Bundesgerichtshof Urteil, 21. Juni 2018 - VII ZR 173/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2018 durch die Richter Dr. Kartzke, Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Sacher und Borris
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung restlichen Werklohns aus einem gekündigten Bauvertrag.
- 2
- Am 27. Oktober/21. Dezember 2005 schlossen die Parteien auf der Grundlage eines Angebots der Klägerin unter Einbeziehung der VOB/B (2002) einen Einheitspreisvertrag über die Erbringung von Metallbauarbeiten, insbesondere die Lieferung und Montage von Aluminiumfassadenelementen, Fenster- und Türanlagen aus Aluminium, Horizontallamellen sowie Raffstoreanlagen für den Neubau eines medizinischen Versorgungszentrums im Klinikum L. in B.
- 3
- Bei der Ausführung der Arbeiten kam es zu Verzögerungen; die Beklagte rügte mehrfach Mängel. Schließlich forderte sie die Klägerin mit Schreiben vom 14. Februar 2007 unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung unter anderem wegen einer zuvor als mangelhaft beanstandeten Lichtdachkonstruktion ("Wasser dringt in die Konstruktion ein") auf und drohte die Kündigung des Vertrags an, die mit Schreiben vom 22. Februar 2007 ausgesprochen wurde.
- 4
- Die Parteien streiten über die Berechtigung der Kündigung und über das Vorhandensein von Mängeln. Die Klägerin verlangt Restwerklohn für ihre erbrachten Leistungen sowie für die nicht erbrachten Leistungen unter Abzug ersparter Aufwendungen.
- 5
- Während des Rechtsstreits haben die Parteien einen Teil- und Zwischenvergleich geschlossen, wonach für bestimmte durch die Klägerin erbrachte Leistungen ein Nettowerklohn in Höhe von 1.227.507,72 € gerechtfertigt ist. Auf dieser Basis hat die Klägerin zuletzt unter Berücksichtigung bereits geleisteter Zahlungen noch Zahlung von 257.168.05 € nebst Zinsen verlangt. Die Beklagte hat sich unter anderem mit der hilfsweisen Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen Mängeln am Glasdach verteidigt.
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- Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 34.472,10 € nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung der Klägerin, mit der diese ihren Antrag in voller Höhe weiterverfolgt hat, hat das Berufungsgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin insgesamt 45.332,10 € nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Klä- gerin hat der Senat unter Zurückweisung der weiteren Beschwerde die Revision - beschränkt auf die Höhe der Gegenforderung - zugelassen, soweit die Hilfsaufrechnung der Beklagten mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 104.289,12 € wegen Mängeln am Glasdach Erfolg hatte. Mit ihrer im Umfang der Zulassung eingelegten Revision beantragt die Klägerin, die Beklagte zu verurteilen, an sie über den ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 104.289,12 € nebst Zinsen, insgesamt also 149.621,22 € nebst Zinsen zu zahlen.
Entscheidungsgründe:
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- Die Revision der Klägerin führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
- 8
- Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - ausgeführt:
- 9
- Die Kündigung der Beklagten vom 22. Februar 2007 sei nach § 4 Nr. 7 Satz 3, § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOB/B (2002) wirksam gewesen. Die von der Klägerin erstellte Lichtdachkonstruktion sei mangelhaft.
- 10
- Die Klägerin habe - wie das Landgericht zutreffend festgestellt habe - im Ansatz nur einen Restwerklohnanspruch in Höhe von 149.621,22 € für erbrachte Leistungen. Gegen diese Werklohnforderung greife die erklärte Aufrechnung der Beklagten mit einem Anspruch auf Schadensersatz wegen der Mängel am Glasdach in Höhe von 104.289,12 € durch, weshalb (nur) ein Vergütungsanspruch der Klägerin in Höhe von 45.332,10 € verbleibe. Der Beklagten stehe nach erfolgloser Aufforderung der Klägerin zur Mängelbeseitigung ein Anspruch auf Ersatz der für die Beseitigung der Mängel am Glasdach erforderlichen (Netto -)Kosten gemäß § 13 Nr. 7 Abs. 3 VOB/B (2002) zu. Die vom Landgericht vorgenommene Schadensbewertung sei der Höhe nach nicht zu beanstanden. Sie beruhe auf den Angaben des Sachverständigen K. im Rahmen der Beweisaufnahme einschließlich des selbständigen Beweisverfahrens. Die Angaben des Sachverständigen seien als Schätzgrundlage gemäß § 287 Abs. 1 ZPO ausreichend, um annehmen zu können, dass dieser Betrag netto aufgewandt werden müsse, um die Mängel zu beseitigen. Es handele sich um eine realistische Größenordnung.
II.
- 11
- Das hält der rechtlichen Überprüfung in einem Punkt nicht stand.
- 12
- 1. Aufgrund der beschränkten Zulassung der Revision und der Zurückweisung der weitergehenden Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin durch den Senat steht rechtskräftig fest, dass der Klägerin gegen die Beklagte - vorbehaltlich der sogleich erörterten Hilfsaufrechnung - ein Restwerklohnanspruch in Höhe von 149.621,22 € zusteht. Es steht weiter fest, dass das Glasdach mängelbehaftet ist und die Beklagte deswegen dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin hat.
- 13
- 2. Keinen Bestand hat die Feststellung der Höhe dieses Anspruchs, mit dem die Beklagte hilfsweise die Aufrechnung gegen den Restwerklohnanspruch erklärt hat.
- 14
- Die Ermittlung der Höhe des Vermögensschadens der Beklagten durch das Berufungsgericht beruht auf der Annahme, er lasse sich nach den erforderlichen , tatsächlich jedoch nicht angefallenen (Netto-)Mängelbeseitigungskosten bemessen, wenn der Auftraggeber den Mangel eines Werks - hier die Undichtigkeit des Glasdachs - nicht beseitigt hat. Diese im Einklang mit der früheren Rechtsprechung des Senats stehende Auffassung trifft nicht zu. Der Senat hat nach Erlass des angefochtenen Urteils unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass ein Auftraggeber, der den Mangel nicht beseitigen lässt, seinen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen kann (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17 Rn. 22-43, BauR 2018, 815 = NZBau 2018, 201, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen ). Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann deshalb ein Schaden der Beklagten in der vom Berufungsgericht angenommenen Höhe nicht festgestellt werden.
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- 3. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um die Höhe des von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Schadensersatzanspruchs wegen der Mängel des Glasdachs neu festzustellen und zu berechnen. Hierzu muss die Beklagte zu- nächst auf der Grundlage dieser Rechtsauffassung Gelegenheit bekommen, ihren Schaden anderweitig darzulegen und zu beziffern (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17 Rn. 27, 38-43, BauR 2018, 815 = NZBau 2018, 201).
Vorinstanzen:
LG Bremen, Entscheidung vom 07.05.2015 - 12 O 187/08 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 03.06.2016 - 2 U 59/15 -
Annotations
(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.
(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.
(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.
(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.
(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.