Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2002 - VII ZR 440/01

published on 19/12/2002 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 19. Dez. 2002 - VII ZR 440/01
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 440/01 Verkündet am:
19. Dezember 2002
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein

a) Kann der Auftragnehmer wegen fehlender Vorunternehmerleistungen seine Leistungen
nicht erbringen, genügt neben einer nach § 6 Nr. 1 VOB/B etwa erforderlichen
Behinderungsanzeige gemäß § 295 BGB ein wörtliches Angebot der Leistung
, um den Annahmeverzug des Auftraggebers zu begründen.

b) Für ein wörtliches Angebot kann es genügen, daß der Auftragnehmer seine Mitarbeiter
auf der Baustelle zur Verfügung hält und zu erkennen gibt, daß er bereit und
in der Lage ist, seine Leistung zu erbringen.
BGH, Urteil vom 19. Dezember 2002 - VII ZR 440/01 - OLG Celle
LG Hannover
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 19. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die
Richter Prof. Dr. Thode, Hausmann, Dr. Kuffer und Prof. Dr. Kniffka

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 1. November 2001 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin fordert wegen einer Bauzeitverlängerung Schadensersatz und Entschädigung. Die Beklagte beauftragte die Klägerin mit Trockenbauarbeiten. Die VOB/B wurde vereinbart. Es war eine Bauzeit von 17 Wochen vorgesehen. Die Klägerin begann mit den Arbeiten am 19. September 1994. Die Leistungen wurden am 19. Juli 1995 fertiggestellt. Die Klägerin beansprucht für die Zeit vom 16. Januar 1995 bis zum 19. Juli 1995 den Ersatz von Kosten für die Bauleitung und Projektleitung in Höhe von 105.661,41 DM und für Mannschafts-
und Bürocontainer in Höhe von 4.455 DM. Nach ihrer Behauptung sind ihre Arbeiten über den 16. Januar 1995 hinaus verzögert worden, weil die Baustelle infolge des Ausfalls des mit den Gewerken Heizung, Sanitär und Lüftung beauftragten Unternehmens nicht oder nur unzureichend beheizt worden sei. Außerdem hätten sich die Arbeiten an der Lüftung verzögert. Die letzten Lüftungsschienen seien erst Ende Mai 1995 installiert worden. Vorher hätte sie die Arbeit an den abgehängten Decken nicht fertigstellen können. Sie macht die Beklagte für die Verzögerung verantwortlich, weil diese die Baustelle nicht richtig koordiniert habe. Jedenfalls stehe ihr ein Entschädigungsanspruch zu. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist erfolglos gewesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch weiter.

Entscheidungsgründe:


Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das maßgebliche Recht richtet sich nach den bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Gesetzen (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB, § 26 Nr. 7 EGZPO).

I.

Das Berufungsgericht verneint einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 6 Nr. 6 VOB/B. Zwar stehe fest, daß Behinderungen vorgelegen hätten. Die Klägerin habe jedoch nicht hinreichend dargelegt, inwieweit die Be-
hinderungen zu der geltend gemachten Bauzeitverzögerung geführt hätten. Die Klägerin habe auch nicht hinreichend vorgetragen, mit welcher Leistung sich die Beklagte in welchem Zeitraum in Annahmeverzug befunden habe und welche angebotenen Leistungen sie deshalb nicht habe erbringen können. Ihr stehe deshalb auch keine Entschädigung nach § 642 BGB zu.

II.

