Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2005 - VI ZR 289/03

bei uns veröffentlicht am15.03.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 289/03 Verkündet am:
15. März 2005
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei möglichen schwerwiegenden Nebenwirkungen eines Medikaments ist neben
dem Hinweis in der Gebrauchsinformation des Pharmaherstellers auch
eine Aufklärung durch den das Medikament verordnenden Arzt erforderlich.
BGH, Urteil vom 15. März 2005 - VI ZR 289/03 - OLG Rostock
LG Schwerin
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. März 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 12. September 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin begehrt Ersatz des materiellen und immateriellen Schadens nach einer ärztlichen Heilbehandlung durch die Beklagte, eine Gynäkologin. Diese behandelte die im Juli 1965 geborene Klägerin seit mehreren Jahren wegen einer Dysmenorrhoe mit einer damit einhergehenden Eisenmangelanämie. Am 30. November 1994 verordnete sie der Klägerin, welche - wie in der elektronischen Patientendatei vermerkt war - eine Raucherin war, das Antikonzeptionsmittel "Cyclosa" zur Regulierung der Menstruationsbeschwerden.
Den von der Klägerin gegen die Verschreibung der "Pille" geäußerten Bedenken , daß sie solche Präparate in der Vergangenheit nicht vertragen habe bzw. diese nicht den gewünschten Erfolg gehabt hätten, begegnete die Beklagte damit, daß es sich um das modernste Mittel für Regelbeschwerden handele und sie ihr ansonsten nicht helfen könne. Die Klägerin nahm daraufhin das verordnete Medikament seit Ende Dezember 1994 ein. Dessen Gebrauchsinformation enthielt unter dem Punkt "Nebenwirkungen" folgenden Hinweis: "Warnhinweis: Bei Raucherinnen, die östrogen-gestagenhaltige Arzneimittel anwenden , besteht ein erhöhtes Risiko, an zum Teil schwerwiegenden Folgen von Gefäßveränderungen (z.B. Herzinfarkt, Schlaganfall ) zu erkranken. Das Risiko nimmt mit zunehmendem Alter und steigendem Zigarettenkonsum zu. Frauen, die älter als 30 Jahre sind, sollen deshalb nicht rauchen, wenn sie östrogen-gestagenhaltige Arzneimittel einnehmen." Am 10. Februar 1995 erlitt die Klägerin einen Medi apartialinfarkt (Hirninfarkt , Schlaganfall), der durch die Wechselwirkung zwischen dem Präparat "Cyclosa" und dem von der Klägerin während der Einnahme zugeführten Nikotin verursacht wurde. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufun g der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.

Entscheidungsgründe:

I.


Zu dem noch geltend gemachten Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung einer Aufklärungspflicht hat das Berufungsgericht ausgeführt: Eine Verletzung der Pflicht zur therapeutischen Sicherungsaufklärung sei nicht erwiesen. Zwar habe der Arzt bei der Medikation den Patienten über Unverträglichkeiten und Nebenwirkungen ins Bild zu setzen und bei gefährlichen Medikamenten Hinweise zu den Komplikationen und einem drohenden Schaden zu geben. Die Klägerin habe aber den ihr obliegenden Beweis für eine unterlassene oder eine unzureichende Sicherungsaufklärung nicht erbracht. Bei der Medikation mit dem Medikament "Cyclosa" handele es sich jedoch auch um einen Eingriff, für den die Beklagte beim Fehlen einer wirksamen Einwilligung grundsätzlich einzustehen habe. Auch die Behandlung mit aggressiven Medikamenten sei ein Eingriff im weitesten Sinne. Im Hinblick darauf sei die Beklagte gehalten gewesen, die Klägerin über die gefährlichen Nebenwirkungen und insbesondere über die Risiken der Wechselwirkung mit Nikotin zu informieren. Der der Beklagten obliegende Beweis für eine entsprechende Aufklärung wäre nach den Feststellungen des Landgerichts nicht erbracht worden. Es könne offenbleiben, ob hierfür ein Hinweis auf die Risiken der Wechselwirkung von Nikotin und den Wirkstoffen des Präparats ausgereicht hätte oder ob schon wegen der beruflichen Vorkenntnisse der Klägerin eine Aufklärung hätte entfallen können. Nach Anhörung der Klägerin sei der Senat nämlich davon
überzeugt, daß sie sich auch nach gehöriger Aufklärung zu einer Einnahme des Medikaments entschlossen hätte. Es habe keine wirkliche Behandlungsalternative gegeben. Zudem habe sich die Klägerin für die Verordnung des Medikaments und dessen Einnahme entschieden, obgleich ihr die Beklagte die Möglichkeit eingeräumt habe, von der Medikation Abstand zu nehmen, und habe sie auch bei ihrer Anhörung ausgeführt, daß sie sich höchstwahrscheinlich für die Einnahme der Tabletten entschieden hätte. Die Klägerin habe sich auch nicht in einem echten Entscheidungskonflikt befunden, weil sie nach ihrer Bekundung sofort mit dem Rauchen aufgehört hätte, sofern sie richtig aufgeklärt worden wäre.

II.


Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 1. Nicht zu beanstanden ist allerdings die Auffassung des Berufungsgerichts , daß sich ein Schadensersatzanspruch nicht aus einer Verletzung der Pflicht zur sogenannten Sicherungs- oder therapeutischen Aufklärung, also der ärztlichen Beratung über ein therapierichtiges Verhalten zur Sicherstellung des Behandlungserfolgs und zur Vermeidung möglicher Selbstgefährdungen des Patienten ergibt. In diesem Bereich wären ärztliche Versäumnisse als Behandlungsfehler anzusehen, so daß die Klägerin - wie vom Berufungsgericht angenommen - beweisen müßte, daß die gebotene Aufklärung unterblieben ist oder unzureichend war (vgl. Senatsurteil vom 14. September 2004 - VI ZR 186/03 - NJW 2004, 3703, 3704; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl. 2001, Rdn. B 95 ff.; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 9. Aufl. 2002, Rdn. 325, 574 ff.). Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe diesen Be-
weis für eine unterlassene oder eine unzureichende Sicherungsaufklärung hinsichtlich der Nebenwirkungen des verordneten Präparats nicht erbracht, wird von der Revision nicht angegriffen. 2. Das Berufungsgericht ist auch ohne Rechtsfehler davon ausgegangen , daß es sich bei der Verordnung des Medikaments "Cyclosa" um einen Eingriff handelt, für den die Beklagte beim Fehlen einer wirksamen Einwilligung grundsätzlich einzustehen hat. Bei der Aufklärung über eine solche Medikation handelt es sich um einen Fall der sogenannten Eingriffs- oder Risikoaufklärung , die der Unterrichtung des Patienten über das Risiko des beabsichtigten ärztlichen Vorgehens dient, damit dieser sein Selbstbestimmungsrecht ausüben kann. Die Beweislast für die Erfüllung dieser Aufklärungspflicht liegt beim Arzt (vgl. Senatsurteile vom 14. September 2004 - VI ZR 186/03 - aaO; vom 22. Mai 2001 - VI ZR 268/00 - VersR 2002, 120, 121; vom 29. September 1998 - VI ZR 268/97 - VersR 1999, 190, 191, jeweils m.w.N.). Ausweislich der dem Medikament beigefügten Gebrauchsinformation bestand bei Raucherinnen ein erhöhtes Risiko, an zum Teil schwerwiegenden Folgen von Gefäßveränderungen (z.B. Herzinfarkt oder Schlaganfall) zu erkranken. Dieses Risiko nahm mit zunehmendem Alter und steigendem Zigarettenkonsum zu. Bei dieser Situation entspricht die Auffassung des Berufungsgerichts , die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Klägerin über die mit der Einnahme des Medikaments verbundenen Nebenwirkungen und Risiken zu informieren , der Rechtsprechung des erkennenden Senats. Danach ist auch die Medikation mit aggressiven bzw. nicht ungefährlichen Arzneimitteln als ein ärztlicher Eingriff im weiteren Sinne anzusehen, so daß die Einwilligung des Patienten in die Behandlung mit dem Medikament unwirksam ist, wenn er nicht über dessen gefährliche Nebenwirkungen aufgeklärt worden ist (vgl. Senatsur-
teile vom 27. Oktober 1981 - VI ZR 69/80 - VersR 1982, 147, 149 = AHRS 5100/5 und vom 13. Januar 1970 - VI ZR 121/68 - NJW 1970, 511, 512 f. = AHRS 5100/3; vgl. auch OLG Oldenburg VersR 1986, 69 = AHRS 5100/6 mit Nichtannahmebeschluß des Senats vom 11. Dezember 1984 - VI ZR 51/84 -; OLG Hamm VersR 1989, 195 = AHRS 5100/13; OLG München AHRS 5100/102; OLG Bamberg AHRS 5100/110 mit Nichtannahmebeschluß des Senats vom 15. April 1997 - VI ZR 305/96; OLG Stuttgart AHRS 5100/112; OLG Hamm AHRS 5100/117; OLG Düsseldorf OLGR Düsseldorf 2003, 387, 389; Deutsch/Spickhoff, 5. Aufl., 2003, Rdn. 208; a.A. LG Dortmund MedR 2000, 331, 332 = AHRS 5100/116). Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung reicht unter den hier gegebenen Umständen der Warnhinweis in der Packungsbeilage des Pharmaherstellers nicht aus. Kommen derart schwerwiegende Nebenwirkungen eines Medikaments in Betracht, so ist neben dem Hinweis in der Gebrauchsinformation auch eine Aufklärung durch den das Medikament verordnenden Arzt erforderlich. Dieser muß nämlich dem Patienten eine allgemeine Vorstellung von der Schwere des Eingriffs und den spezifisch mit ihm verbundenen Risiken vermitteln (vgl. Senatsurteile BGHZ 90, 103, 106, 108 und zur Aufklärungspflicht bei einer Routineimpfung BGHZ 144, 1, 5). Die Notwendigkeit zur Aufklärung hängt dabei nicht davon ab, wie oft das Risiko zu einer Komplikation führt. Maßgebend ist vielmehr, ob das betreffende Risiko dem Eingriff spezifisch anhaftet und es bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belastet (vgl. Senatsurteile BGHZ 90, 103, 107; 144, 1, 5 f.; vom 21. November 1995 - VI ZR 341/94 - VersR 1996, 330, 331; vom 2. November 1993 - VI ZR 245/92 - VersR 1994, 104, 105 = AHRS 4510/104).
