Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2018 - VI ZR 82/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:090118UVIZR82.17.0
bei uns veröffentlicht am09.01.2018
vorgehend
Amtsgericht Hamburg, 16 C 154/15, 28.01.2016
Landgericht Hamburg, 302 S 22/16, 14.02.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 82/17 Verkündet am:
9. Januar 2018
Olovcic
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Eine nur beschränkte Zulassung der Berufung ist unter denselben Voraussetzungen
wie die beschränkte Zulassung der Revision zulässig (Anschluss
BGH, Beschluss vom 2. Juli 2009 - V ZB 40/09, NJW-RR 2009, 1431
Rn. 10).

b) Der Berechnung des für die ersatzfähigen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten
maßgeblichen Gegenstandswerts ist auch dann nur die letztlich objektiv
berechtigte Schadensersatzforderung zugrunde zu legen, wenn der
Geschädigte die Reparaturkosten fiktiv auf der Grundlage eines von ihm eingeholten
Gutachtens abrechnet und ihn der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer
sodann mit Erfolg auf eine ohne weiteres zugängliche,
günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit verweist (Fortführung Senatsurteil
vom 5. Dezember 2017 - VI ZR 24/17 Rn. 5 ff.).

c) Unerheblich ist insoweit, ob der Verweis vor oder nach der Beauftragung des
Rechtsanwalts oder Geltendmachung des Anspruchs erfolgt und ob der Geschädigte
im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts davon ausgegangen
ist und ausgehen durfte, seine Hauptforderung sei zu einem höheren
als dem später festgestellten oder unstreitig gewordenen Betrag begründet
(Fortführung Senatsurteil vom 5. Dezember 2017 - VI ZR 24/17 Rn. 5 ff.).
BGH, Urteil vom 9. Januar 2018 - VI ZR 82/17 - LG Hamburg
AG Hamburg
ECLI:DE:BGH:2018:090118UVIZR82.17.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Januar 2018 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Offenloch , die Richterin Dr. Oehler, die Richterin Dr. Roloff und den Richter Dr. Klein
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 14. Februar 2017 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um Ansprüche auf Erstattung restlicher vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten nach einem Verkehrsunfall.
2
Der Pkw des Klägers wurde bei einem Verkehrsunfall im April 2015 beschädigt. Für den dem Kläger dabei entstandenen Schaden hat die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners dem Grunde nach voll einzustehen. Der Kläger holte ein Sachverständigengutachten über die an seinem Fahrzeug entstandenen Schäden ein. In diesem wurden die für eine sach- und fachgerechte Reparatur der unfallbedingten Schäden notwendigen Kosten mit einem Nettobetrag von 1.209 € ausgewiesen. Für die Erstattung des Gutachtens wur- den dem Kläger 491,47 € brutto in Rechnung gestellt.
3
Im Mai 2015 wandte sich der Kläger mit anwaltlichem Schreiben an die Beklagte und forderte diese auf, ihm als "Reparaturkostenaufwand/netto" 1.209 € sowie eine Unfallnebenkostenpauschale von 20.- € zu bezahlen und die Rechnung des Sachverständigen direkt diesem gegenüber zum Ausgleich zu bringen. Ihre eigenen Kosten berechneten die vom Kläger beauftragten Rechtsanwälte auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 1.720,47 € mit brutto 255,85 € und baten die Beklagte, die entsprechende Kostenrechnung ihnen gegenüber auszugleichen.
4
Die Beklagte verwies den Kläger auf eine günstigere Reparaturmöglich- keit und erstattete ihm lediglich 754,51 € an Reparaturkosten;gegen die damit vorgenommene Kürzung der von ihm zunächst verlangten Reparaturkosten wandte sich der Kläger nicht. Die geltend gemachten Sachverständigenkosten sah die Beklagte nur in Höhe von 397 € als ersatzfähig an. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten erstattete sie dem Kläger schließlich nach einem Gegen- standswert von 1.171,51 € mit 201,71 €.
5
Mit seiner Klage hat der Kläger ursprünglich den Ersatz weiterer Sach- verständigenkosten von 94,47 € sowie weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwalts- kosten von 54,14 € verlangt. Das Amtsgericht hat die Beklagte dazu verurteilt, den Kläger von weiteren Sachverständigenkosten in Höhe von 32,26 € freizu- halten, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil insoweit abgeändert, als es die Beklagte zur Freistellung des Klägers von den weiteren Sachverständigenkosten in Höhe von 59,21 € verurteilt hat; die weitergehende Berufung hat es zurück- gewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision wendet sich der Kläger alleine gegen die Zurückweisung seiner Berufung in Bezug auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Entscheidungsgründe:

I.

