vorgehend
Bundespatentgericht, 5 Ni 58/11, 30.11.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 11/17 Verkündet am:
19. März 2019
Anderer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bitratenreduktion II
EPÜ Art. 54 Abs. 1, Art. 56; PatG § 3 Abs. 1, § 4
Wird im Patentnichtigkeitsverfahren die Vorwegnahme der Erfindung oder ein
Hinweis auf die technische Lehre des Streitpatents aus einem einzelnen technischen
Gesichtspunkt hergeleitet, der in einer Entgegenhaltung dargestellt ist,
darf bei der Prüfung des Offenbarungsgehalts der Entgegenhaltung zur Vermeidung
einer rückschauenden Betrachtungsweise grundsätzlich nicht dieser
einzelne technische Gesichtspunkt isoliert in den Blick genommen werden;
maßgeblich ist vielmehr der technische Sinngehalt, der ihm im Zusammenhang
mit dem gesamten Inhalt der Entgegenhaltung zukommt.
BGH, Urteil vom 19. März 2019 - X ZR 11/17 - Bundespatentgericht
ECLI:DE:BGH:2019:190319UXZR11.17.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. März 2019 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning und Hoffmann sowie die Richterinnen Dr. Kober-Dehm und Dr. Marx
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 30. November 2016 abgeändert. Das europäische Patent 260 748 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass in den Patentansprüchen 1 und 10 unmittelbar vor dem kennzeichnenden Teil eingefügt wird: "wobei es sich bei dem Signal um eine Folge von Koeffizienten handelt, die sich nach der blockweisen Cosinus -Transformation von Bildpunkten eines Videosignals mit anschließender Quantisierung ergibt, und wobei der bestimmte Signalwert (A) der Wert Null ist", die Patentansprüche 4 und 12 entfallen, in Patentanspruch 8 die Wörter zwischen "dadurch gekennzeichnet," und "dass ein überprüftes Huffman-Codewort …" entfallen und die Patentansprüche 2, 3, 5 bis 9, 11 und 13 bis 17 sich auf die geänderten Patentansprüche 1 und 10 rückbeziehen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte war Inhaberin des europäischen Patents 260 748 (Streitpatents ), welches am 10. September 1987 unter Inanspruchnahme von drei deutschen Prioritäten vom 13. September 1986, 8. November 1986 und 23. Mai 1987 angemeldet wurde und vor Erhebung der Nichtigkeitsklage erloschen ist. Das Streitpatent umfasst 17 Patentansprüche, von denen Anspruch 1 folgenden Wortlaut hat: "Verfahren zur Bitratenreduktion bei der Codierung eines Signals mit einer Folge von Signalwerten, das einen am häufigsten, in ununterbrochenen Teilfolgen vorkommenden, bestimmten Signalwert (A) enthält und aus denen eine Folge von Huffman-Codeworten gebildet wird, dadurch gekennzeichnet, dass wenigstens ein Huffman-Codewort - entweder aus einem anderen Signalwert und aus einer nachfolgenden , ununterbrochenen Teilfolge des bestimmten Signalwertes (A), wenn diese vorhanden ist, - oder aus einem anderen Signalwert und aus einer vorangehenden , ununterbrochenen Teilfolge des bestimmten Signalwertes (A), wenn diese vorhanden ist, gebildet wird und dass bei der Bildung der Folge der Codeworte nur die vorangehenden oder nur die nachfolgenden Teilfolgen des bestimmten Signalwertes (A) mit dem anderen Signalwert verwendet werden."
2
Die aus dem Streitpatent in Anspruch genommenen Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus und sei nicht patentfähig. Das Patentgericht hat das Streitpatent zunächst wegen unzulässiger Erweiterung für nichtig erklärt. Der Senat hat auf die Berufung der Beklagten dieses Urteil aufgehoben, eine unzulässige Erweiterung verneint und den Rechtsstreit im Übrigen an das Patentgericht zurückverwiesen (Urteil vom 7. Juli 2015 - X ZR 64/13, GRUR 2015, 1095 - Bitratenreduktion). Das Patentgericht hat das Streitpatent nunmehr wegen fehlender Patentfähigkeit seines Gegenstands für nichtig erklärt.
3
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie Anspruch 1 im Hauptantrag dadurch beschränkt verteidigt, dass vor dem Kennzeichen eingefügt werden soll "wobei es sich bei dem Signal um eine Folge von Koeffizienten handelt, die sich nach der blockweisen Cosinus-Transformation von Bildpunkten eines Videosignals mit anschließender Quantisierung ergibt, und wobei der bestimmte Signalwert (A) der Wert Null ist", und die Ansprüche 4 und 12 entfallen sollen. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent zudem in der Fassung von neun Hilfsanträgen. Die Klägerinnen treten der Berufung entgegen.

Entscheidungsgründe:


4
I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Bitratenreduktion bei der Codierung von Bild- oder Videodaten.
5
1. Nach dem referierten Stand der Technik werden Videosignale so codiert , dass Videobilder mit möglichst geringer Bitrate in ausreichender Qualität übertragen werden können. Die Codierung erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst werden gleichgroße Blöcke von Abtastwerten der Bildpunkte einer diskreten Cosinus-Transformation unterworfen, so dass ein neuer Block von Zahlenwerten (Koeffizienten) entsteht. In diesem Block hat in der Regel der überwiegende Teil der Koeffizienten den Wert 0 oder nahezu 0. Wegen der Häufigkeit des Werts 0 werden die Koeffizienten Huffman-codiert und dabei ununterbrochene Teilfolgen des Werts 0 als ein einziges "Ereignis" für die Bildung von Huffman-Codewörtern verwendet. Bei der Huffman-Codierung werden häufig auftretende Ereignisse mit kurzen und weniger häufig auftretende Ereignisse mit längeren Codewörtern codiert. Unter den Codewörtern ist keines der Beginn eines anderen, so dass es trotz unterschiedlicher Länge keines Präfixes bedarf, das den Beginn eines neuen Codeworts signalisiert. Insgesamt ergibt sich daraus eine Bitratenreduktion.
6
2. Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Codierverfahren anzugeben , das zu einer weiteren Bitratenreduktion für Bilddaten führt.
7
3. Zur Lösung schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 der zuletzt verteidigten Fassung ein Verfahren zur Bitratenreduktion mit folgenden Merkmalen vor (die Nummerierung folgt derjenigen des angefochtenen Urteils): 1. Es wird ein Signal mit einer Folge von Signalwerten codiert. 2. In der Folge von Signalwerten gibt es einen bestimmten Signalwert A, der am häufigsten und in ununterbrochenen Teilfolgen vorkommt. 4. Bei dem Signal handelt es sich um eine Folge von Koeffizienten , die sich nach der blockweisen Cosinus-Transformation von Bildpunkten eines Videosignals mit anschließender Quantisierung ergibt, wobei der bestimmte Signalwert (A) der Wert Null ist. 3. Aus den Signalwerten wird eine Folge von HuffmanCodewörtern gebildet. 5. Es wird wenigstens ein Huffman-Codewort gebildet 5.1 entweder aus einem anderen Signalwert und aus einer nachfolgenden ununterbrochenen Teilfolge des bestimmten Signalwertes (A), wenn diese vorhanden ist, 5.2 oder aus einem anderen Signalwert und aus einer vorangehenden ununterbrochenen Teilfolge des bestimmten Signalwertes (A), wenn diese vorhanden ist.
6. Bei der Bildung der Folge der Codeworte werden 6.1 nur die vorangehenden Teilfolgen oder 6.2 nur die nachfolgenden Teilfolgen des bestimmten Signalwertes (A) mit dem anderen Signalwert verwendet.
8
4. Zur Auslegung des Patentanspruchs wird zunächst auf das Urteil des Senats vom 7. Juli 2015 verwiesen; im Hinblick darauf bedürfen zwei Merkmale der weiteren Erörterung.
9
a) Das Patentgericht legt dem Merkmal 4 - bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit - ein Verständnis zugrunde, demzufolge es ausreicht, wenn das Verfahren sich für eine Codierung von Koeffizienten eignet, die sich aus einer blockweisen Cosinus-Transformation von Bildpunkten eines Videosignals ergeben.
10
Dem ist nicht beizutreten. Merkmal 4 bestimmt, dass das Verfahren auf Signale angewendet wird, die zuvor aus einer blockweisen Cosinus-Transformation von Videosignalen gewonnen wurden. Damit gehört die genannte Transformation zwar nicht selbst zum erfindungsgemäßen Verfahren; das Verfahren beginnt mit dem Eingang solcher Signale in die Abfolge von Schritten zur Codierung der Signale. Gleichwohl reicht es für Merkmal 4 nicht aus, dass das Verfahren sich lediglich für aus einer blockweisen Cosinus-Transformation gewonnene Videosignale eignet, aber für andere Signale verwendet wird. Patentanspruch 1 setzt vielmehr eine Verwendung von Signalen voraus, die aus einer blockweisen Cosinus-Transformation gewonnen wurden.
11
b) Die Vorgabe, "wenigstens" ein Huffman-Codewort nach den Merkmalen 5.1 oder 5.2 zu bilden, erklärt sich aus dem Umstand, dass einem so gebildeten Codewort ein Zusatzcodewort beigefügt werden kann, wenn die vorgegebene Länge oder der zugeordnete andere Signalwert einen vorgegebenen Betrag überschreitet (BGH, GRUR 2015, 1095 Rn. 18 - Bitratenreduktion). Die Beschreibung des Streitpatents bezeichnet dies als relativ seltenes Ereignis und als scharf umrissenen Sachverhalt (Sp. 4 Z. 57 bis Sp. 5 Z. 12). Demnach gibt es Ausnahmen, in denen nicht jeweils genau ein Huffman-Codewort entsprechend den Merkmalen 5.1 oder 5.2 zu bilden ist. Folglich bestimmt Merkmal 5 entsprechend dem wesentlichen Kern der Lehre des Streitpatents, dass es mindestens ein Huffman-Codewort gibt, das bereits für sich genommen den Merkmalen 5.1 oder 5.2 entspricht.
12
II. Das Patentgericht hat das Fehlen einer erfinderischen Tätigkeit wie folgt begründet:
13
Die US-amerikanische Patentschrift 4 420 771 (K14) offenbare ein Verfahren zum Codieren von Signalen, bei denen ein Wert sehr häufig auftrete. Das Verfahren sei insbesondere zur Codierung von Bilddaten geeignet. Gemäß dem Ausführungsbeispiel der K14 werde ein Eingangssignal aus 9-Bit-Wörtern codiert (Merkmal 1), wobei der Wert Null am häufigsten auftrete (Merkmal 2). Aus den Signalwerten werde eine Folge von Huffman-Codewörtern gebildet (Merkmal 3). Dem Fachmann, bei dem es sich um einen Mathematiker oder Informatiker mit Universitätsabschluss und mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Videocodierung handele, sei damit bewusst, dass sich die Lehre der K14 insbesondere für Videosignale aus einer blockweisen CosinusTransformation eigne (Merkmal 4).
14
Die K14 lehre als eine mögliche Ausprägung ihrer Lehre die Verwendung einer alternativen Definition eines Laufs ("runs"). Werde im Ausführungsbeispiel von einem Lauf ausgegangen, der eine konsekutive Folge von Elementen des gleichen Werts darstelle, könne ein Lauf alternativ auch dadurch gekennzeichnet sein, dass er eine konsekutive Folge von Wörtern des gleichen Werts und des nachfolgenden Worts eines anderen Werts umfasse. In diesem Falle werde das Huffman-Codewort aus einem anderen Signalwert und aus einer vorange- gangenen ununterbrochenen Teilfolge des bestimmten Signalwerts entsprechend den Merkmalen 5 und 5.2 gebildet. Soweit die Beklagte zu einem anderen Ergebnis gelange, unterliege sie offensichtlich der Fehlinterpretation, die Tabellen 2 bis 4 des Ausführungsbeispiels würden auch bei der alternativen Laufdefinition unverändert angewandt. Dies stehe jedoch im klaren Gegensatz zur Lehre der K14, die ausdrücklich darauf hinweise, dass bei einer alternativen Laufdefinition natürlich auch der Codierer angepasst werden müsse. Die alternative Definition eines Laufs sei nach der K14 keine alternative Lauflängenkodierung , denn eine Codierung auf der Basis eines binären Zwischensignals lehre die K14 gerade nicht. Tatsächlich sei dem Fachmann vielmehr klar, dass im Falle der alternativen Laufdefinition der gesamte Lauf (z.B. "000000000 000000000 000011001") zu einem Huffman-Codewort codiert werde.
15
Die Merkmalsgruppe 6 gehe aus der K14 nicht unmittelbar hervor. Es sei dem Fachmann jedoch nahegelegt, entweder nur vorangehende oder nur nachfolgende Teilfolgen des Signalwerts (A) für die Bildung der Codeworte zu verwenden , weil sich damit das Codewort-Lexikon verkleinert. Damit sei der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann nahegelegt.
16
Die Lehre des Streitpatents beruhe auch nicht in einer der Fassungen der Hilfsanträge auf erfinderischer Tätigkeit.
17
III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren nicht stand. Das Patentgericht hat der Entgegenhaltung K14 eine technische Lehre entnommen, die sie nicht offenbart.
18
1. Das Patentgericht hat sich nur in sehr allgemeiner Weise mit der technischen Lehre der K14 befasst und seine Entscheidung im Wesentlichen auf den letzten Absatz der Beschreibung gestützt, der nach seinem einleitenden Satz davon handelt, dass die zuvor gegebene Definition eines Laufs, falls gewünscht , modifiziert werden könne, ohne die Vorteile der Erfindung zu schmä- lern. Eine solche Vorgehensweise begründet die Gefahr einer Fehlinterpretation. Patentschriften und -anmeldungen enthalten häufig - und in unterschiedlicher Konkretisierung - Ausführungen zu möglichen Abwandlungen der zuvor, insbesondere in einem Ausführungsbeispiel, beschriebenen technischen Lehre. Wird eine solche Stelle einer Entgegenhaltung in einem Patentnichtigkeitsverfahren isoliert daraufhin untersucht, ob sie Elemente der technischen Lehre des Streitpatents enthält, vergrößert dies die - ohnehin niemals auszuschließende - Gefahr eines rückschauenden Hineinlesens der streitpatentgemäßen Lehre in den Stand der Technik. Denn es wird dabei gleichsam der Kontext der Entgegenhaltung durch den Kontext der späteren Erfindung ersetzt, der bestimmt, wonach in der Entgegenhaltung gesucht wird. Auch wenn es nicht wie bei der Auslegung eines Patentanspruchs darum geht, dessen Sinn durch die Erfassung des Inhalts der Beschreibung zu erfassen, die den Anspruch erläutern soll, ist bei der Ermittlung des Offenbarungsgehalts einer Entgegenhaltung - wie bei jedem Text - der Zusammenhang der Darstellung eines bestimmten technischen Sachverhalts zu beachten, da auch wortgleiche Sätze oder Wendungen je nach diesem Zusammenhang unterschiedliche Bedeutung gewinnen können. Dies gilt in besonderem Maße für die Beschreibung von Abwandlungen einer zuvor gegebenen technischen Lehre, weil sich das Gemeinte gegebenenfalls erst durch das zutreffende Verständnis des Abgewandelten vollständig erschließt und Abwandlungen regelmäßig auch nur Teile der abgewandelten technischen Anweisung verändern.
19
2. Die Entgegenhaltung K14 betrifft, wie sie eingangs erläutert (Sp. 1 Z. 6-10), ein Verfahren zur Codierung mehrwertiger Signale und insbesondere eine Form der Lauflängencodierung von Signalen, bei denen einer der Werte weitaus häufiger auftritt als alle anderen, nämlich - wie beim Streitpatent - typischerweise der Wert Null oder das "9-Bit-Null-Wort". Nach einer Beschreibung des Standes der Technik fasst die Schrift die neue technische Lehre dahin zusammen , dass eine verschiedenwertige Signalausprägungen repräsentierende Wörterreihe so verarbeitet oder gruppiert wird, dass Lauflängencodewörter (run length code words) gebildet werden, die die Sequenz des Auftretens (erstens) von Wörtern mit einem ersten, häufig vorkommenden Wert (Null) und (zweitens) von Wörtern mit allen anderen (möglichen) Werten angeben. Die Länge jedes "Lauftyps" (each type of run), d.h. des Laufs mit den häufigen (Null-)Wörtern und des Laufs mit den übrigen, von Null verschiedenen Wörtern, wird sodann vorzugsweise ihrerseits mit einem Code variabler Länge codiert. Ferner werden die Werte der nicht-häufigen Wörter codiert, und zwar wiederum vorzugsweise mit einem Code variabler Länge. Die Lauflängencodes und die Codes für nichthäufige Wörter werden sodann - damit sie auch wieder decodiert werden können - in bestimmter Weise für die Übertragung kombiniert (Sp. 1 Z. 60 - Sp. 2 Z. 9). Die nachfolgende ausführliche Beschreibung erläutert einleitend die beschriebene Erfindung anschaulich als ein "Hybridverfahren", das es erlaubt, die Vorteile der üblicherweise nur in Verbindung mit binären Signalen verwendeten Lauflängencodierung für mehrwertige Signale zu nutzen (Sp. 2 Z. 25-28).
20
Die in allgemeiner Form vorgestellte Kombination der Codierung der Lauflänge von Null-Wörtern einerseits und Nicht-Null-Wörtern andererseits mit der Codierung des Werts der Nicht-Null-Wörter, die auch in den drei nebengeordneten Sachansprüchen 1, 4 und 8 und entsprechend in den darauf folgenden Verfahrensansprüchen Ausdruck findet, wird sodann für ein aus 9-BitWörtern bestehendes Videosignal im Einzelnen ausführlich erläutert.
21
Beim Eingang eines oder mehrerer 9-Bit-Wörter mit dem Wert Null wird gezählt, wie häufig diese Null-Wörter hintereinander auftreten, und sodann die Anzahl der Null-Wörter, die der Länge einer Sequenz ununterbrochener NullWerte entspricht, in einem Puffer zwischengespeichert (Sp. 3 Z. 21 bis 51). Das (notwendig) darauffolgende Nicht-Null-Wort kann (verlustfrei) in einen 4-BitCode umgewandelt werden, da in der zugrunde gelegten typischen Konstellation die Nicht-Null-Wörter nur 16 verschiedene Werte annehmen. Dieser 4-Bit- Wert wird sodann in einem anderen Puffer zwischengespeichert (Sp. 4 Z. 9-13). Ein Codierer codiert schließlich die Anzahl (runlength) der in einer als Lauf (run) bezeichneten Sequenz ununterbrochen folgenden Null-Wörter, die Anzahl der darauf folgenden Nicht-Null-Wörter sowie die Werte dieser Nicht-Null-Wörter jeweils in dieser Reihenfolge anhand von drei verschiedenen HuffmanCodetabellen (siehe nachfolgende Tabellen 2, 3 und 4 der K14).


