vorgehend
Bundespatentgericht, 3 Ni 58/01, 08.10.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 189/03 Verkündet am:
8. Juli 2008
Potsch
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Schalungsteil
EPÜ Art. 54 Abs. 2; PatG § 3 Abs. 1
Ein Angebot kann auch nach Art. 54 Abs. 2 EPÜ/§ 3 Abs. 1 PatG 1981 dann
zum Stand der Technik rechnen, wenn im Einzelfall die Weiterverbreitung der
dem Angebotsempfänger übermittelten Kenntnis an beliebige Dritte vor dem für
die Schutzfähigkeitsprüfung relevanten Zeitpunkt nach der Lebenserfahrung
nahelag.
BGH, Urt. v. 8. Juli 2008 - X ZR 189/03 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, die
Richter Scharen und Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und den Richter
Gröning

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 8. Oktober 2003 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Beklagte ist Inhaber des am 22. Juni 1995 unter Inanspruchnahme der Priorität einer deutschen Voranmeldung vom 29. Juni 1994 angemeldeten europäischen Patents 692 352 (Streitpatents), das ein "die Sichtfläche eines Betonfertigteils bildendes Schalungsteil" betrifft und sieben Patentansprüche umfasst, die in der Verfahrenssprache Deutsch wie folgt lauten: "1. Die Sichtfläche eines Betonfertigteils bildendes Schalungsteil aus faserverstärktem, feinkörnigen Material, das in das Beton- fertigteil eingegossen wird, dadurch gekennzeichnet, daß an der Nahtstelle zwischen dem Schalungsteil und dem Beton an der Unterseite eine Wassernase ausgespart wird, derart, daß das Schalungsteil (1) an der Nahtstelle zum Beton an seiner Unterseite ein der Form der Wassernase entsprechendes Profil (2) aus gummielastischem, an dem Schalungsteil haftenden Material aufweist.
2. Schalungsteil nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das Profil (2) an seiner Unterseite Stege (2a) aufweist, die über die Unterseite des Schalungsteils geringfügig vorstehen.
3. Schalungsteil nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet , daß das Profil (2) aus Gummi besteht, dessen Oberfläche wenigstens an der dem Schalungsteil (1) zugewandten Seite eine für die Haftung am Schalungsteil ausreichende Rauigkeit aufweist.
4. Schalungsteil nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet , daß in das Schalungsteil (1) Metallstücke (7) eingespritzt sind.
5. Die Sichtfläche eines Betonfertigteils bildendes Schalungsteil aus faserverstärktem, feinkörnigen Material, das in das Betonfertigteil eingegossen wird, nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, daß das Schalungsteil einstückig als Winkelteil ausgebildet ist (Fig. 3).
6. Schalungsteil nach Anspruch 5, dadurch gekennzeichnet, daß die Schenkellängen (8, 9) entsprechend den jeweiligen Anforderungen des Einzelfalls gefertigt sind.
7. Schalungsteil nach Anspruch 5 oder 6, dadurch gekennzeichnet , daß es an seiner Eckkante eine Fase (10) aufweist."
2
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei im Hinblick auf eine eigene offenkundige Vorbenutzung, nämlich eine ohne Geheimhaltungsverpflichtung erfolgte Lieferung eines Abdeck- und Abschalprofils aus faserverstärktem Feinbeton mit einer Fase als Wassernase an die Rechtsvorgängerin der S. GmbH + Co. in S. , am 30. Mai 1994, sowie auf die Veröffentlichung der französischen Patentanmeldung 2 643 010 (Anl. NK1) und die US-Patentschrift 4 223 502 (Anl. NK6) nicht schutzfähig. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht hat sich die Klägerin auf eine weitere offenkundige Vorbenutzung durch ein Angebot an die H. GmbH & Co. in KG B. Anfang Juni 1994 gestützt. Außerdem hat sie geltend gemacht, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht ausreichend offenbart sei, weil nicht beschrieben werde, wie das Profil an dem Schalungsteil haften solle. Sie hat beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat insbesondere die Vorbenutzungshandlung wie deren Neuheitsschädlichkeit in Abrede gestellt.
3
Das Patentgericht hat unter Verneinung ausreichender Substantiierung der behaupteten Vorbenutzungen die Nichtigkeitsklage abgewiesen.
4
Mit ihrer Berufung begehrt die Klägerin weiterhin, unter Abänderung des angefochtenen Urteils das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig zu erklären, während der Beklagte das angefochtene Urteil verteidigt. Im Berufungsverfahren hat sie sich zusätzlich auf die Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 1 858 742 gestützt.
5
Im Auftrag des Senats hat Professor Dr.-Ing. habil. N. V. T. schrift- ein liches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


