Bundesgerichtshof Urteil, 26. März 2019 - X ZR 21/17

bei uns veröffentlicht am26.03.2019
vorgehend
Bundespatentgericht, 2 Ni 4/15, 24.11.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 21/17 Verkündet am:
26. März 2019
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2019:260319UXZR21.17.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2019 durch die Richter Dr. Bacher, Dr. Grabinski und Hoffmann sowie die Richterinnen Dr. Kober-Dehm und Dr. Marx

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 24. November 2016 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist Inhaberin des am 31. März 2003 unter Inanspruchnahme
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der Priorität einer US-amerikanischen Patentanmeldung vom 29. April 2002 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 504 227 (Streitpatents), das ein Air-ConditioningSystem zur Verwendung in einem Fahrzeug betrifft. Patentanspruch 1, auf den die Patentansprüche 2 bis 14 unmittelbar oder
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mittelbar rückbezogen sind, hat in der erteilten Fassung folgenden Wortlaut: "An air conditioning system for use in a vehicle, comprising: a variable-speed compressor (14) for providing refrigerant to a heat exchanger (22, 26, 44) to provide temperature control to an interior compartment of the vehicle; a brushless DC motor (12) operably coupled to the variable-speed compressor (14); and an intelligent power generation management controller (30) operably coupled to the motor, the controller (30) receiving electric power from at least one source of electric power (34, 36, 38) operable when an engine of the vehicle is not operating; wherein the controller (30) modulates a speed of the compressor (14) when the engine is not operating by varying an energization of the motor (12) based on a power capacity of the source of electric power (34, 36, 38) to enable operation of the compressor (14) during an engine off condition." Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei
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nicht neu und beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Beklagte hat das Streitpatent wie erteilt und in der Fassung von vier Hilfsanträgen verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Mit ihrer Berufung verteidigt die Beklagte das Streitpatent im Hauptantrag und in einem Hilfsantrag jeweils in einer gegenüber den erstinstanzlich gestellten Anträgen geänderten Fassung. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


Die Berufung der Beklagten ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne
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Erfolg. I. Das Streitpatent betrifft ein Air-Conditioning-System zur Verwendung
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in einem Fahrzeug. 1. In der Streitpatentschrift wird erläutert, dass in Fahrzeugen einge6 setzte Heizungs-, Lüftungs- und Klimatisierungssysteme, die Kompressoren mit Keilriemenantrieb zur Zirkulation des Kühlmittels und Pumpen mit Keilriemenantrieb zur Umwälzung der Motorabwärme verwenden, nur bei laufendem Motor betrieben werden können. Der Motor könne daher auch bei längeren Standzeiten nicht abgestellt werden, wenn der Fahrgastraum weiterhin beheizt oder klimatisiert werden solle. Aufgrund der damit erhöhten Betriebskosten bestehe ein Bedarf an Heizungs-, Lüftungs- und Klimatisierungssystemen für Fahrzeuge, die auch betrieben werden können, wenn der Motor abgestellt ist. Ein solches System sei aus der europäischen Patentanmeldung 1 024 038 bekannt. 2. Das Streitpatent macht es sich zur Aufgabe, ein derartiges Klimati7 sierungssystem mit der Möglichkeit des Betriebs bei abgestelltem Motor weiter zu verbessern.
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3. Das soll nach Patentanspruch 1 durch folgende Vorrichtung erreicht werden (Ergänzungen gegenüber der erteilten Fassung des Patentanspruchs 1 sind betreffend Hilfsantrag 4 im erstinstanzlichen Verfahren sowie dem Hauptund Hilfsantrag im Berufungsverfahren kursiv, betreffend nur den Haupt- und Hilfsantrag im Berufungsverfahren durch einfache Unterstreichung und betreffend nur den Hilfsantrag im Berufungsverfahren durch doppelte Unterstreichung hervorgehoben): 1. Ein Air-Conditioning-System geeignet zur Verwendung in einem Fahrzeug aufweisend: 2. einen Kompressor variabler Drehzahl (variable speed compressor

14)