22
Die nebenstehende Tabelle 1 fasst für 19 beispielhaft ausgewählte Wörter die Zuordnungen zusammen. Die Tabelle enthält Wörter mit einer Länge von jeweils 9 Bit (Spalte 1), die erwähnten 4-Bit-Wörter, in die die Nicht-Null-Wörter umgewandelt worden sind (Spalte 2), einen von der Berufung so bezeichneten binären Zwischencode für die Unterscheidung zwischen Null-Wörtern und Nicht-NullWörtern , der bei Null-Wörtern den Wert 0 und bei Nicht-Null-Wörtern den Wert 1 einnimmt (Spalte 3), so dass das Ergebnis des Zählers 117, der die Anzahl der (9-Bit-)Wörter eines Laufs zählt, als Anzahl von Null-Wörtern oder als Anzahl von Nicht-Null-Wörtern interpretiert und codiert werden kann (Spalte 4), sowie die Zuordnung zu den jeweiligen Huffman-Codes gemäß den Tabellen 2 bis 4 (Spalten 5 bis 7), wobei die angegebenen Huffman-Codes für das 12. Wort in Spalte 7 und für das 13. Wort in Spalte 5 auf einem Schreibfehler beruhen dürften.
23
3. Die drei letzten Absätze der Beschreibung befassen sich sodann mit möglichen Abweichungen von dem bis dahin Beschriebenen. Danach kann von der Reihenfolge der Codewörter in Zeile 4 der Figur 3 abgewichen werden (Sp. 10 Z. 55 - Sp. 11 Z. 8). Ferner wird angemerkt, dass die Erfindung auch nützlich sei, wenn andere mehrwertige Signale als von einem prädiktiven Videocodierer abgeleitete Signale zu codieren seien (Sp. 11 Z. 9-24). Schließlich befasst sich, wie bereits erwähnt, der letzte Absatz der K14 mit einer möglichen Modifikation der Definition eines "Laufs" (Sp. 11 Z. 25-43).
24
Er lautet vollständig wie folgt (Satznummerierung hinzugefügt): "1The definition of a 'run' stated previously, namely, a series of consecutive inputs having the same value, can also be modified, if desired, without diminishing, the advantages of the present invention. 2Specifically, an alternative definition of a run may be a series of consecutive words of like value as well as the next (subsequent) word of different value. 3For example, for a binary input of ONE's and ZERO's, a run of ZERO's would include the ONE bit following any group of successive ZERO's, and a run of ONE bits would include the ZERO bit immediately following the successive ONE's. 4This alternate definition is to be understood to be within the scope of the present invention, and the means used to determine the length of successive runs including exclusive OR gate 113 and run length counter 117 of FIG. 1 would be modified accordingly. 5If such a different definition were used, variable length encoder 191 and decoder 203 would also be modified appropriately." Die zuvor angegebene Definition eines Laufs als einer Serie von aufei25 nanderfolgenden Eingangswerten mit gleichem Wert kann hiernach modifiziert werden, ohne die Vorteile der Erfindung zu schmälern (Satz 1). Eine solche Modifikation kann, so erläutert der zweite Satz, insbesondere darin liegen, dass ein Lauf als eine Serie aufeinanderfolgender Wörter mit gleichem Wert und des nächsten (nachfolgenden) Worts mit einem anderen Wert definiert wird.
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4. Die Annahme des Patentgerichts, damit werde gelehrt, HuffmanCodewörter dadurch zu bilden, dass eine ununterbrochene Folge von NullWörtern zusammen mit dem nachfolgenden Nicht-Null-Wort als ein zu codierendes Ereignis für die Bildung eines Huffman-Codeworts zusammengefasst wird, findet in den beiden herangezogenen Eingangssätzen keine Stütze. Denn diese befassen sich nicht mit der Definition eines zu codierenden Ereignisses, insbesondere nicht mit der Codierung eines Signalwerts, sondern mit der Definition eines Laufs, also - wie Satz 1 noch einmal in Erinnerung ruft - im Ausgangspunkt mit der Serie aufeinanderfolgender Null-Wörter oder Nicht-Null- Wörter, von denen jene Serie Wörter gleichen Werts (Null), diese aber Wörter unterschiedlichen Werts (ungleich Null) zu einem Lauf zusammenfasst. Gerade wegen dieses Ausgangspunkts lehrt die K14, wie ausgeführt, neben der Codierung der Länge eines Laufs (von nur zwei möglichen Lauftypen) die Codierung der Werte der (vergleichsweise seltenen) Nicht-Null-Wörter. Die Definition des (mit seiner Länge zu codierenden) Laufs soll dadurch verändert werden können , dass das nachfolgende Wort anderen Werts einbezogen wird, insbesondere das einer Serie von Null-Wörtern (notwendig) nachfolgende (erste) NichtNull -Wort; die Länge des so "umdefinierten" Laufs wird gezählt und codiert. Eben dies wird im dritten Satz am "binären Beispiel" erläutert, und es wird darauf hingewiesen, dass die zur Bestimmung der Länge aufeinanderfolgender Läufe verwendeten Mittel entsprechend angepasst werden müssen (Satz 4) und auch bei der Codierung dem Umstand Rechnung getragen werden muss, dass sich die zu codierenden variablen Lauflängen ändern (Satz 5).
27
Indem das Patentgericht die Codierung eines Signalwerts in die "modifizierte Laufdefinition" einbezieht, verlässt es ohne ausreichende Stütze in dem herangezogenen letzten Absatz der Beschreibung die Grundlagen der in der Entgegenhaltung K14 offenbarten technischen Lösung. Eine Begründung für seine Annahme, dem Fachmann sei klar, dass im Fall der alternativen Laufdefinition der "gesamte Lauf" zu einem Huffman-Codewort codiert würde, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen und ergibt sich insbesondere nicht aus dem Bemerken, die K14 weise ausdrücklich darauf hin, dass natürlich auch "der Codierer" angepasst werden müsse.
28
Soweit das Patentgericht in Auseinandersetzung mit dem Vortrag der Beklagten darauf abstellt, die K14 unterscheide durchgehend und einheitlich zwischen den Begriffen Lauf und Lauflänge, trifft dies zwar zu, rechtfertigt aber nicht die Schlussfolgerung, mit der diskutierten Abwandlung werde das Prinzip verlassen, zwischen zwei Lauftypen zu unterscheiden und die Länge jedes Laufs zu zählen sowie Lauftypen, Lauflängen sowie die Werte (nur) von NichtNull -Wörtern zu codieren. Ebenso unergiebig ist der Hinweis, Satz 2 der erörterten Textstelle definiere "das zu codierende Ereignis" als Serie aufeinanderfolgender Wörter entsprechenden Werts und des nachfolgenden Worts abweichenden Werts und spreche damit explizit sinntragende Wörter an, weshalb sich die Reduktion auf eine bloße Anzahl verbiete. Das Patentgericht vernachlässigt damit vielmehr gerade das Charakteristikum der technischen Lehre der K14, ein "Hybridverfahren" bereitzustellen, das es erlaubt, nur bei den relativ wenigen "sinntragenden" Nicht-Null-Wörtern den Signalwert zu codieren und sich im Übrigen mit "bloßem Zählen" von Lauflängen zu begnügen und auf diese Weise die Vorteile der üblicherweise nur in Verbindung mit binären Signalen verwendeten Lauflängencodierung für mehrwertige Signale nutzen zu können (K14 Sp. 2 Z. 25-28).
29
Schließlich ist die Erwägung rechtsfehlerhaft, der Fachmann erkenne, dass eine bloße Lauflängencodierung im Kontext des letzten Absatzes der Beschreibung der K14 zu keinerlei Vorteil gegenüber dem vorher gelehrten Ausführungsbeispiel führte, weshalb er die Textstelle nicht derart auslegen werde.
