vorgehend
Amtsgericht Charlottenburg, 73 C 105/09, 18.09.2009
Landgericht Berlin, 85 S 109/09 WEG, 21.09.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 3/11 Verkündet am:
16. September 2011
Lesniak
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Dr. Lemke und Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der Zivilkammer 85 des Landgerichts Berlin vom 21. September 2010 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien sind die Mitglieder einer Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft. In der Teilungserklärung ist die Größe des Miteigentumsanteils bei den Teileigentümern niedriger angesetzt worden als bei den Wohnungseigentümern mit vergleichbar großen Wohnungen. Während bei den Wohnungen rechnerisch auf 1/10.000stel Miteigentumsanteil 3,37 qm entfallen, beträgt dieser bei den meisten Räumen der Teileigentumseinheiten rund 34,2 qm. Für die Verteilung der Nutzungen, Lasten und Kosten sieht die in der Teilungserklärung enthaltene Gemeinschaftsordnung keine vom Gesetz abweichende Regelung vor.
2
Auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 13. Mai 2009 fassten die Wohnungseigentümer zu Tagesordnungspunkt 10 den Beschluss, dass die Kosten für die Müllabfuhr (für die hieran Beteiligten), Straßenreinigung, Schneebeseitigungsmittel, Hausreinigung, Gartenpflege, Versicherungen, Schädlingsbekämpfung, Niederschlagswasser sowie die Wartungskosten für die Notstrom- und Brandsicherung in Zukunft nicht mehr nach Miteigentumsanteilen , sondern nach der Fläche der jeweiligen Sondereigentumseinheiten abgerechnet werden. Hinsichtlich der Kosten für Aufzug, Hausbeleuchtung, Waschanlage, Haustelefon und Hauswart verblieb es bei einer Verteilung nach Miteigentumsanteilen und hinsichtlich der Heiz- und Wasserkosten bei einer Verteilung nach Verbrauch.
3
Der Kläger ist Eigentümer von zwei Teileigentumseinheiten, die er als Abstellräume nutzt. Seine gegen den Beschluss der Wohnungseigentümer erhobene Anfechtungsklage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision möchte er erreichen, dass der angefochtene Beschluss für ungültig erklärt wird. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


4
Nach Auffassung des Berufungsgerichts entspricht die geänderte Regelung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Zwar sei fraglich, ob für die Veränderung ein sachlicher Grund vorliegt. Dies sei aber nicht Voraussetzung für eine zulässige Änderung. Es finde lediglich eine Missbrauchskontrolle statt. Der neue Verteilungsschlüssel betreffe durchweg solche Kostenpositio- http://www.juris.de/jportal/portal/t/bc5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001750951BJNE002801310&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 4 - nen, die nach Art und Anfall keinen direkten Bezug zur Intensität der Nutzung des Sondereigentums aufwiesen. Der Kläger werde durch die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels auch nicht erheblich mehr belastet. Zwar vervielfältige sich der Kostenbeitrag des Klägers hinsichtlich der von der geänderten Kostenverteilung erfassten Positionen für den kleinen Raum um den Faktor 6 und für den großen Raum um den Faktor 6,5. Die absolute Mehrbelastung des Klägers betrage aber monatlich nur etwa 5 € bzw. 15 €, was im Rahmen dessen liege, womit ein Eigentümer jederzeit schon wegen der allgemeinen Kostensteigerungen rechnen müsse. Angesichts der relativ geringfügigen absoluten Mehrbelastung des Klägers sei nicht ersichtlich, dass sich die Mehrheit in missbräuchlicher Weise auf Kosten der Minderheit entlasten wolle.
5
Wegen der Frage, ob die Änderung des Verteilungsschlüssels gemäß § 16 Abs. 3 WEG eines sachlichen Grundes bedarf, hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.

II.


6
Das hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die Änderung des Umlageschlüssels zu Recht nicht beanstandet.
7
1. § 16 Abs. 3 WEG eröffnet den Wohnungseigentümern bei den in der Vorschrift näher bezeichneten Betriebs- und Verwaltungskosten die Möglichkeit , den bestehenden Umlageschlüssel durch Mehrheitsbeschluss zu ändern, soweit dies ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Von dieser Kompetenz haben die Wohnungseigentümer Gebrauch gemacht. http://www.juris.de/jportal/portal/t/bc5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=DRS-BT-16_887&doc.part=D&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/bc5/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=4&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001750951BJNE002801310&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 5 -
8
2. Die von dem Berufungsgericht aufgeworfene Frage, ob eine Änderung des Verteilungsschlüssels gemäß § 16 Abs. 3 WEG eines sachlichen Grundes bedarf oder ob lediglich eine Missbrauchskontrolle stattfindet, hat der Senat mit Urteil vom 1. April 2011 (V ZR 162/10, NJW 2011, 2202) geklärt. Den Wohnungseigentümern ist bei Änderungen des Umlageschlüssels nach § 16 Abs. 3 WEG aufgrund ihres Selbstorganisationsrechts ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Sie dürfen jeden Maßstab wählen, der den Interessen der Gemeinschaft und der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen ist und insbesondere nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung Einzelner führt (BT-Drucks. 16/887 S. 23). Zwar ist den Materialien zu entnehmen, dass eine Änderung des Umlageschlüssels darüber hinaus an das Vorliegen eines sachlichen Grundes geknüpft sein soll (BT-Drucks. aaO). Unter der Geltung des nunmehrigen § 16 Abs. 3 WEG bedeutet dies jedoch nur, dass sowohl das „Ob“ als auch das „Wie“ der Änderung nicht willkürlich sein dürfen (Senat, Urteil vom 1. April 2011 – V ZR 162/10, NJW 2011, 2202, 2203).
9
3. Gemessen daran ist die Umstellung des mangels anderweitiger Vereinbarung geltenden gesetzlichen Umlageschlüssels nach § 16 Abs. 2 WEG, der eine Verteilung der Kosten nach Miteigentumsanteilen vorsieht, für die hier in Rede stehenden Betriebskosten auf einen flächenabhängigen Verteilungsmaßstab nicht zu beanstanden.
10
a) Zwar ist die Mehrbelastung des Klägers nicht unerheblich. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts führt der neue Kostenverteilungsschlüssel dazu, dass sich der Kostenbeitrag des Klägers hinsichtlich der von der Änderung erfassten Positionen um etwa das Sechsfache bzw. das Sechseinhalbfache gegenüber dem ursprünglichen Kostenbeitrag erhöht. Zu berücksichtigen ist aber, dass die nach dem ursprünglichen Verteilungsmaßstab geringere Kos- tenbelastung des Klägers auf einem Verteilungsschlüssel beruht, der einzelne Miteigentümer gegenüber den übrigen Miteigentümern unbillig privilegiert, während der neue Verteilungsschlüssel zu einer höheren Kostengerechtigkeit führt.
11
(1) Der hier bisher geltende gesetzliche Kostenverteilungsschlüssel des § 16 Abs. 2 WEG hängt in seinen Auswirkungen davon ab, nach welchen Kriterien die Größe der Miteigentumsanteile bestimmt worden ist (BayObLG, NJWRR 1992, 342, 343). Wie das Verhältnis zwischen Sondereigentum und Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum festgelegt wird und welche Gesichtspunkte dabei berücksichtigt werden, hat das Gesetz der freien Bestimmung durch die Wohnungseigentümer überlassen (Senat, Urteil vom 18. Juni 1976 – V ZR 156/75, NJW 1976, 1976). Bei einer nicht sachgerechten Festlegung der Miteigentumsanteile kann dies aber zu unbilligen Ergebnissen führen (BayOblG, NJW-RR 1992, 342, 343; WuM 1997, 61, 62).
12
(2) Die in der Teilungserklärung erfolgte deutlich geringere Bewertung der Teileigentumseinheiten im Verhältnis zu den Wohnungen hat zur Folge, dass ein Teileigentümer von den Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums - mit Ausnahme der verbrauchsabhängig abgerechneten Heiz- und Wasserkosten - nur 1/10 dessen zu tragen hat, was ein Wohnungseigentümer für eine Wohnung mit einer vergleichbaren Flächengröße zahlt. Darin liegt jedenfalls für die hier in Rede stehenden Betriebskosten eine unausgewogene Kostenverteilung , die der neue Abrechnungsschlüssel beseitigt. Auf die Frage, ob der Kläger seine beiden Teileigentumseinheiten nur als Abstellraum nutzen darf, woran nach der Teilungserklärung, die eine teilgewerbliche Nutzung erlaubt, Zweifel bestehen, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Kosten für Straßen- und Hausreinigung, Schneebeseitigung, Gartenpflege, Niederschlagswasser , Müllbeseitigung (für die hieran Beteiligten), Versicherungen, Schädlingsbekämpfung sowie Wartungskosten für die Notstrom- und Brandsicherung fallen unabhängig von der Art und Intensität der Nutzung der Sondereigentumseinheiten an. Die Beteiligung der Teileigentümer an diesen Kosten nur mit einem geringen Bruchteil wird dem Nutzen, den auch sie von den Aufwendungen haben, nicht gerecht. Demgegenüber führt der neue Verteilungsschlüssel , der an die Wohn-/Nutzfläche der jeweiligen Sondereigentumseinheit anknüpft, zu einer höheren Abrechnungsgerechtigkeit.
13
b) Entgegen der Auffassung der Revision folgt eine einseitige und rechtsmissbräuchliche Benachteiligung der Teileigentumseigentümer nicht daraus , dass nach dem geänderten Kostenverteilungsschlüssel die Betriebs- und Verwaltungskosten teilweise nach der Fläche der Eigentumseinheiten umgelegt werden, während sich der Anteil an den Nutzungen des gemeinschaftlichen Eigentums unverändert nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile bestimmt. Der Umstand allein, dass die Nutzungen, Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums nicht nach einem einheitlichen Maßstab verteilt sind, rechtfertigt nicht die Annahme einer unangemessenen Benachteiligung des Klägers. Der Maßstab zur Verteilung der Nutzungen muss - wie die Beschlusskompetenz aus § 16 Abs. 3 und 4 WEG zur abweichenden Kostenverteilung zeigt - nicht zwingend mit dem Verteilungsmaßstab der Lasten und Kosten übereinstimmen (Becker in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 16 Rn. 14 f.). Besondere Umstände , warum hier durch die Veränderung des Verteilungsschlüssels für bestimmte Betriebs- und Verwaltungskosten unter Beibehaltung des Verteilungsmaßstabes für die Nutzungen eine - wie der Kläger meint - „Schieflage“ entstanden ist, zeigt die Revision nicht auf. Solche Umstände sind auch nicht ersichtlich , zumal der beanstandete Kostenverteilungsschlüssel nicht die gesamten Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums betrifft, insbesonde- re nicht die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung, sondern nur auf einen Teil der Gemeinschaftskosten Anwendung findet.

III.


14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger RiBGH Dr. Lemke ist infolge Schmidt-Räntsch Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Karlsruhe, den 20. September 2011 Der Vorsitzende Krüger Brückner Weinland

Vorinstanzen:
AG Charlottenburg, Entscheidung vom 18.09.2009 - 73 C 105/09 -
LG Berlin, Entscheidung vom 21.09.2010 - 85 S 109/09 WEG -

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Bundesgerichtshof Urteil, 16. Sept. 2011 - V ZR 3/11 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Wohnungseigentumsgesetz - WoEigG | § 16 Nutzungen und Kosten


(1) Jedem Wohnungseigentümer gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte des gemeinschaftlichen Eigentums und des Gemeinschaftsvermögens. Der Anteil bestimmt sich nach dem gemäß § 47 der Grundbuchordnung im Grundbuch eingetragenen

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Bundesgerichtshof Urteil, 01. Apr. 2011 - V ZR 162/10

bei uns veröffentlicht am 01.04.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 162/10 Verkündet am: 1. April 2011 Weschenfelder Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja WEG § 16 Abs.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 16. Sept. 2011 - V ZR 3/11.

Bundesgerichtshof Urteil, 10. Juli 2015 - V ZR 198/14

bei uns veröffentlicht am 10.07.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 198/14 Verkündet am: 10. Juli 2015 Langendörfer-Kunz Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 543

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(1) Jedem Wohnungseigentümer gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte des gemeinschaftlichen Eigentums und des Gemeinschaftsvermögens. Der Anteil bestimmt sich nach dem gemäß § 47 der Grundbuchordnung im Grundbuch eingetragenen Verhältnis der Miteigentumsanteile. Jeder Wohnungseigentümer ist zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe des § 14 berechtigt.

(2) Die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums, hat jeder Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis seines Anteils (Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Die Wohnungseigentümer können für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von Satz 1 oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen.

(3) Für die Kosten und Nutzungen bei baulichen Veränderungen gilt § 21.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 162/10
Verkündet am:
1. April 2011
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei der Änderung eines Umlageschlüssels nach § 16 Abs. 3 WEG steht den
Wohnungseigentümern ein weiter Gestaltungsspielraum zu.
BGH, Urteil vom 1. April 2011 - V ZR 162/10 - LG Koblenz
AG Koblenz
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. April 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 13. Juli 2010 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Abweisung der Klage hinsichtlich der Beschlüsse der Wohnungseigentümer vom 30. Juni 2009 zu TOP 3, 4 und 5 bestätigt hat, soweit darin die Verwalterin für das Jahr 2008 entlastet, für die sog. „Zuführung Rücklage Tiefgarage“ eine Umlage nach Einheiten beschlossen und dieser Verteilungsschlüssel in der Jahresabrechnung 2008 und in dem Wirtschaftsplan 2010 umgesetzt worden ist. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Koblenz vom 24. November 2009 im Umfang der Aufhebung geändert. Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Wohnungseigentümer vom 30. Juni 2009 zu TOP 3 nichtig ist, soweit der geänderte Umlageschlüssel die sog. „Zuführung Rücklage Tiefgarage“ betrifft. Für ungültig erklärt wird der genannte Beschluss, soweit darin die Verwalterin für das Jahr 2008 entlastet worden ist. Die Beschlüsse zu TOP 4 und 5 werden für ungültig erklärt, soweit darin der nichtige Umlageschlüssel umgesetzt worden ist. Im Übrigen bleiben die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 88 % und die Beklagten zu 12 %.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien sind die Mitglieder der im Rubrum näher bezeichneten Wohnungseigentümergemeinschaft. Nach der Teilungserklärung (TE) vom 28. November 1961 sind die Betriebskosten im Verhältnis der Wohnflächen auf die Wohnungseigentümer umzulegen (§ 13 Nr. 2 b TE). Die „für das gemeinschaftliche Eigentum“ zu entrichtende Instandhaltungsrücklage richtet sich ebenfalls nach der Wohnfläche (§ 13 Nr. 2 c TE). Der von der Teilungserklärung vorgegebene Verteilungsschlüssel kann von der Wohnungseigentümerversammlung mit ¾-Mehrheit geändert werden (§ 13 Nr. 4 TE).
2
In der Eigentümerversammlung vom 30. Juni 2009 wurde zu dem Tagesordnungspunkt (TOP) 3 mit Wirkung ab dem Geschäftsjahr 2008 die Umlage bestimmter Betriebskosten sowie der „Zuführung Rücklage Tiefgarage“ nach Einheiten beschlossen. Auf der Grundlage des geänderten Verteilungsschlüssels wurde sodann „unter Entlastung der Verwaltung“ die Jahresabrechnung 2008 gebilligt (TOP 4) und der Wirtschaftsplan für das Jahr 2010 beschlossen (TOP 5). Die gegen diese Beschlüsse erhobene Anfechtungsklage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision möchten die Kläger erreichen, dass die angefochtenen Beschlüsse für ungültig erklärt werden. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels sei trotz der damit einhergehenden Rückwirkung ebenso wenig zu beanstanden wie die darauf aufbauende Jahresabrechnung 2008 und der Wirtschaftsplan 2010. Dass für das Wirtschaftsjahr 2008 kein wirksamer Wirt- schaftsplan existiere, sei unschädlich. Zwar genüge die Jahresabrechnung nicht den von dem Bundesgerichtshof in dem Urteil vom 4. Dezember 2009 (V ZR 44/09, NJW 2010, 2127, 2128 ff.) gestellten Anforderungen, weil Zuführungen zu den Rücklagen in dem Abschnitt „Ausgaben“ dargestellt seien. Es sei jedoch unstreitig, dass den so verbuchten Rücklagen tatsächliche Zahlungen gegenübergestanden hätten, die in der Rubrik „Entwicklung der Rücklagen“ als Zugang enthalten seien; mangels Wirtschaftsplans für das Jahr 2008 hätten auch keine Rückstände bestanden. Zum anderen sei unter dem Blickwinkel des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen, dass die angegriffene Jahresabrechnung vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs erstellt worden sei und Jahresabrechnungen im Übrigen „standardmäßig“ mit Computerprogrammen gefertigt würden, die die höchstrichterlichen Vorgaben noch nicht hätten berücksichtigen können. Soweit die Kläger geltend machten, in der Jahresabrechnung seien Kosten für Maßnahmen enthalten, die die Verwaltung zu Unrecht veranlasst habe, sei dies unerheblich, weil dies allenfalls dazu führe, dass die erteilte Entlastung der Verwalterin angreifbar sei. Insoweit sei indessen zum einen zu berücksichtigen, dass die Verwaltung nach dem Verwaltervertrag Kleinreparaturen ohne weiteres habe veranlassen dürfen. Zum anderen hätten die Kläger nicht bewiesen, dass die Verwaltung unbefugt Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten in Auftrag gegeben habe. Schließlich seien die Beschlüsse über die Jahresabrechnung 2008 und den Wirtschaftsplan 2010 auch nicht mit Blick auf die unverändert gebliebene Höhe der Instandhaltungsrücklage zu beanstanden. Die Wohnungseigentümer hätten bei deren Festlegung einen weiten Ermessensspielraum. Eine Überschreitung dieses Spielraumes hätten die Kläger schon nicht schlüssig dargelegt.

II.

4
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
5
1. Das gilt zunächst für die zu TOP 3 beschlossene Änderung des Umlageschlüssels.
6
a) Die Änderung des die Kostenarten „Schornsteinfeger/Emissionsmessung , Reinigung der Tiefgarage und Gehwege, Betriebskosten Tiefgarage, Kabelfernsehen und Verwaltungskosten“ betreffenden Umlageschlüssels hat das Berufungsgericht zu Recht nicht beanstandet.
7
aa) § 16 Abs. 3 WEG eröffnet den Wohnungseigentümern bei den in der Vorschrift näher bezeichneten Betriebs- und Verwaltungskosten die Möglichkeit, auch einen im Wege der Vereinbarung festgelegten Umlageschlüssel durch Mehrheitsbeschluss zu ändern (Senat, Urteil vom 9. Juli 2010 - V ZR 202/09, NJW 2010, 2654; Urteil vom 16. Juli 2010 - V ZR 221/09, NJW 2010, 3298). Von dieser Kompetenz haben die Wohnungseigentümer Gebrauch gemacht.
8
bb) Bei der Frage, ob die Neuregelung den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht, ist zu berücksichtigen, dass den Wohnungseigentümern bei Änderungen des Umlageschlüssels nach § 16 Abs. 3 WEG aufgrund ihres Selbstorganisationsrechts ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt ist (Senat, Urteil vom 16. Juli 2010 - V ZR 221/09, NJW 2010, 3298, 3299). Der neue Umlageschlüssel muss lediglich den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Verwaltung genügen. Die Wohnungseigentümer dürfen danach jeden Maßstab wählen, der den Interessen der Gemeinschaft und der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen ist und insbesondere nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung Einzelner führt (BT-Drucks. 16/887 S. 23). Dabei dürfen an die Auswahl eines angemessenen Kostenverteilungsschlüssels nicht zu strenge Anforderungen gestellt werden, weil sich jede Änderung des Verteilungsmaßstabes zwangsläufig auf die Kostenlast des einen oder des anderen Wohnungseigentümers auswirkt (Senat, aaO, mwN). Zwar ist den Materialien zu entnehmen, dass eine Änderung des Umlageschlüssels darüber hinaus an das Vorliegen eines sachlichen Grundes geknüpft sein soll (BT-Drucks. aaO); auch der Bundesgerichtshof hat zum früheren Recht die Änderung eines Umlageschlüssels aufgrund einer vereinbarten Öffnungsklausel davon abhängig gemacht , dass sachliche Gründe vorliegen (BGH, Beschluss vom 27. Juni 1985 - VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137, 143). Unter der Geltung des nunmehrigen § 16 Abs. 3 WEG bedeutet dies jedoch nur, dass sowohl das „Ob“ als auch das „Wie“ der Änderung nicht willkürlich sein dürfen (vgl. BT-Drucks., aaO; LG Nürnberg-Fürth, NJW-RR 2009, 884 f.; Riecke/Schmid/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 16 Rn. 83; Hügel in Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 5 Rn. 23; vgl. auch Senat, Urteil vom 16. Juli 2010 - V ZR 221/09, NJW 2010, 3298, 3299; aA Jennißen in Jennißen, aaO, § 16 Rn. 39; Schmid, ZMR 2010, 259; jeweils mwN.). Anderenfalls würde die durch § 16 Abs. 3 WEG erst ermöglichte Entscheidungsfreiheit ohne Not wieder eingeschränkt. Das aber will das Gesetz - was auch die Regelung des § 16 Abs. 5 WEG nahe legt - gerade verhindern (vgl. auch Riecke/Schmid/Elzer, aaO, mwN.). Dann aber ist es lediglich eine Frage der dogmatischen Konstruktion, ob man das Willkürverbot als eigenständige Änderungsvoraussetzung formuliert oder - was der Senat für vorzugswürdig erachtet - als ein Kriterium auffasst, bei dessen Vorliegen eine ordnungsgemäße Verwaltung zu verneinen ist.
9
Der hier zugrunde gelegten Rechtsauffassung steht nicht entgegen, dass die Abänderung eines bestehenden Schlüssels nur unter eingeschränkten Voraussetzungen verlangt werden kann (dazu Senat, Beschluss vom 16. September 1994 - V ZB 2/93, BGHZ 127, 99, 106; zur Abänderung des Schlüssels im Einzelfall nach § 16 Abs. 4 WEG vgl. auch Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 114/09, NZM 2010, 205, 208). Denn in solchen Fällen geht es um die Formulierung von Kriterien, unter denen eine Neuregelung von einem Wohnungseigentümer erzwungen werden kann, während es in Konstellationen der vorliegenden Art um die Voraussetzungen geht, unter denen die Wohnungseigentümer aufgrund eines freien Willensentschlusses von ihrem Selbstorganisationsrecht Gebrauch machen können, dies aber nicht müssen.
10
(1) Gemessen daran, ist die Umstellung des Verteilungsschlüssels für die hier in Rede stehenden Betriebskosten von der Wohnfläche auf Wohneinheiten zunächst insoweit unbedenklich, als der angefochtene Beschluss Wirkung für die Zukunft entfaltet. Insoweit halten sich die Wohnungseigentümer innerhalb des ihnen durch die Regelung des § 16 Abs. 3 WEG eingeräumten Gestaltungsspielraums.
11
(2) Mit Blick auf die für das Geschäftsjahr 2008 angeordnete Rückwirkung gilt es zu berücksichtigen, dass rückwirkende Änderungen des Umlageschlüssels nicht ohne weiteres den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen. Rückwirkungen, die zu einer nachträglichen Neubewertung eines bereits abgeschlossenen Sachverhalts führen, sind grundsätzlich unzulässig. Sie können nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände hingenommen werden, etwa wenn der bisherige Schlüssel unbrauchbar oder in hohem Maße unpraktikabel ist oder dessen Anwendung zu grob unbilligen Ergebnissen führt (Senat, Urteil vom 9. Juli 2010 - V ZR 202/09, NJW 2010, 2654 f.). Geht es dagegen - wie vorliegend - um einen noch nicht abgeschlossenen Vorgang , ist eine Rückwirkung - so spezialgesetzliche Regelungen (wie etwa § 6 Abs. 4 HeizkostenVO) fehlen - hinzunehmen, wenn sich bei typisierender Betrachtung noch kein schutzwürdiges Vertrauen herausgebildet hat (Senat, Urteil vom 9. Juli 2010, aaO). So liegt es hier.
12
Der Senat hat bereits entschieden, dass allein der Umstand, dass Vorschüsse auf der Grundlage des bislang geltenden Verteilungsschlüssels erhoben worden sind, kein schutzwürdiges Vertrauen begründen kann (Urteil vom 9. Juli 2010, aaO, S. 2655). Zwar kommt vorliegend hinzu, dass das Abrechnungsjahr 2008 im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Änderung des Abrechnungsschlüssels bereits abgelaufen war. Andererseits besteht hier die Besonderheit , dass der für das Jahr 2008 erstellte Wirtschaftsplan, aufgrund dessen die Wohnungseigentümer die berechtigte Erwartung hätten haben können, der bisherige Verteilungsschlüssel werde jedenfalls nach Ablauf des Abrechnungsjahres nicht mehr geändert, für ungültig erklärt worden ist. Ohne gültigen Wirtschaftsplan bleibt die anteilmäßige Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur Lasten- und Kostentragung (§ 28 Abs. 1 Nr. 2 WEG) in der Schwebe; über sie wird erst mit der Abstimmung über die Jahresabrechnung entschieden. In solchen Konstellationen müssen die Wohnungseigentümer jedenfalls seit der Erweiterung der Beschlusskompetenz nach § 16 Abs. 3 WEG in Rechnung stellen , dass der Umlageschlüssel vor oder - wie hier - anlässlich der Entscheidung über die Jahresabrechnung durch eigenständigen Beschluss (zu diesem Erfordernis Senat, Urteil vom 9. Juli 2010, aaO) geändert wird.
13
b) Keinen Bestand haben kann die Abänderung des Umlageschlüssels jedoch , soweit es um die sog. „Zuführung Rücklage Tiefgarage“ geht, weil die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels zur Ansammlung einer solchen Rücklage nicht lediglich einen Einzelfall im Sinne von § 16 Abs. 4 WEG betrifft. Der angefochtene Beschluss regelt nicht nur eine einzelne Maßnahme und erschöpft sich nicht in deren Vollzug. Instandhaltungsrückstellungen werden nicht für eine einzige Maßnahme, sondern für den zukünftigen - noch nicht konkret vorhersehbaren - Instandhaltungs- und Instandsetzungsbedarf gebildet. Dass es sich hier anders verhält, ist nicht ersichtlich. Eine schon nach dem Inhalt des Beschlusses über den Einzelfall hinausreichende Änderung des Schlüssels ist nicht von der Beschlusskompetenz nach § 16 Abs. 4 WEG gedeckt und daher nichtig (Senat, Urteil vom 9. Juli 2010 - V ZR 202/09, NJW 2010, 2654, 2655 mwN). Dass die Kläger beantragt haben, den Beschluss für ungültig zu erklären , hindert nicht die Feststellung der Nichtigkeit (Senat, Urteil vom 2. Oktober 2009 - V ZR 235/08, BGHZ 182, 307, 314 ff.).
14
Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt aus der Öffnungsklausel nach § 13 Nr. 4 TE, wonach der Verteilungsschlüssel von der Wohnungseigentümerversammlung mit ¾-Mehrheit geändert werden kann, nichts anderes. Die in Rede stehende Rücklage wird unter anderem für den Instandhaltungs- und Instandsetzungsbedarf und damit auch für bauliche Maßnahmen gebildet, die typischerweise mit erheblichen finanziellen Folgen einhergehen. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Tragweite ist die Klausel daher nächstliegend dahin auszulegen, dass die Abänderung eine ¾-Mehrheit aller und nicht nur der in der Versammlung anwesenden Wohnungseigentümer erfordert (zu § 16 Abs. 4 WEG vgl. auch Becker in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 16 Rn. 127 f.). Dieses Quorum ist hier schon deshalb nicht erreicht, weil in der Wohnungseigentümerversammlung vom 30. Juni 2009 nur 43 der insgesamt 66 Wohnungseigentümer anwesend oder vertreten waren.
15
2. Soweit die Billigung der Jahresabrechnung 2008 auf einem unzutreffenden Abrechnungsschlüssel hinsichtlich der Rücklage für die Tiefgarage beruht, kann auch der Beschluss zu TOP 4 keinen Bestand haben; die im Übrigen gegen diesen Beschluss erhobenen Rügen greifen nicht durch.
16
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass in die Jahresgesamtabrechnung auch solche Ausgaben einzustellen sind, die der Verwalter unberechtigterweise aus Mitteln der Gemeinschaft getätigt hat. Das gilt umso mehr, als durch die Beschlussfassung über die Jahresabrechnungen die Rechtsstellung der Gemeinschaft im Hinblick auf (Regress-)Ansprüche gegen den Verwalter nicht beeinträchtigt wird (Senat, Urteil vom 4. März 2011 - V ZR 156/10, zur Veröffentlichung bestimmt; vgl. auch BGH, Urteil vom 6. März 1997 - III ZR 248/95, ZfIR 1997, 284, 287; jeweils mwN).
17
b) Bedenken begegnet dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, Vertrauensschutzgesichtspunkte hinderten es, die auf der Grundlage des Senatsurteils vom 4. Dezember 2009 (V ZR 44/09, NJW 2010, 2127, 2128 ff.) unzutreffende Abrechnung zu beanstanden. Wie die Revision zutreffend herausgearbeitet hat, war die Frage der sachgerechten Einstellung der Rücklagen in die Jahresabrechnung bereits früher umstritten. Vor allem aber liegt es auf der Hand, dass es aus der Sicht eines verständigen - durchschnittlichen - Wohnungseigentümers jedenfalls grob irreführend ist, wenn Zahlungen auf Rücklagen als Ausgaben dargestellt werden. Vor diesem Hintergrund hat der Senat auch in der genannten Entscheidung keine Vertrauensschutzgesichtspunkte für durchgreifend erachtet. Dass die unzutreffende Darstellung vorliegend auf den Einsatz von Software zurückzuführen ist, die den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Abrechnung nicht genügt, rechtfertigt keine abweichende rechtliche Beurteilung. Es ist Sache des Verwalters, der Wohnungseigentümerversammlung eine zutreffende Abrechnung vorzulegen. Unrichtige EDV-Ausdrucke sind von ihm zu korrigieren.
18
Die Aufrechterhaltung des Beschlusses zu TOP 4 durch das Berufungsgericht ist jedoch deshalb im Ergebnis zutreffend, weil die Kläger insoweit die materiellrechtliche Ausschlussfrist (dazu Senat, Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 74/08, BGHZ 179, 230, 233 f.; vgl. auch Urteil vom 2. Oktober 2009 - V ZR 235/08, BGHZ 182, 307, 310 f.) nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 WEG nicht gewahrt haben. Da es sich bei der falschen Verbuchung um einen rechnerisch selbständigen und abgrenzbaren Teil der Abrechnung handelt (Senat, Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 1/06, BGHZ 171, 335, 339; Urteil vom 4. Dezember 2009 - V ZR 44/09, NJW 2010, 2127), wären die Kläger - da ein Nachschieben von Anfechtungsgründen nach Fristablauf ausgeschlossen ist - gehalten gewesen, den Umstand der unzutreffenden Zuordnung der eingezahlten Rücklagen zumindest in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern schriftsätzlich vorzutragen. Daran fehlt es hier. Wie der Senat bereits entschieden hat, reicht es vor dem Hintergrund des Zwecks der Klagebegründungsfrist nicht aus, dass sich ein Anfechtungsgrund aus einer Anlage ergibt (ausführlich dazu Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 74/08, aaO, S. 237 f.)
19
c) Einer Entlastung der Verwalterin für das Jahr 2008 steht jedenfalls entgegen , dass die Abrechnung mit Blick auf die sog. „Zuführung Rücklage Tiefgarage“ auf der Grundlage eines nichtigen Verteilungsschlüssels umgelegt worden ist. Der Verpflichtung zur Vorlage einer ordnungsgemäßen Abrechnung ist die Verwalterin noch nicht nachgekommen.
20
3. Der zu TOP 5 beschlossene Wirtschaftsplan 2010 ist ebenfalls für ungültig zu erklären, soweit er auf dem nichtigen Umlageschlüssel beruht. Dagegen ist die Festsetzung der Höhe im Übrigen auch insoweit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

III.


21
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Schmidt-Räntsch Roth
Brückner Weinland

Vorinstanzen:
AG Koblenz, Entscheidung vom 24.11.2009 - 133 C 2101/09 WEG -
LG Koblenz, Entscheidung vom 13.07.2010 - 2 S 79/09 -

(1) Jedem Wohnungseigentümer gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte des gemeinschaftlichen Eigentums und des Gemeinschaftsvermögens. Der Anteil bestimmt sich nach dem gemäß § 47 der Grundbuchordnung im Grundbuch eingetragenen Verhältnis der Miteigentumsanteile. Jeder Wohnungseigentümer ist zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe des § 14 berechtigt.

(2) Die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums, hat jeder Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis seines Anteils (Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Die Wohnungseigentümer können für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von Satz 1 oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen.

(3) Für die Kosten und Nutzungen bei baulichen Veränderungen gilt § 21.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 162/10
Verkündet am:
1. April 2011
Weschenfelder
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei der Änderung eines Umlageschlüssels nach § 16 Abs. 3 WEG steht den
Wohnungseigentümern ein weiter Gestaltungsspielraum zu.
BGH, Urteil vom 1. April 2011 - V ZR 162/10 - LG Koblenz
AG Koblenz
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. April 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Prof. Dr. Schmidt-Räntsch
und Dr. Roth und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 13. Juli 2010 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Abweisung der Klage hinsichtlich der Beschlüsse der Wohnungseigentümer vom 30. Juni 2009 zu TOP 3, 4 und 5 bestätigt hat, soweit darin die Verwalterin für das Jahr 2008 entlastet, für die sog. „Zuführung Rücklage Tiefgarage“ eine Umlage nach Einheiten beschlossen und dieser Verteilungsschlüssel in der Jahresabrechnung 2008 und in dem Wirtschaftsplan 2010 umgesetzt worden ist. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Koblenz vom 24. November 2009 im Umfang der Aufhebung geändert. Es wird festgestellt, dass der Beschluss der Wohnungseigentümer vom 30. Juni 2009 zu TOP 3 nichtig ist, soweit der geänderte Umlageschlüssel die sog. „Zuführung Rücklage Tiefgarage“ betrifft. Für ungültig erklärt wird der genannte Beschluss, soweit darin die Verwalterin für das Jahr 2008 entlastet worden ist. Die Beschlüsse zu TOP 4 und 5 werden für ungültig erklärt, soweit darin der nichtige Umlageschlüssel umgesetzt worden ist. Im Übrigen bleiben die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 88 % und die Beklagten zu 12 %.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien sind die Mitglieder der im Rubrum näher bezeichneten Wohnungseigentümergemeinschaft. Nach der Teilungserklärung (TE) vom 28. November 1961 sind die Betriebskosten im Verhältnis der Wohnflächen auf die Wohnungseigentümer umzulegen (§ 13 Nr. 2 b TE). Die „für das gemeinschaftliche Eigentum“ zu entrichtende Instandhaltungsrücklage richtet sich ebenfalls nach der Wohnfläche (§ 13 Nr. 2 c TE). Der von der Teilungserklärung vorgegebene Verteilungsschlüssel kann von der Wohnungseigentümerversammlung mit ¾-Mehrheit geändert werden (§ 13 Nr. 4 TE).
2
In der Eigentümerversammlung vom 30. Juni 2009 wurde zu dem Tagesordnungspunkt (TOP) 3 mit Wirkung ab dem Geschäftsjahr 2008 die Umlage bestimmter Betriebskosten sowie der „Zuführung Rücklage Tiefgarage“ nach Einheiten beschlossen. Auf der Grundlage des geänderten Verteilungsschlüssels wurde sodann „unter Entlastung der Verwaltung“ die Jahresabrechnung 2008 gebilligt (TOP 4) und der Wirtschaftsplan für das Jahr 2010 beschlossen (TOP 5). Die gegen diese Beschlüsse erhobene Anfechtungsklage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision möchten die Kläger erreichen, dass die angefochtenen Beschlüsse für ungültig erklärt werden. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels sei trotz der damit einhergehenden Rückwirkung ebenso wenig zu beanstanden wie die darauf aufbauende Jahresabrechnung 2008 und der Wirtschaftsplan 2010. Dass für das Wirtschaftsjahr 2008 kein wirksamer Wirt- schaftsplan existiere, sei unschädlich. Zwar genüge die Jahresabrechnung nicht den von dem Bundesgerichtshof in dem Urteil vom 4. Dezember 2009 (V ZR 44/09, NJW 2010, 2127, 2128 ff.) gestellten Anforderungen, weil Zuführungen zu den Rücklagen in dem Abschnitt „Ausgaben“ dargestellt seien. Es sei jedoch unstreitig, dass den so verbuchten Rücklagen tatsächliche Zahlungen gegenübergestanden hätten, die in der Rubrik „Entwicklung der Rücklagen“ als Zugang enthalten seien; mangels Wirtschaftsplans für das Jahr 2008 hätten auch keine Rückstände bestanden. Zum anderen sei unter dem Blickwinkel des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen, dass die angegriffene Jahresabrechnung vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs erstellt worden sei und Jahresabrechnungen im Übrigen „standardmäßig“ mit Computerprogrammen gefertigt würden, die die höchstrichterlichen Vorgaben noch nicht hätten berücksichtigen können. Soweit die Kläger geltend machten, in der Jahresabrechnung seien Kosten für Maßnahmen enthalten, die die Verwaltung zu Unrecht veranlasst habe, sei dies unerheblich, weil dies allenfalls dazu führe, dass die erteilte Entlastung der Verwalterin angreifbar sei. Insoweit sei indessen zum einen zu berücksichtigen, dass die Verwaltung nach dem Verwaltervertrag Kleinreparaturen ohne weiteres habe veranlassen dürfen. Zum anderen hätten die Kläger nicht bewiesen, dass die Verwaltung unbefugt Instandhaltungs- oder Instandsetzungsarbeiten in Auftrag gegeben habe. Schließlich seien die Beschlüsse über die Jahresabrechnung 2008 und den Wirtschaftsplan 2010 auch nicht mit Blick auf die unverändert gebliebene Höhe der Instandhaltungsrücklage zu beanstanden. Die Wohnungseigentümer hätten bei deren Festlegung einen weiten Ermessensspielraum. Eine Überschreitung dieses Spielraumes hätten die Kläger schon nicht schlüssig dargelegt.

II.

4
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in jeder Hinsicht stand.
5
1. Das gilt zunächst für die zu TOP 3 beschlossene Änderung des Umlageschlüssels.
6
a) Die Änderung des die Kostenarten „Schornsteinfeger/Emissionsmessung , Reinigung der Tiefgarage und Gehwege, Betriebskosten Tiefgarage, Kabelfernsehen und Verwaltungskosten“ betreffenden Umlageschlüssels hat das Berufungsgericht zu Recht nicht beanstandet.
7
aa) § 16 Abs. 3 WEG eröffnet den Wohnungseigentümern bei den in der Vorschrift näher bezeichneten Betriebs- und Verwaltungskosten die Möglichkeit, auch einen im Wege der Vereinbarung festgelegten Umlageschlüssel durch Mehrheitsbeschluss zu ändern (Senat, Urteil vom 9. Juli 2010 - V ZR 202/09, NJW 2010, 2654; Urteil vom 16. Juli 2010 - V ZR 221/09, NJW 2010, 3298). Von dieser Kompetenz haben die Wohnungseigentümer Gebrauch gemacht.
8
bb) Bei der Frage, ob die Neuregelung den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht, ist zu berücksichtigen, dass den Wohnungseigentümern bei Änderungen des Umlageschlüssels nach § 16 Abs. 3 WEG aufgrund ihres Selbstorganisationsrechts ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt ist (Senat, Urteil vom 16. Juli 2010 - V ZR 221/09, NJW 2010, 3298, 3299). Der neue Umlageschlüssel muss lediglich den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Verwaltung genügen. Die Wohnungseigentümer dürfen danach jeden Maßstab wählen, der den Interessen der Gemeinschaft und der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen ist und insbesondere nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung Einzelner führt (BT-Drucks. 16/887 S. 23). Dabei dürfen an die Auswahl eines angemessenen Kostenverteilungsschlüssels nicht zu strenge Anforderungen gestellt werden, weil sich jede Änderung des Verteilungsmaßstabes zwangsläufig auf die Kostenlast des einen oder des anderen Wohnungseigentümers auswirkt (Senat, aaO, mwN). Zwar ist den Materialien zu entnehmen, dass eine Änderung des Umlageschlüssels darüber hinaus an das Vorliegen eines sachlichen Grundes geknüpft sein soll (BT-Drucks. aaO); auch der Bundesgerichtshof hat zum früheren Recht die Änderung eines Umlageschlüssels aufgrund einer vereinbarten Öffnungsklausel davon abhängig gemacht , dass sachliche Gründe vorliegen (BGH, Beschluss vom 27. Juni 1985 - VII ZB 21/84, BGHZ 95, 137, 143). Unter der Geltung des nunmehrigen § 16 Abs. 3 WEG bedeutet dies jedoch nur, dass sowohl das „Ob“ als auch das „Wie“ der Änderung nicht willkürlich sein dürfen (vgl. BT-Drucks., aaO; LG Nürnberg-Fürth, NJW-RR 2009, 884 f.; Riecke/Schmid/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 16 Rn. 83; Hügel in Hügel/Elzer, Das neue WEG-Recht, § 5 Rn. 23; vgl. auch Senat, Urteil vom 16. Juli 2010 - V ZR 221/09, NJW 2010, 3298, 3299; aA Jennißen in Jennißen, aaO, § 16 Rn. 39; Schmid, ZMR 2010, 259; jeweils mwN.). Anderenfalls würde die durch § 16 Abs. 3 WEG erst ermöglichte Entscheidungsfreiheit ohne Not wieder eingeschränkt. Das aber will das Gesetz - was auch die Regelung des § 16 Abs. 5 WEG nahe legt - gerade verhindern (vgl. auch Riecke/Schmid/Elzer, aaO, mwN.). Dann aber ist es lediglich eine Frage der dogmatischen Konstruktion, ob man das Willkürverbot als eigenständige Änderungsvoraussetzung formuliert oder - was der Senat für vorzugswürdig erachtet - als ein Kriterium auffasst, bei dessen Vorliegen eine ordnungsgemäße Verwaltung zu verneinen ist.
9
Der hier zugrunde gelegten Rechtsauffassung steht nicht entgegen, dass die Abänderung eines bestehenden Schlüssels nur unter eingeschränkten Voraussetzungen verlangt werden kann (dazu Senat, Beschluss vom 16. September 1994 - V ZB 2/93, BGHZ 127, 99, 106; zur Abänderung des Schlüssels im Einzelfall nach § 16 Abs. 4 WEG vgl. auch Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 114/09, NZM 2010, 205, 208). Denn in solchen Fällen geht es um die Formulierung von Kriterien, unter denen eine Neuregelung von einem Wohnungseigentümer erzwungen werden kann, während es in Konstellationen der vorliegenden Art um die Voraussetzungen geht, unter denen die Wohnungseigentümer aufgrund eines freien Willensentschlusses von ihrem Selbstorganisationsrecht Gebrauch machen können, dies aber nicht müssen.
10
(1) Gemessen daran, ist die Umstellung des Verteilungsschlüssels für die hier in Rede stehenden Betriebskosten von der Wohnfläche auf Wohneinheiten zunächst insoweit unbedenklich, als der angefochtene Beschluss Wirkung für die Zukunft entfaltet. Insoweit halten sich die Wohnungseigentümer innerhalb des ihnen durch die Regelung des § 16 Abs. 3 WEG eingeräumten Gestaltungsspielraums.
11
(2) Mit Blick auf die für das Geschäftsjahr 2008 angeordnete Rückwirkung gilt es zu berücksichtigen, dass rückwirkende Änderungen des Umlageschlüssels nicht ohne weiteres den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung entsprechen. Rückwirkungen, die zu einer nachträglichen Neubewertung eines bereits abgeschlossenen Sachverhalts führen, sind grundsätzlich unzulässig. Sie können nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände hingenommen werden, etwa wenn der bisherige Schlüssel unbrauchbar oder in hohem Maße unpraktikabel ist oder dessen Anwendung zu grob unbilligen Ergebnissen führt (Senat, Urteil vom 9. Juli 2010 - V ZR 202/09, NJW 2010, 2654 f.). Geht es dagegen - wie vorliegend - um einen noch nicht abgeschlossenen Vorgang , ist eine Rückwirkung - so spezialgesetzliche Regelungen (wie etwa § 6 Abs. 4 HeizkostenVO) fehlen - hinzunehmen, wenn sich bei typisierender Betrachtung noch kein schutzwürdiges Vertrauen herausgebildet hat (Senat, Urteil vom 9. Juli 2010, aaO). So liegt es hier.
12
Der Senat hat bereits entschieden, dass allein der Umstand, dass Vorschüsse auf der Grundlage des bislang geltenden Verteilungsschlüssels erhoben worden sind, kein schutzwürdiges Vertrauen begründen kann (Urteil vom 9. Juli 2010, aaO, S. 2655). Zwar kommt vorliegend hinzu, dass das Abrechnungsjahr 2008 im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Änderung des Abrechnungsschlüssels bereits abgelaufen war. Andererseits besteht hier die Besonderheit , dass der für das Jahr 2008 erstellte Wirtschaftsplan, aufgrund dessen die Wohnungseigentümer die berechtigte Erwartung hätten haben können, der bisherige Verteilungsschlüssel werde jedenfalls nach Ablauf des Abrechnungsjahres nicht mehr geändert, für ungültig erklärt worden ist. Ohne gültigen Wirtschaftsplan bleibt die anteilmäßige Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur Lasten- und Kostentragung (§ 28 Abs. 1 Nr. 2 WEG) in der Schwebe; über sie wird erst mit der Abstimmung über die Jahresabrechnung entschieden. In solchen Konstellationen müssen die Wohnungseigentümer jedenfalls seit der Erweiterung der Beschlusskompetenz nach § 16 Abs. 3 WEG in Rechnung stellen , dass der Umlageschlüssel vor oder - wie hier - anlässlich der Entscheidung über die Jahresabrechnung durch eigenständigen Beschluss (zu diesem Erfordernis Senat, Urteil vom 9. Juli 2010, aaO) geändert wird.
13
b) Keinen Bestand haben kann die Abänderung des Umlageschlüssels jedoch , soweit es um die sog. „Zuführung Rücklage Tiefgarage“ geht, weil die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels zur Ansammlung einer solchen Rücklage nicht lediglich einen Einzelfall im Sinne von § 16 Abs. 4 WEG betrifft. Der angefochtene Beschluss regelt nicht nur eine einzelne Maßnahme und erschöpft sich nicht in deren Vollzug. Instandhaltungsrückstellungen werden nicht für eine einzige Maßnahme, sondern für den zukünftigen - noch nicht konkret vorhersehbaren - Instandhaltungs- und Instandsetzungsbedarf gebildet. Dass es sich hier anders verhält, ist nicht ersichtlich. Eine schon nach dem Inhalt des Beschlusses über den Einzelfall hinausreichende Änderung des Schlüssels ist nicht von der Beschlusskompetenz nach § 16 Abs. 4 WEG gedeckt und daher nichtig (Senat, Urteil vom 9. Juli 2010 - V ZR 202/09, NJW 2010, 2654, 2655 mwN). Dass die Kläger beantragt haben, den Beschluss für ungültig zu erklären , hindert nicht die Feststellung der Nichtigkeit (Senat, Urteil vom 2. Oktober 2009 - V ZR 235/08, BGHZ 182, 307, 314 ff.).
14
Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt aus der Öffnungsklausel nach § 13 Nr. 4 TE, wonach der Verteilungsschlüssel von der Wohnungseigentümerversammlung mit ¾-Mehrheit geändert werden kann, nichts anderes. Die in Rede stehende Rücklage wird unter anderem für den Instandhaltungs- und Instandsetzungsbedarf und damit auch für bauliche Maßnahmen gebildet, die typischerweise mit erheblichen finanziellen Folgen einhergehen. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Tragweite ist die Klausel daher nächstliegend dahin auszulegen, dass die Abänderung eine ¾-Mehrheit aller und nicht nur der in der Versammlung anwesenden Wohnungseigentümer erfordert (zu § 16 Abs. 4 WEG vgl. auch Becker in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 16 Rn. 127 f.). Dieses Quorum ist hier schon deshalb nicht erreicht, weil in der Wohnungseigentümerversammlung vom 30. Juni 2009 nur 43 der insgesamt 66 Wohnungseigentümer anwesend oder vertreten waren.
15
2. Soweit die Billigung der Jahresabrechnung 2008 auf einem unzutreffenden Abrechnungsschlüssel hinsichtlich der Rücklage für die Tiefgarage beruht, kann auch der Beschluss zu TOP 4 keinen Bestand haben; die im Übrigen gegen diesen Beschluss erhobenen Rügen greifen nicht durch.
16
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass in die Jahresgesamtabrechnung auch solche Ausgaben einzustellen sind, die der Verwalter unberechtigterweise aus Mitteln der Gemeinschaft getätigt hat. Das gilt umso mehr, als durch die Beschlussfassung über die Jahresabrechnungen die Rechtsstellung der Gemeinschaft im Hinblick auf (Regress-)Ansprüche gegen den Verwalter nicht beeinträchtigt wird (Senat, Urteil vom 4. März 2011 - V ZR 156/10, zur Veröffentlichung bestimmt; vgl. auch BGH, Urteil vom 6. März 1997 - III ZR 248/95, ZfIR 1997, 284, 287; jeweils mwN).
17
b) Bedenken begegnet dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, Vertrauensschutzgesichtspunkte hinderten es, die auf der Grundlage des Senatsurteils vom 4. Dezember 2009 (V ZR 44/09, NJW 2010, 2127, 2128 ff.) unzutreffende Abrechnung zu beanstanden. Wie die Revision zutreffend herausgearbeitet hat, war die Frage der sachgerechten Einstellung der Rücklagen in die Jahresabrechnung bereits früher umstritten. Vor allem aber liegt es auf der Hand, dass es aus der Sicht eines verständigen - durchschnittlichen - Wohnungseigentümers jedenfalls grob irreführend ist, wenn Zahlungen auf Rücklagen als Ausgaben dargestellt werden. Vor diesem Hintergrund hat der Senat auch in der genannten Entscheidung keine Vertrauensschutzgesichtspunkte für durchgreifend erachtet. Dass die unzutreffende Darstellung vorliegend auf den Einsatz von Software zurückzuführen ist, die den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Abrechnung nicht genügt, rechtfertigt keine abweichende rechtliche Beurteilung. Es ist Sache des Verwalters, der Wohnungseigentümerversammlung eine zutreffende Abrechnung vorzulegen. Unrichtige EDV-Ausdrucke sind von ihm zu korrigieren.
18
Die Aufrechterhaltung des Beschlusses zu TOP 4 durch das Berufungsgericht ist jedoch deshalb im Ergebnis zutreffend, weil die Kläger insoweit die materiellrechtliche Ausschlussfrist (dazu Senat, Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 74/08, BGHZ 179, 230, 233 f.; vgl. auch Urteil vom 2. Oktober 2009 - V ZR 235/08, BGHZ 182, 307, 310 f.) nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 WEG nicht gewahrt haben. Da es sich bei der falschen Verbuchung um einen rechnerisch selbständigen und abgrenzbaren Teil der Abrechnung handelt (Senat, Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 1/06, BGHZ 171, 335, 339; Urteil vom 4. Dezember 2009 - V ZR 44/09, NJW 2010, 2127), wären die Kläger - da ein Nachschieben von Anfechtungsgründen nach Fristablauf ausgeschlossen ist - gehalten gewesen, den Umstand der unzutreffenden Zuordnung der eingezahlten Rücklagen zumindest in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern schriftsätzlich vorzutragen. Daran fehlt es hier. Wie der Senat bereits entschieden hat, reicht es vor dem Hintergrund des Zwecks der Klagebegründungsfrist nicht aus, dass sich ein Anfechtungsgrund aus einer Anlage ergibt (ausführlich dazu Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 74/08, aaO, S. 237 f.)
19
c) Einer Entlastung der Verwalterin für das Jahr 2008 steht jedenfalls entgegen , dass die Abrechnung mit Blick auf die sog. „Zuführung Rücklage Tiefgarage“ auf der Grundlage eines nichtigen Verteilungsschlüssels umgelegt worden ist. Der Verpflichtung zur Vorlage einer ordnungsgemäßen Abrechnung ist die Verwalterin noch nicht nachgekommen.
20
3. Der zu TOP 5 beschlossene Wirtschaftsplan 2010 ist ebenfalls für ungültig zu erklären, soweit er auf dem nichtigen Umlageschlüssel beruht. Dagegen ist die Festsetzung der Höhe im Übrigen auch insoweit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

III.


21
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Schmidt-Räntsch Roth
Brückner Weinland

Vorinstanzen:
AG Koblenz, Entscheidung vom 24.11.2009 - 133 C 2101/09 WEG -
LG Koblenz, Entscheidung vom 13.07.2010 - 2 S 79/09 -

(1) Jedem Wohnungseigentümer gebührt ein seinem Anteil entsprechender Bruchteil der Früchte des gemeinschaftlichen Eigentums und des Gemeinschaftsvermögens. Der Anteil bestimmt sich nach dem gemäß § 47 der Grundbuchordnung im Grundbuch eingetragenen Verhältnis der Miteigentumsanteile. Jeder Wohnungseigentümer ist zum Mitgebrauch des gemeinschaftlichen Eigentums nach Maßgabe des § 14 berechtigt.

(2) Die Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, insbesondere der Verwaltung und des gemeinschaftlichen Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums, hat jeder Wohnungseigentümer nach dem Verhältnis seines Anteils (Absatz 1 Satz 2) zu tragen. Die Wohnungseigentümer können für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine von Satz 1 oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen.

(3) Für die Kosten und Nutzungen bei baulichen Veränderungen gilt § 21.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)