gepackt ist und (2.2) aus Vliesstoff besteht.
(3)
Der Vliesstoff (3.1) umfaût (besteht aus) Fasern mit einem durchschnittlichen Durchmesser x von 0,3 µm bis weniger als 3 µm, (3.2) hat eine Schüttdichte von 0,01 (0,15) g/cm³ bis 0,7 (0,5) g/cm³, wobei (3.3) der durchschnittliche Abstand y zwischen zwei benachbarten Fasern (3.3.1) von 0,5 µm bis 7,0 µm beträgt und (3.3.2) durch die im Patentanspruch 1 enthaltene Gleichung (1) definiert wird; (3.4) die Fasern des Hauptfilters keine Glasfasern sind.
4. Zu den Merkmalen (3.1) bis (3.3.2), die die Bemessung des Vliesstoffs betreffen, sind der Beschreibung des Streitpatents weitere Erläuterungen zu entnehmen (Beschreibung S. 1 Z. 27 bis S. 3 Z. 11; in der deutschen Übersetzung S. 6 letzter Abs. bis S. 9 1. Abs.).
Für den Fall von Polyesterfasern wird die Beziehung zwischen dem mittleren Durchmesser der Fasern ("average diameter of fibers") x und der Schüttdichte ("bulk density") des Filters D in der nachstehend wiedergegebenen Figur 6 dargestellt:

Die Beschreibung des Streitpatents führt hierzu aus, das von der durchgezogenen Linie und der gestrichelten Linie umgebene Gebiet liefere die beschriebene Beziehung. In der Figur sei y der durch die Gleichung (1) definierte mittlere Abstand zwischen zwei benachbarten Fasern. Geeignete mittlere Durchmesser und Dichten der verwendeten Fasern und Schüttdichten des Vliesstoffs sollten in einem solchen Bereich ausgewählt werden, daû der durch die Gleichung (1) definierte mittlere Abstand zwischen zwei benachbarten Fasern von 0,5 µm bis 7 µm betrage. Sei dieser Abstand geringer als 0,5 µm, sei
der Durchtritt für Erythrozyten schwierig, sei er gröûer als 7 µm, müsse das Filter sehr groû ("bulky", massig, wuchtig) gemacht werden, um Leukozyten abzufangen (Beschreibung S. 4 Z. 6-11; Übersetzung S. 9 1. Abs.).
III. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in seiner verteidigten Fassung ist nicht neu, denn er war durch die Veröffentlichung der europäischen Patentanmeldung 00 84 711 (K 11) im Stand der Technik im Zeitpunkt der Anmeldung des Streitpatents bekannt.
1. Diese Veröffentlichung betrifft ein adsorbierendes Filter. Das Filter ist aus einem Faservlies hergestellt, wobei der Faserdurchmesser 0,5 µm bis 10 µm beträgt und die Schüttdichte 0,15 g/cm³ bis 0,40 g/cm³. Dies erfüllt die Merkmale 3.1 und 3.2 des verteidigten Patentanspruchs 1.
Auf die Faserdicke hat dabei die in der Entgegenhaltung K 11 zwingend vorgesehene Beschichtung der Fasern keinen Einfluû, denn diese liegt nach der unwidersprochenen letztlich überzeugenden Darstellung des von der Klägerin beauftragten Privatgutachters Prof. Dr. K. im Ångström-Bereich.
Die in der Entgegenhaltung K 11 vorgesehene Beschichtung mit einer funktionellen polymeren Substanz, von der in der Streitpatentschrift nicht die Rede ist, ist auch zum Herausfiltern von Leukozyten aus Blut geeignet. Dies gilt - wie die Privatgutachter beider Parteien, Prof. Dr. M. und Prof. Dr. K. in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend ausgeführt haben - zwar nicht für alle dort genannten Beschichtungen, aber jedenfalls für die Beschichtungen mit Polyvinylpyrrolidon (vgl. S. 2 Z. 22-31, Übers. S. 4 2. Abs.).
2. Soweit die europäische Patentanmeldung 00 84 711 (K 11) den Wert von y nicht ausdrücklich anspricht, so ergibt sich dieser zwangsläufig aus den in der Schrift enthaltenen Angaben über Faserdicke, Faserdichte und Schüttgewicht. Das Bundespatentgericht hat, wie auch der gerichtliche Sachverständige , die Abstände beispielsweise für Polyamid errechnet. Es ergibt sich bei dieser Berechnung - wie im Urteil des Bundespatentgerichts ausgeführt - ein Faserabstand, der innerhalb des beanspruchten Bereichs für y liegt.
Allerdings gibt die Streitpatentschrift eine Einschränkung des Bereichs von y an, aus dem geeignete mittlere Durchmesser und Dichten der für das Vlies zu verwendenden Fasern und geeignete Schüttdichten ausgewählt werden sollen. Dies bedeutet aber nicht die gezielte Auswahl eines engen Bereichs , in dem die genannten Parameter liegen sollen, sondern lediglich das Wegschneiden von Randbereichen. Hinzu kommt, daû es dem Fachmann, der nach der Entgegenhaltung K 11 arbeitet, ohne weiteres durch einfache Kontrollversuche möglich ist, die praktisch brauchbaren Bereiche für den Abstand y, die Schüttdichte D und den Faserdurchmesser x zu ermitteln. Dies hat auch das Bundespatentgericht so gesehen, der Senat stimmt damit überein. Danach handelt es sich bei der in Patentanspruch 1 des Streitpatents angegebenen Formel (1) um eine Rechenregel für die Bemessung des durchschnittlichen Abstands zwischen zwei benachbarten Fasern des Vliesstoffs. Eine solche Regel dient nur zur Definition des durch das Streitpatent als geschützt beanspruchten Faserabstands, hat aber keine darüber hinausgehende Bedeutung für den Schutzumfang. Die Regel gehört selbst nicht zum Gegenstand der patentgemäûen Lehre (vgl. BGH, Urt. v. 14.01.1992 - X ZR 124/89, GRUR 1992, 375, 376 - Tablettensprengmittel).
IV. Soweit die Beklagte mit ihrem Hilfsantrag das Streitpatent als Verwendungspatent zum Entfernen von Leukozyten aus einer Leukozyten enthaltenden Suspension verteidigt, so beruht der Gegenstand des beanspruchten Verwendungspatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit, sondern ergab sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
1. Als Fachmann sieht der Senat in Übereinstimmung mit den Ausführungen in dem vom Europäischen Patentamt erstatteten Gutachten und dem Bundespatentgericht einen Mediziningenieur, Verfahrenstechniker oder Verfahrenschemiker , der über eingehende Kenntnisse und praktische Erfahrungen auf dem Gebiet der Filtertechnologie verfügt und sich das nötige medizinische Fachwissen im Rahmen seiner Berufserfahrung angeeignet hat.
2. Der Senat geht mit den Parteien, dem Bundespatentgericht und dem Gutachten des Europäischen Patentamts davon aus, daû es sich bei der deutschen Patentschrift 29 08 722 (K 3) um den nächstliegenden Stand der Technik handelt, von dem der Fachmann, der darum bemüht war, Filter zur Entfernung von Leukozyten aus einer Leukozyten enthaltenden Suspension zu verbessern , bei seinen Überlegungen ausging.
Diese Entgegenhaltung beschreibt eine Filtereinheit, die einen Filterbehälter (Merkmal 1) mit mindestens einer Einführleitung und einer Ausführleitung (Merkmale 1.1 und 1.2; Beschr. Sp. 4 Z. 25-27) enthält, der mit einer Fasermasse dicht gepackt ist (Merkmal 2.1). Als geeignete Materialien werden synthetische Fasern wie Acrylnitril-Polymerfasern, Polyamid- und Polyesterfasern, halbsynthetische und natürliche proteinhaltige Fasern angegeben (Beschr. Sp. 4 Z. 9-14), die auch in Form eines vliesartigen Stoffes vorliegen können
(Beschr. Sp. 5 Z. 5). Die Schrift nennt einen durchschnittlichen Faserdurchmesser von 3 µm bis 10 µm. Damit liegt der im Streitpatent beanspruchte Faserdurchmesser gänzlich auûerhalb des in der Entgegenhaltung angegebenen Bereichs; Merkmal 3.1 ist bei der deutschen Patentschrift K 3 somit nicht erfüllt. Die Schüttdichte beträgt nach dieser Entgegenhaltung 0,02 g/cm³ bis 0,4 g/cm³ (Sp. 1 Z. 14-15), liegt damit überwiegend innerhalb des in Merkmal 3.2 vorgesehenen Bereichs und füllt diesen weitgehend aus. Was den Faserabstand betrifft, so ist dieser durch die Faserdicke, die Schüttdichte und die Faserdichte des gewählten Materials festgelegt; auf die Ausführungen oben unter III. 2. wird Bezug genommen.
