Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2007 - IV ZR 332/05

bei uns veröffentlicht am11.07.2007
vorgehend
Landgericht Berlin, 11 O 216/03, 13.10.2003
Kammergericht, 27 U 451/03, 06.01.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 332/05 Verkündetam:
11.Juli2007
Fritz
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtin
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Leistungsfreiheit des Versicherers wegen einer Verletzung der Aufklärungsobliegenheit
kommt nicht in Betracht, wenn der Versicherungsnehmer bei der
Schadensanzeige einen Umstand verschweigt, den der Versicherer bereits
positiv kennt.
Hat der Versicherer einen Vorschaden im Rahmen eines laufenden, auch für
die neue Schadensmeldung maßgeblichen Versicherungsvertrages über einen
bestimmten versicherten Gegenstand selbst reguliert, so kennt er diesen Vorschaden
in seinen Einzelheiten (Fortführung des Senatsurteils vom 26. Januar
2005 - IV ZR 239/03 - VersR 2005, 493 unter 2 a; Abgrenzung zu Senatsurteil
vom 17. Januar 2007 - IV ZR 106/06 - VersR 2007, 481).
BGH, Urteil vom 11. Juli 2007 - IV ZR 332/05 - KG Berlin
LG Berlin
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2007

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 27. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 6. Januar 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Kläger Der fordert vom beklagten Rechtsanwalt Schadensersatz wegen schuldhafter Versäumnis der Frist des § 12 Abs. 3 VVG bei Erhebung einer Klage auf Versicherungsleistungen nach einem behaupteten Kfz-Diebstahl.
2
seinen Für erstmals am 20. Juli 1998 zugelassenen Pkw BMW 525 TDS hielt der Kläger eine Kfz-Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung bei der O. AG. Am 21. September 1999 erlitt das Fahrzeug einen Unfallschaden, für dessen Reparatur der Versicherer aus der Vollkaskoversicherung 7.835,18 DM leistete.
3
Im Juni 2000 zeigte der Kläger dem Versicherer an, das Fahrzeug sei ihm am 2. Juni 2000 in P. gestohlen worden. Ein Trickdieb habe den Fahrzeugschlüssel an sich genommen, der während eines durch Reifenschaden erzwungenen Radwechsels im Kofferraumschloss gesteckt habe, und sei, als der Kläger gerade das ausgewechselte Rad in den Kofferraum habe legen wollen, unter Benutzung des Schlüssels plötzlich davongefahren.
4
In den ihm daraufhin übersandten Fragebogen zur Schadensmeldung trug der Kläger zu der Frage nach Zeitpunkt und Umfang von Schäden von der Erstzulassung bis zur Entwendung (reparierte und unreparierte ) die Antwort "keine" ein. Der Versicherer lehnte Versicherungsleistungen wegen Verschweigens des Vorschadens und auch deshalb ab, weil der Kläger den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt habe. Das Ablehnungsschreiben ging dem Kläger am 30. Mai 2001 zu. Am 15. November 2001 reichte der vom Kläger beauftragte Beklagte beim Landgericht Klage auf Versicherungsleistungen in Höhe von 18.657,26 € ein. Die Klage wurde abgewiesen, weil der Anfang Dezember beim Kläger eingeforderte Gerichtskostenvorschuss erst am 13. März 2002 eingezahlt , die Klage deshalb nicht mehr "demnächst" im Sinne von § 167 ZPO zugestellt worden und die Frist des § 12 Abs. 3 VVG damit nicht gewahrt war.

5
Wegen der genannten Klagforderung, ferner wegen der ihm im Vorprozess entstandenen Kosten in Höhe von 3.653,24 € nimmt der Kläger den Beklagten in Regress. Er meint, der Beklagte habe nicht ausreichend darauf geachtet, dass der Gerichtskostenvorschuss rechtzeitig eingezahlt und die Klage rechtzeitig zugestellt wurde.
6
Der Beklagte hat eine Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Klagezustellung in Abrede gestellt. Unter anderem sei er davon überrascht worden, dass die Anforderung des Gebührenvorschusses, nach der er sich unstreitig zweimal telefonisch beim Landgericht erkundigt hatte , nicht unmittelbar an ihn, sondern an den Kläger persönlich übermittelt worden sei. Im Übrigen sei dem Kläger auch kein Schaden entstanden, weil der Versicherer infolge der falschen Angaben des Klägers zu dem Vorschaden und auch wegen dessen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls leistungsfrei gewesen sei.
7
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


8
Die Revision hat Erfolg.
9
I.DasBerufungsgerich t meint, dem Kläger sei schon deshalb kein Schaden entstanden, weil der Kaskoversicherer nach § 6 Abs. 3 VVG in Verbindung mit § 7 Nr. 5 Abs. 4 der hier maßgeblichen AKB leistungsfrei geworden sei, nachdem der Kläger den Vorschaden vom 21. September 1999 verschwiegen habe. Die gesetzliche Vermutung, dass die Aufklärungsobliegenheit vorsätzlich verletzt sei, habe der Kläger nicht widerlegt. Auch die nach der Relevanzrechtsprechung geforderten weiteren Voraussetzungen der Leistungsfreiheit seien erfüllt. Das Verschweigen des Vorschadens sei generell geeignet gewesen, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Daran ändere sich nichts dadurch, dass die Datenverwaltung des Versicherers so eingerichtet gewesen sei, dass bei Aufruf der für die Bearbeitung eines Schadens erforderlichen Schadenshauptmaske dem Sachbearbeiter automatisch die Zahl der Vorschäden eines versicherten Fahrzeugs angezeigt werde. Denn das entbinde den Versicherungsnehmer nicht von seiner Obliegenheit, bei der Schadensanzeige zutreffende Angaben zu machen. Gerade in Entwendungsfällen sei der Versicherer in besonderem Maße auf zutreffende Angaben des Versicherungsnehmers zum Wert des Fahrzeugs angewiesen , weil dieses regelmäßig nicht für eine Begutachtung zur Verfügung stehe. Dass eine generelle Weisung an die Sachbearbeiter des Versicherers ergangen sei, bei der Schadensbearbeitung vorhandene Datenbestände auf verzeichnete Vorschäden zu überprüfen, habe der Kläger nicht behauptet. Der Versicherer müsse sich nicht darauf verweisen lassen , notwendige Erkenntnisse über Vorschäden aus archivierten Unterlagen oder Datenbankbeständen zu ermitteln.
10
Das Verschulden des Klägers sei auch ungeachtet einer späteren Korrektur seiner Angaben erheblich, denn diese Korrektur sei erst aufgrund eines Schreibens des Versicherers vom 21. Oktober 2000 und mithin nicht spontan, aus eigenem Antrieb und freiwillig erfolgt. Auch die dem Kläger erteilte Belehrung über die Rechtsfolgen einer vorsätzlichen folgenlosen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit genüge in Form und Inhalt den Anforderungen der Rechtsprechung.
11
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
12
Das 1. Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, das Verschweigen des vom Kaskoversicherer selbst regulierten Vorschadens in der Schadensmeldung führe zur Leistungsfreiheit des Versicherers.
13
a) Der Senat hat bereits entschieden, dass Leistungsfreiheit des Versicherers wegen einer Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nicht in Betracht kommt, wenn der Versicherungsnehmer bei der Schadensanzeige einen Umstand verschweigt, den der Versicherer bereits positiv kennt (Senatsurteil vom 26. Januar 2005 - IV ZR 239/03 - VersR 2005, 493 unter II 2 a). Denn Aufklärungsobliegenheiten - wie hier nach § 7 Nr. 5 Abs. 4 der AKB - dienen dem Zweck, den Versicherer in die Lage zu versetzen, sachgemäße Entschlüsse zu fassen. Fehlt das entsprechende Aufklärungsbedürfnis, weil der Versicherer einen maßgeblichen Umstand bereits kennt, so verletzen unzulängliche Angaben des Versicherungsnehmers über diesen Umstand keine schutzwürdigen Interessen des Versicherers und können deshalb die Sanktion der Leistungsfreiheit des Versicherers nicht rechtfertigen.
14
b) Hat - wie hier - der Versicherer einen Vorschaden im Rahmen eines laufenden, auch für die neue Schadensmeldung maßgeblichen Versicherungsvertrages über einen bestimmten versicherten Gegenstand selbst reguliert, so kennt er diesen Vorschaden in seinen Einzelheiten.

Denn diese Kenntnis ist bei seinem mit der Schadensregulierung befassten Sachbearbeiter - und mithin beim Versicherer selbst - angefallen, und es bleibt im Weiteren allein eine Frage seiner innerbetrieblichen Organisation , wie er dieses Wissen auch anderen Sachbearbeitern zugänglich macht.
15
2. Das unterscheidet den Fall von anderen Fällen, in denen sich der Versicherungsnehmer lediglich darauf beruft, der Versicherer habe den von ihm verschwiegenen Sachverhalt zunächst zwar nicht positiv gekannt, jedoch entweder auf anderem Wege noch rechtzeitig erfahren oder sich die erforderlichen Kenntnisse jedenfalls anderweitig - etwa durch eine Dateiabfrage - verschaffen können (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. Januar 2007 - IV ZR 106/06 - VersR 2007, 481; r+s 2007, 147 Tz. 15 f.). Den Versicherungsnehmer, der im Rahmen seiner Aufklärungsobliegenheit grundsätzlich verpflichtet ist, alles zu tun, was zur Sachaufklärung und zur Schadensminderung dienlich ist, entlastet es in solchen Fällen regelmäßig nicht, wenn sich für den Versicherer lediglich anderweitige Erkenntnismöglichkeiten ergeben. Denn diese lassen - anders als ein bereits sicher erworbenes Wissen - das Aufklärungsinteresse des Versicherers noch nicht entfallen (Senatsurteil vom 17. Januar 2007 aaO).

16
3. Die Sache bedarf insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung , sowohl zur Frage der anwaltlichen Pflichtverletzung wie auch der grobfahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 13.10.2003 - 11 O 216/03 -
KG Berlin, Entscheidung vom 06.01.2005 - 27 U 451/03 -

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Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 167 Rückwirkung der Zustellung


Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächs

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 6 Beratung des Versicherungsnehmers


(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu

Versicherungsvertragsgesetz - VVG 2008 | § 12 Versicherungsperiode


Als Versicherungsperiode gilt, falls nicht die Prämie nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist, der Zeitraum eines Jahres.

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Bundesgerichtshof Urteil, 17. Jan. 2007 - IV ZR 106/06

bei uns veröffentlicht am 17.01.2007

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 106/06 Verkündetam: 17.Januar2007 Heinekamp Justizhauptsekretär alsUrkundsbeamter derGeschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja A

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Jan. 2005 - IV ZR 239/03

bei uns veröffentlicht am 26.01.2005

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL IV ZR 239/03 Verkündet am: 26. Januar 2005 Heinekamp Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja _____________________ AKB §
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 11. Juli 2007 - IV ZR 332/05.

Landgericht Köln Urteil, 08. Jan. 2015 - 24 O 149/14

bei uns veröffentlicht am 08.01.2015

Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages. 1T a t b e s t a n d:

Referenzen

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.

Als Versicherungsperiode gilt, falls nicht die Prämie nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist, der Zeitraum eines Jahres.

Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt.

Als Versicherungsperiode gilt, falls nicht die Prämie nach kürzeren Zeitabschnitten bemessen ist, der Zeitraum eines Jahres.

(1) Der Versicherer hat den Versicherungsnehmer, soweit nach der Schwierigkeit, die angebotene Versicherung zu beurteilen, oder der Person des Versicherungsnehmers und dessen Situation hierfür Anlass besteht, nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu befragen und, auch unter Berücksichtigung eines angemessenen Verhältnisses zwischen Beratungsaufwand und der vom Versicherungsnehmer zu zahlenden Prämien, zu beraten sowie die Gründe für jeden zu einer bestimmten Versicherung erteilten Rat anzugeben. Er hat dies unter Berücksichtigung der Komplexität des angebotenen Versicherungsvertrags zu dokumentieren.

(2) Für die Übermittlung des erteilten Rats und der Gründe hierfür gilt § 6a.

(3) Der Versicherungsnehmer kann auf die Beratung und Dokumentation nach den Absätzen 1 und 2 durch eine gesonderte schriftliche Erklärung verzichten, in der er vom Versicherer ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass sich ein Verzicht nachteilig auf seine Möglichkeit auswirken kann, gegen den Versicherer einen Schadensersatzanspruch nach Absatz 5 geltend zu machen. Handelt es sich um einen Vertrag im Fernabsatz im Sinn des § 312c des Bürgerlichen Gesetzbuchs, kann der Versicherungsnehmer in Textform verzichten.

(4) Die Verpflichtung nach Absatz 1 Satz 1 besteht auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses, soweit für den Versicherer ein Anlass für eine Nachfrage und Beratung des Versicherungsnehmers erkennbar ist; Absatz 3 Satz 2 gilt entsprechend. Der Versicherungsnehmer kann im Einzelfall auf eine Beratung durch schriftliche Erklärung verzichten.

(5) Verletzt der Versicherer eine Verpflichtung nach Absatz 1, 2 oder 4, ist er dem Versicherungsnehmer zum Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verpflichtet. Dies gilt nicht, wenn der Versicherer die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind auf Versicherungsverträge über ein Großrisiko im Sinn des § 210 Absatz 2 nicht anzuwenden, ferner dann nicht, wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 239/03 Verkündet am:
26. Januar 2005
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
_____________________
AKB § 7 I Nr. 2 Satz 3 - Musterbedingungen Stand Oktober 1996
1. Die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung treten nicht bereits kraft
Gesetzes und ohne weiteres Zutun des Versicherers ein. Die Inanspruchnahme
der vertraglich ausbedungenen Leistungsfreiheit hängt deshalb von
einer Entschließung des Versicherers ab, die gegenüber dem Versicherungsnehmer
zu erklären ist.
2. Aufklärungsobliegenheiten - wie die des § 7 I Nr. 2 Satz 3 AKB - dienen
dem Zweck, den Versicherer in die Lage zu versetzen, sachgemäße Entschlüsse
zu fassen. Fehlt das entsprechende Aufklärungsbedürfnis des
Versicherers deshalb, weil er einen maßgeblichen Umstand bereits kennt,
so verletzen unzulängliche Angaben des Versicherungsnehmers über diesen
Umstand keine schutzwürdigen Interessen des Versicherers und können
deshalb die Sanktion der Leistungsfreiheit des Versicherers nicht
rechtfertigen.
BGH, Urteil vom 26. Januar 2005 - IV ZR 239/03 - OLG München
LG Ingolstadt
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat dur ch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 26. Januar 2005

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 25. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 14. Oktober 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Der Kläger, ein in Deutschland lebender italienisc her Staatsangehöriger , behauptet, der von ihm geleaste, bei der Beklagten seit November 1998 kaskoversicherte … , sei ihm während eines Besuches bei Verwandten am 27. Juni 2000 in N. gestohlen worden. Er fordert deshalb von der Beklagten Versicherungsleistungen in Höhe von 33.436,80 €.

Das genannte Fahrzeug war am 31. Januar 2000 besch ädigt worden , nachdem es auf Glatteis von der Straße abgekommen und gegen eine Leitplanke geprallt war. Seinerzeit hatte die Beklagte einen Kaskoschaden in Höhe von 10.918,69 DM reguliert.
Am 3. Juli 2000 erstattete der Kläger gegenüber ei nem Mitarbeiter der Beklagten telefonisch eine Schadensmeldung wegen des Diebstahls des Fahrzeuges. Ein aufgrund dieser telefonischen Angaben bereits ausgefüllter Fragebogen wurde dem Kläger sodann zugefaxt, von ihm unterschrieben und schließlich der Beklagten zugeleitet. Bei der Frage nach früheren Unfallschäden ist die Antwort "nein" angekreuzt.
Der Kläger behauptet, am 27. Juni 2000 habe er in N. seinen Schwager nach dessen Arbeitsunfall in ein Krankenhaus gefahren. Während der Behandlung des Verletzten sei der ordnungsgemäß verschlossene und mit einer Wegfahrsperre gesicherte … von einem bewachten Parkplatz vor dem Krankenhaus gestohlen worden. Der Parkplatzwächter habe sich später daran erinnert, daß ein gut gekleideter Mann mit einem Aktenkoffer in das Fahrzeug gestiegen und damit weggefahren sei. Er, der Kläger, sei mit seinem Sohn noch am selben Abend mit der Bahn nach Deutschland zurückgereist.
Die Beklagte hält den Diebstahl für vorgetäuscht. Dafür spreche insbesondere, daß dem ihr vom Kläger übersandten, nach seiner Behauptung noch unmittelbar vor dem Diebstahl benutzten, Fahrzeugschlüssel Nr. 2 der für die Deaktivierung der Wegfahrsperre erforderliche Transponder gefehlt habe. Auch sei die Darstellung des Klägers zu den Umständen seiner sofortigen Abreise per Bahn wenig glaubhaft. Eine er-

hebliche Verletzung des Versicherungsvertrages, welche sich negativ auf die Glaubwürdigkeit des Klägers auswirke, liege ferner darin, daß er bei Beantwortung des Fragebogens den Vorschaden aus Januar 2000 verschwiegen habe, der zu einer merkantilen Wertminderung des Fahrzeugs geführt habe.
Der Kläger verweist darauf, daß die Beklagte den v on ihr selbst regulierten Vorschaden gekannt habe; insofern habe es keinen Sinn gemacht , diesen Vorschaden zu verschweigen. Er habe sich lediglich darauf verlassen, daß der Fragebogen durch den von ihm telefonisch unterrichteten Mitarbeiter der Beklagten ordnungsgemäß ausgefüllt worden sei. Im übrigen bestreitet der Kläger, daß der Transponder im Fahrzeugschlüssel Nr. 2 bereits bei dessen Übergabe an Mitarbeiter der Beklagten gefehlt habe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Nach ein em rechtlichen Hinweis darauf, daß im Verschweigen des Vorschadens eine dem Kläger vorwerfbare Obliegenheitsverletzung liegen könne, hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt dieser sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:


Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefocht enen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hält die Beklagte deshalb für leistungsfrei, weil es im Verschweigen des bereits früher am versicherten Fahrzeug eingetretenen Unfallschadens eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung des Klägers gesehen hat. Für die insoweit falsche Antwort im Fragebogen der Schadensmeldung habe der Kläger mit seiner Unterschrift ungeachtet dessen die Verantwortung übernommen, daß der Fragebogen zunächst aufgrund telefonischer Angaben des Klägers von einem Mitarbeiter der Beklagten ausgefüllt worden war. Auf den drohenden Verlust des Versicherungsschutzes selbst bei folgenlosen vorsätzlich falschen Angaben sei er schriftlich hingewiesen worden. Der vom Gesetz insoweit ohnehin vermutete Vorsatz des Klägers ergebe sich insbesondere daraus, daß der Unfall zur Zeit des behaupteten Diebstahlsereignisses noch nicht lange zurückgelegen habe und dem Kläger deshalb noch in Erinnerung gewesen sei. Einen geringeren Grad des Verschuldens als Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit habe der Kläger nicht dargetan.
Der Unfallschaden habe sich nicht nur unerheblich auf die Wertbemessung des seinerzeit erst 14 Monate alten Fahrzeugs ausgewirkt, denn auch nach der Reparatur sei der merkantile Wert deutlich vermindert gewesen.
Daß die Beklagte Kenntnis von dem Unfallschaden ge habt habe, ändere am Ergebnis nichts, denn nach der Rechtsprechung (KG VersR 2003, 1119 f.) lasse die Möglichkeit anderweitiger Informationsbeschaffung wegen früherer Erstattungen die Leistungsfreiheit des Versicherers wegen unrichtiger Schadensanzeige nicht entfallen.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Die Revision beanstandet bereits zu Recht, das Berufungsgericht habe übersehen, daß bei einer Obliegenheitsverletzung Leistungsfreiheit des Versicherers nur dann eintritt, wenn er sich gegenüber dem Versicherungsnehmer darauf beruft.

a) Die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung (hier nach § 7 I Nr. 2 Satz 3 AKB i.V. mit § 6 Abs. 3 VVG) treten nicht bereits kraft Gesetzes und ohne weiteres Zutun des Versicherers ein. Vielmehr kann er über die Rechte aus einer Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers disponieren (BGH, Urteile vom 18. Dezember 1989 - II ZR 34/89 - VersR 1990, 384 unter 3; vom 24. April 1974 - IV ZR 202/72 - VersR 1974, 689 unter 2). Das beruht darauf, daß einerseits die den Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung innewohnende Verwirkungsregelung allein in seinem Interesse geschaffen worden ist, andererseits der Versicherungsvertrag ein die gegenseitige Rücksichtnahme erforderndes Vertrauensverhältnis schafft, mit dem sich die ausnahmslose Verhängung der Sanktion "Leistungsfreiheit" auch bei Verstößen geringen Gewichts nicht verträgt. Im übrigen erschiene eine von selbst eintretende Leistungsfreiheit auch aus wirtschaftlichen Erwägungen mit Blick auf Ruf und Wettbewerbsfähigkeit eines Versicherers undurchführbar und würde ihn an einer verständigen Handhabung der Verwirkungsregelung hindern. Die Inanspruchnahme des ihm eingeräumten Leistungsverweigerungsrechts hängt deshalb von einer Entschließung des Versicherers ab, die gegenüber dem Versicherungsnehmer zu erklären ist (BGH, Urteil vom 24. April 1974 aaO; vgl. auch Römer in Römer/Langheid , VVG, 2. Aufl. § 6 Rdn. 130; BK-Schwintowski, § 6 Rdn 60; Versi-

cherungsrechts-Handbuch/Heß/Höke, § 29 Rdn. 233; a.A. Prölss in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 6 Rdn 86). Aus der Erklärung muß für den Versicherungsnehmer klar hervorgehen, daß der Versicherer die Leistung gerade wegen der Obliegenheitsverletzung verweigert.

b) An einer solchen Erklärung des Versicherers feh lt es hier.
aa) Die Beklagte hat in erster Instanz den gegen d en Kläger gerichteten Vorwurf, er habe den Vorschaden am versicherten Fahrzeug bei der Diebstahlsschadensmeldung verschwiegen, allein im Zusammenhang mit der Wertberechnung des Fahrzeugs erhoben und ausgeführt, die in der Falschangabe liegende "erhebliche Verletzung der Vertragsbedingungen" wirke sich bei der Frage nach der Glaubwürdigkeit des Klägers negativ aus. Daraus konnte der Kläger nicht sicher entnehmen, ob die Beklagte, die - wovon auch das Berufungsgericht ausgeht - von dem Vorschaden Kenntnis hatte, weil sie ihn selbst reguliert hatte, darüber hinaus auch eine Leistungsfreiheit wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit geltend machen wollte oder insoweit selbst annahm, die Voraussetzungen hierfür seien möglicherweise nicht erfüllt.
bb) In zweiter Instanz hat die Beklagte nur am End e der Berufungserwiderung die falschen Angaben betreffend den Vorschaden kurz in Erinnerung gerufen, um damit erneut die Wahrheitsliebe des Klägers in Zweifel zu ziehen. Die rechtliche Konsequenz einer Leistungsverweigerung wegen Obliegenheitsverletzung wird indessen erneut nicht gezogen.

cc) Schließlich hat der Beklagtenvertreter in der mündlichen Berufungsverhandlung zum rechtlichen Hinweis des Berufungsgerichts, es komme auch eine Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung in Betracht, keine Erklärungen abgegeben. Zwar gilt grundsätzlich, daß sich eine Partei die in einer Beweisaufnahme zutage getretenen Umstände jedenfalls hilfsweise zu eigen macht, soweit diese Umstände ihre Rechtsposition zu stützen geeignet sind (vgl. dazu BGH, Urteil vom 3. April 2001 - VI ZR 203/00 - NJW 2001, 2177 unter II 1). Auf die Entschließung und Erklärung des Versicherers, die Leistung wegen einer Obliegenheitsverletzung zu verweigern, lassen sich diese Grundsätze allerdings nicht übertragen. Denn anders als in der vorgenannten Beweisaufnahmesituation , welcher zugrunde liegt, daß die Partei bereits eine bestimmte Rechtsposition eingenommen hat, steht diese Entscheidung vorliegend gerade noch aus und kann das Gericht dem Versicherer die allein von ihm zu treffende Entschließung nicht mittels eines rechtlichen Hinweises abnehmen oder gar diese Entschließung anstelle des Versicherers selbst herbeiführen.
2. Das Berufungsurteil kann auch aus einem weitere n Grund keinen Bestand haben, denn das Berufungsgericht hat die Frage nach dem Vorliegen einer Obliegenheitsverletzung und dem Verschulden des Klägers nicht ausreichend geprüft.

a) Das Berufungsgericht legt seiner Entscheidung o ffenbar zugrunde, der Beklagten sei der von ihr selbst regulierte, im Zeitpunkt der Diebstahlsmeldung erst wenige Monate zurückliegende Kaskoschaden am versicherten Fahrzeug noch bekannt gewesen. Ist aber von solcher Kenntnis der Beklagten auszugehen, so kommt eine Leistungsfrei-

heit wegen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit von vornherein nicht in Betracht.
Zwar ist § 33 Abs. 2 VVG auf die Aufklärungspflich t und die entsprechenden , Obliegenheiten begründenden Versicherungsbedingungen nicht entsprechend anwendbar. Denn diese Regelungen tragen dem Gedanken Rechnung, daß der Versicherer, um sachgemäße Entschlüsse fassen zu können, sich darauf verlassen muß, daß der Versicherungsnehmer von sich aus richtige und lückenlose Angaben über den Versicherungsfall macht. Enttäuscht der Versicherungsnehmer dieses Vertrauen , indem er vorsätzlich Fragen des Versicherers nicht oder nicht richtig beantwortet, so kann er sich hinterher nicht darauf berufen, der Versicherer habe den wahren Sachverhalt von dritter Seite rechtzeitig erfahren oder sich die erforderlichen Kenntnisse anderweitig verschaffen können (BGH, Urteil vom 24. Juni 1981 - IVa ZR 133/80 - VersR 1982,

182).


Diese strengen Anforderungen sind aber nur dann un d solange gerechtfertigt , wie der Versicherer selbst noch keine Kenntnis über die nicht angegebenen Umstände besitzt. Ist es Sinn der Aufklärungsobliegenheit , den Versicherer in die Lage zu versetzten, sachgemäße Entschlüsse fassen zu können, so setzt die Obliegenheit ein entsprechendes Aufklärungsbedürfnis voraus. Fehlt dieses, verletzen unzulängliche Angaben des Versicherungsnehmers keine schutzwürdigen Interessen des Versicherers und können deshalb auch die Sanktion der Leistungsfreiheit nicht rechtfertigen (OLG Hamm VVGE § 7 AKB Nr. 15 und ZfS 1993, 161; OLG Köln VersR 1996, 449 (LS); Knappmann in

Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 7 AKB Rdn 10; Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung 2. Aufl. § 7 AKB Rdn. 43).
Der Hinweis des Berufungsgerichts auf die Entschei dung des Kammergerichts vom 5. September 2003 (VersR 2003, 1119 f.) steht dem nicht entgegen. Dort hätte der Versicherer nach falschen Angaben des Versicherungsnehmers zu lange zurückliegenden Vorerkrankungen lediglich die Möglichkeit gehabt, nach einer Recherche in seinem Archiv und Auswertung von Versicherungsfällen, die mehr als 20 Jahre zurücklagen, herauszufinden, daß der Versicherungsnehmer bei seiner Schadensmeldung unrichtige Angaben gemacht hatte. Das Kammergericht hat zu Recht angenommen, zu einer solchen Nachforschung sei der Versicherer nicht verpflichtet.

b) Abgesehen davon tragen die Erwägungen des Beruf ungsgerichts zum Verschulden des Versicherungsnehmers den Umständen des Falles nicht vollständig Rechnung.
Zwar vermutet das Gesetz in § 6 Abs. 3 VVG zunächs t, der Versicherungsnehmer habe eine (objektiv gegebene) Obliegenheitsverletzung vorsätzlich begangen, solange er nicht in der Lage ist, einen geringeren Grad des Verschuldens nachzuweisen. Anders als das Berufungsgericht meint, liegen im vorliegenden Fall jedoch Umstände vor, die es nahe legen , jedenfalls von einem geringeren Grad des Verschuldens auszugehen , und die deshalb im Rahmen einer umfassenden Abwägung hätten geprüft werden müssen.

Zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Frag ebogen zur Schadensmeldung von einem Mitarbeiter der Beklagten nach dessen Telefongespräch mit dem Kläger ausgefüllt wurde. Bei dieser Sachlage spricht viel dafür, daß die Antwort auf die Frage nach Vorschäden von dem Mitarbeiter der Beklagten angekreuzt worden ist und der den Kläger treffende Vorwurf sich darin erschöpft, den bereits ausgefüllten Fragebogen vor Unterzeichnung nicht mehr genau durchgelesen zu haben. Dafür , daß der Kläger die Beklagte vorsätzlich über den Wert des Fahrzeuges täuschen wollte, spricht mit Blick auf die kurz zuvor erfolgte Regulierung des Kaskoschadens durch die Beklagte von vornherein wenig. Er hat sich denn auch in der Berufungsverhandlung dahin eingelassen, es habe keinen Sinn gemacht, den Vorschaden zu verschweigen, da dies ja doch "aufgekommen wäre". Er habe sich darauf verlassen, daß der Fragebogen vom Vertreter der Beklagten bereits ordnungsgemäß ausgefüllt gewesen sei. Die Erwägung des Berufungsgerichts, allein der geringe Zeitabstand zwischen dem Vorschaden und der Schadensmeldung verdeutliche das vorsätzliche Verschweigen des Vorschadens, schöpft diesen Vortrag des Klägers ersichtlich nicht aus.

c) Schließlich kommt hinzu: Selbst wenn von einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung auszugehen wäre, bliebe festzustellen, ob - abgesehen von der (dann gegebenen) generellen Eignung der Obliegenheitsverletzung , Interessen des Versicherers zu schädigen - den Kläger der Vorwurf eines erheblichen Verschuldens trifft (Relevanzrechtsprechung , vgl. die Nachweise bei Römer, aaO § 6 Rdn. 54 ff.). Unbeschadet der Beweislast des Versicherungsnehmers hätte das Berufungsgericht auch insoweit - wie zum Verschulden allgemein (vgl. dazu oben b) - so-

wohl den unstreitigen Sachverhalt wie auch die Einlassung des Klägers in seine Erwägungen einbeziehen müssen.
Da das Berufungsgericht zum Eintritt des Versicher ungsfalles keine Feststellungen getroffen hat, war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen tatrichterlichen Verhandlung zurückzuverweisen.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 106/06 Verkündetam:
17.Januar2007
Heinekamp
Justizhauptsekretär
alsUrkundsbeamter
derGeschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
AKB § 7 (I) Abs. 2 Satz 3, (V) Abs. 4; VVG § 6 Abs. 3
Erkenntnismöglichkeiten des Versicherers in der Uniwagnis-Datei lassen die Aufklärungsobliegenheit
des Versicherungsnehmers (hier: Angaben zu Vorschäden)
unberührt.
BGH, Urteil vom 17. Januar 2007 - IV ZR 106/06 - SaarländischesOLG
LG Saarbrücken
Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Wendt, Felsch und
Dr. Franke auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2007

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Saarländischen Oberlandesgerichts vom 22. März 2006 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer bei ihr gehaltenen Kraftfahrzeug -Teilversicherung wegen eines von ihm behaupteten Diebstahls seines PKW in Anspruch. Dem Versicherungsvertrag liegen Allgemeine Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) zugrunde.
2
NachDarstellungdes Klägers ereignete sich der Diebstahl seines Fahrzeugs, das zum Zeitpunkt der Entwendung noch einen Wert von 7.500 € hatte, in der Zeit vom 15. bis zum 17. Februar 2004. Am 17. Februar 2004 zeigte der Kläger den Diebstahl bei der Polizei an, am 19. Februar 2004 unterrichtete er die Beklagte telefonisch von dem Schadensfall. Der Bitte der Beklagten um Ausfüllung einer "Schadenmeldung für Fahrzeugentwendungen" sowie eines für den Sachverständigen bestimmten Schadensformulars kam der Kläger unter dem 19. März 2004 nach. In dem für die Beklagte bestimmten Formular beantwortete der Kläger die Fragen danach, ob das Fahrzeug zuvor bereits einmal beschädigt worden sei und der Kläger für diesen Schaden von dritter Seite eine Entschädigung erhalten habe, jeweils mit "nein". In dem für den Sachverständigen vorgesehenen Schadensformular vermerkte der Kläger auf die Frage nach weiteren innerhalb des letzten Jahres durchgeführten Reparaturen die Auswechslung des Zahnriemens sowie die Nachlackierung der Stoßstange; erst auf Nachfrage der Beklagten beantwortete er die Frage nach Anzahl und Art der reparierten bzw. unreparierten Vorschäden mit "keine".
3
Tatsächlich war das Fahrzeug des Klägers am 25. Oktober 2002 bei einem Verkehrsunfall beschädigt worden. Davon erfuhr die Beklagte zunächst über eine Anfrage bei der vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) geführten so genannten UniwagnisDatei. Aus dieser konnte die Beklagte entnehmen, dass wegen eines Schadens am Fahrzeug des Klägers vom 25. Oktober 2002 Ansprüche gegen den Haftpflichtversicherer erhoben, ein Reparaturschaden vorgelegen hatte und dieser nach Gutachten abgerechnet worden war. Nach Rückfrage bei jenem Haftpflichtversicherer erhielt die Beklagte am 25./26. März 2004 das damals erstellte Sachverständigengutachten, das Reparaturkosten von 2.285,28 € auswies. Daraufhin lehnte die Beklagte die vom Kläger für die behauptete Entwendung begehrte Versicherungsleistung ab, da dieser durch Nichtangabe der Vorschäden seine Obliegenheit nach § 7 (I) Abs. 2 Satz 3 AKB verletzt habe.
4
Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung von 7.000 € (Wert des entwendeten Fahrzeugs abzüglich Selbstbeteiligung) abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.


Entscheidungsgründe:


5
Die Revision hat keinen Erfolg.
6
Das I. Berufungsgericht, dessen Entscheidung unter anderem in VersR 2006, 1208 abgedruckt ist, meint, die Beklagte sei wegen Verstoßes des Klägers gegen seine Aufklärungsobliegenheit nach § 7 (I) Abs. 2 Satz 3, (V) Abs. 4 AKB i.V. mit § 6 Abs. 3 VVG leistungsfrei. Deshalb könne offen bleiben, ob das Fahrzeug des Klägers tatsächlich entwendet worden sei.
7
Der Kläger habe die Fragen nach Schäden am Fahrzeug vor dem Versicherungsfall bzw. nach erhaltenen Entschädigungsleistungen sowohl in der Schadensmeldung für die Beklagte als auch in dem für den Sachverständigen bestimmten Formular verneint und damit objektiv falsche Angaben gemacht. Die übrigen vom Kläger in der "Schadenmeldung für Fahrzeugentwendungen" vorgenommenen Eintragungen ließen den Schluss zu, dass er entgegen seiner Behauptung auch die objektiv weder irreführenden noch missverständlichen Fragen zu den Vorschäden im Fall der Entwendung verstanden habe.
8
Die Verpflichtung des Klägers zur Offenbarung von Vorschäden sei nicht dadurch entfallen, dass die Beklagte nach der Schadensanzeige bzw. Schadensmeldung Nachprüfungen angestellt habe. Das liege in der Natur der Sache; hieraus könne der Kläger zunächst nichts für sich herleiten. Aber auch der Umstand, dass die Beklagte nach Eingang von Schadensanzeige oder Schadensmeldung die vom GDV unterhaltene Uniwagnis-Datei abgerufen und Auskunft über die vom Kläger verschwiegenen Umstände verlangt habe, rechtfertige keine andere Beurteilung. Ob das Aufklärungsbedürfnis des Versicherers verneint werden könne, wenn dieser die Angaben des Versicherungsnehmers generell durch eine Recherche in dieser Datei überprüfe, sei fraglich. Das komme jedenfalls nur dann in Betracht, wenn die Datei eine umfassende und vollständige Kenntnis über alle Vorschäden verschaffe und er deshalb nicht befürchten müsse, dass mehr als das nunmehr Bekannte verschwiegen worden sei. Eine solche vollständige Informationsmöglichkeit biete die Uniwagnis-Datei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme indessen nicht. Eine Reihe vor allem kleinerer Versicherer sei an diese Datei gar nicht angeschlossen. Schon deshalb sei nicht anzunehmen, dass sie alle relevanten Daten enthalte. Abgesehen von der generellen Fehleranfälligkeit von Computerdateien aufgrund versehentlich unterbliebener Eingabe oder nicht korrekter Übertragung von Daten sei zu berücksichtigen , dass die Bestände der Uniwagnis-Datei auch systembedingt unvollständig seien. Die der Datei angeschlossenen Versicherer seien zwar gehalten, in jedem Fall einer Totalentwendung bestimmte Daten des betroffenen Kraftfahrzeugs zu melden, etwa dessen Identitätsnummer , amtliches Kennzeichen sowie Fahrzeugtyp und mögliche Beschädigungen. Der jeweilige Name des Versicherungsnehmers werde jedoch nur unter besonderen Voraussetzungen mitgeteilt, so bei Verdacht eines Betruges zum Nachteil des Versicherers. Ob aber überhaupt eine Meldung an die Datei erfolge, hänge nicht zuletzt davon ab, ob der zuständige Sachbearbeiter diese Aufgabe erfülle und die entsprechenden Daten auch korrekt übermittle. Daher sei nicht sichergestellt, dass alle ein Fahrzeug betreffenden Daten in der Datei gespeichert seien. Enthalte der Dateieintrag Namen und Telefonnummer des meldenden Versiche- rers, könne der abfragende Versicherer dort zwar nachfragen, sei aber auf die Bereitschaft zur Herausgabe dort vorhandener Informationen angewiesen , deren Übermittlung regelmäßig auch einige Zeit in Anspruch nehme. Auch im vorliegenden Fall habe die Beklagte aus der UniwagnisDatei nur erfahren, dass wegen eines Schadens vom 25. Oktober 2002 Haftpflichtansprüche geltend gemacht und auf Gutachtenbasis abgerechnet worden waren. Die weiteren Informationen einschließlich des Schadengutachtens habe sie erst auf Nachfrage von dem damaligen Haftpflichtversicherer am 25./26. März 2004 erhalten. Für die Beklagte habe daher sowohl vor als auch nach der Abfrage ein die Vorschäden betreffendes Informations- und Aufklärungsbedürfnis bestanden.
9
Die Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 VVG habe der Kläger nicht widerlegt. Auch die weiteren, im Falle einer folgenlosen Obliegenheitsverletzung erforderlichen Voraussetzungen für die Leistungsfreiheit des Versicherers seien gegeben. Der Kläger sei über den möglichen Anspruchsverlust bei unwahren bzw. unvollständigen Angaben ausreichend belehrt worden. Auch wenn der Versicherer, wie im vorliegenden Fall, die Angaben des Versicherungsnehmers regelmäßig anhand von Recherchen in der Uniwagnis-Datei auf ihre Richtigkeit zu überprüfen pflege, sei die korrekte Darstellung der Vorschäden eines angeblich entwendeten Kraftfahrzeugs durch den Versicherungsnehmer für den Versicherer von hohem Interesse für die Prüfung seiner Entschädigungspflicht, deren Verschweigen also generell geeignet, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden. Den Kläger treffe auch ein erhebliches Verschulden.
10
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
11
1. Die Revision hält dem Berufungsurteil entgegen:
12
Berufungsgericht Das verkenne, dass es im vorliegenden Falle schon an einem Aufklärungsbedürfnis der Beklagten gefehlt habe, weil ihr die aufklärungsbedürftigen Tatsachen bereits bekannt gewesen seien. Dann aber komme ein Berufen auf Leistungsfreiheit nicht in Betracht.
13
Bei der Frage, ob Kenntnis des Versicherers sein Aufklärungsbedürfnis entfallen lasse, komme es nicht darauf an, woher und auf wessen Veranlassung er diese Kenntnis erlangt habe. Es reiche auch aus, wenn er Kenntnis von Vorschäden aufgrund einer eigenen Recherche erlangt habe. Das müsse insbesondere gelten, wenn der Versicherer seine Sachbearbeiter anweise, regelmäßig eine Anfrage bei der UniwagnisDatei durchzuführen. Aus einer solchen Anweisung folge nämlich, dass der Versicherer den Angaben seiner Versicherungsnehmer zu Vorschäden grundsätzlich keinen Glauben schenke; dann aber diene die Frage nach Vorschäden in dem Schadensmeldeformular ersichtlich nicht mehr dazu, dem Versicherer die Kenntnis dieser Vorschäden zu verschaffen. Unter Berücksichtigung der hier gegebenen zeitlichen Abläufe müsse davon ausgegangen werden, dass die Beklagte schon im Zeitpunkt der Übersendung der Schadensfragebögen an den Kläger Kenntnis von Vorschäden hatte. Dass die Uniwagnis-Datei nicht zuverlässig sei und nicht in jedem Fall zu vollständigen Informationen führe, stehe nicht entgegen. Erhalte der Versicherer über die Datei Kenntnis von einem Vorschaden, seien ihm jedenfalls die konkret benannten Tatsachen als Kenntnis zuzurechnen , so dass insoweit kein Aufklärungsbedürfnis mehr bestehe. Selbst wenn also im vorliegenden Falle die Beklagte aus der Datei zunächst nur erfahren habe, dass das Fahrzeug schon zuvor einen Reparaturschaden erlitten hatte, stehe schon das einer Berufung auf Leistungs- freiheit entgegen. Denn insoweit sei die Beklagte - vergleichbar der Nachfrageobliegenheit im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit - gehalten gewesen, sich durch Nachfrage beim Haftpflichtversicherer vollständige Kenntnis zu verschaffen.
14
2. Damit kann die Revision nicht durchdringen.
15
Nach a) § 7 (I) Abs. 2 Satz 3 AKB ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestandes und zur Minderung des Schadens dienlich sein kann. Diese Obliegenheit trägt dem Gedanken Rechnung, dass der Versicherer, um sachgemäße Entschlüsse fassen zu können, sich darauf verlassen können muss, dass der Versicherungsnehmer von sich aus richtige und lückenlose Angaben über den Versicherungsfall macht. Enttäuscht der Versicherungsnehmer dieses Vertrauen, indem er vorsätzlich Fragen des Versicherers nicht oder nicht richtig beantwortet, kann er sich hinterher nicht darauf berufen , der Versicherer habe den wahren Sachverhalt noch rechtzeitig erfahren oder sich die erforderlichen Kenntnisse anderweitig verschaffen können (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 26. Januar 2005 - IV ZR 239/03 - VersR 2005, 493 unter 2 a). Denn Letzteres würde eine Verkennung der Aufklärungsobliegenheit bedeuten; sie würde in ihr Gegenteil verkehrt und in ein Recht zur Lüge verwandelt werden, wenn der zur Aufklärung gehaltene Versicherungsnehmer ihre vorsätzliche Verletzung damit rechtfertigen könnte, dass der Versicherer in der Lage gewesen sei, die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben zu durchschauen (Senatsurteil vom 24. Juni 1981 - IVa ZR 133/80 - VersR 1982, 182, 183).
16
Daraus folgt mit Blick auf die hier in Rede stehende UniwagnisDatei : Dass sich aus einer Dateiabfrage für den Versicherer Erkenntnis- möglichkeiten über vom Versicherungsnehmer aufzuklärende Umstände ergeben, lässt die Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers zunächst und grundsätzlich unberührt; solche Erkenntnismöglichkeiten lassen das Aufklärungsinteresse des Versicherers regelmäßig nicht entfallen. Die Datei ist offenkundig darauf ausgerichtet, Versicherungsbetrug entgegenzuwirken. Sie zielt mithin nicht darauf, die Aufklärungsobliegenheit des Versicherungsnehmers zu verkürzen, sondern dient dazu, deren vorsätzliche Verletzung aufzudecken. Wollte man, wie das Kammergericht (VersR 2002, 703), bereits mit der generellen Weisung des Versicherers, in Schadensfällen eine Dateiabfrage vorzunehmen, stets und sogleich das Interesse des Versicherers an Aufklärung durch seinen Versicherungsnehmer verneinen, würde der erstrebte Schutz vor Versicherungsbetrug in einen Schutz für den unredlichen Versicherungsnehmer verkehrt. Dafür sind folgende Erwägungen maßgeblich:
17
b) Erfolgt die Dateiabfrage erst nach Eingang des vom Versicherungsnehmer ausgefüllten Fragebogens des Versicherers, mit dem dieser die Aufklärungsobliegenheit näher konkretisiert - hier durch die Frage nach Vorschäden -, hat diese Abfrage von vornherein keinerlei Einfluss mehr auf das gegenüber dem Versicherungsnehmer bestehende Aufklärungsinteresse des Versicherers. Der Versicherungsnehmer hatte der Aufklärungsobliegenheit zu genügen; hat er sie vorsätzlich verletzt und wird diese Verletzung durch die Dateiabfrage aufgedeckt, liegt auf der Hand, dass durch die so erlangte Kenntnis des Versicherers nicht nachträglich und gewissermaßen rückwirkend dessen Aufklärungsbedürfnis entfallen kann.
18
Ob im vorliegenden Falle von dieser Konstellation auszugehen ist, ergibt sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht mit hin- reichender Deutlichkeit, da darin nur festgehalten wird, die Abfrage sei "nach der Schadenanzeige bzw. Schadenmeldung" erfolgt.
19
Sollte c) davon auszugehen sein, dass die Dateiabfrage bereits unmittelbar nach der (telefonischen) Schadensanzeige, also vor Eingang der vom Versicherungsnehmer beantworteten Fragen nach Vorschäden beim Versicherer erfolgt ist, lassen auch die daraus gewonnenen Erkenntnisse das Aufklärungsinteresse des Versicherers unberührt.
20
Allerdings aa) hat der Senat (Urteil vom 26. Januar 2005 aaO) ausgesprochen, ein Aufklärungsbedürfnis des Versicherers könne fehlen, wenn der Versicherer trotz der unvollständigen Angaben seines Versicherungsnehmers Kenntnis von den verschwiegenen Umständen habe. Jener Entscheidung lag zugrunde, dass dem Versicherer der nicht angegebene , erst wenige Monate zurückliegende Vorschaden (Kaskoschaden ) schon deshalb bekannt war, weil er von ihm selbst reguliert worden war. Der Versicherer hatte also - ohne dass es weiterer Nachforschungen bedurfte, zu denen der Versicherer gerade nicht gehalten war (Senatsurteil aaO unter 2 a a.E.) - unmittelbare und aktuelle eigene Kenntnis von dem verschwiegenen Umstand. Das rechtfertigte es, ein Aufklärungsbedürfnis des Versicherers mit der Folge zu verneinen, dass seine Berufung auf Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung ohne Erfolg blieb.
21
bb) Das Berufungsgericht hat dieser Entscheidung daher mit Recht entnommen, dass ein solcher Wegfall des Aufklärungsinteresses mit Blick auf eine Abfrage der Uniwagnis-Datei allenfalls und nur dann in Betracht kommen könnte, wenn dem Versicherer durch die mittels der Datei erlangten Informationen eine umfassende und vollständige Kenntnis über Vorschäden verschafft würde, er also nicht befürchten müsste, dass mehr als das nunmehr Bekannte verschwiegen wird. Nach den von der Revision unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist aber gerade das nicht der Fall; die Datei bietet derart vollständige Informationen aus den vom Berufungsgericht näher dargelegten Gründen nicht. Hinzu kommt, dass sie solche Vorschäden ohnehin nicht erfassen kann, die keinem Versicherer gemeldet wurden.
22
Soweit die Revision erwägt, der Versicherer könne - ähnlich wie bei erkennbar unvollständigen Angaben des Versicherungsnehmers im Rahmen der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit - zu einer Nachfrage gehalten sein, deren Unterlassen ihm die Sanktion der Leistungsfreiheit nehme, verkennt sie Zweck, Rechtfertigung und Grundgedanken der Aufklärungsobliegenheit, wie sie eingangs näher dargelegt sind. Es ist Sache des Versicherungsnehmers, die ihm bekannten Umstände dem Versicherer von sich aus vollständig zu offenbaren, nicht aber Sache des Versicherers, durch Nachforschungen das zu ermitteln, was ihm der Versicherungsnehmer vorsätzlich verschwiegen hat.
Terno Dr. Schlichting Wendt
Felsch Dr. Franke
Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 29.06.2005 - 14 O 365/04 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 22.03.2006 - 5 U 405/05-40- -