6
Das zulässige Rechtsmittel der Klägerin bleibt ohne Erfolg.
7
I. 1. Das Streitpatent betrifft ein Schalungsteil, das die Sichtfläche eines Betonfertigteils bildet und in das Betonfertigteil eingegossen ist. Derartige Schalungsteile sind aus der in der Streitpatentschrift abgehandelten Veröffentlichung der französischen Patentanmeldung 2 643 010 (Anl. NK1) und aus der dort ebenfalls abgehandelten US-Patentschrift 4 223 502 (Anl. NK6) bekannt. Diese Schalungsteile haben jedoch keine Wassernase, die entsprechend der durch Patentanspruch 1 geschützten Lehre hergestellt ist.
8
2. Durch das Streitpatent soll (abweichend von der in der Beschreibung angegebenen Aufgabe) ein leicht in ein Betonfertigteil einzubauendes Schalungselement bereitgestellt werden, bei dem ein Kriechen von Regenwasser vermieden wird.
9
Hierzu stellt Patentanspruch 1 des Streitpatents ein Schalungsteil unter Schutz,
(1)
das die Sichtfläche eines Betonfertigteils bildet und in dieses eingegossen wird,
(2)
aus faserverstärktem, feinkörnigem Material besteht,
(3)
wobei an der Nahtstelle zwischen dem Schalungsteil und dem Beton eine Wassernase ausgespart wird, indem (3.1) das Schalungsteil an der Nahtstelle zum Beton an seiner Unterseite ein Profil aufweist, (3.1.1) das der Form der Wassernase entspricht und (3.1.2) aus gummielastischem Material besteht, (3.1.3) das an dem Schalungsteil haftet.
10
3. Einen Schnitt des noch in seiner Herstellungsform haftenden Schalungsteils zeigt als Ausführungsbeispiel die nachfolgend verkleinert wiedergegebene Figur 1:
11
II. Das Streitpatent offenbart die in Patentanspruch 1 unter Schutz gestellte technische Lehre so, dass der Fachmann, ein mit der Herstellung von Fertigbauteilen befasster Bauingenieur vorzugsweise mit Fachhochschulabschluss und einiger Berufserfahrung sowie Kenntnissen sowohl im Werkstoffbereich als auch hinsichtlich der Konstruktion von Fertigbauteilen, sie ausführen kann (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 2 IntPatÜG; Art. 138 Abs. 1 Buchst. b EPÜ). Die Klägerin hat die Ausführbarkeit nur deshalb in Zweifel gezogen, weil dem nacharbeitenden Fachmann nicht angegeben werde, wie die Anhaftung des Profils am Schalungsteil erreicht werde. Der Feinzement kann nach ihrer Ansicht nicht der Haftvermittler sein, weil er als Trennmittel diene.
12
Dem ist schon das Bundespatentgericht zu recht nicht gefolgt. Aus der Figur 1 des Streitpatents ergibt sich nämlich, dass das Profil im Reibschluss eingebaut werden kann. Das genügt bereits für die Ausführbarkeit. Zudem ist der Beschreibung des Streitpatents (Sp. 2 Z. 29 bis 33) zu entnehmen, dass das Profil aus Gummi bestehen kann, dessen Oberfläche im Bereich der Berührung mit dem Schalungsteil eine gewisse Rauhigkeit aufweist, so dass das Profil an dem Schalungsteil haftet. An dieser Stelle muss auch, wie dies das Bundespatentgericht richtig gesehen hat, kein Feinzement als Trennmittel aufgetragen sein. Außerdem kann - auch das hat das Bundespatentgericht richtig gesehen - das Profil mit einem Haftvermittler, etwa einem Klebstoff, versehen werden; dies bereitete dem Fachmann keine Schwierigkeiten. Auch der gerichtliche Sachverständige hat die Auffassung des Bundespatentgerichts bestätigt und ist in der mündlichen Verhandlung dabei geblieben.
13
III. Die Lehre des Streitpatents ist auch gegenüber dem Stand der Technik patentfähig (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG; Art. 138 Abs. 1 Buchst. b EPÜ).
14
1. a) Sie ist gegenüber allen vorveröffentlichten, zum Stand der Technik rechnenden Dokumenten neu (Art. 54 EPÜ). Weder die Veröffentlichung der französischen Patentanmeldung 2 643 010 (Anl. NK1) noch die US-Patentschrift 4 223 502 (Anl. NK6) zeigt oder beschreibt eine Wassernase an der Nahtstelle zwischen dem bekannten Schalungsteil und dem Beton, in den das Schalungsteil eingegossen wird (Merkmalsgruppe 3), die mittels eines Profils nach Merkmalsgruppe (3.1) ausgebildet ist.
15
aa) Die Veröffentlichung der französischen Patentanmeldung zeigt lediglich die Möglichkeit auf, bei einem Betonformelement wie einem Randstein oder einer Platte einen Einsatz als Tropfnase (zur Herstellung eines hängenden Tropfens - "goutte pendante") vorzusehen, der parallel zum Rand des Elements angeordnet ist (Beschr. S. 2 Z. 14 - 21, S. 4 Z. 9 - 15 und S. 5 Z. 8/9; Patentanspruch 5; Figur 1 und 2: Einsatz 2, und Figur 3, Bezugszeichen G).

