Bundesgerichtshof Urteil, 02. Juni 2017 - V ZR 230/16

ECLI: ECLI:DE:BGH:2017:020617UVZR230.16.0
published on 02/06/2017 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 02. Juni 2017 - V ZR 230/16
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Previous court decisions
Amtsgericht Hersbruck, 11 C 750/15, 14/01/2016
Landgericht Nürnberg-Fürth, 5 S 1274/16, 25/08/2016

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 230/16 Verkündet am:
2. Juni 2017
Weschenfelder
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BayAGBGB Art. 47 Abs. 1
Bei einer Grenzbepflanzung eines Grundstücks, das tiefer liegt als das Nachbargrundstück,
ist die nach den nachbarrechtlichen Vorschriften zulässige Pflanzenwuchshöhe von dem
höheren Geländeniveau des Nachbargrundstücks aus zu messen. Der Anspruch auf Rückschnitt
gemäß Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB entsteht erst, wenn die Pflanze unter Hinzurechnung
der Differenz zwischen dem Geländeniveau des tiefer gelegenen Grundstücks, auf
dem sie stehen, und dem des höher gelegenen Grundstücks die zulässige Pflanzenwuchshöhe
überschritten hat.
BGH, Urteil vom 2. Juni 2017 - V ZR 230/16 - LG Nürnberg-Fürth
AG Hersbruck
ECLI:DE:BGH:2017:020617UVZR230.16.0

Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 2. Juni 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die Richterinnen Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Brückner, den Richter Dr. Göbel und die Richterin Haberkamp

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth - 5. Zivilkammer - vom 25. August 2016 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien sind Eigentümer aneinandergrenzender Grundstücke in Hanglage in B. . Das Grundstück des Klägers liegt höher als das der Beklagten. Zwischen den Grundstücken befindet sich eine ca. 1 m bis 1,25 m hohe Geländestufe, an der eine Mauer verläuft. Auf dem Grundstück der Beklagten steht entlang der Geländestufe eine 6 m hohe Thujenhecke. Sie wurde zuletzt 2009 oder 2010 auf eine Höhe von ca. 2,90 m geschnitten, gemessen von ihrer Austrittsstelle aus dem Boden. Der Kläger verlangt von der Beklagten, die Hecke zweimal jährlich mit Ausnahme des Zeitraums vom 1. März bis 30. September auf eine Höhe von 2 m, gemessen ab dem oberen Ende der Mauer zwischen den Grundstücken der Parteien, zurückzuschneiden. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.
2
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landgericht ihr stattgegeben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision möchte die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Der Kläger beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht meint, der Kläger könne den Rückschnitt der Hecke nach Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB verlangen. Der Anspruch sei nicht verjährt. Verjährung trete zwar fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres ein, in dem die Grenzbepflanzung erstmals eine Höhe von 2 m überschritten habe (Art. 52 Abs. 1 BayAGBGB). Das könne jedoch zu unbilligen Ergebnissen führen. Ob die Pflanzen die zulässige Höhe einhielten, könne nur durch akkurates Nachmessen festgestellt werden. Das entspreche nicht der Rechtswirklichkeit. Im konkreten Fall komme hinzu, dass an der Grundstücksgrenze eine Geländestufe verlaufe. In einem derartigen Fall sei die Höhe der Grenzbepflanzung nicht von dem Bodenniveau des Grundstücks, auf dem sie stünden, sondern von dem Niveau des benachbarten Grundstücks aus zu messen. Der Wortlaut von Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB stelle zwar allein auf die Pflanzenhöhe als solche ab. Bei einer Geländestufe werde das Nachbargrundstück aber erst beeinträchtigt, wenn die Pflanzen deren Höhe überschritten. Das führe dazu, dass die Geländestufe von 1 m der gesetzlich zulässigen Pflanzenwuchshöhe von 2 m hinzuzurechnen und die für den Verjährungsbeginn maßgebliche Höhe der Thujenhecke auf 3 m festzulegen sei. Da nach dem Vortrag der Beklagten die Hecke 2009 oder 2010 auf eine Höhe von ca. 2,90 m gekürzt worden sei, sei der nach dem Weiterwachsen der Hecke entstandene Anspruch im Hinblick auf das 2014 eingeleitete Schlichtungsverfahren nicht verjährt.

II.

4
Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
5
1. Zu Recht bejaht das Berufungsgericht die Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers auf Rückschnitt der Thujenhecke.
6
Dieser ergibt sich aus Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB. Danach kann der Eigentümer eines Grundstücks verlangen, dass auf einem Nachbargrundstück u.a. Bäume, Sträucher oder Hecken, die in einer geringeren Entfernung als 2 m von der Grenze seines Grundstücks gehalten werden, nicht höher als 2 m sind. So liegt der Fall hier. Nach den von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Amtsgerichts steht die Hecke in einem Grenzabstand zwischen 0,50 m und 2 m. Sie ist mit einer Wuchshöhe von 6 m unzweifelhaft über die nach Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB zulässige Höhe hinausgewachsen. Der Kläger kann deshalb ein Zurückschneiden verlangen.
7
Dem steht nicht entgegen, dass dem Nachbarn nach den Vorstellungen des historischen Gesetzgebers bei einem Verstoß gegen Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB ein Anspruch auf Beseitigung oder auf Zurückversetzen der Pflanzen zusteht (vgl. Becher, Die gesamten Materialien zu den das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Nebengesetze betreffenden bayerischen Gesetzen und Verordnungen, Abteilung IV und V, Band I, 1899, S. 95). Der Rückschnitt ist ein Weniger gegenüber der vollständigen Beseitigung und damit möglicher Inhalt des Anspruchs aus Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB (vgl. BayObLGZ 1993, 100, 104; Sprau/Sprau, Justizgesetze in Bayern, 1988, Art. 47 AGBGB Rn. 24; Schulz, Das Nachbarrecht in Bayern, 2. Aufl., 73 f.; Grziwotz/Saller, Bayerisches Nach- barrecht, 3. Aufl., 2. Teil Rn. 154, 155; Meisner/Ring/Götz, Nachbarrecht in Bayern, 7. Aufl., § 18 Rn. 8; Stadler, Das Nachbarrecht in Bayern, 7. Aufl., Kap. 10 D II 5).
8
2. Rechtsfehlerfrei ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Anspruch des Klägers nicht verjährt ist.
9
a) Der Anspruch des Grundstückseigentümers auf Beseitigung eines die Grenzabstandsvorschrift des Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB verletzenden Zustandes verjährt in fünf Jahren (Art. 52 Abs. 1 Satz 2 BayAGBGB). Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Eigentümer des Grundstücks von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste (Art. 52 Abs. 1 Satz 3 BayAGBGB). Das gilt auch für den Anspruch auf Rückschnitt (Sprau/Sprau, Justizgesetze in Bayern, 1988, Art. 52 AGBGB Rn. 4; Stadler, Das Nachbarrecht in Bayern, 7. Aufl., Kap. 11 A II 1).
10
Billigkeitsgesichtspunkte stehen dem, anders als das Berufungsgericht meint, nicht entgegen. Für den Beginn der Verjährung ist ein subjektives Element erforderlich. Der Nachbar muss bei objektiver Betrachtung die Verletzung des Grenzabstands, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme geeigneter Messhilfen, erkennen können. Ist die Grenzabstandsverletzung bei objektiver Betrachtung zweifelhaft, beginnt die Verjährung erst, wenn die Verletzung eindeutig wird (vgl. Sprau/Sprau, Justizgesetze in Bayern, 1988, Art. 52 AGBGB Rn. 7; Stadler, Das Nachbarrecht in Bayern, 7. Aufl., Kap. 11 A II 2a; Grziwotz/Saller, Bayerisches Nachbarrecht, 3. Aufl., 2. Teil Rn. 185; Meisner/Ring/Götz, Nachbarrecht in Bayern, 7. Aufl., § 18 Rn. 10; Bayer/Lindner/Grziwotz, Bayerisches Nachbarrecht, 2. Aufl., S. 171). Die fünfjährige Verjährungsfrist gibt dem Nachbarn dann genügend Zeit zu überlegen, ob er seinen Anspruch durchsetzen will. Es ist ihm ohne weiteres möglich, innerhalb von fünf Jahren nach dem Hinauswachsen von Pflanzen über die gesetzliche Höhe hinaus den jährlichen Zuwachs zu beobachten. Auch lässt sich, notfalls mit Hilfe fachmännischer Beratung , ermitteln, wie lange das Wachstum der Pflanzen andauern wird, so das auch der Umfang künftiger Beeinträchtigungen eingeschätzt werden kann. Der Nachbar kann somit innerhalb der Frist entscheiden, ob er das Zurückschneiden der Pflanzen verlangt (vgl. Senat, Urteil vom 14. November 2003 - V ZR 102/03, BGHZ 157, 33, 37).
11
b) Im Grenzabstandsbereich von 0,5 m bis 2 m entsteht der Anspruch aus Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB, wenn die Pflanzen über die zulässige Höhe von 2 m hinauswachsen (vgl. Gesetzentwurf zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze sowie zur Änderung weiterer landesrechtlicher Vorschriften, Bay LT-Drucks. 14/9958 S. 11; BayObLGZ 1993, 100, 105; LG Bayreuth, NJW-RR 1992, 276, 277; LG Memmingen , NJW-RR 1996, 1483; AG Viechtach, NJW-RR 1990, 401; Sprau/Sprau, Justizgesetze in Bayern, 1988, Art. 52 AGBGB Rn. 6; Reich, Bayerisches privates Nachbarrecht, 2011, Art. 52 Rn. 5; Stadler, Das Nachbarrecht in Bayern, 7. Aufl., Kap. 11 A II 2; Meisner/Ring/Götz, Nachbarrecht in Bayern, 7. Aufl., § 18 Rn. 9; Staudinger/Karl-Dieter Albrecht [2012] EGBGB Art. 124 Rn. 39; vgl. auch OLG Frankfurt, NJW-RR 1997, 657 zu § 43 Abs. 1 Ziff. 2 NRG HE aF; differenzierend Bayer/Lindner/Grziwotz, Bayerisches Nachbarrecht, 2. Aufl., S. 171 zu Art. 52 Abs. 1 BayAGBGB aF: Anpflanzung). Werden die Pflanzen zurückgeschnitten, entsteht der Anspruch auf Rückschnitt nach jedem Nachwachsen über die höchstzulässige Höhe wieder neu (vgl. Senat, Beschluss vom 6. Oktober 2011 - V ZB 72/11, NJW-RR 2012, 82 Rn. 7 zu § 14 Abs. 1 SächsNRG).
12
c) Mit Recht geht das Berufungsgericht davon aus, dass der Anspruch des Klägers auf Rückschnitt entstanden ist, als die Thujenhecke zuletzt eine Höhe von 2 m, gemessen von der ca. 1 m hohen Geländestufe, und damit eine absolute Höhe von 3 m überschritten hat. Das war, nachdem die Hecke 2009/2010 auf etwa 2,90 m zurückgeschnitten worden war, frühestens im Laufe des Jahres 2009 der Fall.
13
aa) Allerdings ist die nach Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB im Grenzabstandsbereich bis 2 m zulässige Höhe der Pflanzen grundsätzlich von der Stelle aus zu messen, an der diese aus dem Boden austreten (vgl. Grziwotz/Saller, Bayerisches Nachbarrecht, 3. Aufl., 2. Teil Rn. 150; Sprau/Sprau, Justizgesetze in Bayern, 1988, Art. 52 AGBGB Rn. 28; Stadler, Das Nachbarrecht in Bayern, 7. Aufl., Kap. 10 D II 6; Reich, Bayerisches privates Nachbarrecht, 2011, Art. 47 Rn. 9; Bayer/Lindner/Grziwotz, Bayerisches Nachbarrecht, 2. Aufl., S. 161; vgl. auch Schlick, Nachbarrecht Rheinland-Pfalz, 7. Aufl., Anm. 11.1).
14
bb) Das gilt aber nicht für die Grenzbepflanzung eines Grundstücks, das tiefer liegt als das Nachbargrundstück.
15
(1) Ob für die Ermittlung der im Grenzabstandsbereich nach Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB zulässigen Höhe der Pflanzen zu berücksichtigen ist, dass das Nachbargrundstück auf einem höheren Geländeniveau liegt, ist allerdings umstritten. Teilweise wird angenommen, eine Hanglage sei für die Ermittlung der zulässigen Höhe der Grenzbepflanzung gänzlich unbeachtlich. Es komme allein auf die Wuchshöhe der Pflanzen an (vgl. Reich, Das bayerische private Nachbarrecht, 2011, Art. 47 Rn. 9; so auch Schlick, Nachbarrecht für Rheinland -Pfalz, 7. Aufl., Anm. 11; Keil/Hoof, Das Nachbarrecht in Hessen, 21. Aufl., §§ 38, 39 Anm. 4). Nach anderer Auffassung, der das Berufungsgericht folgt, ist bei einer Hanglage die zulässige Pflanzenwuchshöhe von dem Geländeniveau des Nachbargrundstücks aus zu messen. Falle das Grundstück zur Pflanze hin ab, sei der Geländeniveauunterschied der zulässigen Höhe der Pflanze hinzuzurechnen , steige es zur Pflanze hin an, sei der Geländeniveauunterschied abzuziehen (vgl. Stadler, Das Nachbarrecht in Bayern, 7. Aufl., Kap. 10 D II 6a; Sprau/Sprau, Justizgesetze in Bayern, 1988, Art. 47 AGBGB Rn. 28; Grziwotz/ Saller, Bayerisches Nachbarrecht, 3. Aufl., 2. Teil Rn. 150; Bayer/Lindner/ Grziwotz, Bayerisches Nachbarrecht, 2. Aufl., S. 161; so auch OLG Karlsruhe, Die Justiz 1976, 472, 473; Bruns, Nachbarrechtsgesetz Baden-Württemberg, 3. Aufl., § 12 Rn. 24).
16
(2) Richtigerweise ist bei einer Grenzbepflanzung eines Grundstücks, das - wie hier - tiefer liegt als das Nachbargrundstück, die nach den nachbarrechtlichen Vorschriften zulässige Pflanzenwuchshöhe von dem höheren Geländeniveau des Nachbargrundstücks aus zu messen. Der Anspruch auf Rückschnitt gemäß Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB entsteht erst, wenn die Pflanze unter Hinzurechnung der Differenz zwischen dem Geländeniveau des tiefer gelegenen Grundstücks, auf dem sie stehen, und dem des höher gelegenen Grundstücks die zulässige Pflanzenwuchshöhe überschritten hat. Wie die Messung im umgekehrten Fall zu erfolgen hat, also bei einer Grenzbepflanzung auf dem höher gelegenen Grundstück, bleibt offen.
17
Bei einer Bepflanzung des tiefer gelegenen Grundstücks widerspräche eine Messung von der Austrittsstelle der Pflanze dem Sinn und Zweck von Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB; der Anwendungsbereich der Vorschrift ist deshalb im Wege teleologischer Reduktion zugunsten des tiefer liegenden Grundstücks einzuschränken.
18
(a) Der Gesetzgeber hat in Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB eine Abwägung getroffen zwischen den Interessen des Grundstückseigentümers, sein Grund- stück durch Anpflanzungen zu begrünen, und denen des Nachbarn, sein Grundstück zu nutzen, ohne durch den Entzug von Wasser, Licht und Luft beeinträchtigt zu werden. Er hat dies in der Weise getan, dass er für bestimmte Gewächse in Abhängigkeit von ihrer Wuchshöhe Grenzabstände festgelegt hat. Er ist dabei davon ausgegangen, dass Pflanzen bereits mit dem Austritt aus dem Boden das Nachbargrundstück beeinträchtigen können. Auf dieser Grundlage hat er eine Wuchshöhe von 2 m bestimmt, die der Nachbar im Grenzbereich von 0,50 m bis 2 m hinnehmen muss (vgl. Becher, Die gesamten Materialien zu den das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Nebengesetze betreffenden bayerischen Gesetzen und Verordnungen, Abteilung IV und V, Band I, 1899, S. 91). Ist bei Pflanzen der Grenzabstand nicht eingehalten, gewährt das Landesrecht mit Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB einen Anspruch unabhängig davon, ob die Missachtung dieser Vorgaben zu einer Eigentumsbeeinträchtigung des Nachbargrundstückes im Sinne des § 1004 BGB führt (vgl. Senat, Beschluss vom 4. März 2010 - V ZB 130/09, NJW-RR 2010, 807 Rn. 24). Die aus den Grenzabstandsregelungen folgende Eigentumsbeschränkung findet ihre Rechtfertigung in dem auf gegenseitige Rücksichtnahme angelegten nachbarlichen Verhältnis (vgl. Begründung zum Entwurf des Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze [AGBGB], Bay LTDrucks. 9/10458 S. 22; BayObLGZ 1993, 100, 106; Sprau/Sprau, Justizgesetze in Bayern, 1988, Art. 47 AGBGB Rn. 1; Stadler, Das Nachbarrecht in Bayern, 7. Aufl., Kap. 10 D II 3; Grziwotz/Saller, Bayerisches Nachbarrecht, 3. Aufl., 2. Teil Rn. 102).
19
(b) Dieser gedankliche Ausgangspunkt der Interessenabwägung des Gesetzgebers trifft nicht uneingeschränkt zu, wenn die Pflanzen auf einem Grundstück stehen, das tiefer liegt als das Nachbargrundstück. Fällt der Hang zu den Pflanzen hin ab, ist eine Beeinträchtigung des höher gelegenen Grundstücks nämlich erst möglich, wenn die Pflanzen dessen Höhenniveau erreichen. So- weit sich die Pflanzen unterhalb des Geländeniveaus des höher gelegenen Nachbargrundstücks befinden, sind für dieses Nachteile hingegen ausgeschlossen. Würde man auch in einer solchen Situation für die Bemessung der zulässigen Pflanzenwuchshöhe auf die Austrittsstelle aus dem Boden abstellen, würde die Interessenabwägung, die der Gesetzgeber getroffen hat,verfälscht. Dem Sinn und Zweck der Grenzabstandsflächen entspricht es deshalb, der zulässigen Pflanzenwuchshöhe die Differenz zwischen dem Geländeniveau des tiefer gelegenen Grundstücks, auf dem die Pflanzen stehen, und dem des höher gelegenen Grundstücks hinzuzurechnen. Das führt dazu, dass bei einer Hanglage die Grenzbepflanzung auf dem tiefer gelegenen Grundstücks absolut gesehen höher als 2 m wachsen kann. Praktikabilitätserwägungen stehen dem - anders als der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gemeint hat - nicht entgegen. Soweit topographische Gegebenheiten wie Unebenheiten im Gelände die Messung erschweren können , handelt es sich nicht um eine Besonderheit der Hanglage. Solche Messschwierigkeiten können gleichermaßen bei horizontalem Geländeverlauf entstehen.
20
(c) Diesen Erwägungen hat der bayerische Gesetzgeber an anderer Stelle Rechnung getragen. Er hat in Art. 50 Abs. 1 Satz 1 BayAGBGB eine Ausnahme von der Einhaltung des Grenzabstands von Pflanzen zugelassen. Nach dieser Vorschrift ist u.a. Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB nicht auf Gewächse anzuwenden , die sich hinter einer Mauer oder einer sonstigen dichten Einfriedung befinden und diese nicht oder nicht erheblich überragen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass in diesem Fall Nachteile für das Nachbargrundstück durch die Pflanzen von vornherein ausgeschlossen sind (vgl. Becher, Die gesamten Materialien zu den das Bürgerliche Gesetzbuch und seine Nebengesetze betreffenden bayerischen Gesetzen und Verordnungen, Abteilung IV und V, Band I, 1899, S. 91 u. S. 455; Sprau/Sprau, Justizgesetze in Bayern, 1988, Art. 50 AGBGB Rn. 3). Dieser Gesichtspunkt kommt auch zum Tragen, wenn sich die Grenzbepflanzung auf einem Grundstück befindet, das tiefer liegt als das Nachbargrundstück. Die Vergleichbarkeit der Interessenlage der Grundstücksnachbarn wird besonders augenfällig, wenn - wie hier - entlang der Grundstücksgrenze eine Geländestufe verläuft.
21
d) Danach ist der Anspruch der Klägerin auf Rückschnitt nicht verjährt. Die Verjährungsfrist des Art. 52 Abs. 1 Satz 2 BayAGBGB begann frühestens mit dem Schluss des Jahres 2009. Die Annahme des Berufungsgerichts, dass sie 2014 durch die Einreichung des Güteantrags nach Art. 1 Nr. 1 Buchst. e) BaySchlG gehemmt worden ist (§ 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB), lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Hiergegen wendet sich die Revision auch nicht.

III.

22
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner Göbel Haberkamp
Vorinstanzen:
AG Hersbruck, Entscheidung vom 14.01.2016 - 11 C 750/15 -
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 25.08.2016 - 5 S 1274/16 -
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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch1.die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,1a.die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen
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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZB 72/11 vom 6. Oktober 2011 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 9, § 511 Abs. 4 a) Die Beschwer des zu einem jährlich wiederkehrenden Zurückschneiden einer Hecke verurt
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Annotations

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Die Verjährung wird gehemmt durch

1.
die Erhebung der Klage auf Leistung oder auf Feststellung des Anspruchs, auf Erteilung der Vollstreckungsklausel oder auf Erlass des Vollstreckungsurteils,
1a.
die Erhebung einer Musterfeststellungsklage für einen Anspruch, den ein Gläubiger zu dem zu der Klage geführten Klageregister wirksam angemeldet hat, wenn dem angemeldeten Anspruch derselbe Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen der Musterfeststellungsklage,
2.
die Zustellung des Antrags im vereinfachten Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger,
3.
die Zustellung des Mahnbescheids im Mahnverfahren oder des Europäischen Zahlungsbefehls im Europäischen Mahnverfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens (ABl. EU Nr. L 399 S. 1),
4.
die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer
a)
staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder
b)
anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird;
die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird,
5.
die Geltendmachung der Aufrechnung des Anspruchs im Prozess,
6.
die Zustellung der Streitverkündung,
6a.
die Zustellung der Anmeldung zu einem Musterverfahren für darin bezeichnete Ansprüche, soweit diesen der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt wie den Feststellungszielen des Musterverfahrens und wenn innerhalb von drei Monaten nach dem rechtskräftigen Ende des Musterverfahrens die Klage auf Leistung oder Feststellung der in der Anmeldung bezeichneten Ansprüche erhoben wird,
7.
die Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens,
8.
den Beginn eines vereinbarten Begutachtungsverfahrens,
9.
die Zustellung des Antrags auf Erlass eines Arrests, einer einstweiligen Verfügung oder einer einstweiligen Anordnung, oder, wenn der Antrag nicht zugestellt wird, dessen Einreichung, wenn der Arrestbefehl, die einstweilige Verfügung oder die einstweilige Anordnung innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung an den Gläubiger dem Schuldner zugestellt wird,
10.
die Anmeldung des Anspruchs im Insolvenzverfahren oder im Schifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren,
10a.
die Anordnung einer Vollstreckungssperre nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz, durch die der Gläubiger an der Einleitung der Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs gehindert ist,
11.
den Beginn des schiedsrichterlichen Verfahrens,
12.
die Einreichung des Antrags bei einer Behörde, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird; dies gilt entsprechend für bei einem Gericht oder bei einer in Nummer 4 bezeichneten Streitbeilegungsstelle zu stellende Anträge, deren Zulässigkeit von der Vorentscheidung einer Behörde abhängt,
13.
die Einreichung des Antrags bei dem höheren Gericht, wenn dieses das zuständige Gericht zu bestimmen hat und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben oder der Antrag, für den die Gerichtsstandsbestimmung zu erfolgen hat, gestellt wird, und
14.
die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe oder Verfahrenskostenhilfe; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

(2) Die Hemmung nach Absatz 1 endet sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens. Die Hemmung nach Absatz 1 Nummer 1a endet auch sechs Monate nach der Rücknahme der Anmeldung zum Klageregister. Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle. Die Hemmung beginnt erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.

(3) Auf die Frist nach Absatz 1 Nr. 6a, 9, 12 und 13 finden die §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)