Hier handelte es sich ausweislich des Warnhinweises um eine typischerweise auftretende Nebenwirkung des Medikaments. Das Risiko nahm zwar mit zunehmendem Alter zu, bestand aber ausweislich des Satzes 1 des Warnhinweises auch bei Raucherinnen, die noch nicht älter als 30 Jahre waren. Daher mußte die Beklagte die im 30. Lebensjahr stehende Klägerin über die spezifischen Gefahren informieren, die für eine Raucherin bei der Einnahme des Medikaments bestanden. Dies gilt umsomehr als sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in der elektronischen Patientendatei unter dem 30. April 1993 der Eintrag "Raucherin" befand. In Anbetracht der möglichen schweren Folgen, die sich für die Lebensführung der Klägerin bei Einnahme des Medikaments ergeben konnten und hier tatsächlich verwirklicht haben , mußte die Beklagte darüber aufklären, daß das Medikament in Verbindung mit dem Rauchen das erhebliche Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls in sich barg. Nur dann hätte die Klägerin ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben können. Dies wäre dann in zwei Richtungen möglich gewesen, nämlich sich entweder dafür zu entscheiden, das Medikament einzunehmen und das Rauchen einzustellen, oder aber bei Fortsetzung des Rauchens auf die Einnahme des Medikaments wegen des bestehenden Risikos zu verzichten. Gerade wegen der bei Rauchern in Betracht zu ziehenden Sucht war die Gabe des Medikaments nur bei einem eindringlichen Hinweis des verordnenden Arztes auf die Gefahren zu verantworten, die bei seiner Einnahme und gleichzeitigem Rauchen bestanden. Deshalb darf in einem solchen Fall der Arzt nicht darauf vertrauen, daß die Patientin den Warnhinweis in der Packungsbeilage lesen und befolgen werde. Im Hinblick auf die Schwere des Risikos reicht es auch nicht aus, daß die Beklagte gesagt haben will, „daß Pille und Rauchen sich nicht vertragen“. Damit ist der Klägerin nicht hinreichend verdeutlicht wor-
den, welch schwerwiegende Folgen eintreten konnten, wenn sie das Medikament einnahm und gleichzeitig rauchte. 3. Die Revision rügt allerdings zu Recht, daß das Berufungsgericht eine hypothetische Einwilligung der Klägerin in die Verordnung des Medikaments angenommen hat.
a) Insoweit ist das Berufungsgericht zwar im Ansatz von der Rechtsprechung des erkennenden Senats ausgegangen, wonach sich die Behandlungsseite - allerdings nur unter strengen Voraussetzungen - darauf berufen kann, daß der Patient auch bei Erteilung der erforderlichen Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte. Das Berufungsgericht hat auch die Klägerin, wie das zur Beurteilung eines etwaigen Entscheidungskonflikts grundsätzlich erforderlich ist, persönlich angehört.
b) Gleichwohl halten seine Ausführungen zur hypothetischen Einwilligung der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gebunden ist (§ 559 Abs. 2 ZPO). Revisionsrechtlich ist indes zu überprüfen , ob der Tatrichter sich mit dem Prozeßstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsurteil vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 425/02 - NJW-RR 2004, 425 f. m.w.N.). Hier liegt ein Widerspruch und Verstoß gegen Denkgesetze in der Argumentation des Berufungsgerichts vor. Dieses nimmt an, die Klägerin hätte sich auch bei umfassender und ausführlicher Aufklärung für eine Einwilligung in die Behandlung entschieden und nicht von der Medikation abgesehen. Zu-
gleich führt es jedoch aus, die Klägerin habe sich nicht in einem echten Entscheidungskonflikt befunden, weil sie nach ihren Bekundungen in der mündlichen Verhandlung sofort mit dem Rauchen aufgehört hätte, sofern sie richtig aufgeklärt worden wäre. Dabei übersieht das Berufungsgericht jedoch, daß in diesem Fall der Schaden nicht eingetreten wäre, weil der Schlaganfall nach den tatsächlichen Feststellungen gerade durch die Wechselwirkung zwischen Medikament und Nikotin verursacht worden ist. Hätte die Klägerin bei ordnungsgemäßer Aufklärung "sofort mit dem Rauchen aufgehört", wäre demgemäß der gesundheitliche Schaden nicht eingetreten. Eine Unterlassung der Aufklärung wäre daher für den Schaden kausal geworden. Hat sich das Berufungsgericht jedoch aufgrund der Anhörung der Klägerin die Überzeugung gebildet, daß sie bei erfolgter Aufklärung mit dem Rauchen aufgehört hätte, so kann sich die Frage einer hypothetischen Einwilligung in eine Medikation unter Fortsetzung des Rauchens nicht stellen, weil das Berufungsgericht der Klägerin ersichtlich geglaubt hat, daß sie im Fall der Aufklärung mit dem Rauchen aufgehört und damit das in der Wechselwirkung zwischen Medikament und Nikotin liegende Risiko vermieden hätte.