16
bb) Bei der US-Patentschrift erfolgt die Abdichtung der Plattenkante seitlich durch die konventionelle Dichtung (10), die aus Neopren hergestellt werden kann (Beschr. Sp. 3 Z. 58 - 65). Wassernasen werden in ihr nicht angesprochen.
17
cc) Die Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 1 858 742 zeigen und beschreiben das Einbringen einer Dreikantleiste, die aus Kunststoff oder Kautschuk bestehen kann, zum Ausbilden einer Fase wie einer Wassernase in einem gegossenen Betonkörper. Diese Leiste kann mittels eines Befestigungsnagels am Schalungsrahmen befestigt werden (Fig. 2, 3). Eine Befestigung an einem einzugießenden Schalungsteil (Merkmal 3.1.3) wird jedoch nicht gelehrt uns scheidet schon deshalb aus, weil die Gebrauchsmusterunterlagen nur einen insgesamt gegossenen Betonkörper, nicht aber einen eingegossenen, vorfabrizierten Schalungsrahmen zeigen. Selbst für eine Anbringung am Betonkörper fehlt es an einem Hinweis.
18
b) Auch die behaupteten Vorbenutzungen können den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents nicht vorwegnehmen.
19
aa) Das gilt zunächst für die behauptete Vorbenutung bei der S. GmbH + Co.
20
(1) Die Klägerin hat zu dieser Vorbenutzung geltend gemacht, sie habe am 30. Mai 1994, also vor dem Prioritätstag - dies hat der Beklagte unter Vorlage einer Erklärung der S. GmbH + Co. bestritten - , ohne Geheimhaltungsverpflichtung Abdeck- und Abschalprofile der Typen … , … und … aus faserverstärktem Feinbeton mit einer Sichtfläche und mit schwalbenschwanzförmigen Nuten geliefert, die den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents vorwegnähmen. Die rechte Fase habe als Wassernase gedient.
21
(2) Die behauptete Vorbenutzung kann entgegen der Auffassung des Bundespatentgerichts nicht wegen mangelnder Substantiierung des Klagevortrags außer Acht gelassen werden. Der Vortrag war zudem geeignet, eine offenkundige Vorbenutzung darzulegen, denn die Lieferung patentgemäßer Gegenstände zur Weiterveräußerung, von der bei einem Betonwerk ausgegangen werden muss, macht die in den gelieferten Gegenständen verkörperte Lehre regelmäßig öffentlich (Sen.Urt. v. 19.5.1999 - X ZR 87/98, GRUR 1999, 976, 977 - Anschraubscharnier; v. 13.3.2001 - X ZR 155/98, GRUR 2001, 819 - Schalungselement). Gesichtspunkte, aus denen sich hier Abweichendes ergeben könnte, sind nicht erkennbar.
22
(3) Die hierzu vorgelegte Zeichnung (Anl. NK3) zeigt zwar ein Schalungsteil mit einer daran ersichtlich angegossenen Plattendecke sowie einer am Übergang zwischen beiden ausgebildeten, triangelförmigen Wassernase, gibt jedoch keinen Hinweis auf die Merkmalsgruppe (3.1). Der der zugehörigen Anlage NK9 weiter zu entnehmende Einbauvorschlag zeigt und nennt weiter eine montierte Dreikantleiste in dem Triangel, zeigt aber nicht, ob die Montage an dem Schalungsteil oder aber an dem Schaltisch erfolgen soll, sondern lässt dies offen. Auch das Material der Dreikantleiste wird nicht genannt.
23
bb) Die Vorbenutzung durch Lieferung an die H. GmbH & Co. KG in B. ist nicht deshalb unbeachtlich, weil sie verspätet vorgebracht wurde. Das geltende Verfahrensrecht bietet keine Grundlage, den Vortrag der Klägerin zu dieser Vorbenutzung als verspätet zurückzuweisen (vgl. Jestaedt, Prozessförderungs- und Mitwirkungspflichten im Patentnichtigkeitsverfahren, Festschrift für Henning Piper (1996), S. 695, 697 ff.; Keukenschrijver, Patentnichtigkeitsverfahren, 3. Aufl. 2008, Rdn. 248). Auch aus dieser behaupteten Vorbenutzung ergibt sich jedoch kein weiterer relevanter Stand der Technik. Nach den Angaben in der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen R. , deren Inhalt sich die Klägerin spätestens in der Berufungsbegründung zu eigen gemacht hat, erfolgte die behauptete Lieferung erst nach dem Prioritätstag; diese stellt schon aus diesem Grund keinen relevanten Stand der Technik dar. Das nach der Behauptung der Klägerin vor dem Prioritätstag erfolgte Angebot ist - wie schon nach der früheren Rechtslage (zu dieser BGH, Urt. v. 17.10.1958 - I ZR 34/57, GRUR 1959, 178, 179 - Heizpreßplatte ; Urt. v. 8.6.1962 - I ZR 9/61, GRUR 1962, 518, 520 - Blitzlichtgerät) - nur dann geeignet, beachtlichen Stand der Technik zu schaffen, wenn im Einzelfall die Weiterverbreitung einer dem Angebotsempfänger übermittelten Kenntnis an beliebige Dritte nach der Lebenserfahrung nahegelegen hätte (vgl. Melullis in Benkard, PatG GebrMG, 10. Aufl. 2006, Rdn. 50 zu § 3 PatG). Davon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden, denn dem schriftlichen Angebot sind die entsprechenden Informationen nicht zu entnehmen. Für deren Vermittlung durch die Lieferung selbst fehlt es an einer Grundlage, weil diese erst nach dem Prioritätstag erfolgt ist. Dass die Angebotsempfängerin rechtlich nicht gehindert war, ihre Kenntnisse an Dritte weiterzugeben, reicht, die Richtigkeit der diesbezüglichen Behauptung der Klägerin unterstellt, nicht aus, um einen solchen Angebotsinhalt zum Stand der Technik zu rechnen.
24
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit (Art. 56 EPÜ).
25
a) Es war zwar, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend angegeben hat, bekannt und entsprach fachüblichem Handeln, eine Wassernase zwischen dem Schalungselement und dem Beton dadurch auszubilden, dass auf dem Schaltisch ein Verdrängungskörper fixiert wurde, der gleichzeitig als Anschlag für das Schalelement diente, und neben ihm eine Abdichtung anzubringen , um den Austritt von Zementleim aus der Fuge zwischen Schaltisch und Fertigteil zu verhindern. Die Anordnung des fugenbildenden und zugleich abdichtenden Profils unmittelbar am Schalteil war jedoch nicht bekannt und auch nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.
26
b) aa) Es ist nicht ersichtlich, welche Anregungen der Fachmann durch die genannten Veröffentlichungen zu der durch das Streitpatent erheblich vereinfachten und durch die Schaffung einer Möglichkeit, das Schalungsteil an anderer Stelle als das Betonfertigteil zu fabrizieren, eine größere Flexibilität des Herstellungsvorgangs erlaubenden Herstellung der Wassernase erhalten oder dass er diese Anregungen seinem Fachkönnen oder Fachwissen entnehmen konnte. Das gilt aus den unter III 1 a cc genannten Gründen insbesondere auch für die Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 1 858 742, auf die sich die Klägerin in der mündlichen Verhandlung in erster Linie gestützt hat.
27
bb) Auch die von der Klägerin behaupteten Vorbenutzungshandlungen legen - die Angaben der Klägerin als richtig unterstellt - den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents weder allein noch in Zusammenschau mit den übrigen Entgegenhaltungen nahe.
28
(1) Den nach dem Vortrag der Klägerin nach S. (oben III 1 b aa (3)) gelieferten Fertigteilen war nicht anzusehen, wie die Wassernase erzeugt worden war. Dass die anklebbare Dreikantleiste zum Lieferumfang der Klägerin gehört haben soll, sagt nichts darüber aus, dass auch sie an die Abnehmerin geliefert wurde, und schon gar nichts darüber, wo sie gegebenenfalls angeklebt wurde, insbesondere, dass dies an dem Schalungsteil der Fall gewesen sein soll, und dass Dritten hierüber vor dem Prioritätstag Kenntnisse vermittelt wurden.

29
(2) Der Ort der Anbringung der Dreikantleiste ergab sich für den Fachmann auch nicht aus den Umständen. Er konnte es - bei nachträglichem Guss der Plattendecke - zunächst weiterhin als gangbar ansehen, die Leiste am Schaltisch, so wie dies der vom gerichtlichen Sachverständigen bestätigten üblichen Praxis entsprach, zu befestigen. Dabei standen am Schaltisch je nach seiner Beschaffenheit verschiedene Befestigungsmöglichkeiten zur Auswahl. Auf einem hölzernen Schaltisch konnte die Leiste angenagelt, verklebt oder auch dauerhaft befestigt werden, an einem Stahltisch aus Stahl, wie er der industriellen Fertigung besser entsprochen haben dürfte, mittels eines Magneten, mittels einer Verklebung oder mittels einer dauerhaften Verschraubung befestigt werden. Es war für den Fachmann aber auch prinzipiell nicht ausgeschlossen , die Leiste am Schalungsteil zu befestigen. Diese bloße Möglichkeit reicht aber nicht ohne Weiteres hin, eine Anbringung am Schalungsteil, die nicht vorbeschrieben ist, als naheliegend im Sinn der Regelung in Art. 56 EPÜ anzusehen. Sie ist in der Skizze nicht angesprochen und für sie fehlt auch sonst eine Anregung; für eine Feststellung dahin, dass diese Art der Anbringung schon vor dem Prioritätstag des Streitpatents fachüblich gewesen wäre oder dem in der Fachwelt verbreiteten Können entsprochen hätte, fehlt es an tatsächlichen Grundlagen. Damit ergab sich diese Möglichkeit auch nicht aus einem Griff in den bekannten Formenschatz, aus dem sich der Fachmann bedienen konnte. Zudem bestand für den Fachmann keine Notwendigkeit dafür, von einer Befestigung der Leiste am Schaltisch abzugehen, auch wenn berücksichtigt wird, dass an einem Schaltisch aus Stahl die besonders einfache Möglichkeit des Annagelns der Leiste kaum in Frage kommen kann. Der Fachmann stand damit auch nicht in einer unter Umständen einer erfinderischen Leistung entgegenstehenden "Einbahnstraßen"-Situation im Sinn der Praxis des Europäischen Patentamts, die ihm keine andere Wahl gelassen hätte, als die Leiste an dem Schalungsteil anzubringen (vgl. nur EPA, Technische Beschwerdekammer, Entscheidung v. 15.3.1984 - T 2/83, ABl. EPA 1984, 265 = GRUR Int. 1984, 527 - Simethicon-Tablette, Entscheidungsgründe unter 6; Moufang in Schulte, PatG, 7. Aufl. 2005, Rdn. 82 zu § 4; Keukenschrijver in Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, Rdn. 85 zu § 4).
30
cc) Schließlich rechtfertigt auch die von der Klägerin vorgebrachte Argumentation , dass sich aus dem Erfordernis, die Fertigteile kostengünstig herzustellen , zu der arbeitssparenden Anbringung des Profils an dem Schalungsteil führe, keine Verneinung der erfinderischen Leistung. Zwar wird der Wunsch, zu einer kostengünstigen Herstellungsweise zu kommen, in Industrie und Gewerbe in aller Regel vorhanden sein, jedoch bietet er für sich noch keine Anregung zu einer bestimmten, bisher noch nicht bekannten Lösung.
31
IV. Die nachgeordneten Patentansprüche haben mit Patentanspruch 1 Bestand.
32
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 97 ZPO.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.10.2003 - 3 Ni 58/01 (EU) -