Schon nach dem Standort der Ausführungen am Schluss der Beschreibung nach den oben erörterten Ausführungen in Spalte 10 Zeile 55 bis Spalte 11 Zeile 24 liegt es fern, nunmehr eine gegenüber dem ausführlich dargestellten Ausführungsbeispiel vorteilhafte Variante der Erfindung zu erwarten. Die Textstelle besagt auch nichts Derartiges, sondern bemerkt in Satz 4, dass die alternative Laufdefinition als vom Schutzumfang der Erfindung umfasst zu verstehen sei. Dies deutet eher auf eine Absicherung gegenüber möglichen Umgehungen der Laufdefinition in Anspruch 1 der Entgegenhaltung hin und kann es nicht rechtfertigen , die Beschreibung mit Blick auf einen nicht in Anspruch genommenen Vorteil auszulegen.
30
IV. Die Entscheidung des Patentgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend. Der zuletzt verteidigte Gegenstand des Streitpatents ist patentfähig.
31
1. Eine Weiterentwicklung der Lehre der K14, insbesondere auch der Textstelle im letzten Absatz der Beschreibung der K14, zum Gegenstand des Streitpatents mit den Merkmalsgruppen 5 und 6 hat sich nicht in naheliegender Weise aus weiterem Stand der Technik oder dem allgemeinen Fachwissen des Fachmanns ergeben. Insoweit fehlt es an Hinweisen, Anregungen oder sonst einer Veranlassung dazu, bei der Codierung mehrwertiger Signalfolgen wie eines Videosignals nicht nur bei der Bestimmung der Länge eines Laufs von NullWörtern das nachfolgende (oder das vorangehende) Nicht-Null-Wort einzubeziehen , sondern die durch eine Abfolge von Null-Wörtern und ein nachfolgendes Nicht-Null-Wort repräsentierten Signalwerte als ein (Gesamt-)Ereignis einer Huffman-Codierung zu unterwerfen.
32
a) Die K14 selbst enthält in diese Richtung keine Hinweise oder Anregungen , weil sie ausschließlich das Konzept beschreibt, mit unterschiedlichen Huffman-Codetabellen die Werte von Nicht-Null-Wörtern getrennt von den Lauflängen mit unterschiedlichen Huffman-Codes zu codieren.
33
b) Ebensowenig enthält der Aufsatz "Scene Adaptive Coder" von WenHsiung Chen und William K. Pratt in IEEE Transactions on Communications, März 1984, S. 225 (K8) eine Anregung zu einer entsprechenden Codierung gemäß der Merkmalsgruppe 5.
34
Die K8 beschreibt wie die K14 ein Codierungsverfahren zur Komprimierung von Bildsignalen, die unter anderem in einer blockweisen Cosinus-Transformation transformiert wurden. In Bezug auf eine Huffman-Codierung zeigt sie die Verwendung von zwei Codetabellen, eine für die Länge der ununterbrochenen Sequenzen von Null-Wörtern und eine für die Werte der Nicht-Null-Wörter. Damit unterschieden werden kann, welcher der beiden Codetabellen ein Code entnommen wurde, wird am Ende einer Sequenz von Nicht-Null-Wörtern ein Lauflängenpräfix (runlength prefix code) codiert, das vor dem die Anzahl der ununterbrochen folgenden Null-Wörter repräsentierenden Code steht (K8, S. 227 f.).
35
Damit entspricht die Lehre der K8 hinsichtlich des Codierungsschemas im Wesentlichen derjenigen der K14. Nach der Lehre der K8 ist lediglich eine dritte Huffman-Codetabelle für die Codierung der Anzahl von ununterbrochen aufeinanderfolgenden Nicht-Null-Wörtern nicht erforderlich, weil zur Bestimmung des Endes einer ununterbrochenen Folge von Nicht-Null-Wörtern zwischen dem Code für den Wert eines solchen Worts und dem Code für die Anzahl der darauf ununterbrochen folgenden Null-Wörtern ein Präfixcode gesendet wird, der die beiden Codetypen unterscheidet. Dies entspricht nicht der Merkmalsgruppe 5, weil nicht ein Huffman-Codewort aus einem HuffmanCodeereignis gebildet wird, das sich aus einer Sequenz von Null-Wörtern und einem folgenden oder vorangehenden Nicht-Null-Wort zusammensetzt.
36
Die K8 folgt wie die K14 dem Konzept, für die Codierung der Werte von Nicht-Null-Wörtern und der Länge einer Sequenz von Null-Wörtern unterschiedliche Huffmann-Codetabellen zu verwenden und den damit verbundenen Vorteil zu nutzen, dass wegen der jeweils geringeren Varianz der zu codierenden Ereignisse die Huffman-Codewörter kürzer ausfallen können. Die K8 enthält keinen Hinweis, Mischformen zwischen den beiden zu codierenden Wortsequenzen zu codieren. Insbesondere beschreibt sie nicht, für die Codierung einer Sequenz von Null-Wörtern das jeweils folgende oder das jeweils vorangehende Nicht-NullWort im Sinne eines einzigen Huffman-Codeereignisses einzubeziehen.
37
2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der zuletzt verteidigten Fassung hat sich auch nicht aus den weiteren Entgegenhaltungen in naheliegender Weise ergeben.
38
a) Die US-amerikanische Patentschrift 4 092 676 (K16) betrifft die Codierung eines binären Bildsignals, welches sich ausschließlich aus schwarzen und weißen Punkten zusammensetzt, wie es beispielsweise von einer Telefaxübertragung bekannt ist.
39
Ein solches Signal entspricht nicht dem Merkmal 4, denn angesichts der binären Struktur und Wertigkeit der Signale bietet sich kein Ansatzpunkt, diese einer blockweisen Cosinus-Transformation zu unterziehen. Die K16 zeigt mit ihrem Ausführungsbeispiel zur Figur 4 zwar eine Codierung jeweils unter Einbeziehung des nächsten Elements anderen Typs nach einer Sequenz von Elementen gleichen Typs entsprechend den Merkmalsgruppen 5 und 6. Dies ergibt sich aber aus der Besonderheit, dass aufgrund der binären Struktur der Signale nach der Sendung einer Folge von Signalen des einen Werts (zum Beispiel 0) nach der Logik dieser Struktur nur ein Signal des jeweils anderen Werts (zum Beispiel 1) folgen kann. Es besteht deshalb keine Notwendigkeit, das eine folgende Element gesondert zu codieren, weil dieses Element in der binären Struktur keinen anderen Wert annehmen kann. Wegen dieser Besonderheiten hatte der Fachmann keinen Anlass, die Lehre der K16 für die Weiterentwicklung eines Codierungsverfahrens zur Codierung von mehrwertigen Signalen heranzuziehen.
40
b) Die US-amerikanische Patentschrift 3 984 833 (K15) und der Aufsatz "Upper Bound, Lower Bound and Run-Length Substitution Coding" im NTC'77 Conference Record, Volume 3, S. 49:3-1 bis 49:3-6 (K20) betreffen ebenfalls die Codierung eines binären Bildsignals. Aus den zur K16 ausgeführten Gründen war deshalb eine Weiterentwicklung zum Gegenstand des Streitpatents nicht nahegelegt.
41
c) Die amerikanische Patentschrift 4 494 151 (K18) betrifft ein Codierungsverfahren für Datenwörter, die aus vier Bits bestehen. Das Verfahren zeigt keine Huffman-Codierung und entspricht damit nicht der Merkmalsgruppe 5. Aus diesem Grund entnimmt ihr der Fachmann auch keine Anregung, mehrere Datenwörter unterschiedlichen Typs für die Bildung eines Huffman-Codeereignisses zusammenzufassen.
42
d) Die weiteren Entgegenhaltungen liegen noch weiter entfernt vom Gegenstand des Streitpatents.
43
3. Die Gegenstände des Patentanspruchs 9 und der weiteren Ansprüche der zuletzt verteidigten Fassung sind aus den angeführten Gründen ebenfalls patentfähig, denn sie sehen jeweils die Anwendung eines Verfahrens gemäß Patentanspruch 1 vor oder betreffen eine Schaltungsanordnung, die geeignet ist, ein solches Verfahren durchzuführen.
44
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Hoffmann Kober-Dehm Marx
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 30.11.2016 - 5 Ni 58/11 (EP) -