6
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit im Revisionsverfahren noch von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger könne die Freihaltung von weiteren vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht verlangen. Die Beklagte habe mit der Zahlung von 201,71 € die ersatzfähigen Rechtsanwaltskosten vollständig ausgeglichen. Der Geschädigte könne Kostenerstattung aufgrund des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs nur insoweit verlangen, als seine (Haupt-)Forderung dem Schädiger gegenüber bestehe. Denn Kosten, die dadurch entstünden, dass der Geschädigte seinen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung eines unbegründeten Anspruchs beauftrage, könnten dem Schädiger nicht mehr als Folge seines Verhaltens zugerechnet werden. Im Streitfall sei danach für die Berechnung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf einen Gegenstandswert von bis zu 1.500 € abzustellen, wobei die Reparaturkosten mit dem vom Kläger akzeptier- ten Betrag von 754,41 € zu beziffern seien. Dass der Kläger auf der Grundlage des von ihm eingeholten Schadensgutachtens im Zeitpunkt der Anmeldung seiner Forderungen gegenüber der Beklagten von Reparaturkosten in Höhe von netto 1.209 € ausgegangen sei, sei unerheblich. Denn der für den Kostenerstattungsanspruch maßgebliche Gegenstandswert richte sich nicht nach dem Betrag , der aus Sicht des Geschädigten zur Zeit der Anmeldung vernünftigerweise vertretbar gewesen sei. Soweit der Kläger einwende, dadurch, dass ihn die Beklagte nach der Beauftragung seiner Rechtsanwälte und nach der Anmeldung seines Anspruchs auf eine ohne weiteres zugängliche, günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit verwiesen habe, würden die bereits entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nicht herabgesetzt, betreffe dies nur das Innenverhältnis zwischen dem Kläger und seinen Prozessbevollmäch- tigten. Die durch die Beauftragung und die Anmeldung der Schadensersatzansprüche im Verhältnis zwischen dem Geschädigten und seinen Prozessbevollmächtigten entstandenen außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren entsprächen nicht zwingend dem Kostenerstattungsanspruch des Geschädigten gegenüber dem Schädiger.

II.