Die Auffassung des Berufungsgerichts, ein Entschädigungsanspruch aus § 642 BGB sei nicht schlüssig dargetan, weil die Klägerin nicht hinreichend dargelegt habe, welche angebotene Leistung sie nicht habe erbringen können, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 1. Nach § 642 Abs. 1 BGB kommt ein Entschädigungsanspruch des Unternehmers in Betracht, wenn sich der Besteller deshalb in Verzug der Annahme befindet, weil er das Baugrundstück für die Leistung des Auftragnehmers nicht rechtzeitig aufnahmebereit zur Verfügung stellt. Das gilt auch dann, wenn die Aufnahmebereitschaft fehlt, weil andere Unternehmer ihre Leistungen nicht oder nicht rechtzeitig erbracht haben (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999 - VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32, 39). Für die Dauer des Annahmeverzuges steht dem Auftragnehmer eine angemessene Entschädigung zu. 2. Die Klägerin hat schlüssig vorgetragen, daß die Beklagte ihre Mitwirkungspflicht , das Grundstück für die Leistung der Klägerin aufnahmebereit zur Verfügung zu stellen, bis Mitte/Ende Mai 1995 nicht erfüllt hat. Nach der Behauptung der Klägerin hätte sie die Leistung ohne die Behinderung bis zum 13. Januar 1995 fertiggestellt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurden die Lüftungsschienen im Speisesaal und im Klubraum erst Mitte/Ende
Mai 1995 montiert. Die Fertigstellung der Deckenaufhängung war nicht möglich, bevor die Lüftungsschienen von einem anderen Unternehmer angebracht worden waren. Das Berufungsgericht vermißt zu Unrecht Vortrag der Klägerin dazu, ob in diesen Räumen die Deckenmontagen nicht wenigstens teilweise durchgeführt werden konnten. Auch wenn das der Fall war, ist der Vortrag nicht unschlüssig. Denn das ändert nichts daran, daß die Fertigstellung der Decken erst nach Anbringung der letzten Lüftungsschienen erfolgen konnte. Nach der Behauptung der Klägerin konnten die Decken wegen der Verzögerung erst im Juli 1995 fertiggestellt werden. Der Klage auf Erstattung der Aufwendungen für die Bau- und Projektleitung sowie für die bis zur Räumung der Baustelle unterhaltenen Container liegt die weitere Behauptung zugrunde, diese Aufwendungen seien bis zur Fertigstellung der Gesamtleistung notwendig gewesen. Ob das der Fall ist, ist offen und in der Revision zugunsten der Klägerin zu unterstellen.

III.

Das angefochtene Urteil kann danach keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil notwendige Feststellungen noch zu treffen sind. Dazu weist der Senat auf folgendes hin: 1. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, inwieweit die Klägerin ihre Leistungen zur Deckenaufhängung in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat. Grundsätzlich ist ein Angebot der Leistung nach §§ 294 bis 296, 299 BGB sowie bei einem VOB-Vertrag notwendig, daß der Auftragnehmer gemäß § 6 Nr. 1 VOB/B anzeigt, wenn er wegen hindernder Umstände zur Leistungs-
erbringung nicht imstande ist (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1999 - VII ZR 185/98, BGHZ 143, 32, 41). Ein wörtliches Angebot der Leistung genügt nach § 295 BGB, wenn eine Mitwirkungshandlung des Gläubigers erforderlich ist. Es kann auch dadurch zum Ausdruck gebracht werden, daß der Auftragnehmer seine Mitarbeiter auf der Baustelle zur Verfügung hält und zu erkennen gibt, daß er bereit und in der Lage ist, seine Leistung zu erbringen. Eine Behinderungsanzeige ist entbehrlich, wenn dem Auftraggeber offenkundig die Tatsache und deren hindernde Wirkung bekannt waren, § 6 Nr. 1 Satz 2 VOB/B. Danach kommt ein Annahmeverzug der Beklagten in Betracht. Die Klägerin hat nach ihrer Behauptung ihre Mitarbeiter ständig für die vertraglich geschuldeten Leistungen auf der Baustelle bereit gehalten und zum Ausdruck gebracht , daß sie bereit und in der Lage ist, die Leistungen fortwährend zu erbringen , sobald die Behinderungen beseitigt sind. Es liegt nahe, daß die Behinderung der Klägerin durch den Ausfall des Vorunternehmers jedenfalls hinsichtlich der Deckenarbeiten offenkundig war. Nach der Darstellung der Klägerin hat die Beklagte auf diese Behinderung durch den Bauzeitenplan Nr. 8 reagiert, der für die Deckenaufhängung neue Fertigstellungszeiten mit einer deutlichen Bauzeitverlängerung vorsah. Auf dieser Grundlage waren weder ein weiteres wörtliches Angebot noch eine Behinderungsanzeige notwendig, soweit es um diese Bauzeitverlängerung ging. Hinsichtlich des weiteren Annahmeverzuges während der im Bauzeitenplan Nr. 8 verlängerten Ausführungsfrist ergeben sich aus den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Baubesprechungsprotokollen Hinweise der Klägerin darauf, daß sie an der Fertigstellung der Decken auch in der neu festgesetzten Zeit wegen der fehlenden Lüftungsschienen gehindert war. Damit kann sie ausreichend deutlich zum Ausdruck gebracht haben , daß sie weiterhin bereit und in der Lage war, die Leistung zu erbringen und sie sich durch die fehlenden Lüftungsschienen behindert sah.
2. Bei der Frage, inwieweit die Bauleitung und Projektleitung sowie die Unterhaltung der Container wegen eines etwaigen Annahmeverzugs aufrecht erhalten werden mußten, wird das Berufungsgericht den übrigen Streitstoff berücksichtigen müssen. Denn in diesem Zusammenhang kann es eine Rolle spielen, ob auch die sonstigen von der Klägerin vorgebrachten Behinderungen zu Verzögerungen geführt haben, die es erforderlich machten, die Bauleitung und Projektleitung sowie die Unterhaltung der Container bis zur endgültigen Fertigstellung aufrecht zu erhalten. Auch insoweit ist darauf hinzuweisen, daß bereits nach dem von dem Architekten der Beklagten vorgelegten Bauzeitenplan sich die Fertigstellung der Trockenbauarbeiten um bis zu 18 Wochen verzögerte. Das Berufungsgericht ist nicht gehindert, die Ursächlichkeit dieser Verzögerung allein oder jedenfalls ganz überwiegend darin zu sehen, daß es die unstreitigen Behinderungen bei der Beheizung des Bauwerkes gegeben hat, § 287 ZPO (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 1986 - VII ZR 286/84, BGHZ 97, 163, 166; Urteil vom 14. Januar 1993 - VII ZR 185/91, BGHZ 121, 210, 214).
3. Das Berufungsgericht erhält durch die Zurückverweisung zugleich Gelegenheit, den Schadensersatzanspruch aus § 6 Nr. 6 VOB/B neu zu prüfen. Es hat insoweit offen gelassen, ob die Behinderungen durch die fehlenden Lüftungsschienen auf ein Koordinierungsverschulden der Architekten der Beklagten zurückzuführen sind. Dressler Thode Hausmann Kuffer Kniffka
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(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit e

Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere wenn der Gläubiger die gesch

Die Leistung muss dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden.
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published on 26/10/2017 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL VII ZR 16/17 Verkündet am: 26. Oktober 2017 Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:
published on 26/10/2017 00:00

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10. Januar 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden
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Annotations

(1) Ist bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Bestellers erforderlich, so kann der Unternehmer, wenn der Besteller durch das Unterlassen der Handlung in Verzug der Annahme kommt, eine angemessene Entschädigung verlangen.

(2) Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich einerseits nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung, andererseits nach demjenigen, was der Unternehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann.

Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere wenn der Gläubiger die geschuldete Sache abzuholen hat. Dem Angebot der Leistung steht die Aufforderung an den Gläubiger gleich, die erforderliche Handlung vorzunehmen.

(1) Ist bei der Herstellung des Werkes eine Handlung des Bestellers erforderlich, so kann der Unternehmer, wenn der Besteller durch das Unterlassen der Handlung in Verzug der Annahme kommt, eine angemessene Entschädigung verlangen.

(2) Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich einerseits nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung, andererseits nach demjenigen, was der Unternehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann.

Ist die Leistungszeit nicht bestimmt oder ist der Schuldner berechtigt, vor der bestimmten Zeit zu leisten, so kommt der Gläubiger nicht dadurch in Verzug, dass er vorübergehend an der Annahme der angebotenen Leistung verhindert ist, es sei denn, dass der Schuldner ihm die Leistung eine angemessene Zeit vorher angekündigt hat.

Ein wörtliches Angebot des Schuldners genügt, wenn der Gläubiger ihm erklärt hat, dass er die Leistung nicht annehmen werde, oder wenn zur Bewirkung der Leistung eine Handlung des Gläubigers erforderlich ist, insbesondere wenn der Gläubiger die geschuldete Sache abzuholen hat. Dem Angebot der Leistung steht die Aufforderung an den Gläubiger gleich, die erforderliche Handlung vorzunehmen.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.