III.


Das Berufungsgericht hat nicht abschließend festgestellt, ob die Beklagte die Klägerin über die Risiken und Nebenwirkungen des Medikaments wirksam aufgeklärt hat. Deswegen und zur Feststellung der Höhe eines etwaigen Schadensersatzanspruchs ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen die entsprechenden Feststellungen nachholen kann.
Müller Greiner Wellner Pauge Stöhr

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2005 - VI ZR 289/03

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2005 - VI ZR 289/03

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2005 - VI ZR 289/03 zitiert 3 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 559 Beschränkte Nachprüfung tatsächlicher Feststellungen


(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2005 - VI ZR 289/03 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2005 - VI ZR 289/03 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Sept. 2004 - VI ZR 186/03

bei uns veröffentlicht am 14.09.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 186/03 Verkündet am: 14. September 2004 Böhringer-Mangold, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 14. Okt. 2003 - VI ZR 425/02

bei uns veröffentlicht am 14.10.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 425/02 Verkündet am: 14. Oktober 2003 Böhringer-Mangold, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein
3 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2005 - VI ZR 289/03.

Bundesgerichtshof Urteil, 29. Jan. 2019 - VI ZR 495/16

bei uns veröffentlicht am 29.01.2019

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 495/16 Verkündet am: 29. Januar 2019 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 27. März 2007 - VI ZR 55/05

bei uns veröffentlicht am 27.03.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 55/05 Verkündet am: 27. März 2007 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 11. Apr. 2017 - VI ZR 576/15

bei uns veröffentlicht am 11.04.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 576/15 Verkündet am: 11. April 2017 Holmes Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 301, § 304; BGB §

Referenzen

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 186/03 Verkündet am:
14. September 2004
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bestehen bei einer Zwillingsschwangerschaft für Mutter oder Kind im Falle eines Zuwartens
erhebliche Risiken, so ist über die Alternative einer primären Schnittentbindung
aufzuklären.
BGH, Urteil vom 14. September 2004 - VI ZR 186/03 - OLG Bamberg
LG Würzburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. September 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller,
die Richter Dr. Greiner und Wellner, die Richterin Diederichsen und den
Richter Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin werden das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 26. Mai 2003 aufgehoben und das Urteil des Landgerichts Würzburg vom 5. Oktober 2000 abgeändert. Der Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Schmerzensgeldes ist gegen den Beklagten zu 2) dem Grunde nach gerechtfertigt. Es wird festgestellt, daß die Beklagten zu 1) und 2) gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin allen materiellen Schaden zu ersetzen, der ihr im Zusammenhang mit ihrer Geburt entstanden ist und entstehen wird, soweit Ersatzansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind. In diesem Umfang werden die Berufungen der Beklagten zurückgewiesen. Die Sache wird zur Entscheidung über die Höhe des Schmerzensgeldes an das Berufungsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden hat.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Mutter der Klägerin wurde am 14. Juni 1991 wegen grenzwertiger Hypertonie und der Risiken bei EPH-Gestose und einer Zwillingsschwangerschaft stationär in die Universitäts - Frauenklinik, deren Träger der Beklagte zu 2) ist, aufgenommen. Sie schloß mit dem Beklagten zu 1) einen Behandlungsvertrag als Privatpatientin. Der errechnete Entbindungstermin war der 8. Juli 1991. Die Mutter der Klägerin war bei einem Gespräch am 24. Juni 1991 (38. Schwangerschaftswoche) mit einem "zunächst expektativen Vorgehen" einverstanden. Am 3. Juli 1991 wurde sie nach mehreren CTG-Ableitungen um 19.45 Uhr in den Kreißsaal gebracht. Ab 21.00 Uhr zeigte sich bei einer Ultraschalluntersuchung kaum Fruchtwasser, die Herzfrequenz des einen (rechten) Zwillings war nicht darstellbar. Um 21.30 Uhr entschloß sich der geburtsleitende Arzt zur Schnittentbindung. Die Klägerin wurde als erster Zwilling aus der Beckenendlage um 21.58 Uhr lebend, der zweite (rechte) ebenfalls weibliche Zwilling um 21.59 Uhr tot mit Leichenflecken geboren. Bei der Klägerin besteht infolge der erlittenen Asphyxie und Anämie eine schwere zerebrale Bewegungsstörung, sie ist fast blind und leidet an einer schlecht behandelbaren Epilepsie und einer globalen mentalen Entwicklungsverzögerung. Sie erlitt ein Hirnödem mit Hirnsubstanzverlust und ist
infolge ihrer Mehrfachbehinderung schwer pflegebedürftig. Als Todesursache für den tot geborenen zweiten Zwilling wurde ein intrauteriner Fruchttod bei Asphyxie festgestellt mit Verdacht auf feto-fetale Transfusion. Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 2) auf Zahlung von Schmerzensgeld und beide Beklagte auf Feststellung ihrer materiellen Schadensersatzpflicht in Anspruch. Das Landgericht hat den Beklagten zu 2) verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld von 300.000 DM zu zahlen; ferner hat es die gesamtschuldnerische Ersatzpflicht der Beklagten für allen materiellen Schaden festgestellt, der der Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Geburt entstanden ist und entstehen wird, soweit Ersatzansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind. Hiergegen haben die Beklagten Berufung und die Klägerin Anschlußberufung wegen einer Erhöhung des Schmerzensgeldes eingelegt. Das Oberlandesgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht führt in dem angefochtenen Urteil aus: Die den Beklagten vorgeworfenen Fehler seien weitgehend nicht bewiesen ; soweit ein Fehler vorliegen könnte, lasse sich jedenfalls seine Ursächlichkeit für den Gesundheitsschaden der Klägerin nicht feststellen. Eine Beweislastumkehr unter dem Gesichtspunkt eines groben Behandlungsfehlers komme nicht in Betracht. Soweit der Privatgutachter Prof. Dr. Re. eine
Schwangerschaftsbeendigung durch eine primäre Schnittentbindung in der 38. Schwangerschaftswoche unter Hinweis auf die drohende Plazentainsuffizienz gefordert habe, könne eine solche nach den Ausführungen des Gerichtssachverständigen bis zum Nachmittag/Abend des 3. Juli 1991 ausgeschlossen werden. Zudem könne das Unterlassen einer primären Schnittentbindung bei Zwillingsgravidität in der 38. Schwangerschaftswoche und führendem ersten Zwilling in Beckenendlage nicht eo ipso als Behandlungsfehler gewertet werden. Bei dem Vorwurf der unterlassenen Aufklärung der Mutter der Klägerin über die Vor- und Nachteile einer Schnittentbindung bzw. eines abwartenden Verhaltens nach Aufnahme in die stationäre Behandlung handele es sich nicht um eine Einwilligungsaufklärung, sondern um eine „Selbstbestimmungsaufklärung (therapeutische Aufklärung)“. Diese sei Teil der Behandlung ; ein Verstoß gegen sie stelle deshalb einen Behandlungsfehler, nicht aber eine Aufklärungspflichtverletzung dar. Einen solchen Verstoß habe die Klägerin nicht bewiesen. Insoweit stünden sich die Angaben des Zeugen Prof. Dr. R. und der Mutter der Klägerin als Partei gegenüber, ohne daß der Senat die Richtigkeit der einen oder anderen Version bejahen könne.