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Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juli 2008 - X ZR 189/03 zitiert 4 §§.

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Referenzen

(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

(2) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt folgender Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang, die erst an oder nach dem für den Zeitrang der jüngeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind:

1.
der nationalen Anmeldungen in der beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereichten Fassung;
2.
der europäischen Anmeldungen in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung, wenn mit der Anmeldung für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird und die Benennungsgebühr für die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 79 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens gezahlt ist und, wenn es sich um eine Euro-PCT-Anmeldung (Artikel 153 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens) handelt, die in Artikel 153 Abs. 5 des Europäischen Patentübereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind;
3.
der internationalen Anmeldungen nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag in der beim Anmeldeamt ursprünglich eingereichten Fassung, wenn für die Anmeldung das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist.
Beruht der ältere Zeitrang einer Anmeldung auf der Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung, so ist Satz 1 nur insoweit anzuwenden, als die danach maßgebliche Fassung nicht über die Fassung der Voranmeldung hinausgeht. Patentanmeldungen nach Satz 1 Nr. 1, für die eine Anordnung nach § 50 Abs. 1 oder Abs. 4 erlassen worden ist, gelten vom Ablauf des achtzehnten Monats nach ihrer Einreichung an als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

(3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen, sofern sie zur Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört.

(4) Ebenso wenig wird die Patentfähigkeit der in Absatz 3 genannten Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren durch die Absätze 1 und 2 ausgeschlossen, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.

(5) Für die Anwendung der Absätze 1 und 2 bleibt eine Offenbarung der Erfindung außer Betracht, wenn sie nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt ist und unmittelbar oder mittelbar zurückgeht

1.
auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder
2.
auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinne des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten Abkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat.
Satz 1 Nr. 2 ist nur anzuwenden, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, daß die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von vier Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht. Die in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Ausstellungen werden vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesanzeiger bekanntgemacht.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 155/98 Verkündet am:
13. März 2001
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
EPÜ Art. 54 Abs. 2; PatG 1981 § 3 Abs. 1
- Schalungselement -
Die in einem Bauelement verwirklichte Erfindung ist nicht schon dann ohne
weiteres der Öffentlichkeit zugänglich, wenn die Bauelemente auf einer einzelnen
, mit dem Herstellerbetrieb verbundenen Baustelle verwendet werden und
die Erfindung nur bei Zerlegung der Bauelemente erkennbar wird.
BGH, Urteil vom 13. März 2001 - X ZR 155/98 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter Rogge, die
Richter Dr. Jestaedt, Dr. Melullis, Keukenschrijver und Dr. Meier-Beck

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 24. März 1998 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des unter Inanspruchnahme der Priorität einer von Rechtsanwalt S. in R. treuhänderisch für die Beklagte getätigten Voranmeldung in der Schweiz vom 23. April 1982 am 31. März 1983 angemeldeten europäischen Patents 0 092 693 (Streitpatents). Dieses betrifft ein "Schalungselement mit Hartschaum-Platten für die Mantelbauweise" und umfaßt neun Patentansprüche. Ein Einspruchsverfahren gegen das Streitpatent hat mit der Zurückweisung der Einsprüche geendet. Patentanspruch 1 des Streitpatents lautet in der Verfahrenssprache Deutsch:
"Schalungselement für die Mantelbetonbauweise mit zwei zueinander parallelen, vertikalen, gleiche Höhe sowie Länge aufweisenden Hartschaum -Platten (1, 2), die durch vertikale, metallische Querstege (3) mit zumindest teilweise geringerer Höhe als die Platten starr miteinander verbunden sind, dadurch gekennzeichnet, daß die Platten (1, 2) im wesentlichen ebene Seitenflächen aufweisen und daß die Querstege (3) an ihren beiden Endbereichen beidseitig angeordnete, voneinander getrennte in einer Druckzone jeder Platte (1, 2) gelegene Flanschlappen (30) und näher bei ihren Mittelbereichen wenigstens teilweise in einer Zugzone der Platten (1, 2) gelegene Durchbrüche (31) aufweisen, wobei die Druckzone und die Zugzone auf einen Belastungszustand des Schalungselementes bezogen sind, der beim mit unverfestigtem Beton gefüllten Schalungselement vorliegt."
Wegen der unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogenen weiteren Patentansprüche wird auf die Patentschrift des Streitpatents verwiesen.
Die nunmehr in Liquidation befindliche Klägerin zu 1, die früher als "..." firmiert hat, und der Kläger zu 2 haben geltend gemacht, daß das Streitpatent gegenüber dem Stand der Technik, wie ihn insbesondere die US-Patentschriften 3 788 020, 4 223 501 und 4 229 920 bildeten , nicht patentfähig sei, da es nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Sie haben sich weiter auf verschiedene mündliche Offenbarungen der von ihnen entwickelten "..."-Elemente berufen, die sie als der Patentfähigkeit entgegenstehend angesehen haben. Das Bundespatentgericht hat die Nichtigkeitsklage abgewiesen.