2.1 geeignet zur Bereitstellung von Kühlmittel an einen Wärmetauscher (22, 26, 44), der eine Temperatursteuerung in einem Fahrgastraum eines Fahrzeugs liefert, 3. einen bürstenlosen Gleichstrommotor (brushless DC motor 12), 3.1 der betrieblich mit dem Kompressor (14) variabler Drehzahl verbunden ist, 4. eine intelligente Leistungserzeugungsmanagementsteuerung (intel- ligent power generation management controller 30), die 4.1 betrieblich mit dem Motor (motor) verbunden ist, 4.2 elektrische Leistung von wenigstens einer Quelle (34, 36, 38) elektrischer Leistung empfängt, 4.2.1 die betreibbar ist, wenn eine Maschine (engine) des Fahrzeugs nicht arbeitet, 4.3 eine Drehzahl des Kompressors (14) moduliert, wenn die Maschine nicht arbeitet, indem eine Erregung des Motors (12) basierend auf einer Leistungskapazität der Quelle (34, 36, 38)
elektrischer Leistung geändert wird, um einen Betrieb des Kompressors (14) während eines ausgeschalteten Zustands der Maschine zu ermöglichen, 4.3.1 wobei die Maschine als Quelle elektrischer Leistung für die Steuerung (30) nicht verfügbar ist, 4.4 auch die Modulation des Kompressors (14) variieren kann (may also vary the modulation of the compressor [14]), wenn zusätzliche oder andere Quellen elektrischer Leistung (additional or different sources of electrical power) verfügbar sind und sich die Systemparameter ändern, um eine optimale Systemleistung aufrecht zu erhalten, 4.5 dafür ausgelegt ist, elektrische Leistung von einer Mehrzahl von Quellen (34, 36, 38) elektrischer Leistung zu empfangen, welche betreibbar sind, wenn die Maschine des Fahrzeugs nicht arbeitet, und von wenigstens einer Quelle (32) elektrischer Leistung zu empfangen, die betreibbar ist, wenn die Maschine arbeitet , und wobei die Steuerung (30) dynamisch elektrische Leistung von einer der Quellen (32, 34, 36, 38) basierend auf einer Prioritätslogik der verfügbaren Quellen verwendet.
4. Die Lehre aus Patentanspruch 1 bedarf aus Sicht des Fachmanns,
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den das Patentgericht zutreffend als einen Hochschulabsolventen der Elektrotechnik oder vergleichbarer Qualifikation mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion von Regelungen für die Stromversorgung von Zusatzaggregaten in Kraftfahrzeugen bestimmt hat, folgender Erläuterungen:
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a) Patentanspruch 1 betrifft ein Air-Conditioning-System (nachfolgend auch System genannt), das für die Verwendung in einem Fahrzeug geeignet ist.
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Die Eignung des Systems beschränkt sich nicht auf die Verwendung in Lastkraftwagen und vergleichbaren Fahrzeugen. Für eine diesbezügliche Einschränkung findet sich weder in Patentanspruch 1 noch in der Beschreibung ein Anhalt. In der Beschreibung wird zwar auf die Bedürfnisse von Fahrern von Straßentransportfahrzeugen während der Ruhezeiten im Hinblick auf Heizungs , Lüftungs- und Klimasysteme hingewiesen (vgl. Abs. 4 und 6). Dabei handelt es sich jedoch um ein Anwendungsbeispiel, auf das die allgemeiner gehaltene Lehre des Patentanspruchs 1, die sich als Verwendungszweck auf ein "Fahrzeug" bezieht, nicht beschränkt ist. Entsprechend heißt es auch in der Beschreibung allgemein, dass die beanspruchte Erfindung ein neues Heizungs-, Lüftungs- und Klimasystem "für Straßenfahrzeuge" darstelle (vgl. Abs. 8).
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b) Das erfindungsgemäße Air-Conditioning-System weist einen Kompressor variabler Drehzahl auf, der von einem bürstenlosen Gleichstrommotor angetrieben und von einer mit diesem Motor (motor) verbundenen intelligenten Leistungserzeugungsmanagementsteuerung (nachfolgend auch Steuerung genannt ) geregelt wird (Merkmale 1, 2, 3, 4).
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c) Die Steuerung ist betrieblich mit dem Motor verbunden und empfängt elektrische Leistung von mindestens einer Quelle (Merkmale 4.1 und 4.2). Die Quelle elektrischer Leistung kann auch betrieben werden, wenn die (Verbrennungs -)Maschine (engine) ausgeschaltet ist (Merkmal 4.2.1).
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Die Beschreibung erwähnt als bevorzugte Quelle elektrischer Leistung eine Batterie (Abs. 12). Diese kann bei laufender Maschine über die Lichtmaschine des Fahrzeugs mit elektrischer Energie versorgt werden (Abs. 9).
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d) Ist die Maschine ausgeschaltet, moduliert die Steuerung eine Drehzahl des Kompressors durch geänderte Erregung des Motors, angepasst an die Leistungsfähigkeit der Quelle (Merkmal 4.3). Beispielsweise kann die Steuerung bei einer Batterie als Quelle elektrischer Leistung und ausgeschalteter Maschine den Kompressor bei minimalen Drehzahlen betreiben, um die Betriebsdauer des Air-Conditioning-Systems zu verlängern. Zudem kann die Steuerung den Stromverbrauch der Batterie überwachen und den Betrieb des Kompressors abschalten, um die Batterie nicht so weit zu entladen, dass ein Starten der Maschine nicht mehr möglich ist (Abs. 16).
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Zu der Frage, ob eine Modulation auch bei eingeschalteter Maschine erfolgen kann, verhält sich die Lehre aus Patentanspruch 1 nicht. Eine solche Modulation ist damit weder erforderlich noch ausgeschlossen. Gleiches gilt für die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Maschine eingeschaltet ist. Es ist daher auch nicht ausgeschlossen, die Maschine bei stehendem Fahrzeug zumindest vorübergehend zu betreiben, auch wenn dies unvorteilhaft sein mag.
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e) Nach Merkmal 4.3.1 soll die Maschine als Quelle elektrischer Leistung für die Steuerung nicht verfügbar sein. Das Merkmal bezieht sich auf die in Merkmal 4.3 vorgesehene Modulation einer Drehzahl des Kompressors, um einen Betrieb des Kompressors während eines ausgeschalteten Zustands der Maschine zu ermöglichen. Merkmal 4.3 sieht bereits ausdrücklich vor, dass die Modulation der Drehzahl erfolgen soll, wenn die Maschine nicht arbeitet. Damit ist bereits vorausgesetzt, dass die Maschine als Quelle elektrischer Leistung für die Steuerung nicht verfügbar ist. Merkmal 4.3.1 ist also gegenüber Merkmal 4.3 rein wiederholend und führt zu keiner inhaltlichen Änderung des Patentanspruchs.
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f) Die Steuerung ist so eingerichtet, dass sie in dem Fall, dass neben der genannten einen Quelle elektrischer Leistung, die etwa eine Batterie sein kann, eine weitere (additional) oder andere (different) Quelle elektrischer Leistung verfügbar ist und sich die Systemparameter ändern, die Modulation der Drehzahl variieren kann, um eine optimale Systemleistung aufrecht zu erhalten (Merkmal 4.4).
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Das setzt voraus, dass die Steuerung in der Lage ist, die Verfügbarkeit der weiteren oder anderen Quelle elektrischer Leistung zu erkennen. Das System selbst muss nicht zwingend über eine weitere oder andere Quelle elektrischer Leistung verfügen. Die Steuerung muss aber in der Lage sein, die Modulation in der genannten Weise zu variieren, wenn mindestens eine weitere oder andere (ggf. auch externe) Quelle elektrischer Leistung verfügbar ist, und sich die Systemparameter ändern. Zudem darf der Motor in diesem Zustand - nicht anders als bei der Modulation der Drehzahl des Kompressors nach Merkmal 4.3 - nicht arbeiten. Hinsichtlich dieser Anforderungen ist Merkmal 4.4 nicht fakultativ.
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Als Beispiele einer weiteren oder anderen Quelle elektrischer Leistung werden in der Beschreibung eine externe Stromquelle, ein Hilfsgenerator oder eine (weitere) Batterie genannt (Abs. 9). Wird etwa das System an ein stationäres elektrisches Stromnetz (shore power electrical system) angeschlossen, während es bei abgeschalteter Verbrennungsmaschine über eine elektrische Batterie betrieben wird, erkennt die Steuerung die Verfügbarkeit der neuen Stromquelle, greift auf diese zurück und kann dadurch die Drehzahl und Leistung des Kompressors nach Bedarf erhöhen, um die Temperatur im Fahrzeuginneren aufrecht zu erhalten, wobei neben der Drehzahl des Kompressors und der Temperatur im Fahrzeuginneren auch weitere Systemparameter wie die externe Umgebungstemperatur berücksichtigt werden können (vgl. Abs. 37 f.).
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g) Intelligent im Sinne des Merkmals 4 ist eine Steuerung, wenn sie die im Patentanspruch vorgesehenen Funktionen erfüllen kann. Hierzu muss sie die relevanten Parameter erfassen und verarbeiten können, etwa die verfügbaren Energiequellen und deren Leistungsfähigkeit.
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h) Patentanspruch und Beschreibung verhalten sich nicht zu der Frage, ob neben der Maschine weitere Antriebskomponenten vorhanden sind, etwa ein zusätzlicher Elektromotor, der einen Hybridantrieb ermöglicht.
II. Soweit im Berufungsverfahren noch von Interesse hat das Patentge23 richt zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen folgendes ausgeführt :
Der Gegenstand des Streitpatents in der erteilten Fassung beruhe nicht
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auf einer erfinderischen Tätigkeit. Das in der japanischen Offenlegungsschrift Heisei 9-76740 (D1a, deutsche Übersetzung D1) offenbarte Hybridfahrzeug weise einen kraftstoffbetriebenen Antriebsmechanismus, eine Batterie für das Fahren sowie eine Motorantriebsvorrichtung auf, die den Elektromotor durch die elektrische Energie antreibe, mit der die Batterie geladen sei. Das Fahrzeug verfüge zudem über eine Klimaeinheit 40, deren Kompressor 41 mit unterschiedlichen Drehzahlen betrieben werden könne. Der Motor, der den Kompressor antreibe, werde mit der elektrischen Energie der Batterie 70 für das Fahren versorgt. Die Klimasteuervorrichtung 52 sei betrieblich mit dem Motor der Klimaeinheit 40 verbunden. Sei der Verbrennungsmotor 1 ausgeschaltet, erhalte die Steuerung elektrische Leistung von der Batterie 70. Die Steuerung überprüfe den Ladezustand der Batterie und schalte die Klimaeinheit in Abhängigkeit vom Ladezustand vom normalen Energieverbrauch in einen Modus mit geringerem Energieverbrauch um. Beide Modi ließen sich für den Elektromotor sinnvoll nur dadurch einstellen, dass die Stromzufuhr zum Elektromotor verändert werde, wodurch sich die Drehzahl des Kompressors verändere. Von dem aus der D1 bekannten Air-Conditioning-System unterscheide sich der Gegen- stand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung lediglich dadurch, dass als Elektromotor ein bürstenloser Gleichstrommotor vorgesehen sei. Diese Ausgestaltung sei jedoch auf dem Gebiet der Fahrzeugklimaanlagentechnik üblich, wie durch die US-amerikanischen Patente 4 015 182 (D3) und 5 595 064 (D4) sowie die Veröffentlichung von Danfoss "Refrigeration and Air Conditioning, Compressors - Collection of Datasheets - Verdichter für R134a 12-24V Gleichstrom" , Schrift CN.46.C6 03, November 2001 (D8) belegt werde. Aus diesen Entgegenhaltungen gehe hervor, dass es gängige Praxis und deshalb naheliegend gewesen sei, als Antrieb für den Kompressor einen bürstenlosen Gleichstrommotor einzusetzen, weil damit die Kühlung stufenlos und genauer regelbar sei.
Merkmal 4.4, durch das sich Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfs25 antrags 4 von der erteilten Fassung (Merkmale 1 bis 4.3 in obiger Merkmalsgliederung ) unterscheide, sei ebenfalls aus der D1 bekannt, da die Regelung die Klimaanlage, die bei laufendem Verbrennungsmotor im normalen Modus arbeite, (in Abhängigkeit vom Ladezustand der Batterie) in den Energiesparmodus umschalte, sobald sie erkenne, dass die Zündung ausgeschaltet sei.
III. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Beklagten, soweit diese das
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Streitpatent im Berufungsverfahren noch verteidigt, stand.
1. Die Verteidigung des Streitpatents in der Fassung des Hauptantrags
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der Beklagten ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
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a) Die Verteidigung des Streitpatents ist insoweit zulässig. (1) Von der erteilten Fassung unterscheidet sich Patentanspruch 1 ge29 mäß Hauptantrag durch die Hinzufügung des Merkmals 4.4, wonach das Sys- tem die Modulation des Kompressors (14) variieren kann, wenn zusätzliche oder andere Quellen elektrischer Leistung verfügbar sind und sich die Systemparameter ändern, um eine optimale Systemleistung aufrecht zu erhalten, und des Merkmals 4.3.1, wonach die Maschine als Quelle elektrischer Leistung für die Steuerung (30) nicht verfügbar sein soll. Während der um Merkmal 4.4 ergänzte Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung bereits Gegenstand des erstinstanzlich gestellten Hilfsantrags 4 gewesen ist, ist Merkmal 4.3.1 erst in der Fassung des in der Berufungsinstanz gestellten Hauptantrags hinzugekommen.
(2) Die Verteidigung des Streitpatents in der Fassung des Hauptantrags
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ist nicht deshalb unzulässig, weil das Patentgericht die Verteidigung des Streitpatents in der Fassung des erst in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsantrags 4 wegen Verspätung nach § 83 Abs. 4 PatG hätte zurückweisen müssen.
Dabei kann dahinstehen, ob eine Zurückweisung in erster Instanz gebo31 ten war. Da das Patentgericht Hilfsantrag 4 in seinem Urteil sachlich beschieden hat und eine in erster Instanz unterbliebene Zurückweisung verspäteten Vorbringens oder verspäteter Anträge in der Berufungsinstanz nicht nachgeholt werden kann, ist dieser Antrag auch in zweiter Instanz sachlichzu bescheiden (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2015 - X ZR 51/13, GRUR 2015, 976 Rn. 62 - Einspritzventil

).