II.

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand. 1. Ersichtlich geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Mutter der Klägerin spätestens bei dem Gespräch am 24. Juni 1991 über die Vorund Nachteile einer primären Schnittentbindung bzw. eines abwartenden Verhaltens hätte aufgeklärt werden müssen. Dieser rechtliche Ansatz wird
von den Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Er entspricht auch der Rechtsprechung des erkennenden Senats. Hiernach ist eine Unterrichtung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit erforderlich, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten (vgl. Senatsurteile BGHZ 102, 17, 22; 144, 1, 10; vom 21. November 1995 - VI ZR 329/94 - VersR 1996, 233). Gemäß diesem allgemeinen Grundsatz braucht der geburtsleitende Arzt zwar in einer normalen Entbindungssituation, bei der die Möglichkeit einer Schnittentbindung medizinisch nicht indiziert und deshalb keine echte Alternative zur vaginalen Geburt ist, ohne besondere Veranlassung die Möglichkeit einer Schnittentbindung nicht zur Sprache bringen. Anders liegt es aber, wenn für den Fall, daß die Geburt vaginal erfolgt, für das Kind ernstzunehmende Gefahren drohen, daher im Interesse des Kindes gewichtige Gründe für eine Schnittentbindung sprechen und diese unter Berücksichtigung auch der Konstitution und der Befindlichkeit der Mutter in der konkreten Situation eine medizinisch verantwortbare Alternative darstellt (vgl. Senatsurteile BGHZ 106, 153, 157; vom 16. Februar 1993 - VI ZR 300/91 - VersR 1993, 703, 704; vom 19. Januar 1993 - VI ZR 60/92 - VersR 1993, 835, 836). Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Risiken für die Mutter oder das Kind entstehen, weil die Mutter die natürliche Sachwalterin der Belange auch des Kindes ist (vgl. Senatsurteil BGHZ 106, 153, 157 f.). Hierzu verweist die Revision auf die Ausführungen des Gerichtssachverständigen , wonach eine primäre Schnittentbindung als echte Alternative in Betracht gekommen ist. Zudem ergibt sich aus dem Berufungsurteil, daß
der Gerichtssachverständige in einer solchen Situation eine primäre Schnittentbindung als den zu bevorzugenden Modus angesehen hat. Das Unterlassen einer Schnittentbindung bei Zwillingsgravidität in der 38. Schwangerschaftswoche und führendem ersten Zwilling in Beckenendlage hat das Berufungsgericht nur deswegen nicht "eo ipso" als Behandlungsfehler gewertet , weil damit nicht gegen eindeutig festgelegte Behandlungskriterien verstoßen worden sei. Unter diesen Umständen ist gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, daß eine Aufklärung über die Behandlungsalternative erfolgen mußte, aus revisionsrechtlicher Sicht nichts einzuwenden. 2. Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist auch nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht keine Überzeugung gewinnen konnte, ob eine Aufklärung erfolgt ist. Dessen auf einer sorgfältigen Abwägung der Aussagen des Zeugen Prof. Dr. R. und der Mutter der Klägerin beruhende Beweiswürdigung läßt keine revisionsrechtlich relevanten Fehler erkennen. Zwar dürfen an den Beweis der ordnungsgemäßen Aufklärung keine übertriebenen und unbilligen Anforderungen gestellt werden. Solche lassen sich aber nicht daraus ableiten, daß das Berufungsgericht nicht der Aussage des Zeugen Prof. Dr. R. den Vorzug gegenüber der detaillierten Darstellung der Mutter der Klägerin gegeben hat, zumal dieser nur pauschal erklärt hat, es sei Usus gewesen, die Patientinnen entsprechend dem Inhalt der mündlichen Erläuterung des Sachverständigen zu informieren. Unter diesen Umständen läßt die Wertung des Tatsachengerichts im konkreten Fall Rechtsfehler nicht erkennen. 3. Mit Recht rügt jedoch die Revision, daß das Berufungsgericht hinsichtlich der Frage, ob die gebotene Aufklärung erfolgte, die Beweislast verkannt hat.