Bundesgerichtshof Urteil, 05. Sept. 2019 - III ZR 73/18

bei uns veröffentlicht am05.09.2019
vorgehend
Landgericht Hannover, 3 O 146/16, 08.06.2017
Oberlandesgericht Celle, 11 U 108/17, 01.03.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 73/18 Verkündet am:
5. September 2019
A n k e r
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2019:050919UIIIZR73.18.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. September 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, den Richter Reiter, die Richterinnen Dr. Arend und Dr. Böttcher sowie den Richter Dr. Kessen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 1. März 2018 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage im Hinblick auf den Vorwurf der nicht anlagegerechten Beratung abgewiesen worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an einen anderen Zivilsenat desBerufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die Klägerin beteiligte sich am 9. November 2009 mit einer Anlagesumme von 30.000 € zuzüglich Agio als mittelbare Kommanditistin an derS. GmbH & Co. KG (im Folgenden Solarfonds), die in Solarkraftwerke in Italien und Spanien investierte. Zusammen mit der Beitrittserklärung unterzeichnete sie eine Beratungsdokumentation, in der als Datum der Prospektübergabe und eines Beratungsgesprächs der 9. November 2009, mithin der Tag der Zeichnung , benannt wurde. Dort ist unter dem Punkt Anlageerfahrung das Feld "Ja. Zusätzlich erfolgte eine Aufklärung über Chancen und Risiken der konkreten Beteiligung anhand des Hauptprospekts" angekreuzt. Auf die Anlage war zuvor der Ehemann der Klägerin - Dr. B. - aufmerksam geworden, der sodann ein Beratungsgespräch mit dem damals für die Beklagte als selbständiger Handelsvertreter tätigen O. S. geführt hatte.
3
Die Anlage entwickelte sich nicht erwartungsgemäß. Die Klägerin verkaufte sie zum Preis von 5.155 € auf dem Zweitmarkt.
4
Die Klägerin hat - soweit für die Revision noch von Interesse - behauptet, die Beklagte habe über die allgemeinen und besonderen Risiken der Beteiligung , insbesondere das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung , nicht aufgeklärt. Die Beklagte, die von dem inzwischen nicht mehr bei ihr beschäftigten Berater keine Antwort auf verschiedene an ihn gerichtete Anfragen erhalten hat, hat den Inhalt der zwischen Dr. B. und O. S. geführten Gespräche mit Nichtwissen bestritten. Die Klägerin sei vielmehr über sämtliche relevanten Risiken aufgeklärt worden.
5
Das Landgericht hat der unter anderem auf Zahlung von 22.295 € nebst Zinsen gerichteten Klage mit geringen Abschlägen bei den Nebenforderungen ohne Beweisaufnahme stattgegeben, weil die Beklagte die unterbliebene Aufklärung über das unverjährte Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung gemäß § 172 Abs. 4 HGB nur unzureichend bestritten habe. Eine sol- che Aufklärung sei auch bei einer - wie hier erfolgten - Beschränkung der Haftsumme auf 10 % der Einlage erforderlich.
6
Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage insgesamt - hinsichtlich des Vorwurfs der nicht anlagegerechten Beratung als unschlüssig - abgewiesen.
7
Mit ihrer vom Senat beschränkt auf diese behauptete Pflichtverletzung zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

8
Die Revision hat im Umfang ihrer Zulassung Erfolg. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


9
Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung , im Wesentlichen ausgeführt:
10
Der Vortrag zu der behaupteten Verletzung der Pflicht zur anlagegerechten Beratung sei im Ergebnis nicht schlüssig. Die Klägerin behaupte im vorliegenden Verfahren, über kein einziges der in dem Emissionsprospekt aufgeführten Risiken - beispielsweise das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung gemäß § 172 Abs. 4 HGB - beraten worden zu sein. Dieses für sich betrachtet schlüssige Vorbringen stehe indes mit dem weiteren Akteninhalt - vor allem dem außergerichtlichen Schriftsatz ihrer damals bevollmächtigten Anwälte vom 25. Juni 2014 - in einem unauflösbaren Widerspruch. Danach habe eine Beratung "anhand des Prospekts" stattgefunden. Dies könne eigentlich nur bedeuten , dass über sämtliche aufklärungsbedürftigen Aspekte, die in dem Prospekt niedergelegt seien, aufgeklärt worden sei. Selbst wenn man davon ausginge , dass die in dem außergerichtlichen Schriftsatz gewählte Formulierung bedeuten würde, dass im Rahmen des Beratungsgesprächs lediglich einzelne der im Prospekt bezeichneten aufklärungsbedürftigen Aspekte genannt worden seien , habe die Klägerin nicht dargelegt, hinsichtlich welcher konkreten Gesichtspunkte eine Aufklärung nicht erfolgt sei. Eines diesbezüglichen Hinweises durch den Berufungssenat habe es nicht bedurft, weil dies im zweiten Rechtszug ein zentraler Streitpunkt gewesen sei. Ungeachtet dessen sei dieser Aspekt in der Berufungsverhandlung angesprochen worden. Die Klägerin habe dazu nicht persönlich angehört werden müssen.

II.


11
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
12
1. Auf der Grundlage des derzeitigen Sach- und Streitstands lässt sich nicht ausschließen, dass die Klägerin Schadensersatzansprüche gemäß § 280 BGB hat. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich die Klageabweisung nicht rechtfertigen. Das Oberlandesgericht hat sich in dem angefochtenen Urteil mit dem Sachvortrag der Klägerin nicht erschöpfend auseinandergesetzt und unter Verstoß gegen § 286 Abs. 1 ZPO erheblichen Zeugenbeweis zum Inhalt des Beratungsgesprächs nicht erhoben.
13
a) Zu der Frage, ob zwischen den Parteien ein Anlageberatungsvertrag in Form eines Vertretergeschäfts (§ 164 Abs. 2 BGB) zustande gekommen ist oder die Klägerin zumindest in den Schutzbereich eines zwischen ihrem Ehemann und der Beklagten geschlossenen Vertrages einbezogen worden ist,sie mithin aktivlegitimiert ist, hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - bislang keine Feststellungen getroffen.
14
Für die Revisionsinstanz ist daher auf der Grundlage des Klägervortrags zu unterstellen, dass zwischen den Parteien beratungsvertragliche Beziehungen bestanden, auf deren Grundlage Schadensersatzansprüche der Klägerin in Betracht kommen.
15
b) Der Anlageberater schuldet eine anleger- und objektgerechte Beratung. Er hat den Kunden rechtzeitig, richtig und sorgfältig sowie verständlich und vollständig zu beraten. In Bezug auf das Anlageobjekt muss der Anlageberater den Interessenten insbesondere über die Eigenschaften und Risiken unterrichten , die für die Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (st. Rspr., zB Senatsurteile vom 7. Februar 2019 - III ZR 498/16, WM 2019, 448 Rn. 9; vom 23. März 2017 - III ZR 93/16, WM 2017, 799 Rn. 11; vom 18. Februar 2016 - III ZR 14/15, WM 2016, 504 Rn. 15 und vom 21. März 2013 - III ZR 182/12, WM 2013, 836 Rn. 12; jeweils mwN). Der Umfang der Belehrungspflicht richtet sich nach den Umständen des konkreten Falls und hängt dabei vom Wissensstand und der Risikobereitschaft des Kunden sowie den allgemeinen und besonderen Risiken, die sich aus den Eigenheiten des Anlageobjekts ergeben, ab (vgl. zB Senatsurteile vom 7. Februar 2019 aaO Rn. 14 und vom 21. März 2013 aaO).
16
Insoweit ist grundsätzlich - auch beim Treugeber, der dem Rückgriff des Treuhandkommanditisten ausgesetzt ist - über das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB aufzuklären, und zwar ungeachtet dessen, dass die Haftsumme - wie hier - nur 10 % der Einlage betrug (Senatsurteil vom 4. Dezember 2014 - III ZR 82/14, WM 2015, 68 Rn. 10).
17
Dem lässt sich - anders als die Beklagte meint - nicht entgegenhalten, nach der vorliegenden Konzeption der Beteiligung habe kein Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung bestanden. Auf Seite 76 des Emissionsprospekts heißt es dazu vielmehr: "Gemäß Gesellschaftsvertrag beträgt die ins Handelsregister einzutragende Haftsumme 10 % der Zeichnungssumme. Gemäß Prognose lebt keine Kommanditistenhaftung durch Ausschüttungen auf."
18
Ob sich diese Prognose als zutreffend herausstellen würde, war ungewiss. Hiernach sollten die Ausschüttungen bis zu der geplanten Veräußerung der Solaranlage nach zehn Jahren bezogen auf das Kommanditkapital 80 % der Einlage betragen. Der zur Deckung der Haftsumme erforderliche Betrag der Einlage sollte unberührt bleiben. Erst bei Veräußerung der Anteile am Ende der geplanten Laufzeit sollte mit einer dann in Aussicht genommenen Gesamtausschüttung von 205 % ein die Haftsumme angreifender Verlust entstehen (vgl. Emissionsprospekt Seiten 12 und 76). Im Zeitpunkt der Zeichnung der Kapitalanlage ließ sich jedoch nicht sicher vorhersehen, ob sich dies bewahrheitet. Eine solche Entwicklung hing - worauf bereits das Landgericht zutreffend abgestellt hat - unter anderem davon ab, ob die in der Prognoserechnung vorausgesetzten Prämissen - entsprechend der geplanten Betriebsdauer und anschließenden Veräußerung der Solaranlage nach zehn Jahren - tatsächlich eintreten. Dies stand mit Blick auf die insoweit lediglich abgegebenen Absichtserklärun- gen des Betreibers und die dem Anleger erstmalig zum 31. Dezember 2034 zustehende Kündigungsmöglichkeit (vgl. Emissionsprospekt Seiten 11, 151) keineswegs fest. Ebenso wenig ließ sich ausschließen, dass die Gesellschafter höhere Ausschüttungen beschließen, bei einer Veräußerung der Anlage nach einer zehnjährigen Laufzeit Fremdverbindlichkeiten noch bestehen oder aus anderen Gründen nicht planmäßige Verluste entstehen. Der Kommanditist haftet auch nach seinem Ausscheiden oder nach Auflösung der Gesellschaft bis zur Höhe der Haftsumme für die bis dahin begründeten Gesellschaftsverbindlichkeiten (vgl. Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 172 Rn. 38). Es kann daher nicht angenommen werden, ein Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung sei ausgeschlossen gewesen. Dementsprechend ist auf Seite 17 des Prospekts das Risiko der Kommanditisten- und Treugeberhaftung auch ausdrücklich erwähnt worden.
19
c) Eine ordnungsgemäße Aufklärung kann nicht nur mündlich, sondern auch durch Übergabe von Prospektmaterial erfolgen, sofern der Prospekt nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln, und er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (zB Senatsurteile vom 7. Februar 2019 aaO Rn. 12; vom 18. Februar 2016 aaO Rn. 16 und vom 24. April 2014 - III ZR 389/12, NJW-RR 2014, 1075 Rn. 9; jeweils mwN).
20
Eine solche Aufklärung der Klägerin hat indessen nicht stattgefunden. Zwar enthält der Emissionsprospekt des Solarfonds eine inhaltlich zutreffende Aufklärung unter anderem über das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung (vgl. dort Seite 17). Er ist der Klägerin oder ihrem Ehemann jedoch schon nach den Angaben in dem persönlichen Beraterbogen zu spät, nämlich erst am Tag der Zeichnung, ausgehändigt worden. Auch in dem Beraterbogen fand sich kein gesonderter Hinweis auf dieses Risiko.
21
d) Entscheidend ist daher, ob die Klägerin beziehungsweise ihr für sie handelnder Ehemann von dem Berater anlässlich des vor der Zeichnung der Anlage geführten Gesprächs nicht über dieses Risiko aufgeklärt worden sind. Diesen von der Beklagten hinreichend bestrittenen Vortrag (vgl. zu den Anforderungen an das wirksame Bestreiten bei verschiedenen Fallgestaltungen Senatsurteile vom 19. Oktober 2017 - III ZR 565/16, BGHZ 216, 245 Rn. 21 ff und vom 15. August 2019 - III ZR 205/17, Umdruck Seite 12 unten ff - zur Veröffentlichung vorgesehen) hat die Klägerin unter Beweis durch das Zeugnis ihres Ehemanns und des Beraters S. gestellt. Diesen erheblichen Beweisantritt hat das Berufungsgericht zu Unrecht als unbeachtlich angesehen, weil es den zugrunde liegenden - für sich betrachtet auch nach seiner Auffassung den Substantiierungsanforderungen genügenden - prozessualen Sachvortrag der Klägerin rechtsfehlerhaft wegen Widersprüchlichkeit zu ihrer außergerichtlichen Einlassung für unschlüssig gehalten hat.
22
Das Berufungsurteil beruht auf diesem von der Revision zutreffend gerügten Verfahrensfehler.
23
(1) Bereits die Auslegung des Schreibens der von der Klägerin mit ihrer außergerichtlichen Vertretung beauftragten Rechtsanwälte vom 25. Juni 2014 durch das Berufungsgericht, darin sei zum Ausdruck gebracht worden, die Klägerin oder ihr Ehemann hätten anhand des Prospekts eine umfassende Aufklärung über die Risiken der Kapitalanlage, so auch über das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung, erfahren, ist rechtsfehlerhaft. Die Vorinstanz hat die von ihr für maßgeblich erachtete Passage "Letztlich konnte eine ordnungsgemäße Aufklärung auch nicht durch Verwendung des Prospekts herbeigeführt werden. Der Prospekt wurde unserer Mandantschaft nicht übergeben. Sie wurde von Herrn S. zwar anhand des Prospekts beraten, dieser nahm den Prospekt aber nach der Beratung wieder mit sich und überließ unserer Mandantin kein Exemplar"
24
unter Verstoß gegen die allgemeinen Auslegungsregeln lediglich isoliert betrachtet und den Kontext ausgeblendet.
25
In dem vorgerichtlichen Schriftsatz heißt es nach einer einführenden Darstellung, die Beteiligung sei als sichere Kapitalanlage präsentiert worden, die nur Vorteile bringe, wie folgt: "Über die tatsächlichen Risiken und Nachteile, die die Beteiligung an einem geschlossenen Solarfonds mit sich bringt, wurde unsere Mandantschaft nicht aufgeklärt. Insbesondere wurde sie nicht darauf hingewiesen, dass die ausbezahlten Ausschüttungen unter Umständen teilweise wieder zurückverlangt werden können (…)."
26
Auf Seite 4 des Schreibens ist weiter ausgeführt: "Im vorliegenden Fall wurde unsere Mandantschaft von dem Berater , Herrn S. , nicht bzw. nicht ausreichend über die Risiken der vermittelten Kapitalanlage beraten. Sie wurde nur unvollständig und irreführend, teilweise gar nicht und damit nicht in der Weise beraten, wie sie es redlicherweise erwarten konnte und wie ein Berater verpflichtet gewesen wäre. Zum Teil wurde sie sogar bewusst über die für die Investitionsentscheidung wesentlichen Umstände getäuscht. Damit liegt ein Verstoß gegen die Grundsätze der anlegergerechten Beratung vor. Da auch nicht über die der Kapitalanlage immanenten Risiken hingewiesen wurde und das Produkt nicht auf seine Plausibilität hin geprüft wurde, liegt auch keine anlagegerechte Beratung vor."
27
Hiernach ist die mangelnde Risikoaufklärung - insbesondere auch in Bezug auf das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung - bereits damals ausdrücklich beanstandet worden. Der vom Oberlandesgericht hervorgehobene Hinweis relativiert diesen Vorwurf allenfalls unwesentlich.
28
Zwar ist jenem Textteil zufolge der Emissionsprospekt bei dem Beratungsgespräch verwendet worden, wie auf dem Beraterbogen angegeben und anders als die Klägerin im vorliegenden Prozess hat vortragen lassen. Deshalb mag es zwar, wie die Vorinstanz meint, noch möglich sein, dem Wortlaut den Sinn beizulegen, dass sämtliche im Prospekt enthaltenen Risikohinweise Gegenstand des Beratungsgesprächs waren. Jedenfalls aufgrund des Zusammenhangs mit den vorstehenden Textstellen wird indessen deutlich, dass die Klägerin eine nur unzureichende Verwendung des Prospekts hat zum Ausdruck bringen wollen und damit vorgebracht hat, über wesentliche Risiken - insbesondere über das Risiko des Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung - nicht informiert worden zu sein.
29
Zudem beruht die Würdigung des Berufungsgerichts, die vorgerichtliche Sachverhaltsschilderung und das Prozessvorbringen der Klägerin stünden in einem "eklatanten" Widerspruch zueinander, auf einer unvollständigen Beurteilung des im Rechtsstreit eingereichten Schriftsatzes vom 10. Oktober 2016. Auf dessen Seite 3 hat die Klägerin vortragen lassen, eine rechtzeitige Übergabe des Emissionsprospekts sei nicht erfolgt. Dieser habe allenfalls im Rahmen des Gesprächs der Zeugen (Dr. B. und S. ) vorgelegen. Die Beratung habe anhand von Kurzflyern stattgefunden. Der Berater habe nach Vorstellung des Zeugen Dr. B. alle wesentlichen Punkte mündlich erläutert.
30
Auch nach dieser Darstellung hielt es die Klägerin zumindest für möglich, dass der Prospekt bei dem Beratungsgespräch vorgelegen hatte. Eine Divergenz zu ihrer vorgerichtlichen Schilderung besteht dementsprechend nur insofern , als sie zunächst behaupten ließ, Beratungsgrundlage sei der (vom Berater wieder mitgenommene) Emissionsprospekt gewesen, und im späteren Rechtsstreit vorgetragen hat, die Beratung sei anhand von Kurzflyern erfolgt. Da im allgemeinen Sprachgebrauch der Werbung dienende "Flyer" vielfach auch als Prospekte bezeichnet werden, handelt es sich bei den unterschiedlichen Darstellungen zur Beratungsgrundlage vor und im Rechtsstreit nur um eine Unstimmigkeit im Detail, der insbesondere vorgerichtlich ein Missverständnis zugrunde gelegen haben konnte, das im Prozess durch eine Präzisierung ausgeräumt wurde. Dies verbat es, ohne vorherige Befragung der Klägerin (siehe überdies sogar die Berufungsbegründung der Beklagten Seite 10 unten) von einem - zumal eklatanten - Widerspruch zwischen beiden Sachverhaltsschilderungen auszugehen.
31
(2) Die vorstehenden Erwägungen, die gegebenenfalls eine neue tatrichterliche Würdigung erforderlich gemacht hätten, können jedoch letztlich auf sich beruhen. Selbst wenn das Berufungsgericht nach rechtsfehlerfreier Beurteilung den Vortrag der Klägerin für widersprüchlich gehalten hätte, hätte es die Klage nicht als unschlüssig abweisen dürfen. Vielmehr hätte es gegebenenfalls die Klägerin zur Aufklärung der (möglichen) Widersprüche gemäß § 141 Abs. 1 Satz 1 ZPO persönlich anhören und die von ihr zum Verlauf des Beratungsgesprächs angebotenen Beweise erheben müssen.
32
Die Schlüssigkeit einer Klage beurteilt sich nach dem Vorbringen des Klägers im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung (BGH, Urteil vom 5. Juli 1995 - KZR 15/94, NJW 1995, 1340, 1341). Eine Partei ist nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen, wobei etwa die Prozessentwicklung Anlass geben kann, bisher nur beiläufig Vorgetragenes zu präzisieren (BGH, Urteile vom 6. Juli 2017 - IX ZR 271/16, NJOZ 2017, 1146, Rn. 18 und vom 5. November 2015 - I ZR 50/14, GRUR 2016, 705 Rn. 41 sowie vom 5. Juli 1995 aaO). Deswegen darf bei der Beurteilung der Schlüssigkeit eines Vorbringens Tatsachenvortrag nicht allein deswegen unberücksichtigt gelassen werden , weil er sich zu früherem Vorbringen in Widerspruch setzt (zB BGH, Urteil vom 6. Juli 2017 aaO). Dies gilt erst recht für einen Unterschied zwischen vorgerichtlichen Erklärungen und späterem Prozessvortrag. Vorgerichtliche Äußerungen einer Partei sind dementsprechend generell nicht geeignet, ihrem Prozessvortrag die Beachtlichkeit zu nehmen (BGH, Beschluss vom 11. April 2013 - IX ZB 170/11, WM 2013, 1030 Rn. 12). Etwaige Widersprüche können zwar im Rahmen der Beweiswürdigung Bedeutung erlangen (zB BGH, Urteile vom 6. Juli 2017 Rn. 19; vom 5. November 2015 und Beschluss vom 11. April 2013 jew. aaO). Eine entsprechende Würdigung kann jedoch regelmäßig nicht in die Schlüssigkeitsprüfung vorverlegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1995 aaO).
33
Ohnehin dürfen zu strenge Anforderungen an die Widerspruchsfreiheit des Vortrags nicht gestellt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Oktober 2014 - VIII ZR 34/14, NJW-RR 2015, 910 Rn. 14). Bei Konsistenz des Kernvortrags der Partei rechtfertigen Widersprüchlichkeiten in Einzelheiten es nicht, einen angebotenen Beweis nicht zu erheben. Wird in diesem Fall ein erhebliches Beweisangebot wegen (möglicher) Widersprüche im Vortrag der beweisbelasteten Partei nicht erhoben, läuft dies im Ergebnis auf eine vorweggenommene Beweiswürdigung hinaus, die im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. BGH aaO Rn. 18).

34
Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung verbliebene Widersprüche bei Konsistenz des Kernvorbringens sind vielmehr ebenfalls in der gebotenen Beweisaufnahme zu klären und im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteile vom 6. Juli 2017 aaO und vom 5. November 2015 aaO).
35
Es kann dahinstehen, ob es besondere Fallgestaltungen geben kann, in denen der prozessuale Sachvortrag einer Partei wegen seiner Widersprüchlichkeit zu vorgerichtlichen Erklärungen von vornherein als unschlüssig zu bewerten ist. Jedenfalls in der vorliegenden Konstellation durfte die Klage nicht ohne Beweisaufnahme abgewiesen werden. Die von der Revisionserwiderung in Bezug genommenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs betreffen anders gelagerte Sachverhalte, in denen es insbesondere nicht um etwaige Widersprüche zwischen außergerichtlichem und gerichtlichem Vorbringen ging (vgl. BGH, Urteile vom 19. Dezember 1984 - I ZR 181/82, NJW 1985, 3018, 3020 und - im Ergebnis aber gerade anders - vom 15. Juni 1977 - VIII ZR 20/76, juris Rn. 19 ff, insoweit nicht abgedruckt etwa in NJW 1977, 1687).
36
(3) Die im gerichtlichen Verfahren in das Wissen der Zeugen Dr. B. und S. gestellte Behauptung der Klägerin war, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, in sich auch nicht widersprüchlich, weswegen es entgegen der Auffassung der Beklagten (unter Hinweis auf BGH, Urteile vom 14. Juni 2016 - VI ZR 334/15, BeckRS 2016, 12896 Rn. 13 und vom 14. Juli 1987 - VI ZR 199/86, NJW-RR 1987, 1469) nicht an einem ordnungsgemäßen und hinreichend bestimmten Beweisantritt fehlte.

III.

37
Das Berufungsurteil ist daher im Umfang der Revisionszulassung gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), wobei der Senat ausnahmsweise Anlass gesehen hat, von § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch zu machen. Eine eigene Sachentscheidung des Senats nach § 563 Abs. 3 ZPO kommt nicht in Betracht, denn es sind weitere Feststellungen zu dem maßgeblichen Klägervortrag zu treffen.
Herrmann Reiter Arend
Böttcher Kessen
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 08.06.2017 - 3 O 146/16 -
OLG Celle, Entscheidung vom 01.03.2018 - 11 U 108/17 -

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(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 141 Anordnung des persönlichen Erscheinens


(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 164 Wirkung der Erklärung des Vertreters


(1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen

Handelsgesetzbuch - HGB | § 172


(1) Im Verhältnis zu den Gläubigern der Gesellschaft wird nach der Eintragung in das Handelsregister die Einlage eines Kommanditisten durch den in der Eintragung angegebenen Betrag bestimmt. (2) Auf eine nicht eingetragene Erhöhung der aus dem Ha

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Bundesgerichtshof Urteil, 24. Apr. 2014 - III ZR 389/12

bei uns veröffentlicht am 24.04.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 389/12 Verkündet am: 24. April 2014 B o t t Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand

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(1) Im Verhältnis zu den Gläubigern der Gesellschaft wird nach der Eintragung in das Handelsregister die Einlage eines Kommanditisten durch den in der Eintragung angegebenen Betrag bestimmt.

(2) Auf eine nicht eingetragene Erhöhung der aus dem Handelsregister ersichtlichen Einlage können sich die Gläubiger nur berufen, wenn die Erhöhung in handelsüblicher Weise kundgemacht oder ihnen in anderer Weise von der Gesellschaft mitgeteilt worden ist.

(3) Eine Vereinbarung der Gesellschafter, durch die einem Kommanditisten die Einlage erlassen oder gestundet wird, ist den Gläubigern gegenüber unwirksam.

(4) Soweit die Einlage eines Kommanditisten zurückbezahlt wird, gilt sie den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet. Das gleiche gilt, soweit ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist, oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird. Bei der Berechnung des Kapitalanteils nach Satz 2 sind Beträge im Sinn des § 268 Abs. 8 nicht zu berücksichtigen.

(5) Was ein Kommanditist auf Grund einer in gutem Glauben errichteten Bilanz in gutem Glauben als Gewinn bezieht, ist er in keinem Falle zurückzuzahlen verpflichtet.

(6) Gegenüber den Gläubigern einer Gesellschaft, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, gilt die Einlage eines Kommanditisten als nicht geleistet, soweit sie in Anteilen an den persönlich haftenden Gesellschaftern bewirkt ist. Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Eine Willenserklärung, die jemand innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen abgibt, wirkt unmittelbar für und gegen den Vertretenen. Es macht keinen Unterschied, ob die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgen soll.

(2) Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.

(3) Die Vorschriften des Absatzes 1 finden entsprechende Anwendung, wenn eine gegenüber einem anderen abzugebende Willenserklärung dessen Vertreter gegenüber erfolgt.

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1. Unstreitig ist zwischen den Parteien ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen. Der Anlageberater ist - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - zur anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet. Er hat den Kunden rechtzeitig, richtig und sorgfältig sowie verständlich und vollständig zu beraten. In Bezug auf das Anlageobjekt muss der Anlageberater den Interessenten insbesondere über die Eigenschaften und Risiken unterrichten, die für die Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (st. Rspr., zB Senat, Urteile vom 23. März 2017 - III ZR 93/16, WM 2017, 799 Rn. 11; vom 18. Februar 2016 - III ZR 16/15, WM 2016, 504 Rn. 15; vom 4. Dezember 2014 - III ZR 82/14, WM 2015, 68 Rn. 9 sowie vom 24. April 2014 - III ZR 389/12, NJW-RR 2014, 1075 Rn. 9; jeweils mwN).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Sitz in Darmstadt vom 22. Januar 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage im Hinblick auf den Vorwurf nicht anlegergerechter Beratung abgewiesen worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatzansprüche wegen Beratungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Zeichnung von Genussrechtsbeteiligungen an der inzwischen insolventen I.                                                     mbH (zuletzt H.               GmbH) vom 19. August, 17. September und 6. Dezember 2007 geltend.

2

Das Landgericht hat der Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme im Wesentlichen stattgegeben. Hierbei ist der Einzelrichter, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, davon ausgegangen, dass die Beratung der Klägerin nicht anlegergerecht gewesen sei. Denn diese habe eine sichere Anlage für ihre Altersvorsorge gewollt. Die für die Beklagte tätige Beraterin K.     habe die Beteiligungen als sicher und risikolos empfohlen, obwohl es sich um ein spekulatives Anlageprodukt mit bestehendem und sich vorliegend auch realisiertem Totalverlustrisiko gehandelt habe. Der Anspruch auf Schadensersatz sei nicht verjährt. Soweit sich im kleingedruckten Text der Zeichnungsscheine auch Risikohinweise befänden, stehe fest, dass die Klägerin den Text bei der Unterzeichnung nicht gelesen und deshalb die Diskrepanz zur erfolgten Beratung nicht erkannt habe. Das Verhalten der Klägerin sei insoweit allenfalls als normal fahrlässig einzustufen, sodass die Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht vorlägen.

3

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, das Unterschreiben der Zeichnungsscheine ohne vorherige Lektüre des Inhalts sei grob fahrlässig. Hiergegen richtet sich die vom Senat beschränkt auf den Vorwurf der nicht anlegergerechten Beratung zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe

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Die Revision führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Hierbei war über das Rechtsmittel antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht aber inhaltlich nicht auf der Säumnis der Beklagten, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstands (vgl. nur Senat, Versäumnisurteil vom 10. November 2016 - III ZR 235/15, WM 2017, 280 Rn. 18 mwN).

I.

5

Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, im Wesentlichen ausgeführt:

6

Die erstinstanzlichen Feststellungen zu Grund und Höhe des Anspruchs könnten dahinstehen, da die Klageforderung jedenfalls verjährt sei. Das Landgericht habe eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Tatsachen im Jahre 2007 verneint, da keine Veranlassung oder Verpflichtung bestanden habe, die Zeichnungsscheine zu lesen. Diese Auffassung teile das Berufungsgericht nicht. In den Scheinen fänden sich Hinweise auf die Risiken der Anlage als Unternehmensbeteiligung. Es sei mit Rechtssicherheitsgesichtspunkten unvereinbar, wiederholt Verträge zu unterzeichnen und später dann deren Verbindlichkeit mit dem Hinweis zu leugnen, die Erklärungen nicht gelesen und mithin bewusst gegen eigene Interessen die Augen vor deren Inhalt verschlossen zu haben. Die Klägerin hätte die Scheine als Minimalanforderung der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten lesen müssen. Dann wäre sofort der Widerspruch zum Inhalt der Beratung aufgefallen. Der Klägerin sei bewusst gewesen, dass sie sich zur Hingabe von Geld gegen Empfang eines Anlageprodukts verpflichtet habe. Die Scheine enthielten insoweit eine rechtsgeschäftliche Erklärung. Es gebe keinen Grund, die Unterschrift als unverbindlich und rechtsfolgenlos anzusehen. Ihre Willenserklärung müsse sich die Klägerin vielmehr ähnlich wie bei einer Blankounterschrift zurechnen lassen.

II.

7

Das angefochtene Urteil hält im Umfang der beschränkten Revisionszulassung der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

8

1. Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben. Dem Gläubiger muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung, eine schwere Form von "Verschulden gegen sich selbst" vorgeworfen werden können. Sein Verhalten muss schlechthin "unverständlich" beziehungsweise "unentschuldbar" sein. Hierbei unterliegt die Feststellung, ob die Unkenntnis des Gläubigers von verjährungsauslösenden Umständen auf grober Fahrlässigkeit beruht, als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung einer Überprüfung durch das Revisionsgericht dahingehend, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften gewürdigt worden ist, und ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grads des Verschuldens wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (vgl. nur Senatsurteile vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 27 f und vom 17. März 2016 - III ZR 47/15, WM 2016, 732 Rn. 10 f; jeweils mwN).

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2. Die Würdigung des Oberlandesgerichts ist insoweit nicht frei von Rechtsfehlern.

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Zwar handelt es sich bei der Zeichnung der Beteiligungen um rechtsverbindliche Willenserklärungen. Dies reicht aber für sich allein nicht aus, um zum Nachteil des Anlegers automatisch den Vorwurf grober Fahrlässigkeit bei unterlassener Lektüre des kleingedruckten Inhalts der Zeichnungsscheine zu rechtfertigen. Vielmehr darf insoweit der Kontext, in dem es zu den Zeichnungen gekommen ist, nicht ausgeblendet werden.

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Im Rahmen der von einem Anlageberater geschuldeten anlegergerechten Beratung müssen die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden berücksichtigt und insbesondere das Anlageziel, die Risikobereitschaft und der Wissensstand des Anlageinteressenten abgeklärt werden. Die empfohlene Anlage muss unter Berücksichtigung des Anlageziels auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten sein (vgl. nur Senat, Urteil vom 11. Dezember 2014 - III ZR 365/13, WM 2015, 128 Rn. 13 mwN). In Bezug auf das Anlageobjekt ist der Berater verpflichtet, den Kunden rechtzeitig, richtig und sorgfältig sowie verständlich und vollständig zu beraten. Insbesondere muss er den Interessenten über die Eigenschaften und Risiken unterrichten, die für die Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (vgl. nur Senat, Urteil vom 18. Februar 2016 - III ZR 14/15, WM 2016, 504 Rn. 15 mwN). Insoweit besteht bei einem Anleger, der die besonderen Erfahrungen und Kenntnisse eines Beraters in Anspruch nimmt, die berechtigte Erwartung, dass er die für seine Entscheidung notwendigen Informationen in dem Gespräch mit dem Berater erhält. Der Anleger darf grundsätzlich auf die Ratschläge, Auskünfte und Mitteilungen, die der Berater ihm in der persönlichen Besprechung unterbreitet, vertrauen. Er muss regelmäßig nicht damit rechnen, dass er aus dem Text eines Zeichnungsscheins, der ihm nach Abschluss der Beratung zum (formalen) Vollzug der bereits getroffenen Anlageentscheidung vorgelegt wird, substantielle Hinweise auf Eigenschaften und Risiken der Kapitalanlage erhält. Erst recht muss er nicht davon ausgehen, dass von ihm zur Vermeidung des Vorwurfs grober Fahrlässigkeit erwartet wird, den Text durchzulesen, um die erfolgte Beratung auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Die unterlassene Lektüre ist daher in einer solchen Situation für sich allein genommen nicht schlechthin "unverständlich" oder "unentschuldbar" und begründet deshalb im Allgemeinen kein in subjektiver und objektiver Hinsicht "grobes Verschulden gegen sich selbst". Eine andere Beurteilung kann etwa dann in Betracht kommen, wenn der Berater den Anleger ausdrücklich darauf hinweist, er solle den Text vor Unterzeichnung durchlesen, und er dem Kunden die hierzu erforderliche Zeit lässt oder wenn in deutlich hervorgehobenen, ins Auge springenden Warnhinweisen auf etwaige Anlagerisiken hingewiesen wird oder wenn der Anleger auf dem Zeichnungsschein gesonderte Warnhinweise zusätzlich unterschreiben muss.

12

Der vom Landgericht aufgrund der Beweisaufnahme festgestellte konkrete Ablauf der Beratung der Klägerin bietet insoweit keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme grober Fahrlässigkeit. Hierbei war das Oberlandesgericht im Rahmen des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die von der 1. Instanz festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründeten und eine erneute Feststellung geboten. Soweit einzelne Formulierungen im angefochtenen Urteil nahelegen, dass der Einzelrichter die Beweiswürdigung für zweifelhaft erachtet hat, hätte er die Beweisaufnahme wiederholen müssen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 30. November 2011 - III ZR 165/11 Rn. 5 f, auch zu hier nicht einschlägigen Ausnahmen). Da dies nicht geschehen ist, musste er von dem Beweisergebnis ausgehen. Insoweit hat das Landgericht unter anderem festgestellt, dass die Zeugin K.    im Anschluss an das Beratungsgespräch und die bereits getroffene Anlageentscheidung jeweils den Zeichnungsschein ausgefüllt und ihn der Klägerin dann nur noch zur Unterschrift vorgelegt hat, wobei keine Hinweise mehr erfolgten und keine Erörterung inhaltlicher Art mehr stattfand. Ein solcher Ablauf leuchtet auch unmittelbar ein. Denn da die Zeugin selbst eingeräumt hat, die Klägerin unzutreffend beraten zu haben, hatte sie keinerlei Interesse daran, dass die Klägerin zeitlich ausreichend Gelegenheit erhielt, den kleingedruckten Text im Einzelnen zu lesen. Wird in einer solchen Situation der Schein nur kurz zur Unterschrift und nicht länger zur eingehenden Lektüre vorgelegt, kann im Kontext der Zeichnungen nicht von grober Fahrlässigkeit gesprochen werden.

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3. Da die verjährungsrechtliche Begründung des Berufungsgerichts das angefochtene Urteil nicht trägt, ist die Entscheidung aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe von einem an diesem Gericht zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des Versäumnisurteils durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.

Die Einspruchsschrift muss das Urteil, gegen das der Einspruch gerichtet wird, bezeichnen und die Erklärung enthalten, dass und, wenn der Rechtsbehelf nur teilweise eingelegt werden soll, in welchem Umfang gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde.

In der Einspruchsschrift sind die Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, vorzubringen. Auf Antrag kann der Vorsitzende des erkennenden Senats die Frist für die Begründung verlängern. Bei Versäumung der Frist für die Begründung ist damit zu rechnen, dass das nachträgliche Vorbringen nicht mehr zugelassen wird.

Im Einzelnen wird auf die Verfahrensvorschriften in § 78, § 296 Abs. 1, 3, 4, § 338, § 339 und § 340 ZPO verwiesen.

Seiters      

        

Reiter      

        

Liebert

        

Pohl      

        

Arend      

        

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2. Im Einklang mit der Senatsrechtsprechung ist das Berufungsgericht ferner zutreffend davon ausgegangen, dass ein Anlageberater in Bezug auf das Anlageobjekt verpflichtet ist, den Kunden rechtzeitig, richtig und sorgfältig sowie verständlich und vollständig zu beraten. Insbesondere muss er den Interessenten über die Eigenschaften und Risiken unterrichten, die für die Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteile vom 24. April 2014 - III ZR 389/12, NJW-RR 2014, 1075 Rn. 9 mwN und vom 4. Dezember 2014 - III ZR 82/14, WM 2015, 68 Rn. 9). Dementsprechend gehört es zu den Pflichten eines Anlageberaters, über das Risiko aufzuklären, dass die Kommanditistenhaftung der Anleger trotz vollständig erbrachter Einlageleistung unter den Voraussetzungen des § 172 Abs. 4 HGB wieder auflebt (Senatsurteile vom 22. Juli 2010 - III ZR 203/09, NJW-RR 2010, 1620 Rn. 20, 23 und vom 4. Dezember 2014 aaO). Die diesbezügliche Aufklärungspflicht ergibt sich daraus, dass die an den Anleger erfolgte Auszahlung (Ausschüttung) durch den Fonds nicht sicher ist, sondern gegebenenfalls zurückgezahlt werden muss. Das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung stellt ein strukturelles Risiko dar, das dem Anleger gegenüber gesondert aufklärungsbedürftig ist. Die wieder auflebende Kommanditistenhaftung hat erhebliche Auswirkungen auf die prognostizierte Rendite, die nachträglich wieder entfallen oder verringert werden kann. Da diese Renditeerwartung regelmäßig wesentlicher Maßstab für die Beurteilung der Anlage ist, kommt dem Risiko der wieder auflebenden Kommanditistenhaftung im Regelfall besondere Bedeutung für die Anlageentscheidung zu. Im Rahmen des Anlageberatungsgesprächs muss deshalb darüber aufgeklärt werden, da es in die Entscheidung des Anlegers gestellt ist, welche Bedeutung er diesem Risiko bei der ins Auge gefassten Kapitalanlage beimessen will (Senatsurteil vom 4. Dezember 2014 aaO Rn. 10).
12
a) Der Anlageberater ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet. Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und Entwicklung des Kapitalmarkts sowie die speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben könnten (Senatsurteil vom 1. Dezember 2011 - III ZR 56/11, NJW 2012, 380 Rn. 9 f; BGH, Urteil vom 27. September 2011 - XI ZR 178/10, NJW-RR 2012, 43 Rn. 23 jeweils mwN). Weitergehende Pflichten ergäben sich für die Beklagte zu 1 auch dann nicht, wenn zwischen ihr und der Klägerin nur ein Auskunftsvertrag zustande gekommen wäre.

(1) Im Verhältnis zu den Gläubigern der Gesellschaft wird nach der Eintragung in das Handelsregister die Einlage eines Kommanditisten durch den in der Eintragung angegebenen Betrag bestimmt.

(2) Auf eine nicht eingetragene Erhöhung der aus dem Handelsregister ersichtlichen Einlage können sich die Gläubiger nur berufen, wenn die Erhöhung in handelsüblicher Weise kundgemacht oder ihnen in anderer Weise von der Gesellschaft mitgeteilt worden ist.

(3) Eine Vereinbarung der Gesellschafter, durch die einem Kommanditisten die Einlage erlassen oder gestundet wird, ist den Gläubigern gegenüber unwirksam.

(4) Soweit die Einlage eines Kommanditisten zurückbezahlt wird, gilt sie den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet. Das gleiche gilt, soweit ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist, oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird. Bei der Berechnung des Kapitalanteils nach Satz 2 sind Beträge im Sinn des § 268 Abs. 8 nicht zu berücksichtigen.

(5) Was ein Kommanditist auf Grund einer in gutem Glauben errichteten Bilanz in gutem Glauben als Gewinn bezieht, ist er in keinem Falle zurückzuzahlen verpflichtet.

(6) Gegenüber den Gläubigern einer Gesellschaft, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, gilt die Einlage eines Kommanditisten als nicht geleistet, soweit sie in Anteilen an den persönlich haftenden Gesellschaftern bewirkt ist. Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

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3. Soweit das Berufungsgericht hier eine Pflicht zur Aufklärung verneint, weil die Haftung des Anlegers - entweder unmittelbar als Kommanditist oder mittelbar als Treugeber, der dem Rückgriff des Treuhandkommanditisten ausgesetzt ist - nach § 172 Abs. 4 HGB auf 10 % des eingetragenen Haftkapitals begrenzt sei (so auch Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 19. Dezember 2013 - 5 U 158/11 Umdruck S. 19 f und Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 4. April 2012 - 5 U 52/11, juris Rn. 38), hält dies einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Aufklärungspflicht des Anlageberaters im Hinblick auf das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung nach § 172 Abs. 4 HGB ist darin begründet, dass die an den Anleger erfolgte Auszahlung durch den Fonds nicht sicher ist, sondern gegebenenfalls zurückbezahlt werden muss. Dieses Risiko unterscheidet sich auch von demjenigen des allgemeinen Verlustrisikos, über das daneben aufzuklären ist. Die wieder auflebende Kommanditistenhaftung hat erhebliche Auswirkungen auf die prognosti- zierte Rendite, die nachträglich wieder entfallen oder verringert werden kann. Diese Renditeerwartung des Anlegers ist regelmäßig wesentlicher Maßstab für die Beurteilung der Anlage. Deshalb kann dem Risiko der wieder auflebenden Kommanditistenhaftung eine Bedeutung für die Anlageentscheidung nicht abgesprochen werden, auch wenn es auf 10 % des Anlagebetrags begrenzt ist. Es ist deshalb aufklärungspflichtig im Rahmen eines Anlageberatungsgesprächs , da es dem Anleger überlassen werden muss, welche Bedeutung er diesem Risiko bei seiner Anlageentscheidung geben will.
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1. In Bezug auf das Anlageobjekt muss der Anlageberater rechtzeitig, richtig und sorgfältig, dabei für den Kunden verständlich und vollständig beraten. Insbesondere muss er den Interessenten über die Eigenschaften und Risiken unterrichten, die für die Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (vgl. z.B. Senatsurteile vom 19. Juni 2008 - III ZR 159/07, BeckRS 2008, 13080 Rn. 7 und vom 18. Januar 2007 - III ZR 44/06, NJW-RR 2007, 621, 622 Rn. 10, jew. mwN). Eine ordnungsgemäße Beratung kann dabei auch durch Übergabe von Prospektmaterial erfolgen, sofern der Prospekt nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln und er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (vgl. z.B. Senatsurteile vom 14. April 2011 - III ZR 27/10, NJW-RR 2011, 1139 Rn. 7; vom 19. November 2009 - III ZR 169/08, BKR 2010, 118, 120 Rn. 24 und vom 18. Januar 2007 aaO).
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a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trägt derjenige , der eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet, hierfür die Darlegungs- und Beweislast; die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelnen beraten beziehungsweise aufgeklärt worden sein soll; dem Anspruchsteller obliegt sodann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft (z.B. Senat, Urteile vom 20. Juli 2017 - III ZR 296/15, WM 2017, 1702 Rn. 12; vom 5. Mai 2011 - III ZR 84/10, juris Rn. 17 und vom 11. Mai 2006 - III ZR 205/05, WM 2006, 1288 Rn. 7; BGH, Urteile vom 14. Juli 2009 - XI ZR 152/08, NJW 2009, 3429 Rn. 38 und vom 24. Januar 2006 - XI ZR 320/04, BGHZ 166, 56 Rn. 15).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 205/17
Verkündet am:
15. August 2019
P e l l o w s k i
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 675, 252; VV RVG Nr. 2300, 3100

a) Zur ordnungsgemäßen Risikoaufklärung des Anlegers bei der Zeichnung
von Beteiligungen an geschlossenen Fonds und der diesbezüglichen Verteilung
der Darlegungs- und Beweislast.

b) Verlangt der Anleger den Ersatz entgangener Anlagezinsen, so muss er
darlegen, für welche konkrete Form der Kapitalanlage er sich alternativ
entschieden hätte (Bestätigung von Senat, Urteil vom 16. Mai 2019 - III ZR
176/18, WM 2019, 1203, 1207 Rn. 30 und Anschluss an BGH, Urteil vom
24. April 2012 - XI ZR 360/11, NJW 2012, 2266 Rn. 13).

c) Zur Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.
BGH, Urteil vom 15. August 2019 - III ZR 205/17 - OLG Celle
LG Hannover
ECLI:DE:BGH:2019:150819UIIIZR205.17.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 15. August 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Tombrink, Dr. Remmert und Reiter sowie die Richterin Dr. Arend

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 8. Juni 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.
Die Anschlussrevision der Klägerin gegen das vorbezeichnete Urteil wird zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Klägerin nimmt die Beklagte teils aus eigenem Recht, teils aus übergegangenem Recht ihres im Jahre 2012 verstorbenen Ehemanns, den sie allein beerbt hat, unter dem Vorwurf einer fehlerhaften Kapitalanlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die Klägerin (Fonds Nr. 1-8) und ihr Ehemann (Fonds Nr. 9) zeichneten in den Jahren 2007 und 2008 auf Empfehlung der im nachfolgenden Rechtsstreit als Zeugin vernommenen Antje G. , die Vertriebsdirektorin und Handelsvertreterin der Beklagten war, folgende neun Beteiligungen an geschlossenen Fonds: A. Patentfonds GmbH & Co. KG Zeichnung am 31. August 2007 durch die Klägerin; Beteiligungssumme: 25.000 € zuzüglich 1.250 € Agio ("Fonds Nr. 1") B. P. E. G. F. VI GmbH & Co.KG Zeichnung am 13. September 2007 durch die Klägerin; Beteiligungs- summe: 25.000 € zuzüglich 1.250 € Agio ("Fonds Nr. 2") B. G. F. III D. GmbH & Co. KG Zeichnung am 13. September 2007 durch die Klägerin; Beteiligungs- summe: 10.000 € zuzüglich 500 € Agio ("Fonds Nr. 3") B. R. USA 6, L.P. Zeichnung am 17. Januar 2008 durch die Klägerin; Beteiligungssumme: 40.000 US-$ zuzüglich 1.200 US-$ Agio ("Fonds Nr. 4") B. P. E. N. M. F. GmbH & Co. KG Zeichnung am 17. Januar 2008 durch die Klägerin; Beteiligungssumme: 50.000 € zuzüglich 2.500 € Agio ("Fonds Nr. 5") B. G. F. IV D. GmbH & Co. KG Zeichnung am 17. Juni 2008 durch die Klägerin; Beteiligungssumme: 30.000 € zuzüglich 1.500 € Agio ("Fonds Nr. 6") B. T. S. F. III Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG Zeichnung am 17. Juli 2008 durch die Klägerin; Beteiligungssumme: 40.000 € zuzüglich 2.000 € Agio ("Fonds Nr. 7") A. F. (M. ) Zeichnung am 17. Juli 2008 durch die Klägerin; Beteiligungssumme: 30.000 € zuzüglich 1.500 € Agio ("Fonds Nr. 8") A. F. (M. ) Zeichnung am 27. Juli 2008 durch den Ehemann der Klägerin; Beteili- gungssumme: 45.000 € zuzüglich 2.500 € Agio ("Fonds Nr. 9").
3
Die Klägerin begehrt die Rückabwicklung dieser Fondsbeteiligungen (Anträge zu A 1a, 2a, 3a, 4a, 5a, 6a, 7a, 8a und 9a), die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Anträge zu A 1b, 2b, 3b, 4b, 5b, 6b, 7b, 8b und 9b), den Ersatz entgangener Anlagezinsen von jährlich 2 % (Anträge zu A 1c, 2c, 3c, 4c, 5c, 6c, 7c, 8c und 9 c), die Feststellung der Pflicht der Beklagten zur Freistellung von allen Schäden und Nachteilen, insbesondere von Rückforderungsansprüchen gemäß § 172 Abs. 4 HGB (Anträge zu A 1d, 2d, 3d, 4d, 5d, 6d, 7d, 8d und 9d), sowie die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Antrag zu B).
4
Sie hat geltend gemacht, es sei weder anleger- noch anlagegerecht beraten worden. Die Fondsbeteiligungen hätten der angegebenen Risikoklasse ("sicherheitsorientiert") und den Anlagezielen (Altersvorsorge ohne Verlustrisiko bei jederzeitiger Verfügbarkeit) nicht entsprochen. Über die Risiken der Anlagen sei in den Beratungsgesprächen nicht aufgeklärt worden. Die Anlageprospekte seien erst am Beratungstag nach der Unterzeichnung der Beitrittserklärung übergeben worden. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätten sie und ihr Ehemann die Fondsbeteiligungen nicht gezeichnet.
5
Die Beklagte hat - soweit im dritten Rechtszug noch von Bedeutung - ihre Passivlegitimation bestritten und entgegnet, bei den Beratungen habe es sich um Eigengeschäfte der Zeugin G. gehandelt. Diese habe im Übrigen anlegergerecht beraten und über sämtliche Anlagerisiken aufgeklärt. Die Emissionsprospekte habe die Beraterin jeweils zwei Wochen vor der Zeichnung oder bei dem vorhergehenden Beratungsgespräch übergeben. Die Zeugin G. sei inzwischen nicht mehr bei ihr, der Beklagten, beschäftigt. Auf schriftliche Nachfragen habe die Zeugin nicht reagiert. Die Beklagte hat gemeint, sie dürfe die von der Klägerin behaupteten Zeitpunkte der Prospektübergaben daher mit Nichtwissen bestreiten. Die Prospekte klärten hinreichend über die Risiken der Fondsbeteiligungen auf.
6
Das Landgericht hat die Klage nach eidlicher Vernehmung der Zeugin G. und persönlicher Anhörung der Klägerin abgewiesen.
7
Im Berufungsverfahren hat die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen und den Rechtsstreit hinsichtlich zwischenzeitlich erfolgter Ausschüttungen für die Fonds Nr. 2, 5 und 6 in Höhe von insgesamt 6.450 € in der Hauptsache für erledigt erklärt; die Beklagte hat sich dieser Erledigungserklärung nicht angeschlossen.
8
Das Oberlandesgericht hat das Ersturteil auf die Berufung der Klägerin teilweise abgeändert. Hinsichtlich der auf Rückabwicklung gerichteten Zahlungsanträge betreffend die Fonds Nr. 1-8 (Klageanträge zu A 1a, 2a, 3a, 4a, 5a, 6a, 7a und 8a) hat es der Klage - soweit sie nicht zurückgenommen und der Rechtsstreit nicht von der Klägerin teilweise für erledigt erklärt worden war - stattgegeben. Ebenso stattgegeben hat es den hiermit verbundenen Anträgen auf Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Klageanträge zu A 1b, 2b, 3b, 4b, 5b, 6b, 7b und 8b) sowie hinsichtlich der Fonds Nr. 2, 3, 5 und 6 den Anträgen auf Feststellung der Pflicht der Beklagten zur Freistellung von allen Schäden und Nachteilen, insbesondere von Rückforderungsansprüchen gemäß § 172 Abs. 4 HGB (Klageanträge zu A 2d, 3d, 5d und 6d). Weiterhin hat es festgestellt, dass der Rechtsstreit entsprechend dem Antrag der Klägerin teilweise (nämlich: hinsichtlich der Klageanträge zu A 2a in Höhe von 2.000 €, zu A 5a in Höhe von 2.200 € und zu A 6a in Höhe von 2.250 €) in der Hauptsache erledigt sei. Die Klage betreffend den Fonds Nr. 9 (Klageanträge zu A 9a bis 9d), auf Erstattung von jeweiligen Zinsausfallschäden in Höhe von jährlich 2 % (Klageanträge zu A 1c, 2c, 3c, 4c, 5c, 6c, 7c und 8c), auf Feststellung der Pflicht der Beklagten zur Freistellung von allen Schäden und Nachteilen, insbesondere von Rückforderungsansprüchen gemäß § 172 Abs. 4 HGB, betreffend die Fonds Nr. 1, 4, 7 und 8 (Klageanträge zu A 1d, 4d, 7d und 8d) sowie auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Klageantrag zu B) hat es abgewiesen.
9
Gegen die teilweise Klagestattgabe wendet sich die Beklagte mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision. Die Klägerin hat ihrerseits im Umfang der Klageabweisung - nach erfolgloser NichtzulassungsbeschwerdeAnschlussrevision eingelegt.

Entscheidungsgründe


10
Die Revision der Beklagten ist begründet und führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht. Die Anschlussrevision der Klägerin bleibt demgegenüber ohne Erfolg.

I.


11
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
12
Die Klage auf Ersatz eines Zinsausfallschadens (Anträge zu A 1c, 2c, 3c, 4c, 5c, 6c, 7c, 8c und 9c) sei unbegründet, weil die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht konkret dargelegt habe, wie sie das eingesetzte Kapital anderweitig verwendet hätte. Auch ein Anspruch auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Antrag zu B) stehe der Klägerin nicht zu. Sie habe nicht dargelegt, dass ihr Prozessbevollmächtigter zunächst nur den Auftrag zur außergerichtlichen Vertretung oder lediglich einen bedingten Prozessauftrag erhalten habe, wie es für einen schlüssigen Vortrag erforderlich gewesen sei. Der vorgelegten Vollmacht vom 7. April 2014, die sich ausdrücklich auf die Prozessführung bezogen habe, sei kein auf die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen beschränkter Auftrag zu entnehmen. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung behauptet habe, das Mandat sei zunächst ausdrücklich auf die außergerichtliche Tätigkeit beschränkt gewesen, sei dies lediglich für das Innenverhältnis bedeutsam. Hinsichtlich der Feststellung der Verpflichtung zur Freistellung von Rückforderungsansprüchen gemäß § 172 Abs. 4 HGB betreffend die Fonds Nr. 1, 4, 7, 8 und 9 (Anträge zu A 1d, 4d, 7d, 8d und 9d) sei die Klage mangels Feststellungsinteresses unzulässig, weil für diese Fonds keine Ausschüttungen erfolgt seien und daher keine Ge- fahr von Rückforderungsansprüchen bestehe. In Bezug auf den Fonds Nr. 9 sei die Klage (Anträge zu A 9a und 9b) ebenfalls unbegründet. Insoweit seien die Beraterpflichten durch rechtzeitige Übergabe des Emissionsprospekts erfüllt worden. Die inhaltliche Eignung dieses Prospekts zur Risikoaufklärung stehe zwischen den Parteien nicht im Streit. Die Übergabe des Prospekts an die Klägerin im Termin vom 17. Juli 2008 genüge für die rechtzeitige Unterrichtung ihres Ehemanns.
13
Im Übrigen sei die Klage begründet. Die Beklagte sei passivlegitimiert. Die bei ihr angestellte Zeugin G. habe nach dem Vortrag der Klägerin eine "Vermögensberatung der Beklagten" angeboten. Auch trügen die Beraterbögen das Logo und den Eingangsstempel der Beklagten. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei die Behauptung der Klägerin, sie habe die Prospekte nicht (rechtzeitig) vor dem Zeichnungstermin erhalten, als unstreitig zugrunde zu legen. Da es sich hierbei um die Behauptung einer negativen Tatsache handele, treffe die Beklagte eine besondere sekundäre Darlegungslast, der sie weder durch Behauptungen "ins Blaue hinein" noch durch Bestreiten mit Nichtwissen genügen könne. Vielmehr habe sie konkret darlegen müssen, wann und wie sich die Prospektübergabe verwirklicht habe. Das Nichtvorliegen einer negativen Tatsache zu bestreiten, sei dem Anspruchsgegner nur erlaubt, wenn er aus eigener Kenntnis oder aufgrund von Nachforschungen positiv behaupten könne, dass die Tatsache eingetreten sei. Sei er dazu nicht in der Lage, sei sein Vortrag als unschlüssig beziehungsweise unerheblich zu behandeln. Die mündliche Aufklärung der Klägerin durch die Beraterin G. sei unzureichend gewesen. Hinsichtlich der Fonds Nr. 1, 2, 5, 6 und 7 sei keine ordnungsgemäße Information über die Funktionsweise, die Wiederanlageprämisse und die eingeschränkte Aussagekraft der durch die interne Zinsfußmethode (IRR-Methode) erlangten Prognosezahlen erfolgt, was im Hinblick auf diese nur mit detaillierten finanz- mathematischen Kenntnissen verständliche Methode erforderlich gewesen wäre. Für den Fonds Nr. 3 sei die Aufklärung über das Blind-Pool-Risiko unzureichend gewesen. Eine allgemein gehaltene Erklärung der Zeugin G. zur allgemeinen Ungewissheit über die konkreten Investitionsobjekte und den Investitionserfolg reiche nicht aus. Vielmehr hätten die spezifisch aus der BlindPool -Konstruktion resultierenden besonderen Risiken (Klumpen- und Abhängigkeitsrisiko sowie Wegfall der Investitionskriterien nach entsprechendem Gesellschafterbeschluss ) dargestellt werden müssen. Betreffend den Fonds Nr. 4 verhalte sich der Beraterbogen nicht, wie geboten, zu dem blindpoolspezifischen Risiko der Kapitalherabsetzung. Hinsichtlich des Fonds Nr. 8 habe die Zeugin G. im Beratungsgespräch nicht ausreichend über das Nachhaftungsrisiko gemäß § 172 Abs. 4 HGB aufgeklärt. Ihrer Aussage sei nicht zu entnehmen , dass sie ausdrücklich auf dieses Risiko hingewiesen habe.

II.


14
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
A. Revision der Beklagten
15
1. Soweit sich die Beklagte auf ihre fehlende Passivlegitimation beruft, ist ihr Revisionsangriff unbegründet. Die diesbezügliche Würdigung des Berufungsgerichts ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.
16
Die Beklagte hat behauptet, die Beraterin G. habe sich an die Vorgaben des Handelsvertretervertrags gehalten, wonach sie zum Abschluss von Verträgen oder zur Abgabe von Erklärungen im Namen und für Rechnung der Beklagten nicht berechtigt sei und falls erforderlich darauf hinzuweisen habe, selbständig zu handeln. Sollte sie dies versäumt haben, so ginge dies nicht zu Lasten der Beklagten, sondern hätte Frau G. als Vertreterin ohne Vertretungsmacht gehandelt. Dieser Vortrag genügt nicht den Anforderungen an ein substantiiertes Bestreiten der Passivlegitimation (§ 138 ZPO). Ob ein selbständiger Handelsvertreter (§ 84 HGB) die Beratung im eigenen Namen oder für den Unternehmer - vertreten durch ihn - vornimmt, hängt davon ab, wie der Anleger die Erklärungen des Handelsvertreters und dessen Gesamtverhalten verstehen und werten durfte. Entscheidend ist die objektivierte Empfängersicht; ferner sind alle Umstände zu berücksichtigen, die zum Vertragsschluss geführt haben (Senatsurteil vom 27. Oktober 2005 - III ZR 71/05, NJW-RR 2006, 109, 110 Rn. 16). Hier deuten die Fallumstände, insbesondere sämtliche schriftlichen Unterlagen, unzweifelhaft darauf hin, dass die Beraterin G. für die Beklagte handelte und auch handeln durfte (§ 164 BGB): Auf den von der Zeugin verwendeten Beraterbögen befanden sich das Logo und der Eingangsstempel der Beklagten. Gleiches gilt für die Fragebögen gemäß Wertpapierhandelsgesetz , worin zudem von einem "Auftrag für die Postbank" die Rede ist. Die Zeichnungsscheine beziehungsweise Beitrittserklärungen wurden ebenfalls mit dem Eingangsstempel der Beklagten versehen. Bei dieser wurden auch das Depot- und das Anlagekonto geführt. Hinzu tritt, dass die Zeugin G. bei der Beklagten als Vertriebsdirektorin fest angestellt war. Vor diesem Hintergrund ergibt sich kein greifbarer Anhaltspunkt dafür, dass die Beraterin G. hier im eigenen Namen oder ohne Bevollmächtigung der Beklagten gehandelt hätte, und reicht das Vorbringen der Beklagten demzufolge nicht aus, um ihre Passivlegitimation in erheblicher Weise zu bestreiten.
17
2. Zu Recht wendet sich die Beklagte jedoch dagegen, dass sie hinsichtlich des Zeitpunkts der Prospektübergabe ihrer sekundären Darlegungspflicht nicht genügt habe und ihr Bestreiten einer nicht rechtzeitigen Überlassung der Unterlagen daher unbeachtlich sei. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts geht es hier nicht um das Bestreiten einer negativen Tatsachenbehauptung (Nichterhalt des Prospekts), sondern um das Bestreiten einer positiven Tatsachenbehauptung der Klägerin (Prospekterhalt erst am Zeichnungstag), und ist das Bestreiten der Beklagten erheblich.
18
a) Der Klägerin obliegt die Darlegungs- und Beweislast für ihre Behauptung , die Prospekte seien nicht rechtzeitig übergeben worden.
19
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trägt derjenige , der eine Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzung behauptet, hierfür die Darlegungs- und Beweislast; die mit dem Nachweis einer negativen Tatsache verbundenen Schwierigkeiten werden dadurch ausgeglichen, dass die andere Partei die behauptete Fehlberatung substantiiert bestreiten und darlegen muss, wie im Einzelnen beraten beziehungsweise aufgeklärt worden sein soll; dem Anspruchsteller obliegt sodann der Nachweis, dass diese Darstellung nicht zutrifft (st. Rspr.; s. zB Senatsurteile vom 11. Mai 2006 - III ZR 205/05, NJW-RR 2006, 1345, 1346 Rn. 7; vom 5. Mai 2011 - III ZR 84/10, BeckRS 2011, 13871 Rn. 17; vom 20. Juli 2017 - III ZR 296/15, NJW 2017, 3367 Rn. 12; vom 19. Oktober 2017 - III ZR 565/16, VersR 2018, 291, 293 Rn. 21 und vom 4. Oktober 2018 - III ZR 213/17, WM 2018, 2175, 2177 Rn. 15; BGH, Urteile vom 24. Januar 2006 - XI ZR 320/04, BGHZ 166, 56, 60 Rn. 15; vom 14. Juli 2009 - XI ZR 152/08, NJW 2009, 2429, 3432 Rn. 38 und vom 8. Januar 2019 - II ZR 139/17, VersR 2019, 815, 817 Rn. 31).
20
bb) Diese Grundsätze gelten auch für behauptete Aufklärungs- und Beratungsmängel im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage (s. etwa Senatsurteile vom 5. Mai 2011 aaO; vom 19. Oktober 2017 aaO Rn. 22 und vom 4. Oktober 2018 aaO Rn. 16; BGH, Urteile vom 24. Januar 2006 aaO und vom 8. Januar 2019 aaO). Dementsprechend trägt der Anleger für seine Behauptung, der Emissionsprospekt sei nicht rechtzeitig übergeben worden, die Darlegungs- und Beweislast (vgl. Senatsurteil vom 11. Mai 2006 aaO Rn. 6, Beschluss vom 30. November 2006 - III ZR 93/06, NJW-RR 2007, 775, 776 Rn. 5, Urteile vom 19. November 2009 - III ZR 169/08, BKR 2010, 118, 120 f Rn. 25; vom 6. Dezember 2012 - III ZR 66/12, NJW-RR 2013, 296, 297 Rn. 16; vom 19. Oktober 2017 aaO; vom 4. Oktober 2018 aaO und vom 10. Januar 2019 - III ZR 109/17, NJWRR 2019, 428, 431 Rn. 28).
21
cc) Räumt der Anleger die erfolgte Übergabe des Emissionsprospekts ein, behauptet er jedoch, die Übergabe sei nicht rechtzeitig erfolgt, handelt es sich hierbei - anders als im Fall der Behauptung der unterbliebenen Übergabe - um die Behauptung einer positiven Tatsache (betreffend den Zeitpunkt der Übergabe). Deren Darlegung ist dem Anleger grundsätzlich möglich und zumutbar (Senatsurteile vom 19. November 2009 aaO; vom 19. Oktober 2017 aaO S. 294 Rn. 30 und vom 4. Oktober 2018 aaO S. 2178 Rn. 23). So liegt es hier. Die Klägerin hat nicht behauptet, dass die Prospekte überhaupt nicht, sondern jeweils erst am Zeichnungstag nach Unterzeichnung der jeweiligen Beitrittserklärung übergeben worden seien, und sich zum Beweis dieser positiven Tatsachenbehauptung auf das Zeugnis der Beraterin G. berufen.
22
b) Die Beklagte hat die Behauptung der Klägerin, die Prospekte seien erst in den Zeichnungsterminen übergeben worden, hinreichend bestritten.
23
aa) Hat die darlegungsbelastete Partei - wie hier - die von ihr darzulegende Tatsache substantiiert behauptet, hat die sodann erklärungsbelastete Gegenpartei - soll ihr Vortrag beachtlich sein - die Behauptung grundsätzlich ebenfalls substantiiert, das heißt mit näheren positiven Angaben, zu bestreiten (§ 138 Abs. 2 ZPO). Sie muss erläutern, von welchen tatsächlichen Umständen sie ausgeht. Mit einem bloß schlichten Bestreiten darf sie sich regelmäßig nicht begnügen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2014 - VIII ZR 41/14, NJW 2015, 475, 476 Rn. 16 mwN). Anderenfalls ist ihr Bestreiten unsubstantiiert und damit als gemäß § 138 Abs. 3 ZPO unbeachtlich anzusehen. Die Verpflichtung zu einem substantiierten Gegenvortrag setzt indes voraus, dass ein solches Vorbringen der erklärungsbelasteten Partei möglich und zumutbar ist. Dies ist in der Regel der Fall, wenn sich die behaupteten Umstände in ihrem Wahrnehmungsbereich verwirklicht haben (BGH, Urteil vom 22. Oktober 2014 aaO Rn. 17 mwN). Die Maßgaben der Möglichkeit und Zumutbarkeit des bestreitenden Gegenvorbringens gelten insbesondere auch für die Darlegung, wann und unter welchen Umständen ein Anlageprospekt übergeben worden ist (s. Senatsurteile vom 19. Oktober 2017 aaO S. 293 Rn. 23 mwN und vom 4. Oktober 2018 aaO S. 2177 Rn. 17).
24
bb) Unter Anwendung dieser Grundsätze hat die Beklagte die von der Klägerin behauptete Prospektübergabe erst am jeweiligen Zeichnungstag in genügender Weise bestritten.
25
(1) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts hat sich die Beklagte nicht ein auf bloßes Bestreiten mit Nichtwissen beziehungsweise "ins Blaue hinein" beschränkt. Sie hat behauptet, die Beraterin habe die Prospekte jeweils (mindestens) zwei Wochen vor Zeichnung übergeben. Das spätere Bestreiten mit Nichtwissen hat diesen Vortrag nicht ersetzt, sondern lediglich ergänzt. Der Vortrag zur Prospektübergabe erfolgte auch nicht ohne jegliche Anhaltspunkte. Die Beklagte hat hierzu auf eine entsprechende Schulung der Beraterin verwiesen. Des Weiteren hat sie sich auf die Bestätigung des Prospekterhalts in den jeweiligen Beitrittserklärungen beziehungsweise Zeichnungsscheinen sowie darauf bezogen, dass die Klägerin und ihr Ehemann in den jeweiligen Beraterbögen bestätigt hatten, anhand des Prospekts über Chancen und Risiken aufgeklärt und beraten worden zu sein. Die Zeugin G. hat die Klägerin auch unstreitig in mehreren Gesprächen beraten, weshalb es grundsätzlich möglich ist, dass der jeweilige Anlageprospekt nicht erst am Zeichnungstag, sondern bereits früher übergeben worden ist.
26
(2) Weitere Erkenntnisse zu den Umständen und den (genauen) Zeitpunkten der Prospektübergaben liegen der Beklagten nicht vor und konnte sie auch nicht mit zumutbaren Mitteln in Erfahrung bringen. Die Zeugin G. ist nicht mehr als ihre Mitarbeiterin oder Handelsvertreterin tätig. Damit steht die vormalige Beraterin der Beklagten auch nicht (mehr) näher als der Klägerin, und sie ist für die Beklagte auch nicht leichter zu erreichen als für die Klägerin. Schriftliche Anfragen der Beklagten vom 25. Februar und 11. Mai 2015 zu Inhalt und Ablauf der Beratungsgespräche hat die Zeugin nicht beantwortet. Ein darüber hinaus gehendes Vorgehen, etwa unter Hinweis auf eine nachwirkende Auskunftspflicht oder auf bei Nichterfüllung dieser Pflicht drohende Schadensersatzansprüche , ist der Beklagten nicht zumutbar. Solche Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts, verbunden möglicherweise mit ihrer langwierigen prozessualen Durchsetzung und deren nicht absehbarem Erfolg, können von ihr als Gegnerin der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin auch in Abwägung mit deren Interessen nicht gefordert werden (vgl. hierzu die - allerdings nach der hier angefochtenen Berufungsentscheidung ergangenen - Senatsurteile vom 19. Oktober 2017 aaO S. 294 Rn. 31 und vom 4. Oktober 2018 aaO S. 2178 Rn. 24).
27
c) Hiernach hätte das Berufungsgericht die Behauptung der Klägerin, die Prospekte seien erst am jeweiligen Zeichnungstag übergeben worden, nicht als unstreitig - weil von der Beklagten nicht erheblich bestritten - zugrunde legen dürfen. Vielmehr hätte es sich mit der Würdigung der eidlichen Aussage der Zeugin G. und dem Ergebnis der persönlichen Anhörung der Klägerin befassen müssen. Es hat sich indes nicht hinreichend deutlich dazu geäußert, wie es das erstinstanzliche Beweisergebnis im Falle eines erheblichen Bestreitens der Beklagten werten oder ob es sodann etwa Anlass für eine erneute Vernehmung der Zeugin G. und Anhörung der Klägerin sehen würde.
28
3. Sofern das Berufungsgericht im weiteren Verfahren zu der Würdigung gelangen sollte, dass die Klägerin eine nicht rechtzeitige Prospektübergabe nicht bewiesen habe, wäre seiner Würdigung, die Beklagte habe über die interne Zinsfußmethode (Fonds Nr. 1, 2, 5, 6 und 7), die Blind-Pool-Risiken (Fonds Nr. 3 und 4) und das Nachhaftungsrisiko gemäß § 172 Abs. 4 HGB (Fonds Nr.
8) nicht ordnungsgemäß aufgeklärt, die Grundlage entzogen.
29
a) Der Pflicht des Anlageberaters, den Anlageinteressenten über die Eigenschaften und Risiken zu unterrichten, die für die Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können, kann auch durch die Übergabe eines Anlageprospekts genügt werden, sofern der Prospekt nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln, und er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (st. Rspr.; s. dazu bspw. Senatsurteil vom 10. Januar 2019 - III ZR 109/17, NJW-RR 2019, 428, 430 Rn. 26 und BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 - II ZR 139/17, VersR 2019, 815, 816 Rn. 21, jew. mwN). Einer zusätzlichen mündlichen Aufklärung des Anlegers bedarf es dann grundsätzlich nicht (s. zB Senatsurteil vom 10. Januar 2019 aaO S. 430 f Rn. 27).
30
b) Nach einhelliger und nicht zu beanstandender Ansicht der Oberlandesgerichte handelt es sich bei der internen Zinsfußmethode (IRR-Methode) um einen vertretbaren Weg der Renditeberechnung (s. OLG Koblenz, Urteil vom 11. November 2011 - 3 U 1427/10, BeckRS 2013, 04254 unter II 3 d; OLG Köln, Urteile vom 30. August 2012 - 18 U 79/11, juris Rn. 176 und vom 26. Juni 2014 - 18 U 204/13, juris Rn. 80; OLG Hamburg, Urteile vom 23. August 2013 - 11 U 11/13, juris Rn. 79 f und vom 8. März 2016 - 4 U 25/15, juris Rn. 42; vgl. auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. Dezember 2010 - 10 U 101/10, juris Rn. 12; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 15. März 2013 - 10 U 16/12, juris Rn. 131). Den Aufklärungspflichten des Anlageberaters ist genügt, wenn auf die Besonderheiten dieser Berechnungsmethode und insbesondere auf die mangelnde Vergleichbarkeit mit Renditeangaben von einfacher strukturierten Anlagen (zB Spareinlagen oder festverzinslichen Wertpapieren) hingewiesen wird (s. OLG Frankfurt am Main aaO Rn. 132 ff; OLG Hamburg, Urteil vom 8. März 2016 aaO; vgl. auch OLG Stuttgart aaO; OLG Koblenz aaO; OLG Köln, Urteil vom 26. Juni 2014 aaO). Von diesen Grundsätzen ist - rechtsfehlerfrei - auch das Berufungsgericht ausgegangen. Dass die jeweiligen Prospekte (für die Fonds Nr. 1, 2, 5, 6 und 7) hiernach nicht ausreichend über die Methode der Renditeberechnung und insbesondere auch über die mangelnde Vergleichbarkeit mit Renditeangaben von einfacher strukturierten Anlagen informieren, hat das Berufungsgericht indes nicht festgestellt und ist auch sonst nicht ersichtlich.
31
c) Maßgeblich für eine ordnungsgemäße Aufklärung über die "BlindPool" -Risiken ist, dass dem Anleger verdeutlicht wird, dass noch nicht feststeht, in welche konkreten Sachanlagen und Projekte investiert wird und welche Nachteile dem Anleger hieraus erwachsen können. Auch insoweit hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und ist auch sonst nicht ersichtlich, dass die jeweiligen Prospekte (für die Fonds Nr. 3 und 4) nicht ausreichend über die BlindPool -Risiken informieren.
32
d) Auf das - aufklärungsbedürftige - Risiko der Rückzahlung von Ausschüttungen gemäß § 172 Abs. 4 HGB wird im Anlageprospekt über den Fonds Nr. 8 hingewiesen. Diesbezügliche Mängel hat das Berufungsgericht nicht festgestellt und sind auch sonst nicht erkennbar.
B. Anschlussrevision der Klägerin
33
Die Anschlussrevision der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet.
34
1. Vergeblich wendet sich die Anschlussrevision gegen die Abweisung ihrer Klage betreffend den vom Ehemann der Klägerin gezeichneten Fonds Nr. 9 (Klageanträge zu A 9a bis 9d).
35
a) Die dem Landgerichtsurteil folgende Würdigung des Berufungsgerichts , nach Lage des Falles sei die Übergabe des Anlageprospekts (für den Fonds Nr. 8, der mit dem Fonds Nr. 9 identisch ist) an die Klägerin für eine ordnungsgemäße Aufklärung ihres Ehemanns ausreichend gewesen, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
36
aa) Die Zeichnung der Anlage des Ehemanns der Klägerin erfolgte am 27. Juli 2008. Spätestens zehn Tage zuvor, im Beratungstermin vom 17. Juli 2008, war der Klägerin der Prospekt übergeben worden, und an diesem Tage hatte sie eine Beteiligung an demselben Fonds gezeichnet. An diesem Termin hatten die Klägerin und ihr Ehemann gemeinsam teilgenommen. Dementsprechend hat der Ehemann der Klägerin im Beraterbogen bestätigt, den Prospekt am 17. Juli 2008 erhalten und Beratungsgespräche am 17. und 27. Juli 2008 geführt zu haben.
37
bb) Bei dieser Lage durfte die Beklagtenseite berechtigter Weise annehmen , dass der Ehemann der Klägerin ausreichend Gelegenheit zur Prospektlektüre hatte. Das Berufungsgericht hat im Anschluss an das Landgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass es lebensnah erscheine, dass ein Ehemann, der an dem Zeichnungs-/Beratungstermin teilnehme, in dem die Prospektübergabe an seine Ehefrau stattfinde, und sich zehn Tage später zur Zeichnung derselben Beteiligung entschließe, dies aufgrund der teilgehabten Beratung tue; im Übrigen habe der Ehemann der Klägerin mit der Unterzeichnung des Beraterbogens zum Ausdruck gebracht, dass er die Beratung sowie die Prospektübergabe vom 17. Juli 2008 auch für sich gelten lassen wolle. Darauf, ob er den Prospekt tatsächlich gelesen hat, kommt es entgegen der Meinung der Anschlussrevision nicht an. Es liegt im Verantwortungsbereich des Anlegers zu entscheiden, ob er den Prospekt innerhalb der ihm zur Verfügung stehenden - ausreichenden - Zeit zur Kenntnis nehmen will oder nicht; nimmt er die Informationen nicht zur Kenntnis, geht dies zu seinen Lasten (Senatsurteil vom 10. Januar 2019 - III ZR 109/17, NJW-RR 2019, 428, 430 f Rn. 27 mwN). Anders, als die Klägerin meint, geht es hierbei nicht um die Frage der Zurechnung von Wissen der Klägerin zu ihrem Ehemann (s. dazu Senatsurteil vom 13. Dezember 2012 - III ZR 298/11, NJW 2013, 448), sondern um die eigene Gelegenheit des Ehemanns, sich ausreichend und rechtzeitig vor der Zeichnung anhand des Prospekts über die Kapitalanlage zu unterrichten, sowie um die damit korrespondierende - berechtigte - Erwartungshaltung des Beraters.
38
b) Soweit die Anschlussrevision rügt, das Berufungsgericht habe nicht zu Grunde legen dürfen, dass die inhaltliche Eignung des Prospekts zur Risikoaufklärung zwischen den Parteien nicht mehr im Streit stehe, verkennt sie, dass es sich dabei nicht um eine rechtliche Würdigung, sondern um eine in den Urteilsgründen getroffene tatbestandliche Feststellung handelt, die für das Revisionsgericht bindend ist, nachdem die Klägerin keinen Tatbestandsberichtigungsantrag gestellt hat (§§ 314, 559 Abs. 1 ZPO; vgl. hierzu zB Senatsurteile vom 9. Oktober 2014 - III ZR 68/14, NJW 2014, 3580, 3582 Rn. 21 mwN und vom 16. Mai 2019 - III ZR 176/18, WM 2019, 1203, 1205 Rn. 16 f sowie BGH, Urteil vom 4. Mai 2017 - IX ZR 285/16, NZG 2018, 72, 73 Rn. 11). Unbeschadet dessen hat der Senat die Verfahrensrüge der Klägerin auch in der Sache geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
39
2. Ebenso unbegründet sind die Rügen der Anschlussrevision gegen die Abweisung der Klage auf Ersatz eines Zinsausfallschadens in Höhe von jährlich 2 % hinsichtlich der Fonds Nr. 1 bis 8 (Anträge zu A 1c, 2c, 3c, 4c, 5c, 6c, 7c und 8c) sowie auf Feststellung der Pflicht der Beklagten zur Freistellung von allen Schäden und Nachteilen, insbesondere von Rückforderungsansprüchen gemäß § 172 Abs. 4 ZPO, hinsichtlich der Fonds Nr. 1, 4, 7 und 8 (Anträge zu A 1d, 4d, 7d und 8d).
40
a) Für die Ansprüche auf Ersatz von Zinsausfallschäden in Höhe von jährlich 2 % fehlt es, wie das Berufungsgericht zutreffend aufgezeigt hat, an dem hierzu erforderlichen Vortrag, für welche konkrete Form der Kapitalanlage sich die Klägerin sonst entschieden hätte (vgl. Senatsurteil vom 16. Mai 2019 - III ZR 176/18, WM 2019, 1203, 1207 Rn. 30 und BGH, Urteil vom 24. April 2012 - XI ZR 360/11, NJW 2012, 2266 Rn. 13). Abgesehen davon lassen weder das bisherige Anlageverhalten der Klägerin noch ihre Angaben in den Beraterbögen zur Anlegermentalität/Anlagestrategie und zu den Anlagezielen ("spekulativ" und "Vermögensdiversifizierung") einen Schluss darauf zu, dass sie ihr Kapital alternativ in risikoarme Anlagen mit einer Verzinsung von jährlich 2 % investiert hätte.
41
b) Die Schadensersatzfeststellungsanträge betreffend die Fonds Nr. 1, 4, 7 und 8 hat das Berufungsgericht zu Recht mangels Feststellungsinteresses (§ 256 Abs. 1 ZPO) als unzulässig abgewiesen. Die Feststellung der Schadensersatzpflicht setzt die Möglichkeit des Schadenseintritts voraus. Bei reinen Vermögensschäden, die vorliegend in Rede stehen, hängt die Zulässigkeit der Feststellungsklage darüber hinaus von der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines auf die Pflichtverletzung zurückgehenden Schadenseintritts ab; hieran fehlt es, wenn der Eintritt irgendeines (weiteren oder künftigen) Schadens ungewiss ist (s. BGH, Urteile vom 10. Juli 2014 - IX ZR 197/12, NJW-RR 2015, 626, 627 Rn. 11 und vom 15. März 2016 - XI ZR 122/14, VersR 2016, 1444, 1446 Rn. 43, jeweils mwN). So liegt es hier. Die Klägerin hat für die betreffenden Fonds, für die bislang - also seit mehr als zehn Jahren - keine Ausschüttungen erfolgt sind, nicht dargetan, dass der Eintritt weiterer Schäden, insbesondere aus einer Inanspruchnahme gemäß § 172 Abs. 4 HGB, hinreichend wahrscheinlich ist.
42
3. Ohne Erfolg bleiben auch die Angriffe der Anschlussrevision gegen die Versagung der Befreiung von außergerichtlichen Anwaltskosten (Antrag zu B).
43
a) Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist eine Frage der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats (BGH, Urteile vom 26. Februar 2013 - XI ZR 345/10, BKR 2013, 283, 286 Rn. 37 und vom 28. Mai 2013 - XI ZR 421/10, BeckRS 2013, 10761 Rn. 33, jeweils mwN). Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 1 Satz 1 VV RVG), lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist dann kein Raum mehr. Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Ein lediglich (aufschiebend ) bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG nicht entgegen (BGH, Urteile vom 26. Februar 2013 aaO und vom 28. Mai 2013 aaO, jeweils mwN).
44
b) Das Berufungsgericht hat diese Grundsätze in nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung der Einzelfallumstände beachtet. Es hat die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen - nämlich die "Vollmacht" vom 7. April 2014 und den "Unbedingten Klageauftrag" vom 6. Dezember 2014 - gewürdigt und ausgeführt, dass die Klägerin nicht dargetan habe, ihren Prozessbevoll- mächtigten zunächst lediglich mit ihrer außergerichtlichen Vertretung beauftragt oder einen nur bedingten Prozessauftrag erteilt zu haben. Die - erstmalige - diesbezügliche Angabe der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, sie habe das Mandat ausdrücklich zunächst auf die außergerichtliche Tätigkeit beschränkt, stehe im Widerspruch zu der vorgelegten Vollmacht vom 7. April 2014, die ausdrücklich auch die "Prozessführung" umfasse, und sei somit ohne Belang. Der "Unbedingte Klageauftrag" vom 6. Dezember 2014 sei insofern "überobligatorisch" gewesen und habe allein das - unbeachtliche - Innenverhältnis zwischen der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten betroffen. Diese Würdigung lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Anschlussrevision möchte die Fallumstände insoweit lediglich anders würdigen als das Berufungsgericht, ohne einen Rechtsfehler darzutun, womit sie im Revisionsverfahren keinen Erfolg finden kann. Entgegen der Ansicht der Klägerin bedurfte es keines weitergehenden richterlichen Hinweises. Dies ergibt sich bereits aus § 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO, weil insoweit nur eine Nebenforderung betroffen war. Unbeschadet dessen hat die anwaltlich vertretene Klägerin den rechtlich entscheidenden Gesichtspunkt gesehen, für erheblich gehalten und dazu vorgetragen. Sie hat die rechtlichen Voraussetzungen auch nicht anders als das Gericht verstanden.

III.


45
1. Nach alldem ist das Berufungsurteil im Umfang seiner Anfechtung durch die Revision der Beklagten, also soweit es zu deren Nachteil ergangen ist (Verurteilung gemäß den Klageanträgen zu A 1a, 1b, 2a, 2b, 2d, 3a, 3b, 3d, 4a, 4b, 5a, 5b, 5d, 6a, 6b, 6d, 7a, 7b, 8a und 8b sowie Feststellung der teilweisen Erledigung der Hauptsache zu A 2a, 5a und 6a), gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzu- heben und die Sache insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Da weitere tatrichterliche Feststellungen zu treffen sind, kommt eine eigene Sachentscheidung des Senats nach § 563 Abs. 3 ZPO nicht in Betracht.
46
2. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
47
a) Das Berufungsgericht wird erneut zu prüfen haben, ob die Beklagte ihren Aufklärungspflichten durch rechtzeitige Prospektübergabe genügt hat. Insoweit muss die Klägerin beweisen, dass ihr die Prospekte zu einem Zeitpunkt überlassen wurden, der nicht mehr rechtzeitig gewesen ist. Die Frage der Rechtzeitigkeit als solche stellt eine rechtliche Bewertung dar. Welche Frist seit Empfang des Prospekts bis zum Abschluss des Anlagegeschäfts angemessen und erforderlich ist, damit der Anleger den Prospektinhalt hinreichend zur Kenntnis nehmen kann, hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab; eine Regelfrist, die nach Prospektübergabe einzuhalten ist, gibt es nicht (Senatsurteil vom 10. Januar 2019 - III ZR 109/17, NJW-RR 2019, 428, 431 Rn. 28 mwN).
48
b) Sollte der Prospekt für den Fonds Nr. 6 (entsprechend der Würdigung des Landgerichts) erst am Zeichnungstag übergeben worden sein, ist zu erwägen , ob die Beklagte berechtigter Weise davon ausgehen durfte, dass die Klägerin bereits im Zusammenhang mit der Prospektübergabe für die zeitnah voran -gegangenen Zeichnungen der Fonds Nr. 1, 2 und 5 ausreichend über die "IRR-Methode" informiert gewesen war.
49
c) Im Falle der nicht rechtzeitigen Übergabe des Prospekts für den Fonds Nr. 8 (gemäß der dahingehenden Würdigung des Landgerichts) wird das Beru- fungsgericht sich mit der Frage einer erneuten Vernehmung der Zeugin G. zur mündlichen Aufklärung über das Nachhaftungsrisiko gemäß § 172 Abs. 4 HGB zu befassen und hierbei zu beachten haben, dass die Beweislast für eine fehlende oder unzureichende Risikoaufklärung die Klägerin trifft.
Herrmann Tombrink Remmert
Reiter Arend
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 27. April 2016 - 11 O 385/14 -
OLG Celle, Entscheidung vom 08.06.2017 - 11 U 72/16 -

(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.

(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.

(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 20. Oktober 2016 wird auf Kosten der Beklagten zu 2 bis 4 zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagten zu 2 und 3 sind jeweils zur Hälfte Eigentümer eines in der L.                belegenen und von ihnen zusammen mit dem Beklagten zu 4 bewohnten Hauses. Aufgrund einer vollstreckbaren notariellen Urkunde aus dem Jahr 1993 ergibt sich ein dinglicher Anspruch der S.            gegen die Beklagten zu 2 und 3 aus einer im Grundbuch eingetragenen Grundschuld in Höhe des Grundschuldkapitalbetrags von über 500.000 € nebst Zinsen und Kosten. Am 20. Dezember 2006 vermieteten sie der vormals am Prozess beteiligten Beklagten zu 1 - einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 2 ist - das Hausgrundstück mit Ausnahme einer anderweitig vermieteten Einliegerwohnung.

2

Durch nicht angefochtenen Beschluss vom 17. April 2007 ordnete das zuständige Vollstreckungsgericht auf Antrag der S.       die Zwangsverwaltung des Hausgrundstücks an und bestellte den Kläger zum Zwangsverwalter. Weiter ermächtigte es ihn, sich selbst den Besitz des Grundstücks zu verschaffen. Dieser nahm das Grundstück am 4. Juni 2007 in Besitz und kündigte den Mietvertrag mit der Beklagten zu 1 zum 30. September 2012 ordentlich.

3

Weil die Beklagten nicht auszogen, hat der Kläger gegen die Beklagten zu 1 bis 4 vor dem Amtsgericht Räumungsklage erhoben. Das Amtsgericht hat der Klage hinsichtlich der Beklagten zu 1 stattgegeben und die Klage gegen die Beklagten zu 2 bis 4 abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat zunächst keinen Erfolg gehabt. Auf die Revision des Klägers hat der Senat durch Urteil vom 21. April 2016 (IX ZR 72/14) das (erste) Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt: § 149 Abs. 1 ZVG setze die Wohnnutzung des zwangsverwalteten Grundstücks bei Beschlagnahme kraft Eigentums und unmittelbaren Eigenbesitzes durch den Verfahrensschuldner und seine mitwohnenden Familienangehörigen voraus. Der Wohnungsschutz für den Verfahrensschuldner und mitwohnende Angehörige entfalle, wenn das Grundstück vor der Beschlagnahme vollständig an einen Dritten zur alleinigen Nutzung vermietet und übergeben worden sei. Das gelte auch, wenn der Verfahrensschuldner es von dem Dritten zurückmiete. Das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, dass die Beklagten zu 2 und 3 als Eigentümer und Verfahrensschuldner zur Zeit der Beschlagnahme unmittelbaren Eigenbesitz an dem zwangsverwalteten Grundstück gehabt hätten. Nunmehr hat das Berufungsgericht auf die klägerische Berufung das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Beklagten zu 2 bis 4 (künftig die Beklagten) neben der Beklagten zu 1 verurteilt, streitgegenständliches Grundstück und Einfamilienhaus mit Ausnahme der Einliegerwohnung zu räumen und an den Kläger herauszugeben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchten die Beklagten die Zurückweisung der Berufung und die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erreichen.

Entscheidungsgründe

4

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

5

Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf die erste Revisionsentscheidung ausgeführt: Das klägerische Räumungsbegehren sei begründet, weil die Beklagten sich nicht auf die Schutzvorschrift des § 149 Abs. 1 ZVG berufen könnten. Auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts und unter Berücksichtigung des wechselhaften Vortrags der Beklagten habe sich die Kammer davon überzeugt, dass die Beklagten zu 2 und 3 zum Zeitpunkt der Beschlagnahme keinen unmittelbaren Eigenbesitz im Sinne dieser Vorschrift gehabt hätten. Die Beklagten zu 2 und 3 hätten mit der Beklagten zu 1 vor der Beschlagnahme einen Mietvertrag über das Anwesen zur Verhinderung der Zwangsvollstreckung geschlossen. Dieser Mietvertrag sei zu diesem Zweck auch vollzogen worden, denn die Mietvertragsparteien seien sich einig gewesen, dass der Beklagte zu 2 als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 den Besitz an den Wohnräumen fortan für diese habe ausüben sollen.

II.

6

Der Kläger kann als Zwangsverwalter von den Beklagten zu 2 und 3 aus § 150 Abs. 2 ZVG und von dem Beklagten zu 4 aus § 152 Abs. 1 ZVG, § 985 BGB die Überlassung des Besitzes an dem zwangsverwalteten Grundstück verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2016 - IX ZR 72/14, NZI 2016, 594 Rn. 8).

7

1. Die Beklagten können sich gegenüber dem Kläger nicht auf § 149 Abs. 1 ZVG berufen, denn die Beklagten zu 2 und 3 waren zum Zeitpunkt der Beschlagnahme des Grundstücks - trotz der tatsächlichen Sachherrschaft - nicht aufgrund ihres Eigentums unmittelbare Eigenbesitzer, weil der Beklagte zu 2 als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 dieser lediglich als Organ der Gesellschaft den Besitz an dem gemieteten Haus vermittelt hat. Mithin waren sie aufgrund ihrer Eigentümerstellung und des Mietvertrages nur mittelbare Eigenbesitzer des zwangsverwalteten Grundstücks (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2016, aaO Rn. 11). Davon hat sich das Berufungsgericht in Wahrnehmung seiner tatrichterlichen Verantwortung überzeugt (§ 286 Abs. 1 ZPO). Die gegen diese Beweiswürdigung von der Revision geltend gemachten Rügen greifen nicht durch.

8

a) Das Berufungsgericht hat seine Überzeugung davon, dass zum Zeitpunkt der Beschlagnahme die Beklagte zu 1 aufgrund des Mietvertrages unmittelbare Fremdbesitzerin (vermittelt über den Beklagten zu 2 als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) und die Beklagten zu 2 und 3 mittelbare Eigenbesitzer waren, der Mietvertrag also tatsächlich vollzogen war, aus dem unstreitig abgeschlossenen Mietvertrag der Beklagten zu 2 und 3 mit der Beklagten zu 1 und dem unstreitigen Verhalten der Beklagten gegenüber dem Kläger im Zwangsverwaltungsverfahren gewonnen. Diese haben dem Kläger bei der Beschlagnahme zur Kenntnis gebracht, dass das Grundstück an die Beklagte zu 1 vermietet sei, welche die vereinbarte monatliche Miete zahle und darüber hinaus die laufenden Kosten der Instandhaltung und der Betriebskosten trage. Weiter hat der Beklagte zu 2 bei der Inbesitznahme, vom Kläger auf § 149 ZVG hingewiesen, ausgeführt, der Ausschluss des Kündigungsrechts im Mietvertrag mit der Beklagten zu 1 biete ihnen einen ausreichenden Schutz. Das Berufungsurteil verweist darauf, die Beklagten hätten zunächst allein auf den Mietvertrag mit der Beklagten zu 1 verwiesen, erstmals nach Zurückverweisung der Sache durch den Bundesgerichtshof hätten sie vorgetragen, eine Überlassung des vermieteten Objekts an die Beklagte zu 1 habe nie stattgefunden.

9

b) Gegen diese tatrichterliche Beweiswürdigung ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.

10

aa) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe unter Verstoß gegen § 286 Abs. 1 ZPO und Art. 103 Abs. 1 GG den Prozessstoff nicht umfassend und widerspruchsfrei gewürdigt. Denn die Beklagten hätten vorgetragen, immer in dem zwangsversteigerten Anwesen ihren Hauptwohnsitz gehabt und nie aufgegeben zu haben. Das Objekt sei nie der Beklagten zu 1 übergeben worden, so dass die Beklagten zu 2 und 3 immer unmittelbare Eigenbesitzer geblieben wären. Diesen Vortrag habe das Berufungsgericht nicht unter Hinweis auf den wechselhaften Vortrag der Beklagten vollständig ausblenden dürfen. Dabei habe es sich über die einschlägigen Rechtsgrundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinweggesetzt, wonach eine Partei nicht gehindert sei, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen.

11

bb) Die Rügen haben keinen Erfolg.

12

(1) Der Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör wurde gewahrt (Art. 103 Abs. 1 GG). Das Berufungsgericht hat den Vortrag der Beklagten, sie hätten ohne Unterbrechung vor und nach der Beschlagnahme ihren Hauptwohnsitz in dem zwangsverwalteten Anwesen gehabt und hätten den Mietvertrag mit der Beklagten zu 1 nie vollzogen, ausweislich der Entscheidungsgründe zur Kenntnis genommen. Das Berufungsgericht hat nur andere Schlüsse aus dem Prozessstoff gezogen, als die Beklagten für richtig halten. Das verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2011 - IX ZB 242/08, ZIP 2011, 1014 Rn. 3; vom 30. Juni 2011 - IX ZR 139/10, nv Rn. 3).

13

(2) Das Berufungsgericht hat nicht gegen § 286 Abs. 1 ZPO verstoßen. Nach dieser Vorschrift hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. An dessen Feststellungen ist das Revisionsgericht nach § 559 ZPO gebunden. Revisionsrechtlich ist lediglich zu überprüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 9. Juni 2016 - IX ZR 174/15, NZI 2016, 736 Rn. 29; vgl. auch BGH, Urteil vom 8. September 2016 - IX ZR 52/15, NJW 2016, 3783 Rn. 12; vom 9. Februar 2017 - IX ZR 67/16, ZIP 2017, 985 Rn. 15). Solche Fehler weist die Revision nicht nach; sie sind auch nicht ersichtlich. Es trifft nicht zu, dass das Berufungsgericht den Prozessstoff nicht umfassend und widerspruchsfrei gewürdigt hat.

14

Das Berufungsgericht durfte aus dem Umstand des unstreitig wirksam zustande gekommenen Mietvertrages mit der Beklagten zu 1, aus dem Verhalten der Beklagten zu 1 und 2 im Zwangsverwaltungsverfahren und aus dem Prozessverhalten der Beklagten schließen, dass die Beklagte zu 1 mit Abschluss des Mietvertrages dadurch unmittelbare Fremdbesitzerin des zwangsverwalteten Grundstücks mit Ausnahme der Einliegerwohnung geworden ist, dass der Beklagte zu 2 ihr als Organ den Besitz vermittelt hat. In dem Mietvertrag haben die Vertragsparteien als Mietbeginn den 20. Dezember 2006 vereinbart und die Beklagte zu 1 hat sich verpflichtet, monatliche Mietzahlungen zu erbringen und die Kosten der Instandhaltung und die Betriebskosten zu tragen. Im Zwangsverwaltungsverfahren hat die Beklagte zu 1 ihre Rechte gegenüber dem Kläger aus dem Mietvertrag abgeleitet und ist als alleinige Nutzerin und Besitzerin des Grundstücks aufgetreten. Sie hat die Mieten gezahlt und die Betriebs- und Instandhaltungskosten getragen, wie im Mietvertrag vereinbart, oder hat sich dessen gegenüber dem Kläger zumindest berühmt. Noch im ersten Rechtszug haben die Beklagten ihre Rechte gegenüber dem Kläger aus den Vereinbarungen mit der Beklagten zu 1 abgeleitet. Denn sie haben sich auf den zwischen der Beklagten zu 1 auf der einen und den Beklagten zu 2 und 3 auf der anderen Seite geschlossenen Mietvertrag berufen, auf eine Untervermietung verwiesen und ausgeführt, es bestehe zwischen der Beklagten zu 1 und den Beklagten zu 2 bis 4 eine Wohnraumüberlassung. Damit haben sie den Vollzug des Mietvertrages vom 20. Dezember 2006 und die Besitzübertragung auf die Beklagte zu 1 eingeräumt.

15

Im Rahmen der Beweiswürdigung hat das Berufungsgericht berücksichtigt, dass die Beklagten vor und nach der Beschlagnahme ihren Hauptwohnsitz in dem zwangsverwalteten Haus hatten und dort auch tatsächlich wohnten. Dies aber sagt, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, nichts über die Besitzverhältnisse zum Zeitpunkt der Beschlagnahme aus. Deswegen musste es aus diesem Umstand nicht darauf schließen, die Beklagten zu 2 und 3 hätten trotz des Mietvertrages mit der Beklagten zu 1 bei der Beschlagnahme aufgrund des Eigentums unmittelbaren Eigenbesitz an Grundstück und Haus gehabt. Es hat auch den entgegenstehenden zweitinstanzlichen Vortrag der Beklagten, der Mietvertrag sei nicht vollzogen worden, die Beklagten zu 2 und 3 hätten den Besitz an dem zwangsversteigerten Anwesen nicht auf die Beklagte zu 1 übertragen, zur Kenntnis genommen. Es ist ihm jedoch - rechtsfehlerfrei - nicht gefolgt.

16

Dieser Vortrag war, entgegen der Annahme der Revision, nicht unbestritten. Der Kläger hat sich durchweg darauf berufen, dass die Beklagte zu 1 alleinige Mieterin und Nutzerin des zwangsverwalteten Grundstücks gewesen sei; darin liegt die Behauptung, diese habe das Anwesen entweder als unmittelbare oder als mittelbare (Untermietvertrag mit den Beklagten zu 2 und 3) Fremdbesitzerin besessen. Deswegen hat das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten mit Recht als streitig angesehen und sich mit einer umfassenden und widerspruchsfreien Beweiswürdigung davon überzeugt, dass die Beklagte zu 1 unmittelbare Fremdbesitzerin war, weil der Beklagte zu 2 ihr den Besitz als Organ vermittelt hat.

17

(3) Das Berufungsgericht hat mit seiner Beweiswürdigung nicht gegen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verstoßen.

18

Allerdings verweist die Revisionsbegründung auf eine ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach eine Partei nicht gehindert ist, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen (BGH, Urteil vom 5. Juli 1995 - KZR 15/94, WM 1995, 1775 f; Beschluss vom 16. April 2015 - IX ZR 195/14, NJW-RR 2015, 829 Rn. 16; vom 10. November 2016 - I ZR 235/15, Grundeigentum 2017, 349 Rn. 15). Deswegen darf bei der Beurteilung der Schlüssigkeit eines Vorbringens Tatsachenvortrag nicht allein deswegen unberücksichtigt gelassen werden, weil er sich zu früherem Vorbringen in Widerspruch setzt (BGH, Urteil vom 5. Juli 1995, aaO). Eine Partei darf im zweiten Rechtszug anders vortragen als in der ersten Instanz, denn sie ist in der Berufungsinstanz, außer bei einem gerichtlichen Geständnis nach § 288 ZPO, nicht an ihr erstinstanzliches Vorbringen gebunden. Auch können für einen Klageantrag, sofern nicht eine bewusste Verletzung der Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) gegeben ist, in tatsächlicher Hinsicht widersprechende Begründungen gegeben werden, wenn das Verhältnis dieser Begründungen zueinander klargestellt ist, sie also nicht als ein einheitliches Vorbringen geltend gemacht werden (BGH, Beschluss vom 16. April 2015, aaO). Der auf einem erheblichen, wenn auch widersprüchlichen Vortrag beruhende Beweis ist zu erheben (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 - I ZR 22/12, TranspR 2013, 430 Rn. 11; vom 22. März 2016 - VI ZR 163/14, nv Rn. 8; vom 10. November 2016 - I ZR 235/15, aaO).

19

Dass das Berufungsgericht aufgrund des widersprüchlichen Vortrags der Beklagten Beweisangebote der Beklagten übergangen hätte, macht die Revision nicht geltend. Auch behandelt das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten nicht als unschlüssig. Sondern es unterzieht den widersprüchlichen Vortrag einer Beweiswürdigung. Dies aber ist ihm erlaubt, wie sich aus den zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs ergibt. Danach können entstehende Widersprüchlichkeiten im Parteivortrag im Rahmen der Beweiswürdigung Beachtung finden (BGH, Beschluss vom 10. November 2016, aaO). Denn Erkenntnisquellen der Beweiswürdigung sind auch der Sachvortrag und das Prozessverhalten der Parteien. Verwertbar ist deshalb der Inhalt der Schriftsätze und ihrer Anlagen, aber auch Art, Zusammenhang und Zeitpunkt des Vorbringens, eine Änderung des Sachvortrags (BGH, Urteil vom 5. Juli 1995 - KZR 15/94, WM 1995, 1775, 1176 oder gar mehrfach wechselnder Vortrag (BAGE 83, 105, 124).

20

Zu Unrecht meint die Revisionsbegründung, der Vortrag der Beklagten sei nicht widersprüchlich. Die Beklagten haben nach Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht - mithin zu einem Zeitpunkt, als den Parteien aufgrund der Entscheidung des Senats vom 21. April 2016 (IX ZR 72/14, NZI 2016, 594) bekannt war, dass es für die Entscheidung des Falles maßgeblich darauf ankommen werde, ob die Beklagten das zwangsverwaltete Grundstück bei der Beschlagnahme zu Wohnzwecken kraft Eigentums und unmittelbaren Eigenbesitzes genutzt hätten - einerseits vorgetragen, nach Abschluss des Mietvertrages habe die Beklagte zu 1 den Beklagten das vermietete Anwesen als Teil des Sachbezugs für die Leistungen des Beklagten zu 2 als Geschäftsführer belassen. Dies setzt notwendig voraus, dass der Beklagten zu 1 aufgrund des Mietvertrages der Besitz an dem Anwesen übertragen worden war. Andererseits haben sie vorgetragen, die Beklagten zu 2 und 3 hätten den Besitz an dem vermieteten Anwesen nicht auf die Beklagte zu 1 übertragen. Des Weiteren ist der Vortrag, der Mietvertrag mit der Beklagten zu 1 sei nicht vollzogen worden, weder mit dem Verhalten der Beklagten im Zwangsverwaltungsverfahren noch mit ihrem erstinstanzlichen Vortrag in Übereinstimmung zu bringen.

21

2. Weitere Rechte auf Besitz gegenüber dem Kläger machen die Beklagten nicht geltend. Sie haben nach Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht ausdrücklich in Abrede gestellt, mit der Beklagten zu 1 einen Untermietvertrag geschlossen zu haben. Auf den Mieterschutz des § 565 BGB haben sie sich nicht berufen. Auch haben sie mit Recht gegenüber dem Kläger keine etwaigen Rechte des Beklagten zu 2 aus dem Anstellungsvertrag mit der Beklagten zu 1 geltend gemacht.

Kayser     

       

Lohmann     

       

Pape   

       

Möhring     

       

Meyberg     

       

41
Zwar ist eine Partei nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen. So kann etwa die Prozessentwicklung Anlass geben, bisher nur beiläufig Vorgetragenes zu präzisieren (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1995 - KZR 15/94, GRUR 1995, 700, 701 = WRP 1995, 819 - Sesamstraße-Aufnäher; Zöller/ Greger, ZPO, 31. Aufl., § 286 Rn. 14). Hat eine Partei im Laufe des Prozesses ihr Vorbringen geändert, so kann dieser Umstand allerdings im Rahmen der Beweiswürdigung Bedeutung erlangen. Dasselbe kann für die Bewertung streitigen Vorbringens einer Partei in einem Rechtsstreit gelten, wenn diese in einem Vorprozess abweichend vorgetragen hat.
12
Das Beschwerdegericht durfte deswegen in Ausübung seines pflichtgemäßen Ermessens von der Beweisaufnahme zu dem Vortrag des Schuldners in der Beschwerdeschrift nicht deshalb absehen, weil das Vorbringen zu seinen Ausführungen im Schreiben vom 20. November 2009 in Widerspruch stand. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass vorprozessuale Äußerungen einer Partei generell nicht geeignet sind, ihrem Prozessvortrag die Beachtlichkeit zu nehmen. Ob mit Blick auf solche Äußerungen dem Prozessvortrag einer Partei letzten Endes der Erfolg versagt bleibt, kann erst im Rahmen der abschließenden Würdigung nach § 286 ZPO unter Einschluss der Ergebnisse einer verfahrensrechtlich gebotenen Beweisaufnahme beurteilt werden (BGH, Urteil vom 8. November 1995 - VIII ZR 227/94, NJW 1996, 394; vom 13. März 1996 - VIII ZR 186/94, NJW 1996, 1541, 1542). Ebenso darf ein Gericht die Beweisaufnahme zu einem bestrittenen erheblichen Vorbringen einer Partei nicht deshalb ablehnen, weil es zu ihrem früheren Vortrag in Widerspruch steht. Eine etwaige Widersprüchlichkeit des Parteivortrages ist vielmehr im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 13. März 2012 - II ZR 50/09, ZIP 2012, 1197 Rn. 16).
14
b) So liegen die Dinge hier. Das Berufungsgericht hat in verschiedener Hinsicht zu strenge Anforderungen an die Widerspruchsfreiheit und Substantiierung des Vortrags der Beklagten zum Abschluss eines Wohnraummietvertrages gestellt.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.