Bundesgerichtshof Urteil, 24. Juni 2015 - IV ZR 445/13
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 25.408,01 € festgesetzt.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerseite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fondsgebundenen Lebensversicherung.
- 2
- Diese wurde aufgrund Antrags d. VN mit Versicherungsbeginn zum 1. April 2001 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Unstreitig erhielt d. VN mit dem Versicherungsschein die Versiche- rungsbedingungen, die Verbraucherinformationen nach § 10a des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) und eine ordnungsgemäße schriftliche Belehrung über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.
- 3
- D. VN zahlte in der Folge die monatlichen Prämien. Zum 1. Januar 2008 kündigte d. VN den Vertrag und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert in Höhe von 13.292,89 € aus. Mit Schreiben vom August2011 erklärte d. VN den Widerspruch nach § 5a VVG a.F.
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- Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteter Beiträge nebst Zinsen abzüglich der bereits gezahlten Rückkaufswerte , insgesamt 25.408,01 €.
- 5
- Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen, weil das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union nicht vereinbar sei.
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- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 7
- Die Revision hat keinen Erfolg.
- 8
- I. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. D. VN habe die Prämien mit Rechtsgrund geleistet. D. VN sei ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. belehrt worden und der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Die Regelung des Policenmodells verstoße nicht gegen die Zweite und Dritte Richtlinie Lebensversicherung.
- 9
- II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
- 11
- 1. Die Voraussetzungen für ein Zustandekommen der Versicherungsverträge sind hier erfüllt. Nach den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt d. VN mit dem Policenbegleitschreiben den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen, die Verbraucherinformation und eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung. Bis zum Ablauf der damit in Gang gesetzten 14-tägigen Widerspruchsfrist erklärte d. VN den Widerspruch nicht.
- 12
- 2. Ob solchermaßen nach dem Policenmodell geschlossene Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 16 ff.; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 - 2 BvR 2437/14, WM 2015, 514 Rn. 30 ff.), kann im Streitfall dahinstehen. Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. D. VN ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Die Treuwidrigkeit liegt darin, dass d. VN nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführte und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 aaO Rn. 32-42; BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 2015 aaO Rn. 42 ff.). D. VN verhielt sich objektiv widersprüchlich. Die vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist blieb bei Vertragsschluss 2001 ungenutzt. D. VN zahlte bis zur Kündigung im Januar 2008 fast sieben Jahre die Versicherungsprämien und ließ danach nochmals mehr als drei Jahre bis zur Erklärung des Widerspruchs vergehen. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits im März 2001 über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten VN und die trotz dieser Belehrung zunächst nur für die Zukunft ausgesprochene Beendigung im Jahr 2008 haben bei dem Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages für die Vergangenheit begründet, was für d. VN auch erkennbar war.
Lehmann Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
LG Bonn, Entscheidung vom 15.02.2013 - 9 O 124/12 -
OLG Köln, Entscheidung vom 06.12.2013 - 20 U 36/13 -
Annotations
(1) Die Parteien verhandeln über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gericht mündlich.
(2) Mit Zustimmung der Parteien, die nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich ist, kann das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Es bestimmt alsbald den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, und den Termin zur Verkündung der Entscheidung. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist unzulässig, wenn seit der Zustimmung der Parteien mehr als drei Monate verstrichen sind.
(3) Ist nur noch über die Kosten oder Nebenforderungen zu entscheiden, kann die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ergehen.
(4) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.