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts handelt es sich nicht um einen Fall der sog. Sicherheits- oder therapeutischen Aufklärung, also der ärztlichen Beratung über ein therapierichtiges Verhalten zur Sicherstellung des Behandlungserfolgs und zur Vermeidung möglicher Selbstgefährdungen des Patienten. In diesem Bereich wären ärztliche Versäumnisse allerdings als Behandlungsfehler anzusehen, so daß sie den von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Regeln folgen und die Klägerin - wie vom Berufungsgericht angenommen - beweisen müßte, daß die gebotene Aufklärung unterblieben ist oder unzureichend war (vgl. dazu Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht , 4. Aufl. 2001, Rdn. B 95 ff.; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht , 9. Aufl. 2002, Rdn. 325, 574 ff.). Bei der im Streitfall maßgebenden Frage einer Aufklärung über eine primäre Schnittentbindung als Behandlungsalternative zu der durchgeführten zunächst abwartenden Behandlung handelt es sich jedoch um einen Fall der sog. Eingriffs- oder Risikoaufklärung , die der Unterrichtung des Patienten über das Risiko des beabsichtigten ärztlichen Vorgehens dient, damit dieser sein Selbstbestimmungsrecht ausüben kann. Die Beweislast für die Erfüllung dieser Aufklärungspflicht liegt beim Arzt (vgl. Senatsurteile vom 22. Mai 2001 - VI ZR 268/00 - VersR 2002, 120, 121; vom 29. September 1998 - VI ZR 268/97 - VersR 1999, 190, 191; vom 12. November 1991 - VI ZR 369/90 - VersR 1992, 237, 238; vom 8. Januar 1985 - VI ZR 15/83 - VersR 1985, 361, 362; vom 21. September 1982 - VI ZR 302/80 - VersR 1982, 1193, 1194). 4. Auf dieser Verkennung der Beweislast beruht das angefochtene Urteil. Das Berufungsgericht konnte sich aufgrund der Beweisaufnahme keine Überzeugung bilden, ob die Angaben des Zeugen Prof. Dr. R. oder die der Mutter der Klägerin hinsichtlich einer erfolgten Aufklärung über die Vorund Nachteile einer Schnittentbindung bzw. eines abwartenden Verhaltens zutreffen. Das ergibt sich entgegen der Auffassung der Revisionsbeklagten
eindeutig aus der abschließenden Beweiswürdigung in den Gründen des angefochtenen Urteils. Als Folge dieses "non liquet" ist nach den oben dargelegten Grundsätzen davon auszugehen, daß die erforderliche Aufklärung über die Behandlungsalternative nicht erfolgt ist. Soweit die Beklagten einwenden, eine Verletzung der Aufklärungspflicht sei für die Schädigung der Klägerin nicht kausal geworden, kann dem nicht gefolgt werden, ohne daß es hierzu noch tatsächlicher Feststellungen bedarf. Die Beklagten gehen selbst davon aus, daß die Schädigung der Klägerin erst am 3. Juli 1991 erfolgt sei. Das steht in Einklang mit den Ausführungen des Gerichtssachverständigen. Danach ist der rechte Zwilling nämlich erst in den späten Nachmittagsstunden des 3. Juli 1991 verstorben, wobei die Klägerin höchstwahrscheinlich erst nach dem Tod des rechten Zwillings geschädigt worden sei. Hierzu verweist die Revision auf die Aussage des Sachverständigen, man könne mit Sicherheit sagen, daß eine Schnittentbindung noch am 3. Juli 1991 gegen etwa 16.00 Uhr "das schwere Leid von den Kindern genommen hätte". Zu diesem Zeitpunkt hätte jedoch die erforderliche Aufklärung längst erfolgt sein müssen. Erfolglos machen die Beklagten geltend, daß die Aufklärung erst am 3. Juli 1991 geboten gewesen sei. Wie eingangs dargelegt, nimmt das Berufungsgericht an, daß die Aufklärung bereits am 24. Juni 1991 erfolgen mußte , bevor die Entscheidung für ein "zunächst expektatives Vorgehen" getroffen wurde. Das erweist sich unter den Umständen des Streitfalls als zutreffend und entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats. Hiernach muß die Aufklärung so rechtzeitig erfolgen, daß der Patient, hier die Mutter der Klägerin, durch hinreichende Abwägung der für und gegen die Behandlungsalternativen sprechenden Gründe seine Entscheidungsfreiheit und damit sein Selbstbestimmungsrecht in angemessener
Weise wahren kann (vgl. Senatsurteile vom 23. März 2003 - VI ZR 131/02 - VersR 2003, 1441, 1443; vom 17. März 1998 - VI ZR 74/97 - VersR 1998, 766, 767; vom 4. April 1995 - VI ZR 95/94 - VersR 1995, 1055, 1056 f.; vom 14. Juni 1994 - VI ZR 178/93 - VersR 1994, 1235, 1236; vom 7. April 1992 - VI ZR 192/91 - VersR 1992, 960 f.). 5. Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen kommt es auf die weiteren Rügen der Revision und insbesondere auf das Vorliegen eines ursächlichen Behandlungsfehlers nicht mehr an. Schon wegen des oben dargestellten Aufklärungsfehlers haftet nämlich der Beklagte zu 2) hinsichtlich des geltend gemachten Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach und haften beide Beklagten hinsichtlich des Feststellungsanspruchs als Gesamtschuldner für den Schaden der Klägerin.