(3) Die Verteidigung des Streitpatents in der Fassung des Hauptantrags
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ist auch nicht insoweit unzulässig, als die Beklagte das Streitpatent in der Berufungsinstanz erstmals in einer Fassung verteidigt, in der Patentanspruch 1 - gegenüber dem in erster Instanz gestellten Hilfsantrag 4 - um das Merkmal 4.3.1 ergänzt worden ist.
Zwar setzt die Zulässigkeit einer erstmals in der Berufungsinstanz erfolg33 ten beschränkten Verteidigung eines Streitpatents voraus, dass der Gegner einwilligt oder der Bundesgerichtshof die Antragsänderung für sachdienlich hält (§ 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG). Auch wenn der Gegner - wie im Streitfall - nicht eingewilligt hat, kann es auf die Sachdienlichkeit der Antragsänderung aber nur dann ankommen, wenn mit der Fassung, in der das Streitpatent erstmals in der Berufungsinstanz verteidigt wird, eine inhaltliche Änderung gegenüber einer bereits in erster Instanz verteidigten Fassung des Streitpatents verbunden ist. Eine solche inhaltliche Änderung ist zu verneinen, wenn das Streitpatent in der Berufungsinstanz zwar formal mit einem um ein Merkmal ergänzten Patentanspruch verteidigt wird, dieses aber lediglich mit anderen Worten zum Ausdruck bringt, was bereits Gegenstand des Patentanspruchs in einer in erster Instanz verteidigten Fassung des Streitpatents war.
Dies ist vorliegend der Fall, da Patentanspruch 1 bereits in der erteilten
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Fassung vorsieht, dass die Steuerung die Drehzahl des Kompressors moduliert, wenn die Maschine nicht läuft, um den Betrieb des Kompressors bei ausgeschalteter Maschine (during an engine off condition) zu ermöglichen (Merkmal 4.3). Wie ausgeführt, zeigt Merkmal 4.3.1, wonach die Maschine hierbei nicht als Quelle für elektrische Energie zur Verfügung steht, keinen zusätzlichen Aspekt auf. Auch nach der erteilten Fassung ist klar, dass die Maschine in ausgeschaltetem Zustand keine Energie liefert. Eine weitergehende Bedeutung lässt sich weder dem Wortlaut des hinzugefügten Merkmals noch dem sonstigen Inhalt der Patentschrift entnehmen. Wie hoch die Zahl an Energiequellen sein muss, die mindestens zur Verfügung stehen oder die die Steuerung verwalten kann, und in welcher Weise die Steuerung arbeitet, ergibt sich allein aus den Merkmalen, die bereits in der erteilten Fassung und dem erstinstanzlichen Hilfsantrag 4 vorgesehen sind. Das in zweiter Instanz zusätzlich vorgesehene Merkmal trägt auch hierzu nichts bei.
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(4) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents in der Fassung des Hauptantrags geht auch nicht über den Inhalt der Ursprungsanmeldung (veröffentlicht als WO 03/93737, Anlage 13) hinaus.
(a) Die Klägerin meint, bei der Auslegung von Patentanspruch 1 sei zwi36 schen Quellen elektrischer Leistung nach Merkmal 4.2 und zusätzlichen oder anderen Quellen elektrischer Leistung ("Stromquellen") nach Merkmal 4.4 zu unterscheiden, und sieht in letzteren eine unzulässige Erweiterung, weil diese in der Ursprungsanmeldung nicht offenbart seien.
Dem ist bereits hinsichtlich der Auslegung von Patentanspruch 1 nicht
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beizutreten. Wie ausgeführt sind die Quellen elektrischer Leistung nach Merkmal 4.4 gegenüber der in Merkmal 4.3 vorgesehenen Quelle elektrischer Leistung "zusätzliche oder andere Quellen elektrischer Leistung", bei denen die Steuerung die Modulation in Abhängigkeit von den Systemparametern variieren kann. Das impliziert, dass die in Merkmal 4.4 vorgesehenen zusätzlichen oder anderen Quellen elektrischer Leistung wie die in Merkmal 4.3 vorgesehene Quelle elektrischer Leistung solche sind, von der die Steuerung elektrische Leistung empfängt und die zur Verfügung stehen, wenn eine Maschine des Fahrzeugs nicht arbeitet (Merkmale 4.2 und 4.2.1). Merkmal 4.2 knüpft insoweit an die Ausführungen in den Absätzen 36 bis 38 der Beschreibung an, wo unterschieden wird zwischen einem Umschalten von Maschinen- und Batteriebetrieb und einer weiteren Modulation bei Verfügbarkeit zusätzlicher oder anderer Energiequellen. Diese Ausführungen finden sich wortgleich in den Absätzen 36 bis 38 der Ursprungsanmeldung.
(b) Entgegen der Ansicht der Klägerin ist in der Ursprungsanmeldung
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nicht nur eine Leistungserzeugungsmanagementsteuerung offenbart, die den Kompressor mit einer minimalen Drehzahl betreiben und zusätzlich den Kom- pressor komplett ausschalten kann. Beide Funktionalitäten sind Gegenstand der Unteransprüche 2 und 3, die sich ihrerseits unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 der Ursprungsanmeldung rückbeziehen, und in der Beschreibung sowohl der Ursprungsanmeldung und als auch des Streitpatents offenbart (jeweils Abs. 36). Daraus folgt für den Fachmann ohne weiteres, dass es sich bei beiden Funktionalitäten um spezielle Ausgestaltungen des allgemeiner gefassten Gegenstands von Patentanspruch 1 der Ursprungsanmeldung handelt, der mit den Merkmalen 1 bis 4.3 des Patentanspruchs 1 des Streitpatents identisch ist.

b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der von der Beklagten im
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Hauptantrag verteidigten Fassung ist nicht patentfähig.
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(1) Allerdings ist dieser neu.
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(a) Aus der D1 ist er nicht vollständig vorbekannt.
(i) Die Entgegenhaltung betrifft ein Hybridfahrzeug, das einen kraftstoff42 betriebenen Antriebsmechanismus, eine Batterie für das Fahren sowie eine Motorantriebsvorrichtung aufweist, die den Elektromotor durch die elektrische Energie antreibt, mit der diese Batterie geladen ist (D1, Abs. 1 ff.; Anspruch 1). Bei derartigen Hybridfahrzeugen wird der Kompressor durch den Verbrennungsmotor angetrieben (D1, Abs. 4). Die Entgegenhaltung macht es sich zur Aufgabe, ein Hybridfahrzeug anzubieten, bei dem auch bei ausgeschaltetem Verbrennungsmotor die Klimatisierung möglich ist. Als Lösung wird vorgeschlagen , die Klimaanlage mit der elektrischen Energie der Batterie für das Fahren anzutreiben, so dass die Klimaanlage auch bei ausgeschaltetem Verbrennungsmotor betrieben werden kann (D1, Abs. 6, 11, 37, 41; Flussdiagramme in den Figuren 6 und 7). Zudem können Mittel vorgesehen sein, dieden Zustand
der Batterie überwachen und den Energieverbrauch der Klimaanlage stufenweise reduzieren, wenn die Kapazität der Batterie auf einen Wert fällt, der niedriger ist, als der vorab eingestellte Wert 1, so dass die Klimatisierung durchgeführt werden kann, ohne dass die Batterie belastet wird (D1, Abs. 11 f., 41).
(ii) Wie bereits das Patentgericht ausgeführt hat, ist damit ein Air43 Conditioning-System entsprechend Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung (Merkmale 1 bis 4.3) mit Ausnahme des Merkmals 3 offenbart.
Ob die D1 ein Air-Conditioning-System offenbart, das geeignet zur Ver44 wendung in Lastkraftwagen ist, kann dahinstehen, weil Merkmal 1, wie erläutert, lediglich die Eignung des Air-Conditioning-Systems zur Verwendung allgemein in Fahrzeugen vorschreibt, was bei dem System aus der D1 zweifelsfrei gegeben ist.
Die Drehzahl des in der D1 offenbarten Kompressors ist auch
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- entsprechend Merkmal 2 - variabel. In der D1 wird zwar darauf hingewiesen, dass die Effizienz einer durch eine Batterie betriebenen Klimaeinheit verglichen mit einer solchen, die durch einen Verbrennungsmotor angetrieben wird, hoch sei, weil der Kompressor mit einer konstanten Drehzahl angetrieben werden könne (D1, Abs. 52). Nach den Feststellungen des Patentgerichts ist dem Fachmann jedoch bewusst, dass die in der K1 beschriebene Variation zwischen verschiedenen Betriebsmodi eine Veränderung der Drehzahl des Kompressors erfordern, etwa wenn von dem normalen Modus in den Energiesparmodus gewechselt wird (D1, Abs. 35), was aus technischer Sicht mit einer Verringerung des Stroms und damit einer geringeren Drehzahl des Motors einhergehen muss. Konkrete Umstände, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellung begründen, sind nicht ersichtlich.
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Dass es sich bei dem in der D1 offenbarten Fahrzeug um ein Hybridfahrzeug handelt und die Klimaanlage die elektrische Leistung von einer Batterie für das Fahren als Quelle elektrischer Leistung empfängt, steht einer Offenbarung der Merkmale 4.2 und 4.2.1 nicht entgegen, da diese Batterie die Steuerung bei ausgeschaltetem Antriebsmechanismus mit elektrischer Leistung versorgt (D1, Abs. 11, 40 f.; Flussdiagramme in Figuren 6 und 7). Dass die Versorgung der Steuerung mit elektrischer Leistung darüber hinaus auch bei eingeschaltetem Antriebsmechanismus durch die Batterie für das Fahren erfolgen kann (vgl. D1, Abs. 6, 11, 37, 44 f.; Flussdiagramme in den Figuren 6 und 8), wird, wie erläutert , durch die Lehre des Patentanspruchs 1 nicht ausgeschlossen.
Zudem reduziert die Steuerung den Energieverbrauch der Klimaanlage,
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was nach den Feststellungen des Patentgerichts - wie in Merkmal 4.3 vorgesehen - praktisch sinnvoll nur durch eine Modulation der Drehzahl des Kompressors erfolgen kann, wenn die Kapazität der Batterie bei abgeschaltetem Antriebsmechanismus unter einen bestimmten Wert fällt (vgl. D1, Abs. 41; Flussdiagramm in Figur 7). Dass eine solche Modulation auch bei angeschaltetem Antriebsmechanismus möglich ist (vgl. D1, Abs. 46; Flussdiagramm in Figur 8), wird durch die erfindungsgemäße Lehre ebenfalls nicht ausgeschlossen.
Wie in Merkmal 4.3.1 vorgesehen, ist der Verbrennungsmotor bei dem in
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der D1 offenbarten System als Quelle elektrischer Leistung für die Steuerung nicht verfügbar, wenn diese die Drehzahl des Kompressors moduliert.
Hingegen offenbart die D1 nicht die Möglichkeit, die Modulation des
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Kompressors zu variieren, wenn zusätzliche oder andere Quellen elektrischer Leistung verfügbar sind und sich die Systemparameter ändern.
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(b) Auch die D3 offenbart den Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht.
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Die Entgegenhaltung betrifft ein Kühlsystem, das einen Kompressor variabler Drehzahl umfasst, der von einem elektronisch kommutierten bürstenlosen Gleichstrommotor angetrieben wird, um ein geeignetes Kühlmittel durch einen Dampfkondensator zu zirkulieren (D3, Sp. 1, Z. 17 ff.; Sp. 4, Z. 45 f.). Es ist eine im erfindungsgemäßen Sinne intelligente Leistungserzeugungsmanagementsteuerung in Gestalt einer Positionssignal-Verarbeitungsschaltung 70 und einer Stator-Wicklungs-Erregungsschaltung 189 vorhanden, die elektrische Leistung von einer Quelle elektrischer Leistung empfängt, die eine Batterie, ein Generator oder ähnliches sein kann (D3, Sp. 6, Z. 18 ff.; Sp. 9, Z. 51 ff.). Da das Kühlsystem , das nicht von einer direkten mechanischen Verbindung zu einem Fahrzeugmotor abhängt, nicht nur von einem Fahrzeug-Wechselstromgenerator und einer daran angeschlossenen Batterie mit Energie versorgt werden kann, während das Fahrzeug gefahren wird, sondern auch durch einen AbwärtsTransformator und eine Gleichrichterschaltung oder ein Batterie-Ladegerät von einer Standardsteckdose, wenn das Fahrzeug nicht gefahren wird (D3, Sp. 13, Z. 18 ff.), ist eine Quelle elektrischer Leistung offenbart, die betreibbar ist, wenn der Fahrzeugmotor nicht arbeitet. Zudem moduliert die Steuerung eine Drehzahl des Kompressors, indem eine Erregung des Motors geändert wird, um einen Betrieb des Kompressors während eines ausgeschalteten Zustands der Maschine zu ermöglichen. Nicht offenbart ist, die Erregung des Motors - entsprechend Merkmal 4.3 - basierend auf einer Leistungskapazität der Quelle elektrischer Leistung zu ändern. Zudem geht aus der D3 zwar die Verfügbarkeit zusätzlicher oder anderer Quellen elektrischer Leistung hervor. Die Entgegenhaltung offenbart aber nicht die Möglichkeit, die Modulation des Kompressors zu variieren, wenn zusätzliche oder andere Quellen elektrischer Leistung verfügbar sind und sich die Systemparameter ändern, um eine optimale Systemleistung aufrecht zu erhalten.
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(2) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ergab sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
(a) Naheliegend war es für den Fachmann zunächst, den Motor, der den
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Kompressor der aus der D1 bekannten Klimaeinheit antreibt, als bürstenlosen Gleichstrommotor entsprechend Merkmal 3 auszuführen.
Der Fachmann, der sich dafür interessierte, das in der D1 offenbarte
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Hybridfahrzeug mit Klimaanlage auszuführen, musste sich Gedanken darüber machen, welchen Motor er in die Klimaanlage einbaut, um den Kompressor anzutreiben (vgl. D1, Abs. 35). Nach den Feststellungen des Patentgerichts war es auf dem Gebiet der Fahrzeugklimaanlagentechnik üblich, als Elektromotor einen bürstenlosen Gleichstrommotor zu verwenden. Eine solche Praxis wird belegt durch D3, die Kühlsysteme insbesondere zum Kühlen der Fahrgasträume von Kraftfahrzeugen betrifft (D3, Sp. 1, Z. 17 ff.) und als Motor zum Antreiben des Kompressors einen bürstenlosen Gleichstrommotor erwähnt (D3, Sp. 4, Z. 45 f.), und die Vorveröffentlichung von Danfoss (D8), die einen BDVerdichter für die mobile Anwendung in z.B. LKWs und Bussen listet, der in Kühl- oder Gefriergeräten eingesetzt werden kann und neben einer Elektronikeinheit mit Überlastungsschutz auch mit einem bürstenlosen Gleichstrommotor ausgestattet ist, der mit der Elektronikeinheit kommutiert wird (D8, S. 2 f. "Generelles" und "Elektrischer Anschluss"). Danach hatte der Fachmann Veranlassung , bei Ausführung der D1 als Motor für die Klimaanlage einen bürstenlosen Gleichstrommotor zu verwenden.
Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der D1 auch keine Auswahlent55 scheidung dahin zu entnehmen, dass ein bürstenloser Gleichstrommotor nur für das Antriebsaggregat in Frage kommt. Zutreffend ist zwar, dass in der Beschreibung der D1 im Hinblick auf ein Ausführungsbeispiel ausgeführt wird,
dass die Effizienz der durch eine die Batterie betriebenen Klimaeinheit im Vergleich mit einem durch einen Verbrennungsmotor angetriebenen Kompressor hoch sei, weil erstere mit konstanter Drehzahl angetrieben werden könne, während bei letzterem die Drehzahl ständig ändere (D1, Abs. 52). Damit wird dem Fachmann jedoch lediglich der Gegensatz zwischen einem mechanisch von einem Verbrennungsmotor und einem elektrisch angetriebenen Kompressor hinsichtlich der Variabilität bzw. Konstanz der Drehzahl allgemein erläutert, aber nicht ausgeschlossen, die Drehzahl zu variieren, um verschiedene Betriebsmodi einstellen zu können (vgl. etwa D1, Abs. 35), und insoweit einen bürstenlosen Gleichstrommotor zu verwenden.
(b) Ausgehend von der D1 war es für den Fachmann zudem nahelie56 gend, neben der Fahrbatterie eine zusätzliche oder andere Quelle elektrischer Leistung zum Antrieb des Kompressors und entsprechend eine intelligente Leistungserzeugungsmanagementsteuerung vorzusehen, die die Modulation des Kompressors variieren kann, wenn zusätzliche oder andere Quellen elektrischer Leistung verfügbar sind und sich die Systemparameter ändern, um eine optimale Systemleistung aufrecht zu erhalten.
(i) Der Fachmann, der sich für eine Verbesserung des in der D1 offen57 barten Hybridfahrzeugs mit einer durch die elektrische Leistung der Fahrbatterie betriebenen Klimaanlage interessierte, entnahm der Druckschrift Vorschläge zur Steuerung der Klimaanlage, wenn die Zündung bzw. die Verbrennungsmaschine ausgeschaltet ist und der Klimaanlage infolgedessen nur noch die Restkapazität der Batterie als elektrische Leistung für den Betrieb zur Verfügung steht.
(ii) Die D1 schlägt insoweit vor, nach Einstellen eines Identifizierungs58 signals die Restkapazität der Batterie mit Sollwerten für einen normalen und für
einen sparsamen Betrieb der Klimaanlage zu vergleichen und in Abhängigkeit vom Ergebnis des Vergleichs die Klimaanlage im normalen oder sparsamen Betrieb zu betreiben oder auszuschalten. Zudem sei es möglich, die Klimaanlage in Abhängigkeit von der bisherigen Laufzeit der Klimaanlage, also etwa nach 30 Minuten Laufzeit, auszuschalten (D1, Abs. 40 ff.; Figur 7; vgl. auch Abs. 11 f.).
(iii) Aus Sicht des Fachmanns sind diese Vorschläge nicht ausreichend,
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wenn es wünschenswert ist, die Klimaanlage bei ausgeschalteter Zündung für längere Zeiträume zu betreiben, als es mit der Restkapazität der Batterie möglich ist oder die über eine Dauer von 30 Minuten hinausgehen. Das gibt ihm Veranlassung, über weitere oder andere Quellen elektrischer Leistung für die Klimaanlage des aus der D1 bekannten Hybridfahrzeugs nachzudenken. Insoweit bietet sich insbesondere eine externe Stromquelle wie der Anschluss an ein Stromnetz an.
(iv) Dass für den Fachmann in diesem Zusammenhang eine weitere oder
60
andere Quelle elektrischer Energie neben der Fahrbatterie zum Betrieb der Klimaanlage nahelag, wird durch die D3 bestätigt, die für das Kühlsystem eines Fahrzeugs, dessen Verbrennungsmaschine ausgeschaltet ist, neben einer Batterie als weitere oder andere Quelle insbesondere eine Standard-Steckdose über ein Batterieladegerät offenbart (D3, Sp. 13, Z. 19 ff.).
(v) Zieht der Fachmann die Verfügbarkeit einer weiteren oder anderen
61
Quelle elektrischer Leistung in Betracht, um die Klimaanlage des aus der D1 bekannten Hybridfahrzeugs bei ausgeschalteter Zündung über die Restkapazität der Fahrbatterie hinaus betreiben zu können, ist es angesichts der Offenbarung in der D1 zur Steuerung der Klimaanlage bei ausgeschalteter Zündung (D1, Abs. 40 ff.) folgerichtig und naheliegend, die Klimaanlage bei Verfügbarkeit einer weiteren oder anderen Quelle in Abhängigkeit von deren Kapazität zu steuern, was wiederum voraussetzt, dass die Steuerung zunächst die Verfügbarkeit der weiteren oder anderen Quelle erkennen kann. Damit war der Fachmann veranlasst, die Steuerung so einzurichten, dass sie die Modulation des Kompressors der Klimaanlage variieren kann, wenn eine zusätzlich oder andere Quelle elektrischer Leistung verfügbar ist und sich die Systemparameter ändern , um eine optimale Systemleistung aufrecht zu erhalten.
2. Die Verteidigung des Streitpatents in der Fassung des Hilfsantrags
62
hat ebenfalls keinen Erfolg.
63
a) Sie ist bereits nicht zulässig.
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die erstmals in
64
der Berufungsinstanz geltend gemachte Verteidigung eines Patents in geänderter Fassung in der Regel gemäß § 116 Abs. 2 PatG zulässig, wenn der Beklagte mit der Änderung einer von der erstinstanzlichen Beurteilung abweichenden Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs Rechnung trägt und den Gegenstand des Patents auf dasjenige einschränkt, was sich nach Auffassung des Patentgerichts schon aus der erteilten Fassung ergab (BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 - X ZR 21/12, GRUR 2013, 912 Rn. 57 - Walzstraße).
Hingegen kann die hilfsweise Verteidigung des Streitpatents mit geän65 derten Ansprüchen in der Berufungsinstanz regelmäßig nicht mehr als sachdienlich im Sinne von § 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG angesehen werden, wenn die Beklagte dazu bereits in erster Instanz Veranlassung hatte. Ein solcher Anlass zur zumindest hilfsweisen beschränkten Verteidigung kann sich daraus ergeben , dass das Patentgericht in seinem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis mitgeteilt hat, dass nach seiner vorläufigen Auffassung der Gegenstand des
Streitpatents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen dürfte (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 - X ZR 111/13, GRUR 2016, 365 - Telekommunikationsverbindung

).

66
(2) Die zuletzt genannten Voraussetzungen sind gegeben. Eine Verteidigung mit dem Hilfsantrag war für die Beklagte durch den Hinweis des Patentgerichts vom 15. Juli 2016 veranlasst.
Das Patentgericht hat darin hinsichtlich der Auslegung von Patentan67 spruch 1 in der erteilten Fassung mitgeteilt, dass nach seiner vorläufigen Einschätzung das Streitpatent unter einem intelligenten Regler (intelligent power generation management controller 30) ein Regelungssystem verstehe, das Sig- nal-Ein- und Ausgänge besitze, das Ist- mit Sollwerten vergleichen könne und aufgrund dieser Vergleiche z.B. die Drehzahl des Kompressors regele. Da dies für den Fachmann ein typisches Regelungssystem beschreibe, komme dem Adjektiv "intelligent" keine weitergehende Bedeutung zu. Die zwar ebenfalls im Streitpatent beschriebene Abfrage und Auswahl weiterer Energiequellen sei lediglich optional als Ausgestaltung formuliert.
Die Beklagte war danach gehalten, das Streitpatent mit weiteren oder
68
geänderten Hilfsanträgen zu verteidigen, wenn sie den Bedenken des Patentgerichts Rechnung tragen wollte. Die Beklagte hat dementsprechend in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht Hilfsantrag 4 gestellt, in dem Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung um das Merkmal 4.4 ergänzt worden ist.
Sie hätte aber ebenso Anlass zu weiteren Hilfsanträgen gehabt, wenn sie
69
die Lehre aus Patentanspruch 1 weiter dahin konkretisieren wollte, dass die Steuerung dynamisch elektrische Leistung basierend auf einer Prioritätslogik der verfügbaren Quellen verwendet. Dass sie das Streitpatent mit Patentanspruch 1 in dieser Fassung erst in der Berufungsinstanz verteidigt hat, kann daher nicht als sachdienlich im Sinne von § 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG angesehen werden.
70
b) Unabhängig davon ist die Berufung hinsichtlich des Hilfsantrags auch nicht begründet, da der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags dem Fachmann durch den Stand der Technik nahegelegt war.
Nach den Feststellungen des Patentgerichts gehörte es zum allgemeinen
71
Fachwissen, beim Einsatz mehrerer unterschiedlicher Energiequellen die Steuerung so auszugestalten, dass diese Quellen in einer bestimmten Reihenfolge genutzt werden. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit dieser Feststellung begründen, sind nicht ersichtlich.
Vor diesem Hintergrund hatte der Fachmann Anlass, das durch D1 na72 hegelegte System, das (entsprechend der Ausführungen zum Hauptantrag) neben der Fahrzeugbatterie über mindestens eine weitere oder andere Energiequelle verfügen kann, in der in Merkmal 4.5 genannten Weise auszugestalten.
73
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG in Verbindung mit § 97 Abs. 1 ZPO.
Bacher Grabinski Hoffmann
Kober-Dehm Marx
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 24.11.2016 - 2 Ni 4/15 (EP) -

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Bundesgerichtshof Urteil, 26. März 2019 - X ZR 21/17 zitiert 4 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 83


(1) In dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats weist das Patentgericht die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung

Patentgesetz - PatG | § 116


(1) Der Prüfung des Bundesgerichtshofs unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge. (2) Eine Klageänderung und in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats eine Verteidigung mit e

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Bundesgerichtshof Urteil, 28. Mai 2013 - X ZR 21/12

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 21/12 Verkündet am: 28. Mai 2013 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

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Bundesgerichtshof Urteil, 09. Juni 2015 - X ZR 51/13

bei uns veröffentlicht am 09.06.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X Z R 5 1 / 1 3 Verkündet am: 9. Juni 2015 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja

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(1) In dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats weist das Patentgericht die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sein werden oder der Konzentration der Verhandlung auf die für die Entscheidung wesentlichen Fragen dienlich sind. Dieser Hinweis soll innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung der Klage erfolgen. Ist eine Patentstreitsache anhängig, soll der Hinweis auch dem anderen Gericht von Amts wegen übermittelt werden. Das Patentgericht kann den Parteien zur Vorbereitung des Hinweises nach Satz 1 eine Frist für eine abschließende schriftliche Stellungnahme setzen. Setzt das Patentgericht keine Frist, darf der Hinweis nicht vor Ablauf der Frist nach § 82 Absatz 3 Satz 2 und 3 erfolgen. Stellungnahmen der Parteien, die nach Fristablauf eingehen, muss das Patentgericht für den Hinweis nicht berücksichtigen. Eines Hinweises nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die zu erörternden Gesichtspunkte nach dem Vorbringen der Parteien offensichtlich erscheinen. § 139 der Zivilprozessordnung ist ergänzend anzuwenden.

(2) Das Patentgericht kann den Parteien eine Frist setzen, binnen welcher sie zu dem Hinweis nach Absatz 1 durch sachdienliche Anträge oder Ergänzungen ihres Vorbringens und auch im Übrigen abschließend Stellung nehmen können. Die Frist kann verlängert werden, wenn die betroffene Partei hierfür erhebliche Gründe darlegt. Diese sind glaubhaft zu machen.

(3) Die Befugnisse nach den Absätzen 1 und 2 können auch von dem Vorsitzenden oder einem von ihm zu bestimmenden Mitglied des Senats wahrgenommen werden.

(4) Das Patentgericht kann Angriffs- und Verteidigungsmittel einer Partei oder eine Klageänderung oder eine Verteidigung des Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents, die erst nach Ablauf einer hierfür nach Absatz 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
die Berücksichtigung des neuen Vortrags eine Vertagung des bereits anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung erforderlich machen würde und
2.
die betroffene Partei die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
die betroffene Partei über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist glaubhaft zu machen.

62
b) Die Frage, ob das Patentgericht die Klageänderung nach § 83 Abs. 4 PatG oder nach § 99 Abs. 1 PatG in Verbindung mit § 263 ZPO hätte zurück- weisen können, stellt sich gleichfalls nicht, denn das Patentgericht hat dies nicht getan, sondern die Klageänderung sachlich beschieden. Dass es gleichzeitig gemeint hat, es brauche nicht entschieden zu werden, ob die Zulassung der Klageänderung sachdienlich sei, ändert daran nichts. Eine in erster Instanz unterbliebene Zurückweisung verspäteten Vorbringens oder verspäteter Anträge kann in der Berufungsinstanz nicht nachgeholt werden. Hierfür bietet das Gesetz keine Grundlage, und dies kommt auch schon deswegen nicht in Betracht, weil die Zurückweisung, die im Übrigen im Ermessen des Patentgerichts steht, unter anderem zur Voraussetzung hat, dass die Berücksichtigung des neuen Vortrags eine Vertagung des Termins zur Verhandlung vor dem Patentgericht erforderte (§ 83 Abs. 4 Satz 1 Buchst. a PatG), und diese Voraussetzung im Berufungsverfahren nicht nachträglich eintreten kann.

(1) Der Prüfung des Bundesgerichtshofs unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge.

(2) Eine Klageänderung und in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats eine Verteidigung mit einer geänderten Fassung des Patents sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder der Bundesgerichtshof die Antragsänderung für sachdienlich hält und
2.
die geänderten Anträge auf Tatsachen gestützt werden können, die der Bundesgerichtshof seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach § 117 zugrunde zu legen hat.

57
Die Verteidigung des Streitpatents mit dieser Fassung ist sachdienlich. Die Beklagte trägt damit der Rechtsauffassung des Senats Rechnung und schränkt den Gegenstand im Wesentlichen auf dasjenige ein, was sich nach Auffassung des Patentgerichts bereits aus der erteilten Fassung ergab. Der geänderte Antrag kann deshalb auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat der Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen hat.

(1) Der Prüfung des Bundesgerichtshofs unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge.

(2) Eine Klageänderung und in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats eine Verteidigung mit einer geänderten Fassung des Patents sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder der Bundesgerichtshof die Antragsänderung für sachdienlich hält und
2.
die geänderten Anträge auf Tatsachen gestützt werden können, die der Bundesgerichtshof seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach § 117 zugrunde zu legen hat.

(1) In dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats weist das Patentgericht die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sein werden oder der Konzentration der Verhandlung auf die für die Entscheidung wesentlichen Fragen dienlich sind. Dieser Hinweis soll innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung der Klage erfolgen. Ist eine Patentstreitsache anhängig, soll der Hinweis auch dem anderen Gericht von Amts wegen übermittelt werden. Das Patentgericht kann den Parteien zur Vorbereitung des Hinweises nach Satz 1 eine Frist für eine abschließende schriftliche Stellungnahme setzen. Setzt das Patentgericht keine Frist, darf der Hinweis nicht vor Ablauf der Frist nach § 82 Absatz 3 Satz 2 und 3 erfolgen. Stellungnahmen der Parteien, die nach Fristablauf eingehen, muss das Patentgericht für den Hinweis nicht berücksichtigen. Eines Hinweises nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die zu erörternden Gesichtspunkte nach dem Vorbringen der Parteien offensichtlich erscheinen. § 139 der Zivilprozessordnung ist ergänzend anzuwenden.

(2) Das Patentgericht kann den Parteien eine Frist setzen, binnen welcher sie zu dem Hinweis nach Absatz 1 durch sachdienliche Anträge oder Ergänzungen ihres Vorbringens und auch im Übrigen abschließend Stellung nehmen können. Die Frist kann verlängert werden, wenn die betroffene Partei hierfür erhebliche Gründe darlegt. Diese sind glaubhaft zu machen.

(3) Die Befugnisse nach den Absätzen 1 und 2 können auch von dem Vorsitzenden oder einem von ihm zu bestimmenden Mitglied des Senats wahrgenommen werden.

(4) Das Patentgericht kann Angriffs- und Verteidigungsmittel einer Partei oder eine Klageänderung oder eine Verteidigung des Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents, die erst nach Ablauf einer hierfür nach Absatz 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
die Berücksichtigung des neuen Vortrags eine Vertagung des bereits anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung erforderlich machen würde und
2.
die betroffene Partei die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
die betroffene Partei über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 111/13 Verkündet am:
15. Dezember 2015
Hartmann
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Telekommunikationsverbindung

a) Die hilfsweise Verteidigung des Streitpatents mit geänderten Ansprüchen in der Berufungsinstanz
kann regelmäßig nicht als sachdienlich im Sinne von § 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG angesehen
werden, wenn der Beklagte dazu bereits in erster Instanz Veranlassung hatte.

b) Ein Anlass zur zumindest hilfsweisen beschränkten Verteidigung in der ersten Instanz kann
sich daraus ergeben, dass das Patentgericht in seinem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis
mitgeteilt hat, dass nach seiner vorläufigen Auffassung der Gegenstand des Streitpatents
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen dürfte.

c) Macht der Beklagte in der ersten Instanz keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt der
auf den Hauptanspruch rückbezogenen Unteransprüche des Streitpatents geltend und erklärt
er nach richterlichem Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht,
dass es bei der Verteidigung der erteilten Fassung sein Bewenden haben soll, handelt es
sich um ein neues Verteidigungsmittel, wenn der Beklagte in der Berufungsinstanz das
Streitpatent erstmals hilfsweise beschränkt durch die Kombination des Hauptanspruchs mit
Unteransprüchen des Streitpatents verteidigt und sich zur Begründung auf einen eigenständigen
erfinderischen Gehalt der Unteransprüche beruft.
ECLI:DE:BGH:2015:151215UXZR111.13.0

BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 - X ZR 111/13 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2015 durch die Richter Gröning, Dr. Grabinski und Hoffmann sowie die Richterinnen Schuster und Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 8. Mai 2013 verkündete Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagten sind Inhaber des unter Inanspruchnahme der Priorität
1
zweier deutscher Anmeldungen vom 31. August 2001 und vom 20. November 2001 am 30. August 2002 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 421 771 (nachfolgend: Streitpatent ). Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen. Patentanspruch 1 lautet in der erteilten Fassung: "1. Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen, die sich mit einem ihre Adresse enthaltenden Datensatz über ein Telekommunikationssystem (4) bei einer diesem zugeordneten Datenverarbeitungseinrichtung (2) melden, die mit einem Datensatzspeicher (11) für die Speicherung derartiger Datensätze und einem Vergleicher (1) versehen ist, der bei weitgehender Übereinstimmung mindestens zweier Datensätze ein Übereinstimmungssignal zur Herstellung einer Verbindung zwischen den beiden Personen abgibt, dadurch gekennzeichnet, dass der von einem Funktelefon (9a, 9b) übermittelte Datensatz mindestens Zeitpunkt und durch ein Standortermittlungssystem ermittelter Aufenthaltsort einer sich meldenden, kontaktsuchenden Person sowie deren Rufnummer enthält, zu dem ein passender, ebenfalls Zeitpunkt und Aufenthaltsort enthaltender Datensatz einer sich ebenfalls meldenden, kontaktbereiten Person im Vergleicher (1) ermittelt wird, wobei jede Meldung des Datensatzes mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort der kontaktsuchenden Person das Anlaufen eines begrenzten Zeitraums in der Datenverarbeitungseinrichtung (2) für die Ermittlung des Übereinstimmungssignals und dessen Abgabe bei Überlappung der beiden Zeiträume auslöst, und dass das Übereinstimmungssignal im Telekommunikationssystem (4) ein Rufsignal zu der kontaktbereiten Person zu deren Funktelefon erzeugt und damit eine Telekommunikationsverbindung zwischen den beiden Funktelefonen (9a, 9b) beider Personen erstellt."
2
Die Patentansprüche 2 bis 14 sind unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen.
3
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagten haben das Streitpatent verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen richtet
4
sich die Berufung der Beklagten, mit der sie die Abänderung des Urteils des Patentgerichts und die Abweisung der Klage beantragen. Außerdem verteidigen sie das Streitpatent zuletzt in der Fassung von drei Hilfsanträgen, die sie erstmals im Berufungsverfahren gestellt haben.

Entscheidungsgründe:


5
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg.
6
I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen.
7
1. Nach der Beschreibung waren derartige Verfahren im Stand der Technik bekannt (Abs. 2 f.). Sie setzen voraus, dass der kontaktsuchenden Person die Adresse einer kontaktbereiten Person über eine Datenverarbeitungseinrichtung mitgeteilt wird, um die Verbindung herzustellen (Abs. 4).
8
In der internationalen Anmeldung 00/19344 sei zudem ein Verfahren zur Herstellung eine Telekommunikationsverbindung zwischen Personen offenbart worden, die sich bei einer Datenverarbeitungseinrichtung jeweils mit einem Datensatz meldeten, wobei der Datensatz eine Adresse des Teilnehmers und eine Örtlichkeit enthalte, wie etwa ein Gebäude, eine Straße oder eine Stadt. Die Streitpatentschrift verweist darauf, dass ein solches Verfahren für die Herstellung einer Telekommunikationsverbindung zwischen einer kontaktsuchenden und einer sich in der Nähe befindlichen kontaktbereiten Person ungeeignet sei, wenn es von vornherein nur darum gehe, eine Telekommunikationsverbindung nur zwischen zwei Personen zu erstellen (Abs. 5) und schlägt mit Patentan- spruch 1 vor diesem Hintergrund folgende Lehre für eine Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen vor: 1. Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen: 2. Die zwei Personen melden sich mit einem ihre Adresse enthaltenden Datensatz über ein Telekommunikationssystem (4) bei einer diesem zugeordneten Datenverarbeitungseinrichtung

(2).

3. Die Datenverarbeitungseinrichtung (2) ist mit einem Datensatzspeicher (11) für die Speicherung derartiger Datensätze und einem Vergleicher (1) versehen. 4. Der von einem Funktelefon (9a, 9b) übermittelte Datensatz der kontaktsuchenden Person enthält mindestens
a) den Zeitpunkt und
b) den durch ein Standortermittlungssystem ermittelten Aufenthaltsort und die Rufnummer der kontaktsuchenden Person. 5. Im Vergleicher (1) wird zu dem Datensatz der kontaktsuchenden Person ein passender, ebenfalls Zeitpunkt und Aufenthaltsort enthaltender Datensatz einer sich ebenfalls meldenden , kontaktbereiten Person ermittelt. 6. Der Vergleicher (1) gibt bei weitgehender Übereinstimmung mindestens zweier Datensätze ein Übereinstimmungssignal zur Herstellung einer Verbindung zwischen den beiden Personen.
7. Jede Meldung des Datensatzes mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort der kontaktsuchenden Person löst das Anlaufen eines begrenzten Zeitraums in der Datenverarbeitungseinrichtung (2) für die Ermittlung des Übereinstimmungssignals und dessen Abgabe bei Überlappung der beiden Zeiträume aus. 8. Das Übereinstimmungssignal erzeugt im Telekommunikationssystem (4) ein Funksignal zu der kontaktbereiten Person zu deren Funktelefon und erstellt damit eine Telekommunikationsverbindung zwischen den beiden Funktelefonen (9a, 9b) beider Personen.
9
Dem Streitpatent kommt es der Beschreibung zufolge für den Ablauf des Verfahrens darauf an, dass die erste Telekommunikationsverbindung zwischen den beiden Personen im Interesse der Wahrung ihrer Anonymität unter vollem Schutz der beiderseitigen Adressen durch die Datenverarbeitungsanlage hergestellt wird und keine der Personen aktiv die Adresse der anderen eingeben muss, um die Verbindung herzustellen (Abs. 9).
10
Aus Sicht des Fachmanns, der in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Patentgerichts ein Ingenieur der Nachrichtentechnik mit Kenntnissen und Erfahrungen auf dem Gebiet des Verbindungsaufbaus in Telekommunikationsnetzen und der Ähnlichkeitsanalyse von Datensätzen in Datenbanken ist, nennen die Merkmale 5 und 6 die Mindestinformationen, die die jeweiligen Datensätze beinhalten müssen, um den Zweck zu erfüllen, dem das streitpatentgemäße Verfahren dient, nämlich am Ende eine Telekommunikationsverbindung zwischen einer kontaktsuchenden und einer kontaktbereiten Person zu ermöglichen. Die Daten, die für die Verwirklichung des Verfahrenszwecks zumindest benötigt werden, betreffen neben der Rufnummer der kontaktsuchenden Person Ort und Zeit, damit im Vergleicher zu diesem Datensatz ein passender , ebenfalls Zeitpunkt und Aufenthaltsort (und Rufnummer) einer sich desgleichen meldenden, kontaktbereiten Person ermittelt werden kann. Dafür stellt das Streitpatent auf den Aufenthaltsort der Personen und den Zeitpunkt ab. Nach welchen Kriterien der Zeitpunkt zu bestimmen ist, überlässt das Streitpatent dem Fachmann, der ihn so definieren und festlegen wird, wie dies der Förderung des Verfahrenszwecks am besten entspricht.
11
Gemäß Merkmal 7 löst jede Meldung des Datensatzes mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort der kontaktsuchenden Person in der Datenverarbeitungseinrichtung 2 das Anlaufen eines begrenzten Zeitraums für die Ermittlung des Übereinstimmungssignals und dessen Abgabe bei Überlappung der beiden Zeiträume aus. Bei dem "begrenzten Zeitraum" handelt es sich um den Zeitraum, der dem Vergleicher (etwa durch Steuerung der Datenverarbeitungsvorrichtung) vorgegeben ist, um zu ermitteln, ob mindestens zwei weitgehend übereinstimmende Datensätze vorliegen, so dass ein Übereinstimmungssignal ausgelöst werden kann, das ein Rufsignal zu der kontaktbereiten Person erzeugt und damit eine Verbindung zwischen den beiden Funktelefonen beider Personen erstellt. Das setzt voraus, dass sich die von zwei Personen ausgelösten begrenzten Zeiträume überlappen, weil das Übereinstimmungssignal nur in diesem Überlappungsbereich ein Rufsignal zum Funktelefon der kontaktbereiten Person erzeugen und eine Verbindung zwischen den beiden Personen herstellen kann (vgl. Abs. 15). Daraus folgt jedoch nicht, dass der begrenzte Zeitraum zum Zeitpunkt der Meldung des Datensatzes beginnen muss. Dafür lassen sich weder der Wortlaut des Merkmals 7 noch die Beschreibung des Streitpatents anführen , in der hervorgehoben wird, dass die Bemessung des Zeitraums zweckmäßigerweise so gestaltet wird, dass dieser von jeder der beiden Personen individuell für sich durch Ermittlung des Zeitbefehls an die Datenverarbeitungseinrichtung festgelegt werden kann (Abs. 16). Entsprechend den Ausführungen des Patentgerichts ist erfindungsgemäß auch nicht festgelegt, wann der begrenzte Zeitraum beginnt, ob er also unmittelbar nach Eingang des Datensatzes in der Datenverarbeitungseinrichtung oder erst verzögert ausgelöst wird.
12
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet.
13
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents beruhe gegenüber der internationalen Anmeldung 01/15480 (K7) nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
14
Aus der K7 sei ein Verfahren zum Herstellen einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen bekannt. Die Personen meldeten sich mit einem ihre Adresse ("USER ID") enthaltenden Datensatz über ein Telekommunikationssystem ("GSM-network" bzw. Internet) bei einer zugeordneten Datenverarbeitungseinrichtung , die mit einem Datensatzspeicher und einem Vergleicher ausgestattet sei, der bei weitgehender Übereinstimmung mindestens zweier Datensätze ein Übereinstimmungssignal zur Herstellung einer Verbindung zwischen den beiden Personen abgebe. Zudem sei offenbart, dass der Aufenthaltsort einer sich meldenden, kontaktsuchenden Person über das Funktelefon durch ein Standortermittlungssystem ermittelt werde und diese Information sowie die Rufnummer der Person an die Datenverarbeitungseinrichtung übermittelt werde. Es werde ein passender Datensatz einer kontaktbereiten Person im Vergleicher ermittelt.
15
Aus der K7 gehe nicht unmittelbar hervor, dass jeweils im Datensatz der kontaktbereiten und der kontaktsuchenden Person ein "Zeitpunkt" enthalten sei und jede Meldung des Datensatzes der kontaktsuchenden Person das Anlaufen eines Zeitraums für die Ermittlung des Übereinstimmungssignals auslöse. Der Fachmann entnehme der K7 jedoch eine Zeitintervallangabe, die als Grundlage für die Bestimmung eines zeitlichen Überlappungsbereichs zwischen kontaktsuchender und kontaktbereiter Person diene und durch entsprechende Parameter beschrieben werde. Aufgrund dieser und weiterer Angaben werde mittels des Auswertealgorithmus im Vergleicher ein Übereinstimmungssignal ermittelt und im Telekommunikationssystem ein Rufsignal zu der kontaktbereiten Person über deren Funktelefon erzeugt.
16
Die nicht offenbarten Teilmerkmale seien bei der Prüfung erfinderischer Tätigkeit nicht zu berücksichtigen, weil sie die Lösung des technischen Problems nicht mit technischen Mitteln bestimmten oder zumindest beeinflussten, zumal der Zeitpunkt für das erfindungsgemäße Verfahren offensichtlich ohne Belang sei. Aber auch wenn diese Teilmerkmale zu berücksichtigen seien, sei kein erfinderischer Gehalt gegeben. Im GSM-Netz werde, wie der Fachmann wisse, schon zu Übergabe- und Abrechnungszwecken etwa das Betreten oder Verlassen einer Funkzelle durch ein Mobilfunkgerät mit einer Zeitmarke (Zeitpunkt ) versehen. Bei einem Verfahren, das dem Aufbau einer Verbindung zwischen zwei Personen diene, werde der Fachmann zunächst diese bezüglich beider Personen ohnehin vorhandenen Zeitmarken zum Aktivieren eines verbindungsrelevanten Zeitraums nutzen, um den Datenbeschaffungs- und -verarbeitungsaufwand gering zu halten. Daher sei ein Zeitpunkt als Auslöser für das Anlaufen eines hierfür vorgesehenen Zeitraums nahegelegt, wenn dieser nicht ohnehin bereits in der K7 mitgelesen werde. Aber auch der einfache Nutzerwunsch , den Matching-Prozess nicht nur mittels des Endgerätes unter Nutzung getrennt festzulegender Matching-Parameter aktivieren oder deaktivieren zu können, führe den Fachmann dahin, für den Nutzer die Möglichkeit bereitzustellen , direkt mit seiner Meldung einen Zeitraum bestimmen zu lassen, während dessen das Matching durchgeführt werde.
17
III. Die Begründung des Patentgerichts hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.
18
1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung wird dem Fachmann durch die K7 nahegelegt, so dass es an einer erfinderischen Tätigkeit fehlt.
19
Die K7 befasst sich mit einem Verfahren zur Herstellung einer Telekommunikationsverbindung zwischen zwei Personen, wobei die Verbindung nicht durch die Wahl einer Telefonnummer, sondern in Abhängigkeit vom Standort der Personen und der Ähnlichkeit eines Profils ("profile") mit Informationen her- gestellt werden soll, das die Personen im Netzwerk gespeichert haben (K7, S. 4, Z. 14 ff.; S. 24, Z. 1 ff.; "claim 1").
20
Nach dem Verfahren melden sich die Personen mit einem Profil (K7, S. 10, Z. 5 ff.; Z. 12 ff.: "profile"), also einem Datensatz, der auch ihre Adresse (K7, S. 9, Z. 10 ff.; S. 10, Z. 5 ff.: "USER ID") enthält, über ein Telekommunikationssystem , bei dem es sich um das GSM-Mobilfunknetzwerk handeln kann (K7, S. 5, Z. 8 ff.: GSM "cellular phone network"), bei einem Server (K7, S. 10, Z. 8 ff.; S. 16, Z. 20 ff.: "server"), also einer Datenverarbeitungseinrichtung. In einem bevorzugten Ausführungsbeispiel wird das Profil einer Personvon dem Server 106 empfangen und gespeichert, wenn das Funktelefon ("mobile station" ) das erste Mal im Dienstbereich ("service area 103") des Servers aktiv wird, und ist im Server solange erhältlich, wie das Funktelefon in dessen Dienstbereich ("service area") aktiv bleibt (K7, S. 9, Z. 21 ff.; S. 10, Z. 12 ff.; vgl. auch Figur 1). Mithin wird das Profil bzw. der Datensatz der kontaktsuchenden Person von einem Funktelefon übermittelt und enthält auch den durch ein Standortermittlungssystem (etwa GPS, vgl. K7, S. 13, Z. 1 ff.) ermittelten Aufenthaltsort. Handelt es sich bei dem Telekommunikationssystem um das GSM-Netzwerk, ist nach den von der Berufung nicht angegriffenen Feststellungen des Patentgerichts für den Fachmann zudem implizit offenbart, dass die Rufnummer an den Server (die Datenverarbeitungseinrichtung) übermittelt wird. Der übermittelte Datensatz enthält schließlich einen Zeitpunkt, wie sich aus der von der Berufung gleichfalls nicht beanstandeten Feststellung des Patentgericht ergibt, dass nach Kenntnis des Fachmanns im GSM-Netzwerk das Betreten einer Funkzelle durch ein Mobilfunkgerät mit einer Zeitmarke (also einem Zeitpunkt) versehen wird. Die vom Patentgericht zudem angesprochene Frage, ob es sich bei dem in den Merkmalen 4, 5 und 7 genannten Zeitpunkt überhaupt um ein bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit zu berücksichtigendes technisches Merkmal handelt, bedarf danach keiner Entscheidung, weil die K7 jedenfalls einen solchen Zeitpunkt offenbart.

21
Der Server ist mit einem Vergleicher ("matching engine") ausgestattet, der die Profile der Personen, die sich an einem bestimmten Ort (etwa im Bereich einer Basisstation, einer Zelle oder Zellgruppe oder eines Dienstbereichs) aufhalten, auf Übereinstimmungen hin überprüft (K7, S. 9, Z. 18 ff.; S. 10, Z. 16 ff.; S. 16, Z. 14 ff.; S. 20 Z. 11 ff.). Im Vergleicher wird also zu dem Datensatz der kontaktsuchenden Person ein passender, den Aufenthaltsort enthaltender Datensatz einer sich ebenfalls meldenden, kontaktbereiten Person ermittelt , wobei der Datensatz der kontaktbereiten Person zumindest im GSMNetzwerk neben dem Aufenthaltsort auch mit einer Zeitmarke bzw. einem Zeitpunkt versehen ist.
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Der Vergleicher gibt aufgrund eines Auswertealgorithmus (K7, S. 10, Z. 16 ff.) bei weitgehender Übereinstimmung mindestens zweier Profile ein Übereinstimmungssignal, das im Telekommunikationssystem ein Funksignal zu der kontaktbereiten Person zu deren Funktelefon erzeugt und damit eine Telekommunikationsverbindung herstellt (K7, S. 21, Z. 5 ff.; Ansprüche 1 und 6; Abstract). Damit sind die Merkmale 1 bis 6 und 8 durch die K7 offenbart.
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In der K7 wird zudem ausgeführt, dass Vergleichsparameter vorgesehen werden können, die es den Benutzern erlauben, den Vergleich räumlich oder zeitlich einzuschränken. Die Parameter können die Größe des Standortbereichs angeben, die der Benutzer wünscht, oder den Zeitpunkt, zu dem ein Vergleich versucht werden soll (K7, S. 19, Z. 5 ff.). Dem Fachmann ist damit - in teilweiser Vorwegnahme des Merkmals 7 - die Möglichkeit offenbart, für die Ermittlung des Übereinstimmungssignals einen begrenzten Zeitraum und dessen Abgabe bei Überlappung der beiden Zeiträume bei mindestens zwei Personen vorzusehen. Hingegen ist zwar nicht beschrieben, dass jede Meldung des Datensatzes mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort der kontaktsuchenden Person das Anlaufen des begrenzten Zeitraums für die Übermittlung des Übereinstimmungssignals auslöst. Gleichwohl trifft es entgegen der Sichtweise der Berufung nicht zu, dass K7 einen gänzlich anderen Ansatz als das Streitpatent verfolgte.
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Nach der Lehre von K7 sucht das Funktelefon grundsätzlich konstant und automatisch nach Vergleichsmöglichkeiten und meldet damit auch das Profil (den Datensatz) mit Zeitpunkt und Aufenthaltsort beim Server (bei der Datenverarbeitungseinrichtung ), wann immer der kontaktsuchende Benutzer einen neuen Standortbereich betritt. Alternativ hat der kontaktsuchende Benutzer aber auch die Option, das Vergleichen durch einen einfachen Eingabevorgang unter Verwendung des Funktelefons zu aktivieren oder zu deaktivieren, wobei der Benutzer auch bei dieser Option sein Vergleichs- und Anforderungsprofil nur einmal eingeben muss (K7, S. 20, Z. 2 ff.). In dieser Variante ist die Lehre von K7 derjenigen des Streitpatents stark angenähert. Das (erneute) Aktivieren nach Eintritt des deaktivierten Zustands entspricht einer Meldung mit einem die Adresse enthaltenden Datensatz bei der Datenverarbeitungseinrichtung im Sinne von Merkmal 2 des Streitpatents. Der Unterschied zu K7 besteht insoweit lediglich darin, dass das Streitpatent dieses Aktivieren nicht als erneutes, sondern erstmaliges Melden bei der Datenverarbeitungseinrichtung definiert. Entsprechend bietet es sich für den Fachmann an, das Anlaufen des begrenzten Zeitraums für die Ermittlung des Übereinstimmungssignals entweder mit jeder Meldung des Profils (des Datensatzes) im Server (in der Datenverarbeitungseinrichtung ) auszulösen oder diesen alternativ durch Eingabe am Funktelefon zu aktivieren oder zu deaktivieren (vgl. PGU 14 unten, Übergang 15 oben). Die erste der beiden Alternativen entspricht den Vorgaben des Merkmals 7, so dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 in der erteilten Fassung für den Fachmann naheliegend war.
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2. Die Verteidigung des Streitpatents in der Fassung der zuletzt noch geltend gemachten Hilfsanträge 3A, 4 und 5 ist unzulässig. Weder hat die Klägerin der Verteidigung des Streitpatents in den geänderten Fassungen zugestimmt, noch können diese als sachdienlich angesehen werden, § 116 Abs. 2 Nr. 1 PatG.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die erstmals in der Berufungsinstanz geltend gemachte Verteidigung eines Patents in geänderter Fassung in der Regel gemäß § 116 Abs. 2 PatG zulässig, wenn der Beklagte mit der Änderung einer von der erstinstanzlichen Beurteilung abweichenden Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs Rechnung trägt und den Gegenstand des Patents auf dasjenige einschränkt, was sich nach Auffassung des Patentgerichts schon aus der erteilten Fassung ergab (BGH, Urteil vom 28. Mai 2013 - X ZR 21/12, GRUR 2013, 912 Rn. 57 - Walzstraße). Gleiches gilt für den Fall, dass das Patentgericht in dem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis nur einzelne Angriffsmittel des Klägers aufgreift und der Beklagte daher in der Regel keinen Anlass hat, zusätzlich zu Hilfsanträgen, die dem erteilten Hinweis Rechnung tragen, vorsorglich weitere Hilfsanträge im Hinblick auf Angriffsmittel zu stellen, auf die das Patentgericht in seinem Hinweis nicht eingegangen ist oder die es als nicht aussichtsreich eingeschätzt hat (BGH, Urteil vom 27. Mai 2014 - X ZR 2/13, GRUR 2014, 1026 Rn. 31 - Analog-Digital-Wandler). Demgegenüber hat das Patentgericht im vorliegenden Fall in dem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis bereits mitgeteilt, dass nach seiner vorläufigen Auffassung der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents im Hinblick auf die K7 und das Fachwissen des Fachmanns nicht erfinderisch sein dürfte. Dies hätte der Beklagten in Anbetracht ihrer Prozessförderungspflicht Veranlassung geben müssen, das Streitpatent bereits im Verfahren vor dem auch mit technischen Richtern besetzten Patentgericht hilfsweise mit geänderten Anträgen zu verteidigen (vgl. Meier-Beck, Festschrift Peter Mes, 2009, 273, 281; Benkard/ Hall/Nobbe, PatG, 11. Aufl., 2015, § 116 Rn. 11), zumal nicht auszuschließen ist, dass sich der Rechtsstreit im Hinblick auf einen oder mehrere der hilfsweise verteidigten Fassungen des Streitpatents als nicht entscheidungsreif erweist und die Sache nach § 119 Abs. 3 und 5 PatG zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückverwiesen oder Sachverständigenbeweis vor dem Senat erhoben werden muss.
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3. Der mit den Hilfsanträgen 3A, 4 und 5 hilfsweise verteidigte Gegenstand des Streitpatents unterliegt auch nicht deshalb dem Prüfungsumfang des Berufungsverfahrens nach § 117 PatG, weil darin Patentanspruch 1 jeweils mit den Unteransprüchen 10, 8 und 9 sowie 5 des Streitpatents in der erteilten Fassung kombiniert wird. Es handelt sich insoweit um neue Verteidigungsmittel im Sinne des § 117 PatG in Verbindung mit den entsprechend anzuwendenden Vorschriften der §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO, deren Nichtgeltendmachung nach dem vom Patentgericht gemäß § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis auf einer Nachlässigkeit der Beklagten beruht. Das Patentgericht hat zwar in seinem Urteil ausgeführt, dass ein eigenständiger erfinderischer Gehalt der rückbezogenen Unteransprüche des Streitpatents nicht ersichtlich sei. Damit ist die Frage, ob den Unteransprüchen des Streitpatents eine eigenständige erfinderische Tätigkeit zugrunde liegt, jedoch nicht zu einen zulassungsfreien Gegenstand der Prüfung im Berufungsverfahren gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO geworden.
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Macht der Beklagte in der ersten Instanz keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt der auf den Hauptanspruch rückbezogenen Unteransprüche des Streitpatents geltend und erklärt er nach richterlichem Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem Patentgericht, dass es bei der Verteidigung der erteilten Fassung sein Bewenden haben soll, handelt es sich um ein neues Verteidigungsmittel , wenn der Beklagte in der Berufungsinstanz das Streitpatent erstmals hilfsweise beschränkt durch die Kombination des Hauptanspruchs mit Unteransprüchen des Streitpatents verteidigt und sich zur Begründung auf einen eigenständigen erfinderischen Gehalt der Unteransprüche beruft. Die Beklagten haben sich vor dem Patentgericht auf die Geltendmachung eines erfinderischen Gehalts des Patentanspruchs 1 beschränkt, indem sie einen eigenständigen erfinderischen Gehalt der rückbezogenen Unteransprüche des Streitpatents nicht vorgetragen und auf Nachfrage des Vorsitzenden im Hinblick auf die Ankündigung, eine hilfsweise Verteidigung des Streitpatent durch die Aufnahme von Merkmalen aus den Unteransprüchen zu beabsichtigen, in der mündlichen Verhandlung erklärt haben, dass es bei der Verteidigung der erteilten Fassung sein Bewenden haben solle. Entsprechend war auch der Prüfungsumfang des Patentgerichts auf den insoweit von der Beklagten verteidigten Anspruchssatz beschränkt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 2007 - X ZB 6/05, BGHZ 173, 47, 22 ff. - Informationsübermittlungsverfahren II).
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO.
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Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.05.2013 - 5 Ni 11/11 (EP) -

(1) Der Prüfung des Bundesgerichtshofs unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge.

(2) Eine Klageänderung und in dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats eine Verteidigung mit einer geänderten Fassung des Patents sind nur zulässig, wenn

1.
der Gegner einwilligt oder der Bundesgerichtshof die Antragsänderung für sachdienlich hält und
2.
die geänderten Anträge auf Tatsachen gestützt werden können, die der Bundesgerichtshof seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung nach § 117 zugrunde zu legen hat.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)