Im Berufungsverfahren, in dem die Kläger ihr Begehren auf umfassende Nichtigerklärung des Streitpatents für die Bundesrepublik Deutschland weiterverfolgen , haben sie sich zusätzlich auf die deutsche Patentschrift 25 59 426 gestützt. Weiter haben sie geltend gemacht, daß dem Streitpatent der in Anspruch genommene Zeitrang der Voranmeldung in der Schweiz nicht zukomme, weil zwischen den jeweiligen Anmeldern keine Identität bestehe und die Beklagte als Nachanmelderin nicht Rechtsnachfolgerin des Erstanmelders gewesen sei und zudem der Inhalt der Nachanmeldung über den der Erstanmeldung hinausgehe. Zum Zeitpunkt der Anmeldung des europäischen Patents sei der Öffentlichkeit aber durch mündliche Beschreibung und Benutzung ein fast identisches Schalungselement zugänglich gewesen.
Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen. Sie verteidigt das Streitpatent hilfsweise mit einem eingeschränkten Patentanspruch 1, an den sich weitere Patentansprüche 2 bis 8 anschließen sollen, wegen deren Wortlauts auf die Akten verwiesen wird.
Professor Dr.-Ing. C. G., Universität D., hat als gerichtlicher Sachverständiger ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Der Senat kann nicht feststellen , daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents im Sinn des Nichtigkeitsgrunds mangelnder Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1
IntPatÜG; Art. 138 Abs. 1 lit. a EPÜ) nicht schutzfähig ist. Die nachgeordneten Patentansprüche haben mit Patentanspruch 1, auf den sie rückbezogen sind, Bestand.
I. 1. Das Streitpatent betrifft ein Schalungselement für die Mantelbetonbauweise. Derartige Schalungselemente in Form einer "verlorenen" Schalung bestehen aus zwei zueinander parallelen Hartschaumplatten, die durch Querstege miteinander verbunden sind. Für die Erstellung senkrechter Mauern aus Beton werden solche Elemente, die in vorgegebenen Maßen vorgefertigt werden , in der erforderlichen Anzahl übereinander- und nebeneinandergestellt und sodann ausbetoniert. Die Hartschaumplatten bleiben nach dem Ausbetonieren stehen und bilden eine beidseitige Isolationsschicht an der Mauer.
Solche Schalungselemente waren bekannt; das Streitpatent nennt hierzu u.a. die österreichische Patentschrift 326 879 und die schweizerische Patentschrift 519 066. Es bemängelt an den bekannten Elementen, daß die Stege in starken inneren Vorsprüngen der somit unebenen Schaumstoffplatten eingeschäumt seien, wodurch sich Schwächungsstellen im Beton bildeten, die sich feuertechnisch, akustisch und hinsichtlich der Befestigung von Gegenständen in der Mauer, aber auch statisch ungünstig auswirkten; zudem sei die Teilbarkeit eines Elements durch den groben Raster beschränkt.
2. Durch das Streitpatent soll demgegenüber ein Schalungselement zur Verfügung gestellt werden, das die genannten konstruktiven Nachteile vermeidet , in Herstellung und Verwendung vorteilhaft ist und eine widerstandsfähige Verbindung der beiden Hartschaumplatten aufweist (Beschreibung Sp. 1 Z. 42-48).

Hierzu lehrt das Streitpatent in seinem Patentanspruch 1 ein Schalungselement für die Mantelbetonbauweise
1. mit zwei Hartschaumplatten,
1.1 die zueinander parallel und
1.2 vertikal angeordnet sind,
1.3 gleiche Höhe sowie Länge und
1.4 im wesentlichen ebene Seitenflächen aufweisen und
1.5 durch Querstege starr miteinander verbunden sind, wobei
2. die Querstege
2.1 aus Metall und
2.2 vertikal angeordnet sind,
2.3 zumindest teilweise geringere Höhe als die Platten aufweisen,
2.4 an ihren beiden Endbereichen Flanschlappen aufweisen, die
2.4.1 beidseitig angeordnet und

2.4.2 voneinander getrennt sind und
2.4.3 jeweils in einer Druckzone der Platten liegen,
2.5 Durchbrüche aufweisen, die
2.5.1 näher bei den Mittelbereichen der Querstege und
2.5.2 wenigstens teilweise in einer Zugzone der Platten liegen.
Patentanspruch 1 definiert dabei die Begriffe Druckzone und Zugzone durch einen Belastungszustand des Schalungselements, wie er nach Befüllung mit unverfestigtem Beton vorliegt. Die Beschreibung erläutert die Begriffe dahin , daß unter Druckzone die Zone verstanden wird, in der die Betonfüllung längs der Platten (im Bereich der Querstege) Druck erzeugt, unter Zugzone den Bereich, in dem die Betonfüllung einen Zug in der Plattenlängsrichtung erzeugt. Der gerichtliche Sachverständige hat hierzu ausgeführt, daß die Hartschaumplatten infolge des Betondrucks im statischen Sinn plattenförmig beansprucht werden, so daß Druck- und Zugspannungen in der Plattenebene hervorgerufen werden. Solche konzentrierten Zugspannungen treten besonders an den Einbindestellen der Querstege auf den Innenseiten der Platten auf. Da in diesem Bereich der Querschnitt der Platten geschwächt wird, ist deren Tragfähigkeit deutlich gemindert; bei Überbeanspruchung würde ein Bruch entlang der Einbindestellen mit der Folge auftreten, daß die Querstege ausreißen und die Platten brächen. Durch die Löcher in der Zugzone dringt beim Herstellen der Platten Schaum, wodurch die Querschnittsverminderung deut-
lich vermindert wird, weshalb im Bereich der Durchbrüche Zugspannungen übertragen werden können und die Tragfähigkeit der Platten ansteigt.
Die nachstehend wiedergegebene Figur 4 des Streitpatents zeigt eine schematische perspektivische Darstellung eines Schalungselements:

Dabei bezeichnen die Bezugszeichen 1 und 2 die Hartschaumplatten, 3 einen Quersteg, 30 die Flanschlappen und 31 die Durchbrüche.
3. Als Vorteile der patentgemäßen Lösung gibt die Beschreibung des Streitpatents u.a. an, daß die Innenseite der Platten im wesentlichen eben, d.h. ohne Verankerungsvorsprünge, ausgebildet werde, ohne daß die Verankerungskraft vermindert werde. Der feuerhemmende, aus Metall bestehende Steg unterstütze die Lochfreiheit der Mauer. Die Anordnung einer Mehrzahl von durch Unterbrüche getrennten Flanschlappen bewirke eine erstaunliche Steigerung der Verankerungskraft, die durch das Anbringen in der Druckzone des Elements noch vergrößert werde. Durch die Anordnung von Durchbrechungen in den Stegen zumindest teilweise in der Zugzone könne die Ausreißkraft zusätzlich gefördert werden.
II. 1. Mit dem sachkundig besetzten Bundespatentgericht und in Übereinstimmung mit den Angaben des gerichtlichen Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung kann der Senat nicht feststellen, daß der druckschriftlich belegte Stand der Technik, wie ihn insbesondere die USPatentschrift 3 788 020, die weitgehend mit der in der Beschreibungseinleitung genannten österreichischen Patentschrift 326 879 übereinstimmt die weiteren US-Patentschriften, 4 223 501 und 4 229 920 sowie die deutsche Offenlegungsschrift 25 59 426 bilden, den Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents im Sinn der Art. 52, 54, 56 EPÜ vorweggenommen oder für den Fachmann, einen Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Bauwesen mit einigen Jahren Berufserfahrung, derart nahegelegt hätte, daß es zu seinem Auffinden keines erfinderischen Zutuns bedurft hätte.
2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist gegenüber dem druckschriftlichen Stand der Technik neu (Art. 54 EPÜ).