Zu der Faserstärke entnimmt der Durchschnittsfachmann der Entgegenhaltung weiter, daû der prozentuale Anteil der von den Fasern zurückgehaltenen Leukozytenkomponenten um so gröûer ist, je kleiner der durchschnittliche Faserdurchmesser ist (Sp. 6 Z. 22-25). Die Entgegenhaltung weist jedoch darauf hin, daû mit Schwierigkeiten zu rechnen sei, wenn der durchschnittliche Durchmesser weniger als 3 µm betrage; diese bestünden darin, die Schüttdichte der eingefüllten Fasern innerhalb des gewünschten Dichtebereichs zu halten (Sp. 6 Z. 43-46). Die Entgegenhaltung zeigt damit auf, daû ein möglichst groûer Anteil an zurückgehaltenen Leukozyten sich erreichen läût, je kleiner der Faserdurchmesser ist. Sie gibt zugleich an, wie eine Verbesserung der herauszufilternden Leukozytenrate zu erreichen ist, und zeigt schlieûlich auf, worin bei dieser Lösung das Problem besteht.
3. Der Fachmann, dem es darum ging, Leukozyten so weit wie möglich - nicht nur zu einem sehr groûen Anteil, sondern zu dem gröûtmöglichen Anteil - aus der Leukozyten enthaltenden Suspension zu entfernen, sah danach
- wie der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen Verhandlung überzeugend ausgeführt hat - als naheliegende Lösung die in K 3 genannten Parameter zu verändern. Er lieû sich dabei nicht davon abhalten, auch die Faserdicke von 3 µm zu unterschreiten. Denn er entnahm der Entgegenhaltung, daû es generell von Vorteil war, kleinere Faserdurchmesser zu wählen, daû dies allerdings zu Schwierigkeiten führte, die er in diesem Fall lösen muûte.
Unter diesen Umständen kann eine erfinderische Leistung in der Auswahl der in Betracht kommenden Lösungen nicht gesehen werden. Es kommt nicht darauf an, welchen der in der Entgegenhaltung genannten Parameter der Fachmann zunächst verändert hätte, um zu einer Verbesserung der herauszufilternden Leukozytenrate zu gelangen. Einen Erfahrungssatz, daû nur die Lösungsalternative , die der Fachmann voraussichtlich zunächst ausprobieren würde, naheliegend ist, gibt es nicht (Sen.Urt. v. 18.02.1997 - X ZR 25/95 - Zerstäubervorrichtung, zit. bei Bausch Bd. I S. 445).
Prüfte aber der Fachmann den Weg, den ihm in der Entgegenhaltung genannten Faserdurchmesser zu unterschreiten, so erfuhr er ebenfalls aus der Entgegenhaltung, daû er dann hinreichend stabiles Filtermaterial verwenden muûte. Der Fachmann kannte allgemein Vliese als Filtermaterial unter anderem aus der bereits erörterten Entgegenhaltung K 11, aber auch aus der europäischen Patentanmeldung 00 45 476 (K 4) und aus der deutschen Auslegeschrift 19 28 052 (K 5).
Die Entgegenhaltung K 11 beschreibt zwar ein Filter, das für einen anderen Verwendungszweck bestimmt ist. Der gerichtliche Sachverständige hat jedoch überzeugend dargestellt, daû der Fachmann, der nach stabilerem Fi l-
termaterial suchte, dazu auch solche Filter in Betracht zog, die zu anderen Zwecken zum Einsatz gelangen, wobei das Filter nach K 11 nach der Beschreibung auch im medizinischen Bereich für Atemschutzmasken Anwendung finden kann (Beschr. Sp. 3 Z. 6, 7; Übers. S. 4 letzter Abs.). Gerade diese Entgegenhaltung hebt besonders Filter hervor, die aus Faservlies hergestellt sind. Einen Hinweis auf die Verwendung vliesartiger Stoffe findet der Fachmann zudem auch in der Entgegenhaltung K 3 selbst, von der er bei seinen Verbesserungsbemühungen ausgeht, wenn dort in Sp. 5 Z. 1-5 ausdrücklich von der Verwendung von unter anderem vliesartigen Stoffen für die Filtermasse die Rede ist. Der Fachmann fand damit in der Entgegenhaltung K 3 die Angabe, daû ein möglichst kleiner Faserdurchmesser für die Steigerung der Rate an herauszufilternden Leukozyten vorteilhaft sei, die Angabe, welche Schwierigkeiten mit geringeren als dort beschriebenen Faserdurchmessern zu erwarten waren, und den Ansatz, vliesartige Stoffe, unter anderem aus Polyesterfasern, zu verwenden.
4. Daû das naheliegende Ergebnis nicht bereits in der Entgegenhaltung K 3 gefunden wurde, beruht nach der Überzeugung des Senats auf dem anderen Ansatz dieser Schrift, der darin bestand, Leukozyten zu gewinnen. Die Beschreibung bezeichnet es als Aufgabe der Erfindung, eine Filtereinheit zur Verfügung zu stellen, welche eine wirksamere Abtrennung von Leukozyten einschlieûlich Lymphozyten aus leukozytenhaltigen Suspensionen in der Weise ermöglicht, daû die Leukozytenkomponenten in besserer Ausbeute und Reinheit als bisher gewonnen werden könnten (Beschr. Sp. 3 Z. 40-46). Der andere Ansatz der Streitpatentschrift besteht darin, möglichst alle als schädlich erkannten Komponenten und damit auch möglichst alle Leukozyten aus dem Blut zu entfernen und Blut zu erhalten, das so leukozytenarm wie möglich ist. Des-
halb stellte sich hier mehr noch als bei der Entgegenhaltung K 3, in der es darum ging, Leukozyten zu gewinnen, das Ziel, eine möglichst vollständige Entfernung der Leukozyten anzustreben. Die Vollständigkeit der Vermeidung bestimmter Bestandteile (hier Leukozyten) hat ein anderes Gewicht als die Vollständigkeit der Gewinnung der gleichen Bestandteile.
5. Der Fachmann lieû sich nach der Überzeugung des Senats auch nicht durch andere Schwierigkeiten als die, geeignetes Vliesmaterial zu finden, von dem Lösungsweg, den Faserdurchmesser zu verringern, abhalten. Die Schwierigkeit , nicht auch andere Blutbestandteile, namentlich Erythrozyten, herauszufiltern , war für ihn dabei ein Optimierungsproblem, das er durch die Einstellung des Faserdurchmessers lösen konnte.
Auch die in der Entgegenhaltung K 11 vorgesehene Beschichtung zur Erreichung der Adsorptionsfähigkeit des Filtermaterials war keine solche Schwierigkeit. Daû der Fachmann sich durch die Adsorptionsfähigkeit nicht abhalten lieû, zeigt die deutsche Offenlegungsschrift 30 38 196 (K 12) insofern, als auch dort die Vliesfasern beschichtet werden; es war danach eine Ausführungsform bekannt, in der die Vliesfilter zum Zwecke der Abtrennung von Leukozyten beschichtet wurden.
6. Schlieûlich ist der Umstand, daû sich mit dem Filter nach der Strei tpatentschrift nicht nur eine höhere Rate an herauszufilternden Leukozyten erreichen läût, sondern zugleich eine erhebliche Steigerung der Durchlaufgeschwindigkeit , zwar ein Gesichtspunkt, der bei der Prüfung, ob erfinderische Tätigkeit vorliegt, in die Gesamtwürdigung einzubeziehen ist (BGH, Urt. v. 18.09.1990 - X ZR 29/89, GRUR 1991, 120 - elastische Bandage). Angesichts
der Nähe des dem Fachmann zur Verfügung stehenden Standes der Technik zu der Lehre des Streitpatents kann jedoch hier allein aus diesem Gesichtspunkt ein Schluû auf eine erfinderische Leistung nicht gezogen werden. Hierfür genügt es nicht, daû mit dem einen Vorteil zu rechnen war, mit dem anderen jedoch nicht.
V. Ein eigenständiger erfinderischer Gehalt der in den Unteransprüchen unter Schutz gestellten Gegenstände ist nicht ersichtlich.
VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 110 Abs. 3 PatG in der nach Art. 29 des 2. PatGÄndG weiter anwendbaren Fassung der Bekanntmachung vom 16. Dezember 1980 in Verbindung mit § 97 ZPO.
Rogge Jestaedt Melullis Richter am Bundesgerichtshof Keukenschrijver ist wegen Urlaubs verhindert , zu unterschreiben. Rogge Mühlens