7
Die Revision hat keinen Erfolg.
8
1. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist der Revision der Erfolg allerdings nicht bereits deshalb versagt, weil das Amtsgericht die Berufung nur beschränkt auf die vom Kläger in den Vorinstanzen ebenfalls geltend gemachten Sachverständigenkosten zugelassen hätte. Zwar wird - entgegen der von der Revision vertretenen Auffassung - eine nur beschränkte Berufungszulassung unter denselben Voraussetzungen für zulässig erachtet wie die beschränkte Revisionszulassung (BGH, Beschluss vom 2. Juli 2009 - V ZB 40/09, NJW-RR 2009, 1431 Rn. 10, mwN). Dem Urteil des Amtsgerichts lässt sich aber bereits der Wille, die im Revisionsverfahren streitgegenständlichen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von der Berufungszulassung auszunehmen, nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen. Insbesondere ergibt sich die Beschränkung nicht daraus, dass das Amtsgericht zur Begründung der - im Tenor nicht beschränkten - Zulassung der Berufung ausgeführt hat, die Voraussetzungen der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 511 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Var. 1 ZPO seien bezüglich der Frage, in welcher Höhe Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall zu erstatten sind, erfüllt. Denn die ersatzfähigen Sachverständigenkosten sind - auch nach Auffassung des Amtsgerichts - bei der Berechnung des für die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten maßgebli- chen Gegenstandswerts zu berücksichtigen; sie sind also auch insoweit von Bedeutung. Aus dem Umstand, dass der in Bezug auf die Sachverständigenkosten zwischen den Parteien erstinstanzlich streitige Betrag von 94,47 € auf der Grundlage der Annahme des Amtsgerichts, die Reparaturkosten seien für den die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten betreffenden Gegenstandswert nur in Höhe der tatsächlich erstatteten 754,41 € relevant, keinen Gebühren- sprung auszulösen vermochte, folgt nichts anderes; der Senat vermag auch unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes einen Willen des Amtsgerichts, die Berufung zu beschränken, nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen.
9
2. Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung in der Sache stand.
10
a) Der erkennende Senat hat mit - nach Eingang der Revisionsbegründung im vorliegenden Verfahren ergangenem - Urteil vom 5. Dezember 2017 (VI ZR 24/17, noch nicht veröffentlicht) die sich auch im Streitfall stellenden Fragen beantwortet. Danach ist der Bemessung des Gegenstandswertes für die erstattungsfähigen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auch dann nur die letztlich objektiv berechtigte Schadensersatzforderung zugrunde zu legen, wenn der Geschädigte die Reparaturkosten fiktiv auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens abrechnet und ihn der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherer mit Erfolg auf eine ohne weiteres zugängliche , günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit verweist (Senat aaO, Rn. 5 ff.). Dies gilt unabhängig davon, ob der Geschädigte im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts davon ausgegangen ist und davon ausgehen durfte, seine Hauptforderung sei zu einem höheren als dem später festgestellten oder unstreitig gewordenen Betrag begründet (vgl. Senat aaO, Rn. 9), sowie unabhängig davon, ob der Verweis des Schädigers bzw. seines Haftpflichtversicherers auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit vor oder nach der Beauftra- gung des Rechtsanwalts oder der Geltendmachung des Anspruchs durch den Geschädigten erfolgt (Senat aaO, Rn. 10). Hat der Geschädigte die auf den Verweis auf die günstigere Fachwerkstatt gestützte Kürzung seiner Hauptforderung hingenommen, so kommt es für die Höhe der ersatzfähigen vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten auch nicht mehr darauf an, ob der Verweis materiell -rechtlich gerechtfertigt war (Senat aaO, Rn. 11). Neue Gesichtspunkte, die diese Annahmen des erkennenden Senats in Frage stellen würden, zeigt die Revision nicht auf.
11
b) Nach diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht zu Recht zum Ergebnis gelangt, dass der Berechnung der erstattungsfähigen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten ein Gegenstandswert von bis zu 1.500 € zugrunde zu legen ist. Dieser setzt sich zusammen aus den von der Beklagten tatsächlich erstatteten Reparaturkosten in Höhe von 754,41 €, der Unkostenpauschale von 20 € sowie den ersatzfähigen Sachverständigenkosten in Höhe von insgesamt 456,21 € und beträgt damit insgesamt 1.230,62 €. Unter Berücksichtigung der von den Prozessbevollmächtigten des Klägers für die vorprozessualeTätigkeit angesetzten Geschäftsgebühr von 1,3, der Post- und Telekommunikationskostenpauschale von 20 € und der Umsatzsteuer hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, die erstattungsfähigen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskos- ten betrügen 201,71 €, die die Beklagte dem Kläger bereits erstattet hat. Galke Offenloch Oehler Roloff Klein
Vorinstanzen:
AG Hamburg, Entscheidung vom 28.01.2016 - 16 C 154/15 -
LG Hamburg, Entscheidung vom 14.02.2017 - 302 S 22/16 -

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Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2018 - VI ZR 82/17 zitiert 4 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes


(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. (2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadenser

Zivilprozessordnung - ZPO | § 511 Statthaftigkeit der Berufung


(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt. (2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn1.der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder2.das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zu

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Bundesgerichtshof Urteil, 05. Dez. 2017 - VI ZR 24/17

bei uns veröffentlicht am 05.12.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 24/17 Verkündet am: 5. Dezember 2017 Böhringer-Mangold Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 09. Jan. 2018 - VI ZR 82/17.

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Apr. 2018 - IX ZR 187/17

bei uns veröffentlicht am 19.04.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IX ZR 187/17 Verkündet am: 19. April 2018 Kluckow Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 249 Abs. 2 Sa

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(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.

(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn

1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder
2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.

(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und
2.
die Partei durch das Urteil mit nicht mehr als 600 Euro beschwert ist.
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 24/17 Verkündet am:
5. Dezember 2017
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja

a) Dem Anspruch des Geschädigten auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten
ist im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu
legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (Senatsurteil vom
18. Juli 2017 - VI ZR 465/16, VersR 2017, 1282 Rn. 7). Abzustellen ist dabei auf
die letztlich festgestellte oder unstreitig gewordene Schadenshöhe (Senatsurteile
vom 11. Juli 2017 - VI ZR 90/17, VersR 2017, 1155 Rn. 19; vom 18. Januar 2005
- VI ZR 73/04 VersR 2005, 558, 559 f.).

b) Auf den für den Ersatzanspruch maßgeblichen Gegenstandswert hat es keinen
werterhöhenden Einfluss, dass der Geschädigte im Zeitpunkt der Beauftragung
des Rechtsanwalts noch davon ausgegangen ist, seine Hauptforderung sei zu einem
höheren als dem später festgestellten oder unstreitig gewordenen Betrag begründet.
BGH, Urteil vom 5. Dezember 2017 - VI ZR 24/17 - LG Frankfurt am Main
AG Frankfurt am Main
ECLI:DE:BGH:2017:051217UVIZR24.17.0

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 2017 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner und Offenloch, die Richterin Müller und den Richter Dr. Klein
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. Januar 2017 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Erstattung weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten nach einem Verkehrsunfall, für den die Beklagte allein haftet, in Anspruch.
2
Der Kläger war zum Unfallzeitpunkt Eigentümer eines damals acht Jahre alten Pkw, eines VW Touran, der durch ein bei der Beklagten versichertes Kraftfahrzeug beschädigt wurde. Nachdem der Kläger ein Sachverständigengutachten zur Schadenshöhe eingeholt hatte, beauftragte er seinen Rechtsan- walt mit der Geltendmachung des darin ermittelten Schadens von 4.557,85 €, in dem Reparaturkosten von 3.882,04 € netto unter Zugrundelegung von Stun- denverrechnungssätzen der VW-Niederlassung in F. enthalten waren. Daraufhin verwies die Beklagte den Kläger unter Vorlage eines Prüfberichts auf die Möglichkeit, die Reparatur bei einer anderen Fachwerkstatt mit niedrigeren Stundenverrechnungssätzen zu Kosten in Höhe von 2.979,78 € durchführen zu lassen, und leistete auf dieser Grundlage Schadensersatz in Höhe von 3.650,59 €. Ausgehend von diesem Gegenstandswert erstattete sie zudem 413,64 € vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten. Demgegenüber hatte der Kläger , ausgehend von einem Gegenstandswert von 4.557,85 €, Ersatz vorgericht- licher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 € verlangt. Mit der Klage macht er die Differenz von 78,90 € nebst Zinsen geltend.
3
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil dahingehend abgeändert , dass es die Klage abgewiesen hat. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragt der Kläger die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass dem Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten grundsätzlich derjenige Gegenstandswert zugrunde zu legen sei, welcher der letztlich festgestellten oder unstreitig gewordenen Schadenshöhe entspreche. Dem Schädiger könnten Rechtsanwaltskosten nur insoweit als Folge seines Verhaltens zugerechnet werden, als es um die Durchsetzung eines begründeten Begehrens gehe. Der Schaden habe - unter Berücksichtigung der späteren Einwendung der Beklagten - von Anfang an nur in Höhe der Reparaturkosten der Verweiswerkstatt be- standen. Der Zeitpunkt der Geltendmachung der Einwendung sei nicht maßgeblich. Als unstreitig gewordene Schadenshöhe sei die von der Beklagten geleistete Zahlung anzusehen, da der Kläger die Kürzung seines Schadensersatzanspruchs in der Hauptsache hingenommen habe. Darauf, ob in tatsächlicher Hinsicht die Voraussetzungen vorlägen, unter denen der Schädiger den Geschädigten auf eine günstigere Alternativwerkstatt verweisen könne, komme es demnach nicht an.

II.

5
Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das Berufungsgericht den Gegenstandswert, der der Bemessung der Höhe der zu erstattenden Rechtsanwaltskosten zugrunde zu legen ist, unter Berücksichtigung des von dem Kläger hinsichtlich der Hauptforderung hingenommenen Verweises der Beklagten auf eine günstigere Fachwerkstatt bestimmt.
6
1. Der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch umfasst grundsätzlich auch den Ersatz der durch das Schadensereignis erforderlich gewordenen Rechtsverfolgungskosten, § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Senatsurteile vom 18. Juli 2017 - VI ZR 465/16, VersR 2017, 1282 Rn. 6; vom 10. Januar 2006 - VI ZR 43/05, VersR 2006, 521 Rn. 5; vom 18. Januar 2005 - VI ZR 73/04, VersR 2005, 558, 559; vom 8. November 1994 - VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 350; BGH, Urteil vom 23. Oktober 2003 - IX ZR 249/02, NJW 2004, 444, 446) hat der Schädiger allerdings nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren.
7
a) Beauftragt der Geschädigte einen Rechtsanwalt mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer, so ist der Umfang des Ersatzverlangens nur für die Abrechnung zwischen dem Geschädigten und seinem Anwalt maßgebend (Innenverhältnis ). Kostenerstattung aufgrund des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs kann der Geschädigte vom Schädiger dagegen grundsätzlich nur insoweit verlangen, als seine Forderung diesem gegenüber auch objektiv berechtigt ist (Senatsurteile vom 18. Juli 2017 - VI ZR 465/16, VersR 2017, 1282 Rn. 7; vom 18. Januar 2005 - VI ZR 73/04, VersR 2005, 558, 559; BGH, Urteile vom 7. November 2007 - VIII ZR 341/06, NJW 2008, 1888 Rn. 13; vom 13. April 1970 - III ZR 75/69, NJW 1970, 1122, 1123). Die von einem - einsichtigen - Geschädigten für vertretbar gehaltenen Schadensbeträge sind demgegenüber nicht maßgeblich (Senatsurteil vom 18. Juli 2017 - I ZR 465/16, VersR 2017, 1282 Rn. 7; BGH, Urteil vom 13. April 1970 - III ZR 75/69, NJW 1970, 1122, 1123). Denn Kosten, die dadurch entstehen, dass dieser einen Anwalt zur Durchsetzung eines unbegründeten Anspruchs beauftragt, können dem Schädiger nicht mehr als Folge seines Verhaltens zugerechnet werden (Senatsurteile vom 18. Juli 2017 - VI ZR 465/16, VersR 2017, 1282 Rn. 7; vom 18. Januar 2005 - VI ZR 73/04, VersR 2005, 558, 559; vgl. auch Senatsurteil vom 10. Januar 2006 - VI ZR 43/05, VersR 2006, 521 Rn. 6; BGH, Urteil vom 13. April 1970 - III ZR 75/69, NJW 1970, 1122, 1123). Damit ist dem Anspruch des Geschädigten auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten im Verhältnis zum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der berechtigten Schadensersatzforderung entspricht (Senatsurteil vom 18. Juli 2017 - VI ZR 465/16, VersR 2017, 1282 Rn. 7; BGH, Urteil vom 7. November 2007 - VIII ZR 341/06, NJW 2008, 1888 Rn. 13).
8
Da es sich bei dem Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten um eine Nebenforderung handelt, deren Höhe sich erst bestimmen lässt, wenn die Hauptforderung konkretisiert ist (Senatsurteil vom 7. Februar 2012 - VI ZR 249/11, Schaden-Praxis 2012, 180, 181), ist ihm grundsätzlich der Gegenstandswert zugrunde zu legen, der der letztlich festgestellten oder unstreitig gewordenen Schadenshöhe entspricht (Senatsurteile vom 11. Juli 2017 - VI ZR 90/17, VersR 2017, 1155 Rn. 19; vom 18. Januar 2005 - VI ZR 73/04, VersR 2005, 558, 559 f. mwN). Nimmt der Geschädigte die von Schädigerseite erbrachte Leistung auf die Hauptforderung als endgültig hin und stellt die Höhe der Hauptforderung nicht zur gerichtlichen Entscheidung, so ist für die Bestimmung des dem Anspruch auf Erstattung der Anwaltskosten zugrunde zu legenden Gegenstandswerts von der Berechtigung der Hauptforderung (nur) in Höhe der Erfüllungsleistung auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 1970 - III ZR 75/69, NJW 1970, 1122, 1123).
9
b) Entgegen der Ansicht der Revision hat es auf den für den Anspruch auf Erstattung von Anwaltskosten maßgeblichen Gegenstandswert keinen werterhöhenden Einfluss, dass der Geschädigte im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts noch davon ausgegangen ist, seine Hauptforderung sei zu einem höheren als dem später festgestellten oder unstreitig gewordenen Betrag begründet. Ob die Hauptforderung in der geltend gemachten Höhe letztlich objektiv berechtigt ist, hängt nicht nur davon ab, ob die den Anspruch einschließlich der Anspruchshöhe begründenden Voraussetzungen erfüllt sind und der Anspruch, wie von der Revision formuliert, "zunächst begründet" ist, sondern auch davon, ob und inwieweit der Anspruchsgegner mit Einwendungen oder Einreden gegen den Anspruchsgrund oder die Anspruchshöhe Erfolg hat. So bestimmt sich die Höhe einer dem Grunde nach bestehenden Schadensersatzforderung im Anwendungsbereich des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB danach, ob der Geschädigte dem in dieser Regelung enthaltenen Wirtschaftlichkeitsgebot Genüge leistet, zusätzlich aber auch danach, ob er einer etwaigen sich aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ergebenden Verpflichtung zur Geringhaltung des Schadens genügt oder eine diesbezügliche Einwendung des Anspruchsgegners, dass dem nicht so sei, berechtigt ist. Demnach darf zwar der Geschädigte, der einen Anspruch auf Ersatz fiktiver Reparaturkosten hat, diesem gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (st. Rspr., siehe nur Senatsurteil vom 7. Februar 2017 - VI ZR 182/16, VersR 2017, 504 Rn. 7 mwN). Der Geschädigte ist im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebots des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, worauf die Revision insoweit zu Recht verweist, weder zu weitergehender Marktforschung verpflichtet noch dazu, die Schadensbehebung oder -berechnung von vornherein dem Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer zu überlassen (vgl. Senatsurteil vom 27. September 2016 - VI ZR 673/15, VersR 2017, 56 Rn. 9, 11 zur Ermittlung des Restwerts des beschädigten Fahrzeugs im Fall der Ersatzbeschaffung). Sind aber sämtliche Voraussetzungen erfüllt, unter denen der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer den Geschädigten im Hinblick auf die Schadensminderungspflicht des § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer "freien" Fachwerkstatt verweisen darf (siehe dazu nur Senatsurteile vom 7. Februar 2017 - VI ZR 182/16, VersR 2017, 504 Rn. 7 mwN; vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21 Rn. 9 ff.), muss der Geschädigte eine Kürzung der von ihm geltend gemachten Hauptforderung auf Ersatz der fiktiven Reparaturkosten hinnehmen und damit seiner Nebenforderung auf Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten einen entsprechend niedrigeren Gegenstandswert zugrunde legen. Ebenso ist von dem niedrigeren Gegenstandswert auszugehen , wenn der Geschädigte die auf den Verweis auf die günstigere Fachwerkstatt gestützte Kürzung der Hauptforderung hinnimmt.
10
Da es zur Bestimmung des Gegenstandswerts für die Nebenforderung auf die letztlich festgestellte oder unstreitig gewordene Höhe der Hauptforde- rung ankommt, ist es somit entgegen der Ansicht der Revision ohne Belang, ob die auf § 254 BGB gestützte Einwendung von Schädigerseite vor oder nach der Beauftragung des Rechtsanwalts oder der Geltendmachung des Anspruchs durch den Geschädigten erhoben wird (a.A. wohl AG Düsseldorf, AGS 2016, 595 mit zust. Anmerkung Seutter, DAR 2016, 491 ff.; Mardner, NJW 2016, 1546, 1548, der auf den Zeitpunkt der Beauftragung und den "Beauftragungswert" abstellt) und ob der Geschädigte bis zur Erhebung der Einwendung davon ausgehen durfte, dass die im Gutachten ermittelte Schadenshöhe zutreffend ist (so aber wohl AG Frankfurt, AGS 2012, 91 f.). Ferner ist unerheblich, seit wann die tatsächlichen Voraussetzungen für die Berechtigung der auf § 254 Abs. 2 BGB gestützten Einwendung erfüllt waren. Schließlich stellt der berechtigte Verweis auf eine günstigere Reparaturwerkstatt entgegen der Ansicht der Revision (ebenso: Seutter, DAR 2016, 491, 492 f.; Jaeger, ZfS 2016, 490, 492) - anders als eine nachträgliche Erfüllung - nicht eine teilweise Erledigung des Anspruchs dar, die in dem hier maßgeblichen Außenverhältnis unter Umständen den Gegenstandswert unberührt lässt.
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2. Nach den insoweit von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Kläger - bezogen auf die Hauptforderung - den Verweis der Beklagten auf die günstigere Reparaturmöglichkeit und die damit verbundene Kürzung des Anspruchs auf Ersatz fiktiver Reparaturkosten hingenommen. Es kommt daher, wie vom Berufungsgericht zutreffend gesehen und von der Revision nicht in Frage gestellt, nicht darauf an, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für einen berechtigten Verweis auf eine günstigere Fachwerkstatt vorlagen. Der für den Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten maßgebliche Gegenstandswert richtet sich daher nach der entsprechend reduzierten Summe der Hauptforderung in Höhe von 3.650,59 €. Galke Wellner Offenloch Müller Klein
Vorinstanzen:
AG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 06.06.2016 - 32 C 532/16 (27) -
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 11.01.2017 - 2-15 S 119/16 -