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(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 4


Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese

Patentgesetz - PatG | § 3


(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung od

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Bundesgerichtshof Urteil, 19. März 2019 - X ZR 11/17 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 19. März 2019 - X ZR 11/17 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Juli 2015 - X ZR 64/13

bei uns veröffentlicht am 07.07.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X Z R 6 4 / 1 3 Verkündet am: 7. Juli 2015 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 19. März 2019 - X ZR 11/17.

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Juli 2019 - X ZR 95/17

bei uns veröffentlicht am 30.07.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 95/17 Verkündet am: 30. Juli 2019 Anderer Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache ECLI:DE:BGH:2019:300719UXZR95.17.0

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(1) Eine Erfindung gilt als neu, wenn sie nicht zum Stand der Technik gehört. Der Stand der Technik umfaßt alle Kenntnisse, die vor dem für den Zeitrang der Anmeldung maßgeblichen Tag durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.

(2) Als Stand der Technik gilt auch der Inhalt folgender Patentanmeldungen mit älterem Zeitrang, die erst an oder nach dem für den Zeitrang der jüngeren Anmeldung maßgeblichen Tag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind:

1.
der nationalen Anmeldungen in der beim Deutschen Patent- und Markenamt ursprünglich eingereichten Fassung;
2.
der europäischen Anmeldungen in der bei der zuständigen Behörde ursprünglich eingereichten Fassung, wenn mit der Anmeldung für die Bundesrepublik Deutschland Schutz begehrt wird und die Benennungsgebühr für die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 79 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens gezahlt ist und, wenn es sich um eine Euro-PCT-Anmeldung (Artikel 153 Abs. 2 des Europäischen Patentübereinkommens) handelt, die in Artikel 153 Abs. 5 des Europäischen Patentübereinkommens genannten Voraussetzungen erfüllt sind;
3.
der internationalen Anmeldungen nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag in der beim Anmeldeamt ursprünglich eingereichten Fassung, wenn für die Anmeldung das Deutsche Patent- und Markenamt Bestimmungsamt ist.
Beruht der ältere Zeitrang einer Anmeldung auf der Inanspruchnahme der Priorität einer Voranmeldung, so ist Satz 1 nur insoweit anzuwenden, als die danach maßgebliche Fassung nicht über die Fassung der Voranmeldung hinausgeht. Patentanmeldungen nach Satz 1 Nr. 1, für die eine Anordnung nach § 50 Abs. 1 oder Abs. 4 erlassen worden ist, gelten vom Ablauf des achtzehnten Monats nach ihrer Einreichung an als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

(3) Gehören Stoffe oder Stoffgemische zum Stand der Technik, so wird ihre Patentfähigkeit durch die Absätze 1 und 2 nicht ausgeschlossen, sofern sie zur Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren bestimmt sind und ihre Anwendung zu einem dieser Verfahren nicht zum Stand der Technik gehört.

(4) Ebenso wenig wird die Patentfähigkeit der in Absatz 3 genannten Stoffe oder Stoffgemische zur spezifischen Anwendung in einem der in § 2a Abs. 1 Nr. 2 genannten Verfahren durch die Absätze 1 und 2 ausgeschlossen, wenn diese Anwendung nicht zum Stand der Technik gehört.

(5) Für die Anwendung der Absätze 1 und 2 bleibt eine Offenbarung der Erfindung außer Betracht, wenn sie nicht früher als sechs Monate vor Einreichung der Anmeldung erfolgt ist und unmittelbar oder mittelbar zurückgeht

1.
auf einen offensichtlichen Mißbrauch zum Nachteil des Anmelders oder seines Rechtsvorgängers oder
2.
auf die Tatsache, daß der Anmelder oder sein Rechtsvorgänger die Erfindung auf amtlichen oder amtlich anerkannten Ausstellungen im Sinne des am 22. November 1928 in Paris unterzeichneten Abkommens über internationale Ausstellungen zur Schau gestellt hat.
Satz 1 Nr. 2 ist nur anzuwenden, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, daß die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von vier Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht. Die in Satz 1 Nr. 2 bezeichneten Ausstellungen werden vom Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz im Bundesanzeiger bekanntgemacht.