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 113/00 Verkündet am:
6. Mai 2003
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 6. Mai 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die
Richter Scharen, Keukenschrijver, Dr. Schaffert und Asendorf

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 4. Mai 2000 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand:


Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des unter anderem mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 252 779 (Streitpatent), das auf einer Anmeldung vom 4. Juni 1987 beruht, mit der die Prioritäten französischer Patentanmeldungen vom 5. Juni 1986 bzw. 9. Januar 1987 in Anspruch genommen worden sind. Anspruch 1 des in der Verfahrenssprache Französisch erteilten Streitpatents lautet gemäß Sp. 28 Z. 36 ff. der Streitpatentschrift in deutscher Sprache wie folgt:
"Flachantenne, mit einem, zwischen zwei Masseflächen (11, 13) angeordneten, zentralen Leiter (22), wobei dieser Leiter einen durch eines dielektrischen, zwischen der oberen (11) und der unteren Massefläche (13) aufgehängten Stützblatt (12) gehaltenen Mikro -Streifenleiter ist, und strahlende Elemente, welche mit Endbereiche des zentralen Leiters in elektromagnetischer Kopplung zusammenwirken , wobei der Abstand zwischen dem dielektrischen Stützblatt des zentralen Leiters und den metallischen Platten (11, 13) durch mit Abstand zueinander angeordnete Positionierstützen (31, 10) gehalten wird, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , daß die strahlenden Elemente in den Masseflächen angebrachten und zueinander paarweise (20 a, 20 b) ausgerichteten Schlitzen sind und daß die genannten Masseflächen (11, 13) durch dünne, metallische, selbsttragende Platten gebildet werden, welche mit dem genannten dielektrischen Stützblatt (12) eine dünne Tripelstruktur (A) bilden."
Wegen des Wortlauts des Anspruchs 1 in der maßgeblichen Verfahrenssprache und des Wortlauts der Ansprüche 2 bis 25 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Die Klägerin hat mit der Nichtigkeitsklage geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents beruhe jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt.

Der Beklagte verfolgt mit der Berufung seinen Antrag auf Abweisung der Nichtigkeitsklage weiter, wobei er das Streitpatent hilfsweise in einer Fassung verteidigt, bei welcher im letzten Halbsatz des Anspruchs 1 die Platten zusätz- lich als im Bereich der Schlitze und des Mikro-Streifenleiters flach gekennzeichnet sind.
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Prof. Dr.-Ing. W. W. vom ... . Der Sachverständige hat dieses Gutachten in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Erfindung nach dem Streitpatent betrifft eine HyperfrequenzFlachantenne , die vorzugsweise zum Empfang per Satellit ausgestrahlter Fernsehprogramme eingesetzt werden, aber auch zum Abstrahlen (Senden) hochfrequenter Signale dienen kann. Die Streitpatentschrift schildert unter Hinweis auf die aus der europäischen Patentanmeldung 0 064 313 vorbekannte Antenne und auf die in einem Artikel "Guides multiconducteurs" der Arbeit "Les tech-
niques de l'ingenieur" beschriebene Antenne, daß man sich bei der bisherigen Entwicklung solcher Flachantennen an der Erzielung eines maximalen Wirkungsgrads orientiert und deshalb geglaubt habe, bei der Formgebung und Montage der Elemente strikte Toleranzbedingungen einhalten zu müssen (Sp. 1 Z. 15 f. u. 47 ff. d. Beschr.; deutsche Übers. S. 1, 2. Abs. u. S. 2, 2. Abs.). Dabei wird als Nachteil auch die Verwendung eines massiven, schweren dielektrischen Materials erwähnt.
Die Streitpatentschrift wendet sich sodann Entwicklungen zu, die als Versuche bezeichnet werden, sich von den bisherigen Toleranzgrenzen zu befreien. Neben dem Vorschlag, der aus der vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents eingereichten, aber erst nach diesem Zeitpunkt veröffentlichten europäischen Patentanmeldung 0 228 742 ersichtlich ist, handelt es sich hierbei um die Flachantenne, die Gegenstand der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 ist. Diese Antenne wird als Vorrichtung beschrieben, die mit einem als zentraler Leiter arbeitenden Mikro-Band versehen sei, das zwischen zwei Metallplatten aufgehängt sei, die eine erhebliche Dicke (in der Größenordnung von 7 bis 10 mm bei 12 GHz) hätten. Dadurch wird die Notwendigkeit massiven dielektrischen Materials zwischen zentralem Leiter und Masseflächen vermieden ; erforderlich ist ein solches Material lediglich als Träger für das MikroBand. Dieser Umstand ist in der Streitpatentschrift zwar nicht ausdrücklich erwähnt , ergab sich für den Fachmann, der sich im Prioritätszeitpunkt mit der Erfindung befaßte, jedoch ebenso ohne einen solchen Hinweis wie die Erkenntnis , daß die Ausfüllung des Zwischenraums zwischen den Platten durch ein entsprechend massives Dielektrikum zwar eine besonders genaue Positionierung der beiden Leiter zueinander erlaubt, aber - wie der gerichtliche Sachver-
ständige in seinem schriftlichen Gutachten ausgeführt hat - bei größeren Antennen , wie sie für den Satellitenempfang nötig sind, zu untragbaren Verlusten und Kosten führt. Von diesem Erkenntnisstand kann ausgegangen werden, weil es um einfache Schlußfolgerungen bzw. um in der Elektrotechnik geläufige Erkenntnisse geht, die einem Fachmann ohne weiteres zugetraut werden können. Bei diesem handelt es sich um einen Diplomingenieur oder promovierten Ingenieur der Elektrotechnik mit Erfahrungen auf den Gebieten der Streifenleitungstechnik und der Feldtheorie. Nach den Angaben des gerichtlichen Sachverständigen waren Personen dieser Qualifikation diejenigen, die zum Prioritätszeitpunkt die Entwicklungstätigkeit auf dem Gebiet der HyperfrequenzAntennen leisteten.
An dem Vorschlag der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 wird in der Streitpatentschrift jedoch bemängelt, daß stets ein Bearbeitungsvorgang an den dicken Metallplatten erforderlich sei, um Wellenleiter zu bilden, die mit Endabschnitten des zentralen Leiters gekoppelt seien (Sp. 2 Z. 3 ff.; deutsche Übers. S. 2, 2. Abs.). Auch diesen Nachteil im Stand der Technik will die Erfindung nach dem Streitpatent vermeiden.
Insgesamt ergibt sich aus der erwähnten Schilderung der Nachteile im Stand der Technik in Verbindung mit den an verschiedenen Stellen der Streitpatentschrift hervorgehobenen Vorteilen der Erfindung, daß mit ihr eine zum Betrieb in einem breiten Band geeignete, durch Module zu verwirklichende Antenne zu Verfügung gestellt werden soll, die ausgezeichnete Leistungen bei einem Herstellungsverfahren bietet, bei dem vorkommende geringere Unge-
nauigkeiten nicht schaden und das eine Massenproduktion mit geringen Entstehungskosten erlaubt.
2. Hierzu wird nach Anspruch 1 des Streitpatents eine HyperfrequenzFlachantenne vorgeschlagen, die aufweist
1. Platten (eine untere und eine obere), die

a) metallisch sind,

b) dünn sind,

c) selbsttragend sind,

d) mit dem nachfolgend beschriebenen Stützblatt eine dünne Tripelstruktur bilden,

e) Masseflächen bilden,
2. ein Stützblatt, das

a) dielektrisch ist,

b) zwischen den Masseflächen aufgehängt ist,
3. Positionierstützen, die


a) im Abstand zueinander angeordnet sind,

b) die Platten und das dielektrische Stützblatt jeweils im Abstand zueinander halten,
4. einen zentralen Leiter, der

a) ein Mikro-Streifenleiter ist,

b) zwischen den Masseflächen angeordnet ist,

c) vom Stützblatt gehalten wird,

d) Endbereiche hat,
5. strahlende Elemente,

a) in Form von Schlitzen, die

b) in den Masseflächen angebracht sind,

c) paarweise ausgerichtet sind,

d) mit den Endbereichen des zentralen Leiters in elektromagnetischer Kopplung zusammenwirken.

Das Sachverständigengutachten und die ergänzende Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung haben ergeben, daß bei dieser Lösung das Erfordernis dünner Platten (Merkmal 1 b) und die Notwendigkeit, die Aperturen als Schlitze auszuführen (Merkmal 5 a), einander bedingen. Danach verstand der Fachmann des Prioritätszeitpunkts Merkmal 5 a entsprechend der für ihn gewohnten Ausdrucksweise als eine Öffnung in einer Ebene, d.h. ohne wesentliche Ausdehnung in der dritten Dimension , mit der Folge, daß praktisch ein Hohlraum in der Platte nicht vorhanden sein darf, der eine zum Abstrahlen oder zum Empfang von Signalen nutzbare Tiefe hat, insbesondere als Wellenleiter verwendet werden kann. Als dünn im Sinne des Merkmals 1 b kann demgemäß eine metallische Platte angesehen werden, die deutlich unter der für einen Wellenleiter erforderlichen Abmessung von mindestens der halben Wellenlänge bleibt und bei den im Hyperfrequenzbereich verwendeten Signalwellen nur etwa die in Spalte 18 Zeile 43 der Streitpatentschrift angegebene Stärke von 0,8 mm aufweist.
Für die solch hinreichend dünne, geschlitzte und selbsttragende Masseplatten nutzende Flachantenne hebt die Streitpatentschrift im Rahmen der Erläuterung des gemachten Vorschlags zum Schluß der Beschreibung hervor, daß und in welcher Weise sich durch angestellte Versuche erwiesen habe, wie weit erfindungsgemäß die Herstellungstoleranzen reichten. Danach wurden diese Versuche sowohl mit einem Element mit lediglich einem Abstrahlöffnungspaar als auch mit einem Modul mit 16 solchen Elementen durchgeführt, wobei unter dem/jedem Abstrahlöffnungspaar ein bestimmter zylindrischer, geschlossener Hohlraum vorhanden war. Das/Die Element(e) bestanden im übri-
gen aus zwei Masseplatten aus Aluminium mit einer Dicke von 0,8 mm, die 1,7 mm voneinander beabstandet waren. Dazwischen trug eine dünne Folie !" # $!" aus Kapton mit einer Dicke von 75 bestanden darin, daß einmal (sozusagen als Referenz) ein durch Lithographie hergestellter Standardleiter, zum anderen ein mit einem Messer manuell geschnittener Leiter verwendet wurde. Schließlich wurde der untere zylindrische Hohlraum mit einem Durchmesser von 20 mm und einer Tiefe von 9,2 mm durch einen Hohlraum ersetzt, der manuell aus Aluminiumküchenpapier geformt war. Die Streitpatentschrift reklamiert, als bemerkenswert habe sich ergeben , daß die Qualität der Versuchsergebnisse durch keine der gewählten Abwandlungen wesentlich verändert worden sei.
3. Gegenüber Anspruch 1 des Streitpatents besteht der Nichtigkeitsgrund des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, und zwar unabhängig von der Beantwortung der Frage der Neuheit (Art. 54 f. EPÜ). Denn der Gegenstand dieses Patentanspruchs ergab sich für den Fachmann des Prioritätszeitpunkts jedenfalls in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (Art. 52 Abs. 1, 56 EPÜ).

a) Wie es in der Streitpatentschrift auch angegeben ist, ist aus dem Stand der Technik vor allem die in der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 beschriebene Hyperfrequenz-Flachantenne heranzuziehen. Diese Vorrichtung hat eine dünne dielektrische Folie, auf welcher der Endbereiche aufweisende Mittelleiter in Form von Mikro-Streifen aufgebracht ist. Folie und Mittelleiter befinden sich zwischen zwei Platten, die mit paarweise ausgerichteten kreisförmigen Löchern versehen sind und aus Metall bestehen können,
jedenfalls aber leitend sein müssen, weil sie die Masseflächen der Antenne ausbilden. Die Lage der Folie mit dem Mittelleiter wird durch beabstandete Positionierungsvorsprünge erhalten, die auf den Platten angeordnet oder deren Bestandteil sind. Aufgrund der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 war damit zum Prioritätszeitpunkt eine Hyperfrequenz-Flachantenne bekannt, die, was metallische, selbsttragende und Masseflächen bildende Platten (Merkmale 1, 1 a, 1 c, 1 e), das Stützblatt (Merkmale 2, 2 a, 2 b), die Positionierstützen (Merkmale 3, 3 a, 3 b) und den zentralen Leiter (Merkmale 4, 4 a-d) betrifft, mit den Merkmalen des Anspruchs 1 des Streitpatents übereinstimmt. Die bekannte Antenne weist ferner Aperturen nach Maßgabe des nach den Merkmalen 5 b und c für Schlitze gemachten Vorschlags auf, die zur Kopplung mit den jeweiligen Endbereichen des zentralen Leiters dienen (vgl. Merkmal 5 d).
Hiervon ausgehend mußte der Fachmann nur noch die sich in den Merkmalen 1 b (dünne Platten) und 5 a (Schlitze als strahlende Elemente) ausdrückende Gestaltung auffinden. Daß hierin der wesentliche Schritt zur Lösung nach dem Streitpatent bestand, gilt unabhängig davon, ob und inwieweit die Offenbarung der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 auch etwas im Hinblick auf die nach Merkmal 1 d notwendigerweise dünne Tripelstruktur sowie darauf hergab, daß nach Merkmal 5 d die Verantwortlichkeit der Schlitze für die elektromagnetische Kopplung gegeben sein muß. Denn die Verwirklichung der Merkmale 1 b und 5 a bei einer ansonsten nach der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 gestalteten Flachantenne bedeutet zugleich eine Gestaltung nach den Merkmalen 1 d und 5 d. Während es auf der Hand liegt, daß bei Verwendung dünner Masseplatten eine dünne Tripelstruktur, d.h. ein dreifach gestufter Aufbau mit geringer Höhe, vorhanden ist (Merkmal 1 d), er-
gibt sich das bei Merkmal 5 d ebenfalls ohne weiteres. Denn wie auch der Be- klagte immer wieder betont hat, führen Schlitze bei einer auch ansonsten die Merkmale des Anspruchs 1 des Streitpatents aufweisenden Gestaltung zu der mit dem Merkmal 5 d beanspruchten Kopplung.

b) Der Senat ist davon überzeugt, daß zum Auffinden einer den Merkmalen 1 b und 5 a entsprechenden Gestaltung bei einer ansonsten aufgrund der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 beschaffenen Flachantenne eine erfinderische Leistung nicht erforderlich war.
Was die nach dem Vorgesagten im Hinblick auf die Verwirklichung der Merkmale 1 b und 5 a letztlich maßgebliche Dicke der Masseplatten dieser Antenne betrifft, erhielt der Fachmann durch die europäische Patentanmeldung 0 123 350 keine eindeutige Anweisung. Unmittelbare Angaben zu der Stärke der Platten mit den Bezugszeichen 40 und 10 fehlen in dieser Schrift. Aus der Darstellung in der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 ließen sich auch keine zwingenden Rückschlüsse gewinnen, ob dieser Vorschlag auf eine bestimmte Dicke der Platten abhebt.
Entgegen der Meinung des Beklagten ließ sich dieser Schrift nicht entnehmen , daß die Wirkung dieser Antenne auf dem Wellenleiterprinzip basiert, das nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung Hohlkörper mit durchgehender leitender Wandung und einer Erstreckung von mindestens der Hälfte der zu empfangenden bzw. abzustrahlenden Welle voraussetzt und das auch nach der Darstellung des Beklagten, wonach Töpfe oder Trichter mit unterbrochener Wandung ebenfalls als Wel-
lenleiter wirken können, deutlich dickere Masseplatten voraussetzt, als sie für das Streitpatent kennzeichnend sind. Wie der gerichtliche Sachverständige auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, erwähnt die Beschreibung der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 nicht, daß die vorgeschlagene Antenne mit Hohlleitern arbeiten solle. Den Figuren 1 a und b der europäischen Patentanmeldung 0 123 350, die bezogen auf das Stützblatt vergleichsweise sehr dicke Platten mit den Bezugszeichen 40 und 10 zeigen, konnte der Fachmann in dieser Hinsicht Verläßliches ebenfalls nicht entnehmen , weil in der Beschreibung ausdrücklich angegeben ist, aus Gründen der Klarheit der Darstellung seien die Abmessungen in Richtung der Dicke im Querschnitt stark übertrieben gezeigt. Als Hinweis darauf, daß die Antenne der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 mit Masseplatten mit für einen Wellenleiter erforderlicher Dicke auszuführen sei, bleibt deshalb allenfalls der Umstand, daß in den Figuren 1 a und b der äußere Rand der Aperturen in der Platte 40 mit einer Fase versehen dargestellt ist. Dem steht jedoch entgegen, daß die Tiefe b in den Figuren 3 b bzw. 4 b mit 1,8 bzw. 2 mm angegeben ist (S. 5 Z. 11, S. 6 Z. 8; deutsche Übers. S. 6 bzw. 7). Denn hieraus läßt sich - wie der gerichtliche Sachverständige, ohne daß dem seitens des Beklagten in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten worden wäre, bestätigt hat - auf eine Dicke der in den Figuren 1 a und b gezeigten Platten von etwa 2 mm, also auf die Verwendung relativ dünner Platten schließen, welche die Ausbildung eines Wellenleiters für den im Streitfall relevanten Wellenbereich nicht erlauben.
Unter diesen Umständen rechtfertigt sich die Überzeugung, daß der sich zum Prioritätszeitpunkt mit der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 be-
fassende Fachmann zu der Erkenntnis gelangte, hinsichtlich der Dicke der Masseplatten, die zu verwenden seien, die Wahl selbst treffen zu müssen, die zu einer brauchbaren Flachantenne führt. Die Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung, wie ein Fachmann mit durchschnittlichen Kenntnissen und Fähigkeiten zum Prioritätszeitpunkt üblicherweise bei seiner Arbeit vorging, führt ferner zu der Überzeugung, daß der Fachmann dabei den Weg des praktischen Versuchs einschlug. Die Qualität seiner Ausbildung hätte dem hier maßgeblichen Fachmann zwar auch erlaubt, sich unter Nutzung theoretischer Ansätze und der Mathematik zu entscheiden. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen erforderten die insoweit nötigen Berechnungen zum Prioritätszeitpunkt jedoch noch vergleichweise lange Zeiträume, weshalb Versuche die Aussicht auf schnellere Ergebnisse boten. Dementsprechend waren die Fachleute daraufhin ausgebildet und gewohnt, die Technik auf dem hier interessierenden Gebiet durch Versuche voranzutreiben.
In Anbetracht des zuvor Erörterten konnte sich diese Vorgehensweise im Streitfall sowohl darauf erstrecken, die Antenne nach der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 mit - um es kurz auszudrücken - dicken Masseplatten zu versehen, als auch darauf, ihre Leistungsfähigkeit bei Verwendung dünner Masseplatten zu erproben. Auch hiervon kann aufgrund der ausführlichen Erörterung mit dem gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung ausgegangen werden. Anschaulich hat der Sachverständige dabei angegeben , als Mitarbeiter eines Antennenherstellers, der er vor seiner Hochschullaufbahn jahrelang gewesen sei, hätte er angesichts der Unklarheit des in der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 gemachten Vorschlags diese An-
tenne in beiderlei Richtungen daraufhin untersucht, was zu den besseren Er- gebnissen führe. Damit war es aber (jedenfalls auch) nahegelegt, aufgrund des Vorschlags nach der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 eine Flachantenne mit Platten herzustellen, deren Aperturen Schlitze bilden, weil die Platten die hierfür nötige geringe Stärke besitzen, und auf diese Weise zu der erfindungsgemäßen Antenne zu gelangen. Denn angesichts der Qualifikation des hier maßgeblichen Fachmanns ist kein Raum für durchgreifende Zweifel, daß die insoweit nötigen Versuche ebenfalls in seinem Fachkönnen lagen. Angesichts der auch vom gerichtlichen Sachverständigen genannten Zielrichtung von Versuchen kann ferner angenommen werden, daß eine fachgerechte Vorgehensweise nicht bei Platten endete, die im Sinne des Streitpatents noch zu dick sind, sondern einschloß, sich für den hier interessierenden Hyperfrequenzbereich etwa ganz dünne Bleche von einer Stärke von 0,8 mm nutzbar zu machen.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, für die Verwendung dickerer Platten habe eine Präferenz bestanden, oder es habe gegen die Verwendung solch dünner Platten sprechende Kenntnisse gegeben. Der gerichtliche Sachverständige hat die Angaben der Streitpatentschrift bestätigt, wonach zum Prioritätszeitpunkt die Möglichkeit der preiswerten Massenherstellung von Flachantennen im aktuellen Interesse lag. Unter diesem Gesichtspunkt mußte dem Fachmann insbesondere eine dünne Gestaltung der beiden Platten der in der europäischen Patentanmeldung 0 123 350 vorgeschlagenen Flachantenne sinnvoll erscheinen. Es lag auf der Hand, daß völlig aus metallischem Material hergestellte dicke Platten einen vergleichsweise hohen Aufwand an leitender Masse bedeuten; bei dicken Platten mußten ferner in jedem Fall die Aperturen
als kreisförmige Hohlräume herausgearbeitet werden. Es kommt hinzu, daß andere Entgegenhaltungen dem Fachmann zeigten, auch Flachantennen mit ganz dünnen Masseplatten in Betracht zu ziehen. So haben beide Platten der in der britischen Patentschrift 1 594 559 vorgeschlagenen Antennenstruktur nach der Darstellung in Figur 3 eine dem Stützblatt vergleichbare Dicke und können durch herkömmliches Metallprägen in die ihnen eigene und insbesondere aus Figur 2 ersichtliche Form gebracht werden; sie sind also dünne Bleche und - was auch von dem Beklagten nicht in Zweifel gezogen wird - auch dünn im Sinne des Merkmals 1 b. Das deutsche Gebrauchsmuster 82 12 076 offenbarte darüber hinaus eine weitere Verringerung der Stärke der die Masseflächen bildenden Schichten. Danach können Flachantennen sogar mit aufgedampften metallischen Schichten als Masseplatten betrieben werden.
Die Vorbildfunktion dieser Entgegenhaltungen zieht der Beklagte vergeblich mit dem Hinweis in Zweifel, diese Schriften behandelten gegenüber dem patentgemäßen Vorschlag artverschiedene Flachantennen. Soweit der Beklagte hierbei darauf abstellt, daß das Gebrauchsmuster 82 12 076 von einer Anregung durch Dipole ausgehe, ist dem bereits entgegenzuhalten, daß Seite 10 der Beschreibung dieses Gebrauchsmusters auch Flachantennen offenbart , die mit Enden einer Streifenleitung arbeiten, so daß die bei dieser Flachantenne als hauchdünne leitende Schicht auf das verwendete Dielektrikum aufgedampften Massenflächen - wie nach Anspruch 1 des Streitpatents - strahlende Elemente in Form von Schlitzen ausbilden, die paarweise ausgerichtet mit den Endbereichen des zentralen Leiters in elektromagnetischer Kopplung zusammenwirken (Merkmal 5 d). Abgesehen davon waren für den Fachmann im Prioritätszeitpunkt jedenfalls im Hinblick auf anzustellende Ver-
suche auch Flachantennen anderer Wirkweise durchaus von Interesse. Das entnimmt der Senat dem Sachverständigengutachten, weil der gerichtliche Sachverständige für die Vergleichbarkeit letztlich nur als entscheidend angesehen hat, ob es sich jeweils um eine planare Mikro-Antenne handelt. Die Annahme , daß der Fachmann im Prioritätszeitpunkt sich von einer engeren Sicht leiten ließ, würde auch der Erfahrung widersprechen, daß bei einer zielgerichteten Entwicklung, wie sie Diplomingenieure zu machen gewohnt sind, eine ergebnisorientierte Betrachtungsweise vorherrscht. Daß im Streitfall Fehlvorstellungen oder andere Gründe den Fachmann hieran gehindert hätten, hat auch der Beklagte nicht geltend gemacht.
Bei fachgemäßen Versuchen, wie sie im Können des Fachmanns im Prioritätszeitpunkt lagen, waren schließlich auch die Ergebnisse gewährleistet, welche die Streitpatentschrift für sich beansprucht und als überraschend bezeichnet (Sp. 4 Z. 46 ff., deutsche Übers. S. 7, 1. vollständiger Abs.). Das schloß die Erlangung der Erkenntnis ein, daß bei der versuchsweise genutzten Antenne die Aperturen in den dünnen Platten strahlende Elemente sind, die mit den Endbereichen des zentralen Leiters in elektromagnetischer Kopplung zusammenwirken , und daß diese Antenne deshalb nicht auf die Nutzung eines Wellenleiters angewiesen ist. Dies gilt um so mehr, als - wie bereits erwähnt - in dem Gebrauchsmuster 82 12 076 für ein Antennenelement mit Enden eines Streifenleiters inmitten zweier dort unterbrochener, ansonsten durch massives Dielektrikum beabstandeter Metallfolien vorbeschrieben war, daß man hierdurch eine Kopplung zwischen aufeinander gerichteten Aperturen in als Erdungs - oder Masseflächen dienenden äußerst dünnen Leitern und dem Ende des anderen Leiters (Streifenleiters) verwirklichen könne.

4. Die Ansprüche 2 bis 25 können aus den erörterten Gründen ebenfalls keinen Bestand haben. Der Beklagte selbst macht nicht geltend, wegen der insoweit beanspruchten Gestaltungen könne eine erfinderische Tätigkeit festgestellt werden. Der gerichtliche Sachverständige hat in ihnen ebenfalls nur Bekanntes oder Nahegelegtes ohne erfinderischen Gehalt gesehen. Ob hinsichtlich Anspruch 24 eine unzulässige Erweiterung gegeben ist, wie die Klägerin geltend gemacht hat, kann deshalb dahinstehen.
5. Die Berufung des Beklagten kann auch nicht mit dem Hilfsantrag Erfolg haben.
Nach der hilfsweise verteidigten Fassung des Anspruchs 1 sind die Platten durch das zusätzliche Merkmal (1 f) gekennzeichnet, daß sie
1 f) im Bereich der Schlitze und des Mikro-Streifenleiters flach sind.
Hiermit soll - wie der Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung hat erläutern lassen - nur klargestellt werden, daß in den Antennenbereichen, die für Empfang bzw. Aussendung besondere Bedeutung haben, die dünnen Masseplatten eben ausgebildet sind. Eine solche Ausbildung war jedoch eine für Flachantennen gebräuchliche Gestaltung. Auch insoweit kann auf die bereits abgehandelten Entgegenhaltungen verwiesen werden. Die unter 3. und 4. gemachten Ausführungen gelten deshalb für das Streitpatent in der hilfsweise verteidigten Fassung gleichermaßen.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1 ZPO, 121 Abs. 2 PatG.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Schaffert Asendorf

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)