a) Die US-Patentschrift 3 788 020 (Gregori) zeigt und beschreibt ebenfalls ein Schalungselement für die Mantelbauweise, die dort als selbsttragende, verlorene Bauform aus Polymer-Schaumstoff bezeichnet wird. Eine Ausführungsform ist in der nachstehend wiedergegebenen Figur 1 (übereinstimmend in der österreichischen Patentschrift 326 879) dargestellt:

Sie unterscheidet sich von dem Gegenstand nach Patentanspruch 1 des Streitpatents jedenfalls dadurch, daß die Platten nicht im wesentlichen ebene Seitenflächen aufweisen (Merkmal 1.4). Weiter liegen die Flanschlappen der Querstege nicht im Druckbereich der Platte, sondern in den Wülsten und damit ebenso wie die Durchbrüche sogar noch jenseits der Zugzone der ebenen Platte, wie der gerichtliche Sachverständige bei seiner Befragung überzeugend bekundet hat; auch die Parteien haben dies nicht in Zweifel gezogen. Damit sind auch die Merkmale (2.4.3) und (2.5.2) nicht verwirklicht.

b) Die US-Patentschrift 4 223 501 (DeLozier) zeigt und beschreibt ebenfalls eine selbsttragende Betonform als Polymermaterial mit zwei Seitenwänden und einem Querverbinder aus Blech; insoweit entspricht sie dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents. Die nachstehend wiedergegebene Figur 2 zeigt eine Ausführungsform:

Auch hier sind die Innenwände der Seitenwandelemente nicht im wesentlichen eben, sondern mit vorspringenden, sich vertikal erstreckenden Rippen versehen, weshalb Merkmal (1.4) nicht verwirklicht ist. Die Querverbinder, die im Mittelteil aus flachem Blech bestehen, weisen an den Enden flache Befestigungsflansche auf. Diese sind so angeordnet, daß sie in relativ geringem Abstand von der Außenoberfläche des Seitenwandelements verlaufen, wodurch ermöglicht werden soll, sie als mechanische Aufnahme für selbstschneidende Befestigungsglieder zu verwenden (Beschreibung Sp. 4 Z. 12-14). Flanschlappen mit einer Ausgestaltung im Sinn der Merkmale (2.4.1) und (2.4.2) sind nach dieser Entgegenhaltung nicht vorgesehen.

c) Die US-Patentschrift 4 229 920 (Lount) zeigt und beschreibt eine Kunststoffschaum-Betonform sowie Verbinder dafür. Anders als bei den in den vorgenannten Entgegenhaltungen beschriebenen Elementen weist die Betonform nach dieser Entgegenhaltung Platten aus Polymerschaum auf, die, wie
insbesondere die nachstehend wiedergegebene Figur 1 in Aufsicht und Figur 2 zeigen, auch auf ihrer Innenseite im wesentlichen eben sind:

In die Platten werden bei der Herstellung Verbinderanker so eingebettet, daß Teile von ihnen über die Innenoberfläche der Platten vorstehen, während die Anker im übrigen in die Platte eingebettet sind. Die Anker bestehen vorzugsweise aus Kunststoff. Verbinder, die ebenfalls vorzugsweise aus Kunststoff bestehen, können in gegenüberliegende Ankerteile gleitend eingreifen und dort in hier nicht näher interessierender Weise reibschlüssig fixiert werden. Damit verwirklicht die Entgegenhaltung zwar die Merkmalsgruppe (1) mit Ausnahme des die Querstege betreffenden Merkmals (1.5), sie weist aber keine Querstege im Sinn der Merkmalsgruppe (2) auf.

d) Die deutsche Patentschrift 25 59 426 (Pistner) betrifft eine Vorrichtung zur Errichtung einer Wand mittels verlorener Schalungsplatten mit in deren Nuten eingreifenden gesicherten Abstandhaltern, bei der eine stabile Befestigung aneinanderstoßender Schalungsplatten wie auch die Gesamtstabilität der Wand gewährleistet sind. Hierzu werden Nuten für den Eingriff klammerar-
tiger Sicherungsmittel an den Innenflächen der Schalungsplatten angeordnet. Die Abstandhalter werden durch Streben diagonal versteift oder selbst als diagonale Streben ausgebildet. Dazu sind kombinierte Abstandhalter und Zuganker vorgesehen, von denen in Figur 4 - 7 verschiedene Ausgestaltungen vorgestellt werden. Die Abstandhalter können einstückig oder aus mehreren Teilstücken zusammengesetzt sein. Die zwischen zwei aneinanderstoßenden Schalungsplatten eingesetzten Abstandhalter sind nach beiden Seiten abgekantet , wobei zusätzlich Ausstanzungen verwendet werden können, wie dies u.a. Figur 19 zeigt, auf die die Kläger sich gegenüber Patentanspruch 3 des Streitpatents gestützt haben:

3. Der Senat kann nicht feststellen, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents durch die Zusammenschau dieser Entgegenhaltungen nahegelegt wäre (Art. 56 EPÜ). Dabei geht der Senat von der USPatentschrift 4 229 920 (Lount) als nächstkommendem Stand der Technik aus, die als einzige in Übereinstimmung mit dem Streitpatent ein Schalungselement für eine verlorene Schalung mit ebenen Innenwänden betrifft. Zwar konnte der Fachmann erkennen, daß die in dieser Entgegenhaltung beschriebene Konstruktion , insbesondere, was das Verankerungsteil betrifft, herstellungstechnisch aufwendig ist, und daß sie auch deshalb, weil erst auf der Baustelle die
beiden Platten zusammenmontiert werden müssen, bei der Handhabung gewisse Schwierigkeiten bieten kann. Der Fachmann hatte deshalb Anlaß, sich nach Lösungen umzusehen, wie das Element nach dieser Patentschrift vereinfacht und verbessert werden konnte. Dabei wurde er durch den Hinweis in der Beschreibung auf das kanadische Patent 838 601 auch auf die Lehre gelenkt , die diese und die parallele US-Patentschrift 3 788 020 (Gregori) vermitteln. Aus der Zusammenschau dieser beiden Patentschriften konnte der Fachmann ohne erfinderische Leistung die Erkenntnis entnehmen, daß bei Schalungselementen mit auf der Innenseite ebenen Platten Querstege verwendet werden konnten, die in ihrer Ausbildung denen nach der US-Patentschrift 3 788 020 entsprechen. Er konnte aus dieser Veröffentlichung aber keinen Hinweis darauf entnehmen, die Flansche dieser Querstege in der Druckzone der Platten anzuordnen; hiervon führte ihm im Gegenteil die Anordnung der Flansche in den Wülsten bei dieser Entgegenhaltung weg. Die Erkenntnis, daß die Flansche in der Druckzone anzuordnen sind, vermittelte auch nicht die USPatentschrift 4 229 920, da diese keine Querstäbe mit Flanschen aufweist und die damit allenfalls vergleichbaren Stäbe des Verankerungsteils bei dieser über die gesamte Dicke der Platte und nicht etwa gezielt im Druckbereich vorgesehen sind.
Die Vorteilhaftigkeit der Anordnung der Flansche im Druckbereich gehörte , wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend dargelegt hat, auch nicht zum technischen Allgemeinwissen oder zum Fachwissen des hier eher praktisch ausgerichteten Durchschnittsfachmanns, sondern setzte eine vertiefte Durchdringung der Materie voraus, die von einem Fachhochschulingenieur am Anmelde- wie am Prioritätstag nicht erwartet werden konnte. Eine entsprechende Erkenntnis konnte dem Fachmann auch die US-Patentschrift 4 223 501
(DeLozier) nicht vermitteln. Bei dieser Entgegenhaltung sind zwar einfach umgebogene Laschen im Druckbereich der Platten angeordnet. Der Fachmann wurde durch sie aber zu der Annahme gelenkt, daß diese Anordnung der Laschen in der Platte deshalb erfolgte, um einen stabilen mechanischen Halt für mit herkömmlichen Befestigungsmitteln außen anzubringendes Verkleidungsmaterial bereitzustellen (Beschreibung Sp. 4 Z. 28-36). Der gerichtliche Sachverständige hat hierzu angegeben, es sei zwar im Nachhinein bei Kenntnis der Erfindung nahezu selbstverständlich, daß die umgebogenen Laschen als Verankerungsmittel des Querverbinders in den Platten dienten, er hat es aber als zweifelhaft bezeichnet, ob der Durchschnittsfachmann dies zum maßgeblichen Zeitpunkt auch habe erkennen können. Allein daraus, daß die Entgegenhaltung wiederholt von einer selbsttragenden Form spricht, worauf die Kläger hinweisen , ergab sich die Erkenntnis, die Querträger im Druckbereich zu verankern , nicht, wie schon die US-Patentschrift 3 788 020 zeigt, die ebenfalls eine selbsttragende Form beschreibt, bei der aber die Verankerung gerade nicht im Druckbereich erfolgt. In Übereinstimmung mit den von Sachkunde getragenen und überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen kann der Senat deshalb nicht feststellen, daß eine Anordnung von Flanschen zur Verankerung des Querträgers in der Druckzone der Platten dem Fachmann nahegelegt war.
Dieses Ergebnis wird dadurch unterstützt, daß der gerichtliche Sachverständige auf dieser Grundlage die Lehre des Patentanspruchs 1 des Streitpatents als sehr geschickte Kombination der Vorteile der drei US-Patente bezeichnet hat. Diese Beurteilung spricht für eine erfinderische Leistung und steht mit der Feststellung entgegen, daß die Lehre des Streitpatents für den Fachmann naheliegend war.

III. Die von den Nichtigkeitsklägern in erster Instanz geltend gemachten Vorbenutzungshandlungen hat das Bundespatentgericht zutreffend als nicht durchgreifend erachtet, teils, weil diese die Lehre des Streitpatents nicht öffentlich zugänglich gemacht haben, teils, weil nicht festgestellt werden konnte, welche Lehre überhaupt offenbart worden sei. Die Nichtigkeitskläger haben sich im Berufungsverfahren auf diese Vorbenutzungshandlungen nicht mehr gestützt.
IV. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents wird auch nicht durch die Benutzungshandlungen im Prioritätsintervall, auf die sich die Nichtigkeitskläger im Berufungsverfahren gestützt haben, vorweggenommen oder nahegelegt. Es bedarf deshalb keines Eingehens auf die Frage, ob für das Streitpatent der Anmeldetag der Voranmeldung in der Schweiz nach Art. 87 Abs. 1 EPÜ zu Recht in Anspruch genommen worden ist.
Die Kläger haben sich - in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen - darauf gestützt, daß patentgemäße Schalungselemente von einem zur Unternehmensgruppe der Beklagten gehörendes Unternehmen auf der Baustelle des Geschäftsführers dieses Unternehmens in B. im November 1982 eingebaut worden sei, nachdem die Beklagte es durch Dritte habe fertigen lassen, und daß es dort dem Kläger zu 2 wie einem weiteren Zeugen im Rahmen von Gesprächen über eine Vermarktung gezeigt worden sei. Hieraus folgt indessen entgegen der Auffassung der Kläger nicht, daß die Lehre des Streitpatents im Sinn des Art. 56 Abs. 2 EPÜ der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden wäre.
Öffentliche Zugänglichkeit ist zunächst zu verneinen, soweit sich die Kläger auf eine nicht näher spezifizierte Fertigung der Elemente durch Dritte stützen. Wie der Senat bereits wiederholt entschieden hat, ergibt sich aus einer Herstellung patentgemäßer Gegenstände durch ein Drittunternehmen ohne Hinzutreten besonderer Umstände, für die hier nichts ersichtlich ist, eine öffentliche Zugänglichkeit der Benutzung nicht (Sen.Urt. v. 10.11.1998 - X ZR 137/94, Mitt. 1999, 362/364 - Herzklappenprothese; Sen.Urt. v. 19.5.1999 - X ZR 67/98, GRUR 1999, 976/977 - Anschraubscharnier).
Es begründet auch bei der hier gebotenen typisierenden Betrachtungsweise (Senat aaO - Herzklappenprothese) keine öffentliche Zugänglichkeit, daß patentgemäße Schalungselemente im Prioritätsintervall auf der Baustelle in B. verwendet worden sind. Zwar kann im Einzelfall auch eine Verwendung auf einer Baustelle öffentliche Zugänglichkeit begründen. Anders als bei einer Lieferung patentgemäßer Gegenstände an Dritte zur Weiterveräußerung, bei der dies regelmäßig der Fall ist (Senat, aaO - Anschraubscharnier), liegt bei einer Verwendung auf einer Baustelle ein gleichermaßen typisch gelagerter Sachverhalt nicht vor. Das ergibt sich zunächst schon daraus, daß Dritten das Betreten einer Baustelle regelmäßig nicht ohne weiteres möglich sein wird. Typischerweise ist auch nicht damit zu rechnen, daß fachkundige Dritte eine Baustelle ohne besonderen Anlaß betreten. Die Untersuchungsmöglichkeiten für Dritte sind hier von vornherein nicht die gleichen wie bei einer Lieferung auf Grund eines Veräußerungsgeschäfts. Baumaterial kann von Dritten nicht einfach mitgenommen und einer Untersuchung zugeführt werden. Auf einer Baustelle kann daher mit einer nicht entfernt liegenden Möglichkeit der Kenntnisnahme einer in einem Bauelement verkörperten, nicht auf Grund bloßen Au-
genscheins erkennbaren Ausgestaltung des Bauelements nicht ohne weiteres gerechnet werden (vgl. BGHZ 136, 40, 47, 51 -Leiterplattennutzen; Sen.Beschl. v. 5.3.1996 - X ZB 13/92, GRUR 1996, 747 - Lichtbogen-PlasmaBeschichtungssystem ). Weiter sind keine konkreten Umstände erkennbar, die für eine Wahrscheinlichkeit sprechen, daß die Schalungselemente in einer Weise beschädigt oder bearbeitet worden wären, daß die zunächst verborgen liegende Ausgestaltung der Querverbinder und ihrer Flansche nach außen sichtbar geworden wäre. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß der Sachverständige überzeugend angegeben hat, bei einer Beschädigung der Elemente sei damit zu rechnen, daß das Hartschaummaterial an dem Metall der Querverbinder hafte und deshalb auch in diesem Fall nicht ohne weiteres mit einem Zutagetreten zu rechnen sei. Im vorliegenden Fall kommt schließlich hinzu, daß es sich nicht um die Baustelle eines Außenstehenden, sondern des Geschäftsführers eines Unternehmens gehandelt hat, das mit der Beklagten wirtschaftlich verbunden war; dies rückt den zu beurteilenden Sachverhalt näher an den grundsätzlich öffentliche Zugänglichkeit nicht begründenden Bereich der Entwicklung und Erprobung heran.
Schließlich ergibt sich die öffentliche Zugänglichkeit der in dem Bauelement verkörperten Information auch nicht daraus, daß mit dem Kläger zu 2 und einem Zeugen auf der Baustelle unter Übergabe eines Musterstücks Gespräche über eine Vermarktung des Bauelements geführt worden sind. Es kann dabei dahinstehen, ob, wie dies das Europäische Patentamt mehrfach entschieden hat, Mitteilungen im Rahmen von Geschäftsbeziehungen oder bei deren Anbahnung in der Regel als vertraulich anzusehen sind (EPA T 818/93, referiert in Die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA im Jahr 1996, Sonderausgabe zum Amtsblatt des Europäischen Patentamts 1997,
S. 20 f; EPA T 480/95, ebenda S. 21). Jedenfalls ist in solchen Fällen eine auch konkludent mögliche Begründung einer Geheimhaltungspflicht (vgl. EPA T 830/90 ABl. EPA 1994, 713, 721 ff. = GRUR Int. 1995, 154 - Geheimhaltungsvereinbarung) ernsthaft in Betracht zu ziehen. Die Kläger haben hierzu nur pauschal behauptet, daß eine Geheimhaltungsvereinbarung nicht getroffen worden sei, während sich die Beklagte darauf gestützt hat, daß die Informationen in Lizenzverhandlungen eingebunden gewesen seien, weshalb von einer stillschweigenden Geheimhaltungsvereinbarung auszugehen sei. Diese nach den Umständen nicht von der Hand zu weisende Möglichkeit haben die insoweit als Angreifer beweisbelasteten Kläger nicht ausräumen können. Dies geht zu ihren Lasten und führt dazu, daß eine Zurechnung zum Stand der Technik auf Grund dieser Informationsweitergabe nicht festgestellt werden kann.
Der weitere Vortrag der Kläger zu einer Verwendung patentgemäßer Schalungselemente auf weiteren Baustellen ist zu pauschal, als daß an ihn Feststellungen über eine Zurechnung zum Stand der Technik geknüpft werden könnten.
V. Die Kostenentscheidung beruht nach dem übergangsrechtlich (Art. 29 des 2. PatGÄ ndG) weiterhin anzuwendenden § 110 Abs. 3 PatG i.d.F. der Bekanntmachung vom 16.12.1980 i.V.m. §§ 97, 100 Abs. 1 ZPO.
Rogge Jestaedt Melullis
Keukenschrijver Meier-Beck

(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

(2) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt folgender Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang, die erst an oder nach dem für den Zeitrang der jüngeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind:

1.
der nationalen Anmeldungen in der beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereichten Fassung;
2.
der europäischen Anmeldungen in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung, wenn mit der Anmeldung für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird und die Benennungsgebühr für die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 79 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens gezahlt ist und, wenn es sich um eine Euro-PCT-Anmeldung (Artikel 153 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens) handelt, die in Artikel 153 Abs. 5 des Europäischen Patentübereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind;
3.
der internationalen Anmeldungen nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag in der beim Anmeldeamt ursprünglich eingereichten Fassung, wenn für die Anmeldung das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist.
Beruht der ältere Zeitrang einer Anmeldung auf der Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung, so ist Satz 1 nur insoweit anzuwenden, als die danach maßgebliche Fassung nicht über die Fassung der Voranmeldung hinausgeht. Patentanmeldungen nach Satz 1 Nr. 1, für die eine Anordnung nach § 50 Abs. 1 oder Abs. 4 erlassen worden ist, gelten vom Ablauf des achtzehnten Monats nach ihrer Einreichung an als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

(3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen, sofern sie zur Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört.

(4) Ebenso wenig wird die Patentfähigkeit der in Absatz 3 genannten Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren durch die Absätze 1 und 2 ausgeschlossen, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.

(5) Für die Anwendung der Absätze 1 und 2 bleibt eine Offenbarung der Erfindung außer Betracht, wenn sie nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt ist und unmittelbar oder mittelbar zurückgeht

1.
auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder
2.
auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinne des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten Abkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat.
Satz 1 Nr. 2 ist nur anzuwenden, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, daß die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von vier Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht. Die in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Ausstellungen werden vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesanzeiger bekanntgemacht.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)