III.

Bei dieser Sachlage kann der erkennende Senat über den Grund des Schmerzensgeldanspruchs und über den Feststellungsantrag entscheiden. Eine abschließende Entscheidung über die Höhe des Schmerzensgeldes kommt hingegen nicht in Betracht, weil das Berufungsgericht – aus seiner
Sicht folgerichtig – keine Feststellungen zur Höhe und insbesondere zur Anschlußberufung der Klägerin getroffen hat. Insoweit ist die Sache daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Müller Greiner Wellner Diederichsen Stöhr

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 425/02 Verkündet am:
14. Oktober 2003
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Der Tatrichter verstößt gegen § 286 Abs. 1 ZPO, wenn er den ihm unterbreiteten
Sachverhalt verfahrensfehlerhaft nicht ausschöpft und die Beweise nicht umfassend
würdigt.
BGH, Urteil vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 425/02 - OLG München
LG München I
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 14. Oktober 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 24. Januar 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger fordert von dem Beklagten, einem Bankdirektor, Schadensersatz wegen des Vorwurfs täuschender Angaben bei der Bewilligung einer Bürgschaft und einer Grundschuld für an den Zeugen H. und dessen Ehefrau gewährte Kredite. Die Bank des Beklagten gewährte im März 1991 dem Ehepaar H. zwei Barkredite über 100.000 DM und 40.000 DM, die bereits per 24. April 1991 mit fast 70.000 DM überzogen waren. Sie forderte die Eheleute deshalb an diesem Tag auf, die Überziehung bis spätestens 6. Mai 1991 zurückzuführen.
Am 15. Mai 1991 übernahm der Kläger für die Verbindlichkeiten eine Höchstbetragsbürgschaft über 200.000 DM und gab für eine bereits am 8. August 1990 bestellte Grundschuld in Höhe von 200.000 DM an seinem Hausgrundstück die Zweckbestimmungserklärung ab, daß die Grundschuld Forderungen der Bank gegen das Ehepaar H. sichern solle. Zu diesem Zeitpunkt wies der Bankkredit einen Sollsaldo von rund 227.000 DM auf. Am 23. Mai 1991 räumte die Bank dem Ehepaar H. einen Ratenkredit in Höhe von 200.000 DM ein, der teilweise zur Umschuldung des Barkredits verwandt wurde, so daß im Endergebnis die weitere Krediteinräumung 100.000 DM betrug. Da das Ehepaar die Kredite nicht bediente, wurden diese am 6. August 1992 mit einem Sollsaldo von insgesamt 433.931,88 DM gekündigt. Der Kläger wurde von der Bank aus der Bürgschaft in Anspruch genommen ; sein Hausgrundstück wurde zwangsweise verwertet. Der Kläger macht den erlittenen Schaden gegen den Beklagten geltend, weil er bei der Gewährung der Kreditsicherungen von dem Zeugen H. und dem Beklagten getäuscht worden sei. Der Beklagte habe die Rückführung des ungesicherten Kredits gefährdet gesehen. Daher habe er mit dem Zeugen H. vereinbart , im Rahmen seines neuen Kreditwunsches einen Sicherungsgeber beizubringen , dem er vorspiegeln sollte, daß es um einen Erstkredit gehe, bei dessen Absicherung es sich nur um eine Formsache handle. Dies habe der Beklagte bei der der Sicherungsstellung vorausgehenden Besprechung bestätigt. Nachdem das LG die Klage abgewiesen hatte, hat das Berufungsgericht den Beklagten zur Zahlung von 290.506,14 DM abzüglich 10.800 DM verurteilt. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Beklagte nach § 823 Abs. 2 BGB, §§ 263, 26 StGB zum Schadensersatz verpflichtet. Es ist auf Grund der Aussage des Zeugen H. davon überzeugt, der Beklagte habe diesen wegen des überzogenen und ungesicherten Kredits angesprochen und an R. verwiesen mit dem Hinweis, daß dieser jemanden – nämlich den Kläger - kenne , der ihm früher mit einer Grundschuld ausgeholfen habe. Er habe dem H. auch gesagt, dieser dürfe dem Sicherungsgeber nicht sagen, daß es sich um einen bereits laufenden Kredit handele, der schon überzogen sei, vielmehr solle er erklären, es handle sich um einen neuen Kredit, um geschäftlich expandieren zu können. Damit habe er den Kläger durch falsche Angaben und Verschweigen des wahren Sachverhalts zur Stellung von Sicherheiten bewegt. Dies habe letztlich zum Verlust von dessen Hausgrundstück geführt.