Eine Erfindung gilt als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Gehören zum Stand der Technik auch Unterlagen im Sinne des § 3 Abs. 2, so werden diese bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X Z R 6 4 / 1 3 Verkündet am:
7. Juli 2015
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bitratenreduktion
Im Patentnichtigkeitsverfahren ist die Sache im Falle der Aufhebung des patentgerichtlichen
Urteils durch den Bundesgerichtshof regelmäßig zu neuer
Verhandlung und Entscheidung an das Patentgericht zurückzuverweisen, wenn
dieses eine Erstbewertung des Standes der Technik unter dem Gesichtspunkt
der Patentfähigkeit noch nicht vorgenommen hat.
BGH, Urteil vom 7. Juli 2015 - X ZR 64/13 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Juli 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die
Richter Dr. Grabinski, Hoffmann und Dr. Deichfuß sowie die Richterin
Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12. März 2013 verkündete Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, an das Patentgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 10. September 1987 angemeldeten, mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten und vor Klageerhebung durch Zeitablauf erloschenen europäischen Patents 260 748 (Streitpatents ). Es nimmt Prioritäten vom 13. September 1986, 8. November 1986 und 23. Mai 1987 in Anspruch und umfasst 17 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut hat: "Verfahren zur Bitratenreduktion bei der Codierung eines Signals mit einer Folge von Signalwerten, das einen am häufigsten, in ununterbrochenen Teilfolgen vorkommenden, bestimmten Signalwert (A) enthält und aus denen eine Folge von Huffman-Codeworten gebildet wird, dadurch gekennzeichnet, dass wenigstens ein Huffman-Codewort - entweder aus einem anderen Signalwert und aus einer nachfolgenden , ununterbrochenen Teilfolge des bestimmten Signalwertes (A), wenn diese vorhanden ist, - oder aus einem anderen Signalwert und aus einer vorangehenden , ununterbrochenen Teilfolge des bestimmten Signalwertes (A), wenn diese vorhanden ist, gebildet wird und dass bei der Bildung der Folge der Codeworte nur die vorangehenden oder nur die nachfolgenden Teilfolgen des bestimmten Signalwertes (A) mit dem anderen Signalwert verwendet werden."
2
Die Klägerinnen, die sich Ansprüchen aus dem Streitpatent ausgesetzt sehen, machen geltend, der Gegenstand des Streitpatents gehe über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus und sei darüber hinaus nicht patentfähig.
3
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Ziel einer Klageabweisung weiterverfolgt. Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent in der Fassung von neun Hilfsanträgen. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


4
Die zulässige Berufung führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Patentgericht zur Prüfung der Patentfähigkeit.
5
I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Bitratenreduktion für die Codierung von Bild- oder Videodaten.
6
1. Nach dem im Streitpatent referierten Stand der Technik werden Videosignale so codiert, dass Videobilder mit möglichst geringer Bitrate in ausreichender Qualität übertragen werden können. Die Codierung erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst werden gleichgroße Blöcke von Abtastwerten der Bildpunkte einer diskreten Cosinus-Transformation unterworfen, so dass ein neuer Block von Zahlenwerten (Koeffizienten) entsteht. In diesem Block hat in der Regel der überwiegende Teil der Koeffizienten den Wert 0 oder nahezu 0. Wegen dieser Häufigkeit des Werts 0 werden die Koeffizienten Huffman-codiert und dabei ununterbrochene Teilfolgen des Werts 0 als ein einziges "Ereignis" für die Bildung von Huffman-Codeworten verwendet. Bei der Huffman-Codierung werden häufig auftretende Ereignisse mit kurzen und weniger häufig auftretende Ereignisse mit längeren Codeworten codiert. Unter den Codeworten ist keines der Beginn eines anderen, so dass es trotz unterschiedlicher Länge keines Präfixes bedarf, das den Beginn eines neuen Codeworts signalisierte. Insgesamt ergibt sich daraus eine Bitratenreduktion.
7
2. Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Codierverfahren anzugeben , das zu einer weiteren Bitratenreduktion für Bilddaten führt.
8
3. Zur Lösung schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 ein Verfahren zur Bitratenreduktion mit folgenden Merkmalen vor [in eckigen Klammern die Gliederung des Patentgerichts]: 1. Es wird ein Signal mit einer Folge von Signalwerten codiert [1.1, 1.2 a]. 2. In dieser Folge von Signalwerten gibt es einen bestimmten Signalwert A, der am häufigsten und in ununterbrochenen Teilfolgen vorkommt [1.2 b]. 3. Aus den Signalwerten wird eine Folge von HuffmanCodeworten wie folgt gebildet [1.3]: 3.1 Es wird wenigstens ein Huffman-Codewort gebildet [1.4] 3.1.1 entweder aus einem anderen Signalwert und aus einer nachfolgenden ununterbrochenen Teilfolge des bestimmten Signalwertes (A), wenn diese vorhanden ist, [1.4 a] 3.1.2 oder aus einem anderen Signalwert und aus einer vorangehenden ununterbrochenen Teilfolge des bestimmten Signalwertes (A), wenn diese vorhanden ist. [1.4 b] 3.2 Bei der Bildung der Folge der Codeworte werden [1.5] 3.2.1 nur die vorangehenden Teilfolgen [1.5 a] oder 3.2.2 nur die nachfolgenden Teilfolgen [1.5 b] des bestimmten Signalwertes (A) mit dem anderen Signalwert verwendet.
9
4. Einige Merkmale bedürfen der näheren Erläuterung:
10
a) Die Merkmalsgruppe 3.1 hat nicht die ihr vom Patentgericht zugemessene Bedeutung.
11
aa) Im Zusammenhang mit der Prüfung einer unzulässigen Erweiterung hat das Patentgericht angenommen, da der am häufigsten vorkommende Signalwert A in ununterbrochenen Teilfolgen vorkomme ("vgl. Merkmal 2"), sei deren Länge zwangsläufig größer Null. Nach den Merkmalen 3.1.1 und 3.1.2 sollten jedoch nur andere Signalwerte zusammen mit vorhandenen, ununterbrochenen Teilfolgen des bestimmten Signalwerts A codiert werden. Die Merkmalsgruppe 3.1 lasse mithin offen, wie Ereignisse codiert würden, bei denen einem solchen anderen Signalwert kein Signalwert A vorausgehe beziehungsweise nachfolge. Auch den weiteren Merkmalen des Patentanspruchs 1 sei hierzu keine Definition zu entnehmen. Die Codierung von Ereignissen, bei denen die Teilfolge des Signalwerts A die Länge 0 aufweise, sei vielmehr in das Belieben des Fachmanns gestellt. Der Beschreibung sei zwar zu entnehmen, dass auch solche Ereignisse als zu codierende Ereignisse behandelt werden. Indessen habe diese Vorschrift keinen Eingang in den Patentanspruch gefunden. Aus fachmännischer Sicht erscheine es nicht abwegig, nicht alle HuffmanCodeworte gemäß der Bildungsregel der Merkmalsgruppe 3.1 zu bilden, sondern eine Teilmenge der Codeworte nach einer hiervon abweichenden Bildungsregel zu generieren.
12
bb) Dies rügt die Berufung zu Recht als rechtsfehlerhaft.
13
Der Sinngehalt eines Merkmals ist mit Blick darauf zu ermitteln, was mit dem Merkmal aus der Sicht des Fachmanns im Hinblick auf die Erfindung erreicht werden soll. Dabei können der allgemeine wie auch der übliche fachliche Sprachgebrauch Anhaltspunkte für das Verständnis des Fachmanns geben. Mit Rücksicht darauf, dass Begriffe in einer Patentbeschreibung abweichend vom allgemeinen Sprachgebrauch benutzt werden können, ist letztlich aber der sich aus dem Gesamtzusammenhang der Patentschrift ergebende Begriffsinhalt maßgeblich. Für einen Rückgriff auf den allgemeinen Sprachgebrauch ist umso weniger Raum, je mehr der Inhalt der Patentschrift auf ein abweichendes Verständnis hindeutet. Die Beschreibung des Patents kann Begriffe eigenständig definieren und insoweit ein "patenteigenes Lexikon" darstellen. Auch der Grundsatz , dass bei Widersprüchen zwischen Anspruch und Beschreibung der Anspruch Vorrang genießt, weil dieser und nicht die Beschreibung den geschützten Gegenstand definiert und damit auch begrenzt, schließt nicht aus, dass sich aus der Beschreibung und den Zeichnungen ein Verständnis des Patentanspruchs ergibt, das von demjenigen abweicht, das der bloße Wortlaut des Anspruchs vermittelt. Funktion der Beschreibung ist es, die geschützte Erfindung zu erläutern. Im Zweifel ist daher ein Verständnis der Beschreibung und des Anspruchs geboten, das beide Teile der Patentschrift nicht in Widerspruch zueinander bringt, sondern sie als aufeinander bezogene Teile der dem Fachmann mit dem Patent zur Verfügung gestellten technischen Lehre als eines sinnvollen Ganzen versteht. Nur wenn und soweit dies nicht möglich ist, ist der Schluss gerechtfertigt, dass aus Teilen der Beschreibung keine Schlussfolgerungen in Bezug auf den geschützten Gegenstand gezogen werden dürfen (BGH, Urteile vom 12. Mai 2015 - X ZR 43/13, juris Rn. 16 - Rotorelemente; vom 9. Juni 2015 - X ZR 101/13, juris Rn. 26 - Polymerschaum II, jeweils mwN).
14
Das Streitpatent erzielt die angestrebte weitere Bitratenreduktion dadurch , dass als zu codierendes Ereignis nicht die ununterbrochene Folge von Signalwerten A (im Folgenden auch: Signalwerten 0, denn dies ist der häufigste Fall, Sp. 3 Z. 33 bis 36), sondern diese Folge und zusätzlich der nachfolgende (alternativ der vorangehende, wobei diese Alternative im Folgenden zur Vereinfachung außer Betracht bleibt) andere Signalwert behandelt werden. Denn hierfür ergeben sich andere, der Bitratenreduktion günstige Wahrscheinlichkeiten (Sp. 4 Z. 30 bis 43).
15
Die Beschreibung fasst dies, bevor sie auf Einzelheiten des Ausführungsbeispiels eingeht, dahin zusammen, dass das Auftreten einer ununterbrochenen Teilfolge von Nullen und des sich dieser Teilfolge anschließenden Koeffizienten als ein zu codierendes Ereignis angesehen werde, wie der erfindungsgemäßen Lehre zu entnehmen sei. Unmittelbar im Anschluss hieran fügt sie hinzu, wichtig sei, dass auch das Auftreten keiner Null vor einem von Null verschiedenen Koeffizienten - also das Auftreten einer Teilfolge der Länge 0 - als zu codierendes Ereignis behandelt werde (Sp. 3 Z. 37 bis 45). So verfährt auch das Ausführungsbeispiel; das häufigste Ereignis in der Tabelle der Figur 3, das demgemäß das kürzeste Codewort erhält, wird durch eine Teilfolge der Länge 0 und den Koeffizienten 1 gebildet.
16
Eine Lesart des Merkmals 3.1, wonach - entsprechend den Ausführungen des Patentgerichts - eine Behandlung von Koeffizienten mit einer vorangehenden Teilfolge der Länge 0 im Patentanspruch keinen Niederschlag gefunden habe, vernachlässigt, dass es bei der Merkmalsgruppe 3 nicht nur darum geht, wie (mindestens) ein Codewort gebildet wird, sondern wie die "Folge von Huffman -Codeworten" gebildet wird (Merkmal 3 ["Oberbegriff"]). Dies wird durch Merkmal 3.2 weiter verdeutlicht, nach dem bei der Bildung der Folge der Codeworte nur die vorangehenden Teilfolgen des Signalwerts 0 mit dem anderen Signalwert verwendet werden. Demnach ist es nicht nur "wichtig", wie die Beschreibung hervorhebt, sondern unumgänglich, dass auch der Fall berücksich- tigt wird, in dem die Teilfolge die Länge 0 hat. Die Formulierung "wenn diese vorhanden ist" in Merkmal 3.1.2 besagt somit nur, dass in das Codewort der Wert des "anderen" Signalwerts und die Länge > 0 der ununterbrochenen Teilfolge mit Nullwerten eingeht und lediglich der Wert des "anderen" Signalwerts, wenn keine solche Folge vorausgeht. Dies bedeutet zugleich, dass das Codewort in diesem Fall für den "anderen" Signalwert steht, dem keine Teilfolge mit Nullwerten (oder eine solche mit der Länge 0) vorangeht.
17
Dabei handelt es sich nicht um eine Spezialität des Ausführungsbeispiels , sondern um ein generelles Problem, für das an dieser Stelle der Beschreibung die erfindungsgemäße Lösung gezeigt wird. Diese Lösung betrifft deshalb den Patentanspruch insgesamt und ist für seine Auslegung mit zu berücksichtigen.
18
Die Vorgabe, mindestens ein Huffman-Codewort nach dieser Vorschrift zu bilden, erklärt sich daraus, dass nach Patentanspruch 2 dem HuffmanCodewort ein Zusatzcodewort angehängt werden kann, wenn die Teilfolge eine vorgegebene Länge oder der zugeordnete andere Signalwert einen vorgegebenen Betrag überschreitet, und es nach Patentanspruch 3 möglich ist, eine Wertefolge in Abschnitte zu zerlegen und jedem Abschnitt ein Huffman-Codewort zuzuordnen.
19
b) In der Merkmalsgruppe 3.2 stehen die Merkmale 3.2.1 und 3.2.2 in einer Entweder-oder-Beziehung zueinander. Das Wort "nur" jeweils zu Beginn der Merkmale bringt zum Ausdruck, dass in einem Verfahren nur das eine Merkmal oder nur das andere Merkmal zur Anwendung kommt, mithin nicht beide Varianten gemeinsam zur Anwendung kommen können.
20
c) Als ein Verfahren zur Bitratenreduktion ist der Gegenstand des Streitpatents auf digitale Werte beschränkt. Bitfolgen oder -ströme, die reduziert werden könnten, setzten digitale Daten voraus.
21
d) Merkmal 1 ist dahin zu verstehen, dass jeder Wert in einem Signal ein Signalwert ist. Welche inhaltliche Bedeutung diesem Wert zukommt, ist irrelevant.
22
II. Das Patentgericht hat angenommen, das Streitpatent gehe in der erteilten und allen weiteren verteidigten Fassungen über den Inhalt der Anmeldung hinaus.
23
1. Den ursprünglichen Unterlagen sei die Merkmalsgruppe 3.1 nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen. Der Fall einer Teilfolge der Länge 0 sei dort - anders als in Patentanspruch 1 - nicht offen gelassen, vielmehr definiert geregelt, und es sei als wichtig hervorgehoben worden, dass auch eine ununterbrochene Teilfolge mit der Länge 0 zusammen mit einem davor oder dahinter liegenden, vom Signalwert (A) verschiedenen Koeffizienten als ein zu codierendes Ereignis behandelt werde.
24
2. Weiterhin sei die Merkmalsgruppe 3.2 den ursprünglichen Unterlagen nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen. Sie bestimme, dass für die Bildung der Huffman-Codeworte nur eine der beiden Varianten nach Merkmal 3.1 verwendet werden könne und daran für das komplette zu codierende Signal festgehalten werden müsse. Die ursprünglichen Unterlagen ließen hingegen beide Varianten nebeneinander zu. In dem für die Anmeldung formulierten Patentanspruch 1 sei am Ende lediglich formuliert worden: "… dass jeder ununterbrochenen Teilfolge von Signalwerten A mit der Länge 0, 1, 2 usw. zusammen mit dem sich der Teilfolge an- schließenden Signalwert oder zusammen mit dem der Teilfolge vorangehenden Signalwert ein Huffman-Codewort zugeordnet wird."
25
Die mit der Merkmalsgruppe 3.2 festgeschriebene Exklusivität der Verwendung von stets nur einer der beiden Varianten finde in diesen ursprünglichen Unterlagen weder eine wortgetreue noch eine sinngemäße Stütze. Für die ursprünglich offenbarten Ausführungsbeispiele sei zwar nur eine solche exklusive Verwendung einer der beiden Varianten gezeigt worden. Gleichwohl sei dem Fachmann bewusst, dass er die Mannigfaltigkeit der zu codierenden Ereignisse auf die Menge der vorangehenden und der nachfolgenden Teilfolgen zusammen mit jeweils einem anderen Signalwert erweitern und die statistischen Signifikanzen dieser größeren Mannigfaltigkeit für die Bildung der HuffmanCodeworte heranziehen könne. Die ursprünglich offenbarten Beispiele würden das Verständnis des Fachmanns in keiner Weise beschränken.
26
III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.
27
1. Patentanspruch 1 geht mit der Fassung der Merkmalsgruppe 3.1 nicht über den Inhalt der ursprünglichen Unterlagen hinaus. Die Auslegung ergibt, wie ausgeführt, dass auch von einem anderen Signalwert, dem keine Teilfolge des Signalwerts (A) vorangeht beziehungsweise nachfolgt, stets einzeln ein Huffman-Codewort zu bilden ist. Dies entspricht der erfindungsgemäßen Lehre, wie sie schon in der Patentanmeldung beschrieben wurde.
28
2. Patentanspruch 1 geht auch nicht mit der Merkmalsgruppe 3.2 über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus.
29
Das Ausführungsbeispiel in der Anmeldung des Streitpatents (Anl. K4) zeigt - wie das Patentgericht zutreffend feststellt - ausschließlich eine Codie- rung, bei der ununterbrochene Teilfolgen des Signalwerts 0 mit der Länge 0, 1, 2 … zusammen mit sich daran anschließenden, also nachfolgenden anderen Signalwerten als ein Ereignis für die Bildung von Huffman-Codeworten zusammengefasst werden (K4, Sp. 3 Z. 15 bis 20). Dieses Ausführungsbeispiel offenbart damit das Merkmal 3.2.1 in Bezug auf eine Codierung gemäß Merkmal 3.1.2.
30
Eine Mischung der Codierung, bei der für einen Teil der anderen Signalwerte eine Kombination mit vorangehenden Teilfolgen und für den restlichen Teil eine Kombination mit nachfolgenden Teilfolgen des Signalwerts (A) vorgenommen wird, wird in der Anmeldung nicht erörtert.
31
Der in der Anmeldung formulierte Patentanspruch 1 offenbarte mit seinem kennzeichnenden Teil dem Fachmann eindeutig und unmittelbar, dass nicht nur eine Kombination des anderen Signalwerts mit vorangehenden Teilfolgen , sondern auch eine Kombination mit nachfolgenden Teilfolgen des Signalwerts (A) für die Bildung der Huffman-Codeworte als Ereignis zugrunde gelegt werden kann. Das Verfahren für eine Kombination mit nachfolgenden Teilfolgen des Signalwerts (A) ist in der Anmeldung nicht anhand eines konkreten Ausführungsbeispiels erläutert. Die Alternative am Ende des in der Anmeldung formulierten Patentanspruchs 1, eine Kombination mit nachfolgenden Teilfolgen des Signalwerts (A) vorzunehmen, war für den Fachmann somit dahin zu verstehen , hierfür ebenso vorzugehen wie in dem beschriebenen Verfahren für eine Kombination mit vorangehenden Teilfolgen mit der einzigen Abweichung, für diese Kombination die Reihenfolge der ununterbrochenen Teilfolge des Signalwerts (A) und des daran angrenzenden anderen Signalwerts zu vertauschen. Dieses sich aus dem in der Anmeldung formulierten Patentanspruch ergebende Verständnis bedurfte keiner weiteren Erläuterung durch ein weiteres Ausfüh- rungsbeispiel, sondern erschloss sich aus der Formulierung des Patentanspruchs in der Anmeldung unmittelbar.
32
Ob der Fachmann darüber hinaus der Angabe im beantragten Patentanspruch auch entnahm, beide Varianten mischen zu können, also HuffmanCodeworte zu bilden, denen sowohl Kombinationen anderer Signalwerte mit vorangehenden Teilfolgen als auch Kombinationen mit nachfolgenden Teilfolgen der Signalwerte (A) zugrunde liegen, und beides in einem Signalpaket zuverlässig decodierbar vereinen zu können, kann offen bleiben. Ein solches Verfahren wäre eine zusätzliche Variante, die die Beklagte im Prüfungsverfahren sodann nicht weiterverfolgte, indem sie sich mit der Merkmalsgruppe 3.2 auf eine ausschließliche Verwendung eine der beiden Alternativen ohne Mischformen beschränkte. Da diese beiden Alternativen als zur Erfindung gehörend in der Anmeldung offenbart waren, begründet eine solche Beschränkung keine unzulässige Erweiterung.
33
IV. Das Urteil des Patentgerichts ist auch nicht deshalb im Ergebnis zutreffend , weil Patentanspruch 1 in anderer Hinsicht eine unzulässige Erweiterung enthielte.
34
Merkmal 1 führt nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus , indem das zu codierende Signal lediglich eine Folge von Signalwerten umfassen und nicht ausschließlich aus solchen Werten bestehen müsste.
35
In dem in der Anmeldung formulierten Patentanspruch 1 wird dieses Merkmal zwar dahin beschrieben, dass das Signal "aus einer Folge von digital dargestellten Signalwerten besteht".
36
Soweit darin die Signalwerte mit dem Adjektiv "digital" beschrieben werden , ist dies unschädlich. Auch wenn dieses Wort im erteilten Patentanspruch nicht vorkommt, ist das Verfahren aufgrund seiner Funktion zur Bitdatenreduktion auf digital dargestellte Werte beschränkt.
37
Soweit die Formulierung des Patentanspruchs 1 in der Anmeldung mit den Worten "besteht aus" eine abschließende Aufzählung beschreibt (vgl. BGH, Urteile vom 12. Juli 2011 - X ZR 75/08, GRUR 2011, 1109 Rn. 37 - Reifenabdichtmittel ; vom 5. Mai 2015 - X ZR 60/13, juris - Verdickerpolymer), ergibt sich daraus keine Diskrepanz zu Merkmal 1 von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung. Auch in der erteilten Fassung ist dieses Merkmal dahin zu verstehen, dass jeder Wert in einem Signal einen Signalwert darstellt.
38
V. Da das Patentgericht - nach seinem Ausgangspunkt konsequent - sich mit der Patentfähigkeit des Gegenstands des Streitpatents nicht befasst hat, ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Patentgericht zurückzuverweisen (§ 119 Abs. 2 und 3 PatG).
39
Ein Grundgedanke des reformierten Patentnichtigkeitsverfahrens ist es, dass die Patentfähigkeit zunächst durch das auch mit technisch sachkundigen Richtern besetzte Patentgericht bewertet wird und diese Bewertung durch den Bundesgerichtshof überprüft wird. Eine Endentscheidung durch den Bundesgerichtshof (§ 119 Abs. 5 PatG) ist daher regelmäßig nicht sachgerecht, wenn die Erstbewertung des Standes der Technik durch das Patentgericht unterblieben ist (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 117/11, BGHZ 194, 107 Rn. 60-62 - Polymerschaum I). Dafür, dass im Streitfall etwas anderes gälte, ist nichts erkennbar und wird auch von den Parteien nichts geltend gemacht.
Meier-Beck Grabinski Hoffmann Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 12.03.2013 - 5 Ni 58/11 (EP) -

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.