II.

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. 1. Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht nach § 561 ZPO a.F., § 559 ZPO gebunden ist. Revisionsrechtlich ist indessen zu überprüfen, ob der Tatrichter sich mit dem Prozeßstoff und den Beweiser-
gebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96 - VersR 1997, 362, 364; BGH, Urteile vom 9. Juli 1999 - V ZR 12/98 - NJW 1999, 3481, 3482 und vom 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91 - NJW 1993, 935, 937). 2. Die Revision macht mit Recht geltend, daß das Berufungsgericht unter Verstoß gegen § 286 Abs. 1 ZPO den ihm unterbreiteten Sachverhalt verfahrensfehlerhaft nicht ausgeschöpft und die Beweise nicht umfassend gewürdigt habe.
a) Eine tragende Erwägung der angegriffenen Entscheidung ist die Annahme , der Beklagte habe den Zeugen H. wegen des überzogenen und ungesicherten Kredits angesprochen und an R. verwiesen, dem der Kläger früher mit einer Grundschuld ausgeholfen hatte. Die „Beibringung“ des Klägers als Sicherungsgeber für den Zeugen H. habe auf dem „Beklagtentip R." beruht. Diese Würdigung stützt das Berufungsgericht entscheidend auf die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen H. und dessen Glaubwürdigkeit. Insoweit beanstandet die Revision zu Recht, daß sich das Berufungsgericht nicht mit dem Vorgang auseinandergesetzt hat, den der Zeuge G. bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung geschildert hat und den das Berufungsgericht lediglich im Tatbestand seines Urteils erwähnt, noch mit weiteren, sich im Zusammenhang mit dieser Aussage aus der beigezogenen Strafakte ergebenden objektiven Umständen, deren Berücksichtigung möglicherweise zu einem für den Beklagten günstigen Ergebnis geführt hätte. Mit Recht macht die Revision geltend, daß sich hieraus Zweifel an der Darstellung des Zeugen H. und des Klägers ergeben könnten. Sie verweist dar-
auf, daß der Kläger am 10. April 1991, also deutlich vor dem Schreiben der Bank vom 24. April 1991, durch das die Gespräche zwischen dem Beklagten und dem Zeugen H. in Gang gesetzt wurden, die Eintragung einer Grundschuld über 120.000 DM für den Zeugen G. bewilligt habe, die dann allerdings nicht zum Tragen gekommen sei. Ausweislich des Protokolls seiner erstinstanzlichen Vernehmung habe der Zeuge G. dazu ausgesagt, er habe im Zusammenhang mit einer Kreditvergabe an den Zeugen H. auf einer dinglichen Sicherheit bestanden. Dieser habe ihm dann eine nachrangige Grundschuld des Klägers gebracht. Die Sache habe sich aber dadurch erledigt, daß der Kredit nicht ausgereicht worden sei. Diese Aussage werde dadurch gestützt, daß ausweislich des vom Beklagten vorgelegten Grundbuchauszugs des Amtsgerichts R. tatsächlich am 10. April 1991 auf dem Grundstück des Klägers eine Grundschuld für den Zeugen G. bewilligt worden sei. Zudem habe der Beklagte vorgetragen, der Zeuge H. habe die Rechte und Ansprüche aus einer am 10. April 1991 abgeschlossenen Lebensversicherung über 100.000 DM an den Kläger abgetreten. Die Revision weist insoweit darauf hin, daß sich aus dem amtsgerichtlichen Strafurteil gegen den Zeugen H. und aus dem in der beigezogenen Strafakte befindlichen Lebensversicherungsantrag ergebe, daß der Zeuge H. am 10. April 1991 einen solchen Lebensversicherungsvertrag beantragt habe und der Kläger im Ablebensfall als Begünstigter eingesetzt worden sei.
b) Die vorstehend erörterten Gesichtspunkte sind geeignet, die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts in Frage zu stellen. Es ist nicht ausgeschlossen , daß das Berufungsgericht bei Berücksichtigung dieses Sachvortrags die Glaubwürdigkeit des Zeugen H. und des Klägers sowie die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben für den Beklagten günstiger gewürdigt hätte. Zu Recht weist die Revision darauf hin, daß sowohl der Zeuge H. als auch der Kläger schriftsätzlich
und bei ihren Aussagen vor dem Berufungsgericht die Sache so dargestellt ha- ben, daß sie sich erst nach dem Tip des Beklagten und zeitlich erst im Mai 1991 kennengelernt hätten. Daran haben sie in Kenntnis der abweichenden Darstellung des Beklagten und auch auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht festgehalten. Ihre Behauptung wird jedoch durch die Aussage des Zeugen G. und durch die im Zusammenhang mit dem "Vorgang G." vorliegenden Unterlagen in Frage gestellt. 3. Deshalb kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Bei der neuerlichen Beweiswürdigung wird das Berufungsgericht auch die unterschiedliche Darstellung der Parteien zum Zeitpunkt der Bekanntschaft zwischen dem Kläger und dem Zeugen H. zu würdigen haben, soweit sich hieraus Schlüsse auf die Überzeugungskraft und Glaubhaftigkeit der Aussagen ergeben. Es wird auch Gelegenheit haben, das weitere Vorbringen der Revision zu berücksichtigen. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll