Bundesgerichtshof Urteil, 02. Okt. 2003 - III ZR 420/02

bei uns veröffentlicht am02.10.2003

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 420/02
Verkündet am:
2. Oktober 2003
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 839 (FI); AO § 89; Zollkodex Art. 29
Der mit der Betriebsprüfung eines mit eigener Zollabteilung ausgestatteten
Importunternehmens betraute Zollbeamte ist nicht verpflichtet, dieses ungefragt
über eine günstigere zollrechtliche Gestaltung zu informieren (hier:
Hinweis auf Anmeldung des Vorerwerbspreises als Transaktionswert nach
Art. 29 Zollkodex i.V.m. Art. 147 Abs. 1 der Durchführungsvorschriften zum
Zollkodex).
BGH, Urteil vom 2. Oktober 2003 - III ZR 420/02 - OLG Bremen
LG Bremen
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 2. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 13. November 2002 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Klägerin nimmt die beklagte Bundesrepublik auf Schadensersatz in "!#!%$ &' )( Höhe eines Teilbetrages von 50.000 ein zollrechtlicher Betriebsprüfer habe sie nicht auf eine für sie günstige zollrechtliche Gestaltung hingewiesen, obwohl sich für ihn habe aufdrängen müssen , daß sie insoweit belehrungsbedürftig gewesen sei.
Die Klägerin handelt mit Textilien, die sie aus Fernost importiert. Bei den Lieferantinnen handelt es sich um mit ihr verbundene Unternehmen im Sinne von Art. 143 der Verordnung Nr. 2454/93 (EWG) der Kommission mit Durchfüh-
rungsvorschriften zu der Verordnung Nr. 2913/92 (EWG) des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (im folgenden: ZK-DVO). Ihren An- meldungen legte die Klägerin als "Transaktionswert" im Sinne des Art. 29 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2913/92 (EWG) des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (im folgenden: ZK) die ihr von ihren Lieferantinnen berechneten Preise zugrunde. Der Betriebsprüfer Zollamtsrat K., der bereits in den Jahren 1994 und 1997 eine Prüfung bei der Klägerin vorgenommen hatte, gab ihr anläßlich der im Jahr 2000 abgeschlossenen Prüfung auf ihre Frage, ob eine günstigere zollrechtliche Gestaltung in Betracht käme, die Empfehlung, sich die Vorerwerbspreisregelung anzusehen. Die Klägerin meint, dieser Hinweis habe ihr ohne eine besondere Nachfrage schon im Jahr 1997 erteilt werden müssen. Dann hätte sie die eingeführten Waren auf der Grundlage der niedrigeren Vorerwerbspreise anmelden können.
Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist nicht begründet.
1. Nach Art. 29 Abs. 1 ZK richtet sich der Zollwert eingeführter Waren nach dem Transaktionswert. Dabei handelt es sich nach der dort vorgenommenen Legaldefinition um den "für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft tatsächlich gezahlte(n) oder zu zahlende(n) Preis". Die Regelung geht davon aus, daß der von unabhängigen Vertrags-
parteien vereinbarte Kaufpreis zutreffender Maßstab für den Wert der eingeführten Ware ist. In besonderen Konstellationen, die in Art. 29 Abs. 1 Buchst. a bis d ZK aufgeführt sind, bestehen gegenüber einem normalen Verkaufsfall Abweichungen, die die Eignung des Kaufpreises als zutreffenden Maßstab für die Ermittlung des Transaktionswerts in Frage stellen (vgl. Reiche, in: Witte, Zollkodex, 3. Aufl. 2002, Art. 29 Rn. 39 f). Einer dieser Fälle ist ein Kaufgeschäft zwischen verbundenen Unternehmen, bei dem die Begleitumstände des Kaufgeschäfts zu prüfen sind und der Kaufpreis als Transaktionswert nach Art. 29 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 ZK dann anzuerkennen ist, wenn die Verbundenheit den Preis nicht - im Sinne einer Preisermäßigung - beeinflußt hat (vgl. Glashoff, in: Schwarz/Wockenfoth, Zollrecht, 3. Aufl., Art. 29 ZK Rn. 33).
Zur Prüfung des Merkmals, ob Waren zum Zweck der Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft verkauft wurden, gibt die Durchführungsverordnung zum Zollkodex in Art. 147 nähere Hinweise. Danach wird bereits die Tatsache , daß Waren, die Gegenstand eines Verkaufs sind, zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in der Gemeinschaft angemeldet werden, für die Anwendung des Art. 29 ZK als ausreichendes Indiz angesehen (Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 ZK-DVO). In Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 2 ZKDVO ist näher geregelt, inwieweit diese Indizwirkung in Fällen aufeinanderfolgender Verkäufe Geltung beansprucht. Soweit ein Preis aus einem Verkauf, der dem letzten Verkauf, der zur Verbringung der Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft geführt hat, vorausgeht, angemeldet werden soll, ist den Zollbehörden nach Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK-DVO nachzuweisen, daß dieser Verkauf von Waren mit Bestimmung für das genannte Gebiet abgeschlossen wurde.
Aus dem Zusammenhang von Art. 29 ZK und Art. 147 ZK-DVO ergibt sich, daß in Fällen eines mehrfachen Verkaufs unterschiedliche Kaufpreise der Transaktionswertermittlung zugrunde gelegt werden können. Insoweit kommt dem Zollwertanmelder ein Wahlrecht zu, das in seiner Durchführung nur durch den tatsächlichen Umstand beschränkt ist, daß er den Zollbehörden die für den Preis erforderlichen Angaben und Unterlagen vorzulegen in der Lage sein muß; insoweit sind insbesondere der Geltendmachung von Vorerwerbspreisen tatsächliche Grenzen gesetzt. Mit der zollrechtlichen Freigabe der Waren ist das vom Anmelder ausgeübte Wahlrecht verbindlich und kann im weiteren nicht durch Anmeldung eines günstigeren Preises als Transaktionswert ersetzt werden (vgl. Krüger, in: Dorsch, Zollrecht, Art. 29 ZK Rn. 11; Reiche aaO Rn. 35).
Diese Rechtslage besteht nicht erst seit dem Inkrafttreten des Zollkodex zum 1. Januar 1994. Bereits unter der Geltung der Verordnung Nr. 1224/80 des Rates vom 28. Mai 1980 über den Zollwert der Waren ist der Transaktionswert in Art. 3 Abs. 1 entsprechend definiert worden. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in der Rechtssache C-11/89 - Unifert - durch Urteil vom 6. Juni 1990 entschieden, daß der Importeur bei aufeinanderfolgenden Verkäufen einer Ware - wenn sie den Anforderungen der Bestimmung entsprechen - den Preis eines dieser Verkäufe der Ermittlung des Transaktionswerts zugrunde legen kann (vgl. Slg. 1990, I-2289, 2293 f zu Tz. 15 ff; vgl. auch BFH RIW 1991, 434, 435). Soweit es um Anmeldung eines Vorerwerbspreises geht, hat sich die Rechtslage durch Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK-DVO nur insoweit - zu Lasten des Anmelders - verändert, als er den Nachweis erbringen muß, daß der Verkauf mit der Bestimmung für das Zollgebiet der Gemeinschaft abgeschlossen worden ist (vgl. Reiche aaO Rn. 36a).

2. Vor dem Hintergrund dieser im Grundsatz seit Jahren bestehenden Rechtslage macht die Klägerin geltend, sie habe von der Existenz der Vorerwerbspreisregelung keine Kenntnis gehabt. Da sie aber die angemeldeten Waren von mit ihr verbundenen Unternehmen erworben habe, habe sich für den Betriebsprüfer der Beklagten aufdrängen müssen, daß sie von der ihr günstigeren Anmeldung von Vorerwerbspreisen nur deshalb abgesehen habe, weil ihr die Rechtslage nicht bekannt gewesen sei. Der Betriebsprüfer sei daher verpflichtet gewesen, sie schon anläßlich der Prüfung im Jahr 1997 auf die Vorerwerbspreisregelung hinzuweisen.
Mit Recht hat das Berufungsgericht indessen auf der Grundlage dieses Vorbringens eine Pflicht des Betriebsprüfers verneint, die Klägerin ungefragt auf die Vorerwerbspreisregelung hinzuweisen.

a) Aus § 89 AO läßt sich eine entsprechende Verpflichtung des Betriebsprüfers nicht herleiten. Nach dieser Bestimmung trifft die Behörde die Verpflichtung, die Beteiligten bei der Abgabe von Steuererklärungen und der Stellung von Anträgen zu beraten, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben worden sind, und ihnen, soweit erforderlich, über ihre Rechte und Pflichten Auskunft zu geben. Diese Auskunfts- und Betreuungspflichten sind nach Gegenstand und Umfang - ähnlich wie nach § 25 VwVfG - auf das Verwaltungsverfahren und die in einem konkreten anhängigen Verfahren bestehenden - formellen - Rechte und Pflichten der Beteiligten beschränkt (vgl. Senatsurteil vom 7. Dezember 1995 - III ZR 141/94 - NVwZ 1996, 512, 513; Brockmeyer, in: Klein, Abgabenordnung , 7. Aufl. 2000, § 89 Rn. 4; Helsper, in: Koch/Scholtz, Abgabenordnung,
5. Aufl. 1996, § 89 Rn. 3, 4). Der Bestimmung des § 89 AO läßt sich wegen ihrer Verknüpfung mit einem konkreten Verwaltungsverfahren keine Verpflichtung entnehmen, allgemein über das materielle Recht Auskunft zu geben.
Im Streitfall war der Bedienstete der Beklagten mit der Betriebsprüfung des Unternehmens der Klägerin und weiterer verbundener Unternehmen betraut. Es ging dabei nicht (mehr) um die Anmeldung der eingeführten Waren nach dem Transaktionswert, für den die Klägerin zutreffend die ihr in Rechnung gestellten Kaufpreise angegeben hatte - diese Vorgänge waren durch die zollrechtliche Freigabe mit der Wirkung abgeschlossen, daß die Klägerin an ihr Wahlrecht gebunden war -, sondern um die nachträgliche Überprüfung dieser Vorgänge. Da sich der von der Klägerin vermißte Hinweis deshalb nur auf künftige Zollanmeldungen hätte auswirken können, ist er im Zusammenhang mit der Betriebsprüfung dem Anwendungsbereich des § 89 AO von vornherein entzogen. Die Klägerin kann sich mangels einer Antragstellung auch nicht auf die Vorschrift des Art. 11 Abs. 1 ZK berufen, nach der jede Person bei den Zollbehörden Auskünfte über die Anwendung des Zollrechts beantragen kann.

b) Die Revision leitet eine Hinweispflicht daher aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen her, die in der Rechtsprechung des Senats entwickelt worden sind. So hat der Senat wiederholt entschieden, ein Beamter dürfe nicht "sehenden Auges" zulassen, daß der bei ihm vorsprechende Bürger Schaden erleide , den der Beamte durch einen kurzen Hinweis, eine Belehrung mit wenigen Worten oder eine entsprechende Aufklärung zu vermeiden in der Lage sei (vgl. nur Senatsurteile vom 5. April 1965 - III ZR 11/64 - NJW 1965, 1226, 1227; vom 5. Mai 1994 - III ZR 78/93 - NJW 1994, 2415, 2417, jeweils mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung). Er hat ferner anerkannt, daß
sich aus der besonderen Lage des Einzelfalls Amtspflichten ergeben können, und dabei den Grundsatz betont, daß der Beamte "Helfer des Staatsbürgers" zu sein habe, woraus im Einzelfall seine Pflicht folgen könne, den von ihm zu betreuenden Personenkreis gegebenenfalls ausreichend zu belehren und aufzuklären , damit insbesondere ein Gesuchsteller im Rahmen des jeweils Möglichen und Zulässigen das erreichen könne, was er zu erreichen wünsche, und damit vermeidbarer Schaden von ihm ferngehalten werde (Senatsurteile vom 6. April 1960 - III ZR 38/59 - NJW 1960, 1244; vom 20. Juli 2000 - III ZR 64/99 - NVwZ-RR 2000, 746, 747). Er hat es schließlich für möglich gehalten, daß sich aus einer Sonderbeziehung - wie bei einem bestehenden Steuerschuldverhältnis - in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben Amtspflichten ergeben können, den Betroffenen auf ein besonderes Risiko oder eine drohende Schädigung hinzuweisen (Senatsurteil vom 7. Dezember 1995 - III ZR 141/94 - NVwZ 1996, 512, 513). Aus diesen Rechtsgrundsätzen läßt sich eine Hinweispflicht des hier tätig gewesenen Betriebsprüfers jedoch nicht herleiten.
aa) Soweit es um die Belehrungsbedürftigkeit der Klägerin geht, oblag es ihr als Importeurin von Waren, sich in eigener Verantwortung über die rechtlichen Vorgaben für die Anmeldung und Versteuerung Klarheit zu verschaffen. Dies ist seit langem gefestigte Rechtsprechung, auch des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (vgl. Urteil vom 28. Juni 1990 - Rs C80 /89 - Slg. 1990, I-2671, 2676 zu Tz. 14). Das ist nicht erst eine Frage eines etwaigen Mitverschuldens nach § 254 BGB, sondern ist entscheidend für die Würdigung, ob in dem hier vorliegenden Steuerschuldverhältnis von einer Gestaltung auszugehen ist, in der die Notwendigkeit, dem Betroffenen durch Hinweise betreuend zur Seite zu stehen, für den Beamten nahe lag. Wie den Vor-
schriften des § 89 AO und des Art. 11 ZK mittelbar zu entnehmen ist, besteht eine grundsätzliche Pflicht, dem Zollanmelder ungefragt und von Amts wegen den günstigsten Weg zu weisen, gerade nicht. Vielmehr hat der Steuerpflichtige in seinem eigenen Interesse auf die Wahrnehmung der ihm günstigen Möglichkeiten selbst zu achten (vgl. BFH BStBl. 1960 III S. 178, 179).
Daß sich die Klägerin dieser in ihrem Interesse bestehenden Obliegenheit im grundsätzlichen bewußt war, wird durch den vom Berufungsgericht festgestellten Umstand belegt, daß sie eine eigene Zollabwicklungsabteilung unterhält , die aus mehreren - zeitweise sogar sechs bis acht - Mitarbeitern bestand ; die Zollabwicklungsabteilung hatte nicht nur Zugang zu den einschlägigen Texten des Zollkodex und seiner Durchführungsverordnung, sondern war, wie der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erklärt hat, mit Kommentierungen zu diesen Vorschriften ausgestattet. Danach lag die Annahme, der Klägerin als Importunternehmen mit eigener Zollabwicklungsabteilung sei die Rechtslage in Bezug auf die Vorerwerbspreise als Transaktionswert unbekannt und sie sei insoweit belehrungsbedürftig , eher fern.
Die Revision macht zwar geltend, die Möglichkeit, einen Vorerwerbspreis als Transaktionswert zugrunde zu legen, sei den einschlägigen Vorschriften nicht mit der erforderlichen Klarheit zu entnehmen gewesen. Vielmehr verhalte sich Art. 29 ZK hierzu nicht, und die Bestimmung des Art. 147 Abs. 1 ZK-DVO enthalte lediglich Beweislastregelungen für das Merkmal "Zweck der Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft"; die Möglichkeit, der Anmeldung den Vorerwerbspreis zugrunde zu legen, sei in Art. 147 ZK-DVO nicht explizit geregelt, sondern werde nur stillschweigend vorausgesetzt. Das ändert aber
nichts daran, daß sich aus Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK-DVO unzweifelhaft die Möglichkeit ergibt, den Vorerwerbspreis der Anmeldung zugrunde zu legen, allerdings verbunden mit der den Anmelder belastenden Folge, den Zollbehörden nachweisen zu müssen, daß dieser Verkauf von Waren mit Bestimmung für das Zollgebiet der Gemeinschaft abgeschlossen wurde. Die Rechtslage war damit hinreichend deutlich und wurde so auch, wie die Nachweise zu oben 1 belegen, einhellig in der Kommentierung wiedergegeben. Selbst wenn der Klägerin keine Fachliteratur zur Verfügung gestanden und ihr der Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen nicht die notwendige Klarheit vermittelt hätte, hätte professionelles Verhalten dazu führen müssen, sich über die Anwendung der einschlägigen zollrechtlichen Vorschriften nach Art. 11 Abs. 1 ZK bei der Zollbehörde kundig zu machen. Die Klägerin geht mit ihrer Klage selbst davon aus, daß sie auf eine entsprechende Frage bereits im Jahr 1997 einen Hinweis auf die Vorerwerbspreisregelung erhalten hätte, zumal es für diese im Gemeinschaftsrecht bereits eine im wesentlichen ähnliche Vorgängerregelung gab, zu deren Auslegung Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (Slg. 1990, I-2289) vorlag.
bb) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, dem Betriebsprüfer habe die mangelnde Kenntnis der Rechtslage seitens der Klägerin deshalb deutlich sein müssen, weil sie die Vorerwerbspreisregelung nicht in Anspruch genommen habe, obwohl sie die Waren von mit ihr verbundenen Unternehmen gekauft habe. Hieran ist richtig, daß der Anmelder in der Regel nur den Preis kennt, den er für den Erwerb der Waren an seinen Verkäufer zu zahlen hat. Im allgemeinen wird ihm der Verkäufer keinen Einblick geben, zu welchen Konditionen er seinerseits die Erzeugnisse erworben hat. Aus diesem Grund wird in der Regel nur ein Anmelder, der mit seinem Lieferanten im Sinne des Art. 143
ZK-DVO verbunden ist, die faktische Möglichkeit haben, Vorerwerbspreise in Erfahrung zu bringen und Unterlagen über diese Geschäfte zu erhalten. Nimmt man, wie die Klägerin dies geltend macht, hinzu, daß der Vorerwerbspreis wegen der Handelsspannen geringer ist als der Erwerbspreis des Anmelders, ergibt sich bei der Anmeldung der Vorerwerbspreise eine geringere Zollschuld.
Gleichwohl folgt aus dieser Betrachtungsweise nicht mit hinreichender Deutlichkeit, daß die Klägerin hinsichtlich der Rechtslage belehrungsbedürftig war.
(1) Zunächst ist auch in diesem Punkt auf die Eigenverantwortung der Klägerin aufmerksam zu machen. Niemand wußte so gut wie sie, wie ihre Handelsbeziehungen gestaltet waren. Bezog sie als Importeurin ihre Waren hauptsächlich oder ausnahmslos von mit ihr verbundenen Unternehmen, war sie schon im Hinblick darauf, daß dieser Umstand nach Art. 29 Abs. 1 Buchst. d, Abs. 2 Buchst. a ZK der Zugrundelegung des Kaufpreises als Transaktionswert entgegenstehen konnte, gehalten, der Preisbildung besonderes Augenmerk zu widmen. Zugleich mußte man von ihr erwarten, daß sie die Bestimmung des Art. 147 Abs. 1 Unterabs. 2 ZK-DVO mit einem höheren Interesse las als ein Importeur, für den die Vorerwerbspreise - unabhängig von dem Aufwand, den Zollbehörden den Zweck der Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft für den Vorerwerbsfall nachzuweisen - von vornherein nicht erreichbar waren.
(2) Es kommt hinzu, daß Gegenstand der Betriebsprüfungen in dem hier maßgebenden Bereich die Unterlagen und Kaufverträge mit den verbundenen Unternehmen waren. Der Betriebsprüfer hatte keinen Anlaß, in Unterlagen Einblick zu nehmen, die sich auf den Vorerwerb bezogen. Es ist zwischen den
Parteien auch unstreitig, daß er solche Unterlagen tatsächlich nicht gesehen hat. Dann aber fehlte ihm die positive Kenntnis, daß eine Anmeldung von Vorerwerbspreisen die für die Klägerin günstigere Möglichkeit gewesen wäre. Die Revision meint zwar, im Hinblick auf die Handelsspannen bei der Veräußerung von Waren auf mehreren Wirtschaftsstufen spreche für das letztere die Lebenserfahrung ; die Beurteilung des Prüfers, die Kaufpreise der Klägerin seien nach Art. 29 Abs. 2 Buchst. a Satz 2 ZK als Transaktionswert anzuerkennen, schließe jedenfalls die Kenntnis ein, die Vorerwerbspreise müßten niedriger sein. Diese Überlegungen ändern aber nichts an dem Befund, daß der Betriebsprüfer im Rahmen seiner Tätigkeit keinen Anlaß hatte, sich über Vorerwerbspreise zu informieren und die Klägerin über ihre Gründe zu befragen, weswegen sie ihren Anmeldungen ihre eigenen Einkaufspreise zugrunde legte. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht auch auf die Erfahrung des Betriebsprüfers verwiesen, daß Zollanmelder, denen - wie ausgeführt - ein aus eigener Verantwortung wahrzunehmendes Wahlrecht zusteht, bewußt auf die Anwendung der Vorerwerbspreisregelung verzichteten.

c) Da sich auch aus dem Gemeinschaftsrecht, das in Art. 11 Abs. 1 ZK ein von der Klägerin nicht wahrgenommenes Auskunftsrecht vorsieht, keine weiteren Hinweispflichten für die Zollbeamten der Beklagten ergeben, ist der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch unbegründet. Mit ihrem Vorbringen, die Klägerin habe in einigen Fällen die Zollabfertigung auf der Grundlage von Vorerwerbspreisen erreicht und nach Bekanntwerden ihres Einkaufspreises sei eine - wie sich jetzt herausgestellt habe - fehlerhafte Nachverzollung vorgenommen worden, ist die Revision nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO ausgeschlossen.
Rinne Wurm Kapsa Dörr Galke

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Bundesgerichtshof Urteil, 02. Okt. 2003 - III ZR 420/02 zitiert 9 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 254 Mitverschulden


(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung


(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Ansp

Zivilprozessordnung - ZPO | § 559 Beschränkte Nachprüfung tatsächlicher Feststellungen


(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt

Abgabenordnung - AO 1977 | § 89 Beratung, Auskunft


(1) Die Finanzbehörde soll die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder g

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 25 Beratung, Auskunft, frühe Öffentlichkeitsbeteiligung


(1) Die Behörde soll die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestell

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Bundesgerichtshof Urteil, 20. Juli 2000 - III ZR 64/99

bei uns veröffentlicht am 20.07.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 64/99 Verkündet am: 20. Juli 2000 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja -------------
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 02. Okt. 2003 - III ZR 420/02.

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2014 - III ZR 502/13

bei uns veröffentlicht am 03.07.2014

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 30. Juli 2013 wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

(1) Die Finanzbehörde soll die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Sie erteilt, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten.

(2) Die Finanzämter und das Bundeszentralamt für Steuern können auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht. Zuständig für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist die Finanzbehörde, die bei Verwirklichung des dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhalts örtlich zuständig sein würde. Bei Antragstellern, für die im Zeitpunkt der Antragstellung nach den §§ 18 bis 21 keine Finanzbehörde zuständig ist, ist auf dem Gebiet der Steuern, die von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwaltet werden, abweichend von Satz 2 das Bundeszentralamt für Steuern zuständig; in diesem Fall bindet die verbindliche Auskunft auch die Finanzbehörde, die bei der Verwirklichung des der Auskunft zugrunde liegenden Sachverhalts zuständig ist. Über den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft soll innerhalb von sechs Monaten ab Eingang des Antrags bei der zuständigen Finanzbehörde entschieden werden; kann die Finanzbehörde nicht innerhalb dieser Frist über den Antrag entscheiden, ist dies dem Antragsteller unter Angabe der Gründe mitzuteilen. Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen zu Form, Inhalt und Voraussetzungen des Antrages auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft und zur Reichweite der Bindungswirkung zu treffen. In der Rechtsverordnung kann auch bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich zu erteilen ist und welche Finanzbehörde in diesem Fall für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie die Versicherungsteuer betrifft.

(3) Für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach Absatz 2 wird eine Gebühr erhoben. Wird eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Antragstellern einheitlich erteilt, ist nur eine Gebühr zu erheben; in diesem Fall sind alle Antragsteller Gesamtschuldner der Gebühr. Die Gebühr ist vom Antragsteller innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe ihrer Festsetzung zu entrichten. Die Finanzbehörde kann die Entscheidung über den Antrag bis zur Entrichtung der Gebühr zurückstellen.

(4) Die Gebühr wird nach dem Wert berechnet, den die verbindliche Auskunft für den Antragsteller hat (Gegenstandswert). Der Antragsteller soll den Gegenstandswert und die für seine Bestimmung erheblichen Umstände in seinem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft darlegen. Die Finanzbehörde soll der Gebührenfestsetzung den vom Antragsteller erklärten Gegenstandswert zugrunde legen, soweit dies nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt.

(5) Die Gebühr wird in entsprechender Anwendung des § 34 des Gerichtskostengesetzes mit einem Gebührensatz von 1,0 erhoben. § 39 Absatz 2 des Gerichtskostengesetzes ist entsprechend anzuwenden. Beträgt der Gegenstandswert weniger als 10 000 Euro, wird keine Gebühr erhoben.

(6) Ist ein Gegenstandswert nicht bestimmbar und kann er auch nicht durch Schätzung bestimmt werden, ist eine Zeitgebühr zu berechnen; sie beträgt 50 Euro je angefangene halbe Stunde Bearbeitungszeit. Beträgt die Bearbeitungszeit weniger als zwei Stunden, wird keine Gebühr erhoben.

(7) Auf die Gebühr kann ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Gebühr kann insbesondere ermäßigt werden, wenn ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vor Bekanntgabe der Entscheidung der Finanzbehörde zurückgenommen wird.

(1) Die Behörde soll die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Sie erteilt, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten.

(2) Die Behörde erörtert, soweit erforderlich, bereits vor Stellung eines Antrags mit dem zukünftigen Antragsteller, welche Nachweise und Unterlagen von ihm zu erbringen sind und in welcher Weise das Verfahren beschleunigt werden kann. Soweit es der Verfahrensbeschleunigung dient, soll sie dem Antragsteller nach Eingang des Antrags unverzüglich Auskunft über die voraussichtliche Verfahrensdauer und die Vollständigkeit der Antragsunterlagen geben.

(3) Die Behörde wirkt darauf hin, dass der Träger bei der Planung von Vorhaben, die nicht nur unwesentliche Auswirkungen auf die Belange einer größeren Zahl von Dritten haben können, die betroffene Öffentlichkeit frühzeitig über die Ziele des Vorhabens, die Mittel, es zu verwirklichen, und die voraussichtlichen Auswirkungen des Vorhabens unterrichtet (frühe Öffentlichkeitsbeteiligung). Die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung soll möglichst bereits vor Stellung eines Antrags stattfinden. Der betroffenen Öffentlichkeit soll Gelegenheit zur Äußerung und zur Erörterung gegeben werden. Das Ergebnis der vor Antragstellung durchgeführten frühen Öffentlichkeitsbeteiligung soll der betroffenen Öffentlichkeit und der Behörde spätestens mit der Antragstellung, im Übrigen unverzüglich mitgeteilt werden. Satz 1 gilt nicht, soweit die betroffene Öffentlichkeit bereits nach anderen Rechtsvorschriften vor der Antragstellung zu beteiligen ist. Beteiligungsrechte nach anderen Rechtsvorschriften bleiben unberührt.

(1) Die Finanzbehörde soll die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Sie erteilt, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten.

(2) Die Finanzämter und das Bundeszentralamt für Steuern können auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht. Zuständig für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist die Finanzbehörde, die bei Verwirklichung des dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhalts örtlich zuständig sein würde. Bei Antragstellern, für die im Zeitpunkt der Antragstellung nach den §§ 18 bis 21 keine Finanzbehörde zuständig ist, ist auf dem Gebiet der Steuern, die von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwaltet werden, abweichend von Satz 2 das Bundeszentralamt für Steuern zuständig; in diesem Fall bindet die verbindliche Auskunft auch die Finanzbehörde, die bei der Verwirklichung des der Auskunft zugrunde liegenden Sachverhalts zuständig ist. Über den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft soll innerhalb von sechs Monaten ab Eingang des Antrags bei der zuständigen Finanzbehörde entschieden werden; kann die Finanzbehörde nicht innerhalb dieser Frist über den Antrag entscheiden, ist dies dem Antragsteller unter Angabe der Gründe mitzuteilen. Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen zu Form, Inhalt und Voraussetzungen des Antrages auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft und zur Reichweite der Bindungswirkung zu treffen. In der Rechtsverordnung kann auch bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich zu erteilen ist und welche Finanzbehörde in diesem Fall für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie die Versicherungsteuer betrifft.

(3) Für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach Absatz 2 wird eine Gebühr erhoben. Wird eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Antragstellern einheitlich erteilt, ist nur eine Gebühr zu erheben; in diesem Fall sind alle Antragsteller Gesamtschuldner der Gebühr. Die Gebühr ist vom Antragsteller innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe ihrer Festsetzung zu entrichten. Die Finanzbehörde kann die Entscheidung über den Antrag bis zur Entrichtung der Gebühr zurückstellen.

(4) Die Gebühr wird nach dem Wert berechnet, den die verbindliche Auskunft für den Antragsteller hat (Gegenstandswert). Der Antragsteller soll den Gegenstandswert und die für seine Bestimmung erheblichen Umstände in seinem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft darlegen. Die Finanzbehörde soll der Gebührenfestsetzung den vom Antragsteller erklärten Gegenstandswert zugrunde legen, soweit dies nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt.

(5) Die Gebühr wird in entsprechender Anwendung des § 34 des Gerichtskostengesetzes mit einem Gebührensatz von 1,0 erhoben. § 39 Absatz 2 des Gerichtskostengesetzes ist entsprechend anzuwenden. Beträgt der Gegenstandswert weniger als 10 000 Euro, wird keine Gebühr erhoben.

(6) Ist ein Gegenstandswert nicht bestimmbar und kann er auch nicht durch Schätzung bestimmt werden, ist eine Zeitgebühr zu berechnen; sie beträgt 50 Euro je angefangene halbe Stunde Bearbeitungszeit. Beträgt die Bearbeitungszeit weniger als zwei Stunden, wird keine Gebühr erhoben.

(7) Auf die Gebühr kann ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Gebühr kann insbesondere ermäßigt werden, wenn ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vor Bekanntgabe der Entscheidung der Finanzbehörde zurückgenommen wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 64/99
Verkündet am:
20. Juli 2000
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
------------------------------------
Zu den Voraussetzungen, unter denen sich aus den Ermittlungspflichten
des Arztes des Gesundheitsamts, gegenüber dem der Verdacht
auf eine Impfschädigung geäußert wird, eine Pflicht zur Belehrung
ergeben kann, daß es zur Anerkennung eines Impfschadens
einer hierauf gerichteten Antragstellung bedarf.
BGH, Urteil vom 20. Juli 2000 - III ZR 64/99 - OLG Koblenz
LG Trier
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Juli 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Dr. Wurm, Streck, Schlick und Dörr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 20. Januar 1999 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die im Mai 1950 geborene Klägerin wurde am 4. Juni 1951 aufgrund einer gesetzlichen Anordnung zum Schutz vor der Pockenerkrankung geimpft. Bald darauf stellte sich bei ihr eine postvakzinale Enzephalopathie ein, die sich zu einer Teillähmung der Extremitäten entwickelte. Die Klägerin führt diese Entwicklung und weitere Verschlechterungen ihrer gesundheitlichen Situation - auch im psychischen Bereich - auf die genannte Impfung zurück. Von der Verpflichtung zur Pockenschutz-Wiederimpfung wurde die Klägerin gemäß einer vom Amtsarzt Dr. W. unterzeichneten Bescheinigung des Gesundheitsamts B. vom 15. Juni 1962 unter Hinweis auf einen Impfschaden bei der Erstimpfung freigestellt. Die Eltern der Klägerin stellten am 4. Dezember 1967 beim Landratsamt , Abteilung Sozialwesen, einen Antrag auf Gewährung einer Ausbildungsbeihilfe als Eingliederungshilfe, den sie mit Behinderungen ihrer Tochter infolge eines Impfschadens begründeten. Wegen der Kostenträgerschaft fragte das Landratsamt unter Bezugnahme auf die von den Eltern vorgelegte Bescheinigung vom 15. Juni 1962 beim Gesundheitsamt an, ob ein Impfschaden festgestellt sei. Nach Ermittlungen des Gesundheitsamts, das die für die Anerkennung eines Impfschadens zuständige Bezirksregierung einschaltete, teilte diese dem Gesundheitsamt mit Verfügung vom 25. Juli 1968 mit, ein behördlich anerkannter Impfschaden liege nicht vor, weshalb vom Land diesbezüglich keine Leistungen erbracht werden könnten. Hiervon unterrichtete das Gesundheitsamt das Landratsamt, das dann die beantragte Hilfe gewährte. Auf einen im Februar 1988 gestellten Antrag auf Feststellung einer Behinderung nach dem Schwerbehindertengesetz fragte das Versorgungsamt an, ob die Klägerin wegen des von ihr in dem Antrag als Ursache geltend gemachten Impfscha-
dens einen Antrag nach dem Bundes-Seuchengesetz stellen wolle oder ob nur eine Anerkennung im Rahmen des Schwerbehindertengesetzes gewünscht werde. Der sodann im März 1988 an das Versorgungsamt M. gerichtete Antrag führte am 29. Oktober 1991 zur Anerkennung des Impfschadens im Sinne des § 51 BSeuchenG und zu einer seit dem 1. März 1988 gewährten Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes.
Die Klägerin ist der Auffassung, die zuständigen Bediensteten des beklagten Landes, die bereits in der Vergangenheit mit den Auswirkungen ihres Leidens befaßt gewesen seien, hätten es pflichtwidrig unterlassen, sie auf die Möglichkeit hinzuweisen, eine Entschädigung nach Aufopferungsgesichtspunkten oder nach dem Bundes-Seuchengesetz zu erhalten. Sie verfolgt mit ihrer Klage daher im Hauptantrag die Feststellung, daß das beklagte Land (im folgenden : Beklagter) verpflichtet sei, ihr sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden sei bzw. noch entstehe, daß ihr für die Zeit bis März 1988 keine Entschädigungsleistungen nach dem Bundes-Seuchengesetz und nach dem allgemeinen Aufopferungsanspruch für den am 4. Juni 1951 eingetretenen Pockenimpfschaden gewährt worden seien. Die Klage hatte in den Vorinstanzen - ebenso wie eine im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs erhobene Klage vor dem Sozialgericht und Landessozialgericht - keinen Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe


Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht verneint die Verletzung einer Amtspflicht, die zu einem Entschädigungsverlust für die Zeit vor März 1988 geführt hätte. Als der Amtsarzt Dr. W. in seiner Bescheinigung vom 15. Juni 1962 von einem Impfschaden ausgegangen sei und die Klägerin von der Pockenschutz-Wiederimpfung freigestellt habe, sei nicht der zwingende medizinische Nachweis erbracht gewesen, daß die gesundheitlichen Störungen der Klägerin auf die Impfung zurückzuführen seien. Selbst wenn das Gesundheitsamt damals zur näheren Klärung ein ärztliches Gutachten eingeholt hätte, hätte dieses kein anderes Ergebnis haben können als im Jahr 1987 erstattete Gutachten, nach denen das Krankheitsbild der Klägerin nicht vollständig habe geklärt werden können. Die Klägerin wäre daher nicht in der Lage gewesen, den bis zum Inkrafttreten des Zweiten Ä nderungsgesetzes zum Bundes-Seuchengesetz im Jahr 1971 notwendigen Nachweis eines Impfschadens zu führen. Nach Inkrafttreten des genannten Gesetzes, das nur noch die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Gesundheitsschaden und Impfung verlange , seien die Beamten des Versorgungsamts nicht verpflichtet gewesen, ein früheres Verfahren wieder aufzugreifen oder die Klägerin auf die geänderte
Gesetzeslage hinzuweisen. Selbst wenn man dies aber anders sehen wollte, hätten die beteiligten Beamten nicht schuldhaft gehandelt. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundes-Seuchengesetzes vom 1. Januar 1962 sei ein betreuendes Eingreifen und Tätigwerden von Amts wegen für einen möglichen Anspruchsteller nicht üblich gewesen und auch im Bereich des Versorgungsamts nicht erwartet worden. Die Klägerin habe nichts Stichhaltiges dafür vorgetragen , daß Beamte des beklagten Landes, an die weder ein entsprechender Sachverhalt noch ein Antrag oder ein Auskunftsersuchen herangetragen worden sei, schuldhaft eine Belehrungspflicht verletzt hätten.

II.


Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung in maßgebenden Punkten nicht stand.
1. Wie die Revision mit Recht rügt, kann die Verletzung einer Amtspflicht nach dem bisherigen Stand des Verfahrens nicht verneint werden. An dieser Beurteilung ist der Senat nicht durch das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Juni 2000 gehindert, das den von der Klägerin geltend gemachten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch verneint und hierbei das Handeln der Bediensteten des Gesundheitsamts, der Bezirksregierung und des Versorgungsamts als rechtmäßig bewertet hat. Auch wenn jenes zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits ergangene Urteil rechtskräftig würde - gegenwärtig läuft noch die Frist zur Einlegung der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision -, wäre es nur insoweit der Rechtskraft fähig, als es über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch entschieden hat. Ob sich die
Bediensteten der genannten Behörden pflichtgemäß oder pflichtwidrig verhalten haben, war in dem Verfahren vor dem Landessozialgericht lediglich eine Vorfrage, auf die sich die Rechtskraftwirkung des Urteils nicht erstrecken würde (vgl. Senatsurteile BGHZ 103, 242, 245 m.w.N.; vom 6. Februar 1997 - III ZR 241/95 - VersR 1997, 745, 746).

a) Im Zusammenhang mit dem von den Eltern der Klägerin am 4. Dezember 1967 an das Landratsamt, Abteilung Sozialwesen, gerichteten Antrag auf Gewährung einer Ausbildungsbeihilfe als Eingliederungshilfe, den sie mit Behinderungen ihrer Tochter infolge eines Impfschadens begründet hatten, wurden die für die Anerkennung eines Impfschadens seinerzeit zuständigen Behörden des Beklagten mit einer Anfrage des Landratsamts befaßt, ob ein Impfschaden festgestellt sei, weil dies Auswirkungen auf die Frage gehabt hätte, wer zur Übernahme der Ausbildungskosten verpflichtet war. Der Anfrage war die von den Eltern vorgelegte Bescheinigung des Amtsarztes Dr. W. vom 15. Juni 1962 über die Freistellung von der Pockenschutz-Wiederimpfung beigefügt , aus der sich ergab, daß die Klägerin "infolge eines Impfschadens bei der Erstimpfung nicht noch einmal gegen Pocken geimpft werden" dürfe.
aa) Wie sich aus der vorgerichtlichen Stellungnahme der Bezirksregierung T. vom 23. März 1992 ergibt, hatte das Gesundheitsamt auf die damalige Anfrage, die jedenfalls den geäußerten Verdacht auf einen Impfschaden enthielt , den mit "Verhalten der Gesundheitsämter bei Impfschäden, insbesondere nach Pockenschutzimpfung" überschriebenen Runderlaß des Ministers des Innern in der Fassung vom 31. Dezember 1967 - 771-01/1 (BerMinBl. 1968, Bd. 1 Spalte 1459) zu beachten, der in Ziffer I bestimmte:
"Erhält das Gesundheitsamt Kenntnis von einem ungewöhnlichen Verlauf der Impfreaktion, unklaren Krankheitserscheinungen des Impflings oder eines Familienangehörigen, die mit der Impfung in Zusammenhang gebracht werden, so hat der Amtsarzt unverzüglich alle zur Aufklärung des Sachverhalts geeigneten Maßnahmen in die Wege zu leiten und die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Über das Ergebnis hat er alsbald seiner Bezirksregierung ... zu berichten."
In Ziffer II ist vorgesehen, daß der Amtsarzt auf eine baldmöglichste Einweisung in eine Kinderkrankenanstalt, zumindest in eine Krankenanstalt hinzuwirken hat, wenn im Anschluß an eine Schutzimpfung Erscheinungen am Nervensystem auftreten. Der Sache nach handelte es sich um Amtspflichten, die den Gesundheitsämtern schon seit langem oblagen. Bereits § 42 der Dritten Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Vereinheitlichung des Gesundheitswesens vom 30. März 1935 (RMBl S. 327) bestimmte, daß der Amtsarzt alsbald alle zur Aufklärung des Sachverhalts gebotenen oder zweckdienlich erscheinenden Maßnahmen in die Wege zu leiten und geeignetenfalls durch persönliche Ermittlungen zu unterstützen hatte, wenn Mitteilungen über Impfschädigungen zur Kenntnis des Gesundheitsamts gelangten. Ein weiterer, mit "Verwaltungsvorschriften und Richtlinien für die Pockenschutzimpfung" überschriebener Runderlaß des Ministers des Innern in der Fassung vom 31. Dezember 1967 - 771-01/0 (BerMinBl. 1968, Bd. 1 Spalte 1417 ff) nahm auf diese Bestimmung aus dem Jahr 1935 Bezug und ordnete an, daß der Impfarzt über das Ergebnis seiner Aufsichtsbehörde und der zuständigen Impfanstalt zu berichten habe.
bb) Ob der mit dem Anliegen der Klägerin befaßte Arzt des Gesundheitsamts und der inzwischen in den Diensten der Bezirksregierung stehende Medizinaldirektor Dr. W., an den die Anfrage weitergeleitet wurde, die sich aus
diesen Runderlassen ergebenden Pflichten erfüllt haben, hat das Berufungsgericht nicht geprüft, obwohl sich die Klägerin - wie die Revision mit Recht rügt - sowohl auf diesen Vorgang als auch auf den erstgenannten Runderlaß bezogen hatte.
Ausweislich der bereits vom Berufungsgericht beigezogenen Versorgungsakte spricht viel dafür, daß der Amtsarzt nicht alle zur Aufklärung des Sachverhalts geeigneten Maßnahmen in die Wege geleitet und die erforderlichen Ermittlungen durchgeführt hat. Zwar ist dem Schreiben des Amtsarztes vom 29. Mai 1968 zu entnehmen, die Mutter der Klägerin habe in eingehender Befragung angegeben, ihre Tochter habe bereits vor der Impfung laufen können , aber nach der längeren Erkrankung im Anschluß an die Impfung wieder mit dem Laufenlernen beginnen müssen; dabei habe die rechte Fußspitze nach der Impfung über den Boden geschleift, weshalb später eine Spitzfußschiene verordnet worden sei. Darüber hinaus hat der Amtsarzt der Mutter der Klägerin weitere schriftliche Fragen zur ärztlichen Behandlung gestellt, deren schriftliche Beantwortung er mit Schreiben vom 12. Juni 1968 an Dr. W. weiterleitete. Der an das Gesundheitsamt gerichteten Verfügung der Bezirksregierung vom 25. Juli 1968 ist jedoch zu entnehmen, daß die zur Aufklärung eingeleiteten Maßnahmen noch nicht ausreichten, um den Vorgang - wie geschehen - abzuschließen. In der Verfügung wird nämlich zum einen hervorgehoben, die Informationen der Mutter ließen einen "gewissen Verdacht" auf einen Impfschaden aufkommen. Zum anderen wird die Feststellung getroffen, keiner der von den Eltern konsultierten Ä rzte habe von einem Impfschaden gesprochen, was erfahrungsgemäß aus einem Kausalitätsbedürfnis heraus sehr gerne geschehe. Eine wiedergegebene Ä ußerung des Kinderarztes Dr. Sch. könne nicht im Sinne eines Impfschadens gewertet werden, weil man annehmen müsse, daß er
anderenfalls durch eine Meldung an das Gesundheitsamt die Aufklärung des Sachverhalts in Gang gesetzt hätte. Wie dem aber auch sei, es stehe fest, daß die Eltern nie einen Antrag auf Anerkennung eines Impfschadens gestellt hätten und daß hier nie ein solches Verfahren durchgeführt worden sei. Was die vom Unterzeichner der Verfügung ausgestellte Bescheinigung vom 15. Juni 1962 betreffe, gehe diese wohl auf Aussagen des Impflings oder seiner Begleitpersonen zurück, woraus geschlossen worden sei, eine Anerkennung als Impfschaden liege bereits vor. Da dies jedoch - wie sich jetzt herausgestellt habe - nicht stimme, habe die Bescheinigung nur die Bedeutung einer Begründung für das Unterbleiben der gesetzlich vorgeschriebenen Wiederimpfung. Als solche sei sie auch heute noch gültig, ausgehend von dem Standpunkt, daß man ausnahmsweise mal vergrämten Eltern, die an einen Impfschaden bei ihrem Kind glaubten, weitere Sorgen, wie sie durch eine Wiederimpfung auftreten könnten, ersparen helfe. Die Verfügung, die zwar dem Landratsamt, nicht aber der Klägerin bekannt gegeben worden ist, schließt mit der Feststellung , mangels eines behördlich anerkannten Impfschadens könnten vom Land keine Leistungen erbracht werden. Damit sind in der Verfügung letztlich nur unzureichende Angaben der Mutter und eine - in Wirklichkeit offenbar nicht vorhandene - Aktenlage verwertet worden. Dem Anliegen des Erlasses, alle zur Aufklärung des Sachverhalts geeigneten Maßnahmen in die Wege zu leiten und die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen, war damit ersichtlich nicht Genüge getan, denn angesichts der in der Verfügung nicht geleugneten Bedeutung der zeitlichen Zusammenhänge zwischen der Impfung und den aufgetretenen gesundheitlichen Störungen und des ausdrücklich bejahten "gewissen Verdachts" lag es nahe, damals möglicherweise noch erreichbare ärztliche Unterlagen beizuziehen oder Stellungnahmen der behandelnden Ä rzte einzuholen.

Der Senat verkennt nicht, daß das Gesundheitsamt und die Bezirksregierung grundsätzlich nur nach Stellung eines Antrages auf Anerkennung bestimmter gesundheitlicher Einschränkungen als Impfschaden Anlaß hatten, von Amts wegen alle Ermittlungen anzustellen, um in diesem Sinne eine abschließende Klärung herbeizuführen. Eine so weitgehende Verpflichtung begründete der Runderlaß fraglos nicht. Trotzdem legte er dem Gesundheitsamt Aufklärungspflichten auf, die von einer solchen Antragstellung unabhängig waren. Wenn diese Pflichten auch in erster Linie auf Fälle zugeschnitten sein mögen, in denen dem Gesundheitsamt alsbald nach der Impfung ein unregelmäßiger Verlauf zur Kenntnis gelangt - das ergibt sich insbesondere aus der Pflicht, auch der Impfanstalt zu berichten sowie unter bestimmten Voraussetzungen Blut und Liquor zu entnehmen und der Impfanstalt zu übersenden -, sind sie auf solche Fälle jedoch nicht beschränkt. Sie dienen auch nicht allein dem Interesse der Allgemeinheit, um etwa der Verwendung ungeeigneter Impfstoffe zu begegnen, sondern auch dem Interesse des von einem unregelmäßigen Impfverlauf betroffenen Einzelnen, dessen Gesundheit möglicherweise erheblich beeinträchtigt war oder der mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen zu rechnen hatte. Es kommt hinzu, daß der mit "Verwaltungsvorschriften und Richtlinien für die Pockenschutzimpfung" überschriebene Runderlaß des Ministers des Innern vom 31. Dezember 1967 (BerMinBl. 1968, Bd. 1 Spalte 1417, 1418) als Anlage 10 einen vom Amtsarzt an die Aufsichtsbehörde zu erstattenden Bericht in einer Impfschadenssache vorsah, wenn von dem Erziehungsberechtigten ein Impfschaden behauptet oder der Verdacht einer Impfschädigung geäußert wurde. Den beigezogenen Vorsorgungsakten ist nicht zu entnehmen, daß der Amtsarzt einen solchen Bericht erstattet und sich die zur Beantwortung der zahlreichen Fragen in dem entsprechenden Formblatt notwendigen Infor-
mationen bei den Eltern der damals noch minderjährigen Klägerin beschafft hätte.
cc) Bei ausreichender Wahrnehmung der in den Runderlassen vom 31. Dezember 1967 auferlegten Pflichten hätte die Bediensteten des Gesundheitsamts und der Bezirksregierung auch die Verpflichtung getroffen, die Klägerin auf die Notwendigkeit einer Antragstellung zur Feststellung eines Impfschadens hinzuweisen.
Nach § 16 Abs. 3 SGB I sind die Leistungsträger von Sozialleistungen verpflichtet, darauf hinzuwirken, daß unverzüglich klare und sachdienliche Anträge gestellt und unvollständige Angaben ergänzt werden. Diese Vorschrift ist zwar erst zum 1. Januar 1976 in Kraft getreten, Betreuungspflichten entsprechender Art wurden aber schon vorher in der Rechtsprechung insbesondere des Bundessozialgerichts anerkannt. Das Bundessozialgericht hat bereits im Urteil vom 17. November 1970, das sich auf Vorgänge im Jahr 1952 bezog, ausgesprochen, aufgrund der Fürsorge- und Betreuungspflicht habe der Beamte dem Staatsbürger, soweit er mit dessen Angelegenheiten befaßt sei, zu helfen, um das zu erreichen, was ihm zustehe oder was er im Rahmen des Möglichen und Zulässigen zu erreichen wünsche (vgl. BSGE 32, 60, 65). 1975 urteilte es über einen Vorgang aus dem Jahr 1965, der Versicherungsträger verletze eine ihm aus dem Versicherungsverhältnis nach dem Grundsatz von Treu und Glauben obliegende Dienstleistungspflicht, wenn er den Versicherten nicht auf solche Gestaltungsmöglichkeiten hinweise, die klar zutage lägen und deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig erscheine, daß sie jeder verständige Versicherte mutmaßlich nutzen werde (BSGE 41, 126). Zu den Nebenpflichten aus einem Sozialrechtsverhältnis gehören als spezielle
Dienstleistung Auskunft und Belehrung sowie "verständnisvolle Förderung" (BSGE 46, 124, 126). Auch der Senat hat bereits vor Inkrafttreten des Ersten Buches Sozialgesetzbuch entschieden, es gehöre im sozialen Rechtsstaat zu den Amtspflichten der mit der Betreuung der sozial schwachen Volkskreise betrauten Beamten, diesen zur Erlangung und Wahrung der ihnen vom Gesetz zugedachten Rechte und Vorteile nach Kräften beizustehen (Urteil vom 26. September 1957 - III ZR 65/56 - NJW 1957, 1873 f). Im Senatsurteil vom 6. April 1960 hat er ausgeführt, es dürfe der heute gefestigte Grundsatz nicht außer acht bleiben, daß der Beamte "Helfer des Staatsbürgers" zu sein habe, woraus im Einzelfall seine Pflicht folgen könne, den von ihm zu betreuenden Personenkreis gegebenenfalls ausreichend zu belehren und aufzuklären, damit insbesondere ein Gesuchsteller im Rahmen des jeweils Möglichen und Zulässigen das erreichen könne, was er zu erreichen wünsche, und damit vermeidbarer Schaden von ihm ferngehalten werde (III ZR 38/59 - NJW 1960, 1244). Auch in der eine Betreuungspflicht annehmenden Entscheidung des Senats vom 6. Februar 1997 (III ZR 241/95 - VersR 1997, 745 f) ging es um ein Verhalten in den frühen siebziger Jahren, also vor dem Inkrafttreten des Ersten Buches Sozialgesetzbuch.
Dem Senat ist bewußt, daß im vorliegenden Fall nicht ohne weiteres eine Belehrungspflicht wegen einer klar zutage tretenden Gestaltungsmöglichkeit angenommen werden kann. Denn nach der Aktenlage konnten die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin auch auf anderen Ursachen beruhen. Bei einer nach den Runderlassen gebotenen weiteren Aufklärung, zu der die Bezirksregierung das Gesundheitsamt hätte auffordern müssen und die mindestens in der Beiziehung ärztlicher Unterlagen und in einer dokumentierten Befragung der Eltern hätte bestehen müssen, hätte aber nach den Um-
ständen des Falles eine Belehrung vorgenommen werden müssen. Wegen der gebotenen Aufklärung war ohnehin eine Kontaktaufnahme mit einem gesetzlichen Vertreter der Klägerin erforderlich. Er hätte auch um eine entsprechende Entbindung der behandelnden Ä rzte von der Schweigepflicht ersucht werden müssen. Darüber hinaus drängte sich dem Gesundheitsamt aufgrund der Anfrage des Sozialamts auf, daß die Klägerin in wirtschaftlichen Verhältnissen lebte, die eine Hilfegewährung erforderlich machten. Das Gesundheitsamt führte ferner, wie den Versorgungsakten zu entnehmen ist, seit 1959 über die Klägerin eine Körperbehindertenakte. Schließlich ergab der Vorgang, in den das Gesundheitsamt durch die Anfrage des Sozialamts eingeschaltet war, daß den Erziehungsberechtigten der Klägerin offenbar nicht bekannt war, daß sie Entschädigungsleistungen verlangen könnten, wenn ein Impfschaden in dem dafür vorgesehenen Verfahren festgestellt wäre. Vor diesem Hintergrund war es amtspflichtwidrig, sich der weiteren Aufklärung zu enthalten und die Klägerin nicht mindestens auf die Möglichkeit hinzuweisen, ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen als Impfschaden anerkennen zu lassen. Da die Klägerin die beantragte Hilfe schließlich vom Sozialamt erhielt und ihr die Verfügung der Bezirksregierung nicht übermittelt wurde, blieb ihr die aus ihrer Sicht gebotene Gestaltungsmöglichkeit gerade verborgen.
Dagegen läßt sich nicht einwenden, der Anwendungsbereich der Runderlasse beschränke sich auf die Gesundheitsfürsorge als solche; er sei - in Bezug auf den einzelnen Betroffenen - überschritten, wenn die gesundheitliche Beeinträchtigung irreversibel sei. Eine solche Feststellung setzt die von den Runderlassen bei Verdacht eines Impfschadens vorgeschriebene Aufklärung voraus, die ihrerseits zwischen Gesundheitsbehörden und Betroffenen die Rechtsbeziehung begründet, aus der die genannten Belehrungspflichten her-
zuleiten sind. Deren pflichtgemäße Wahrnehmung oblag den zuständigen Amtsträgern auch im Blick auf das Interesse der von einem Impfschaden Betroffenen , in Gestalt einer Aufopferungsentschädigung ein Ä quivalent für die im Interesse der Allgemeinheit erlittenen gesundheitlichen Nachteile zu erlangen.

b) Unbegründet ist die Rüge der Revision, nach Inkrafttreten des Zweiten Ä nderungsgesetzes zum Bundesseuchengesetz sei das Versorgungsamt im Zusammenhang mit dem Übergang der Zuständigkeit für die Behandlung von Impfschadensfällen verpflichtet gewesen, den von der Bezirksregierung übermittelten Vorgang aus dem Jahr 1968 zu überprüfen und der Klägerin eine Antragstellung nahezulegen. Auch wenn die der Versorgungsakte vorgeheftete Karteikarte, worauf die Revision hinweist, ergibt, daß die zehn Blätter umfassende Akte der Bezirksregierung am 6. Oktober 1971 übersandt und erst ein Jahr später archiviert worden ist, begründete dies keine Pflicht, ohne einen besonderen Anlaß die Akte auf mögliche Ansprüche durchzuprüfen und der Klägerin im Hinblick auf den erleichterten Nachweis der Kausalität (§ 52 Abs. 2 BSeuchenG) eine Antragstellung nahezulegen. Da ein Impfschaden nicht bereits anerkannt war, war nicht zu prüfen, ob sich leistungsrechtlich Veränderungen ergeben konnten, die mit der 1971 eingeführten entsprechenden Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes zusammenhingen. Im übrigen setzte Art. 2 Abs. 3 2. Ä ndGBSeuchenG einen Antrag voraus, wenn erneut geprüft werden sollte, ob der Impfschaden im Hinblick auf das gelokkerte Kausalitätserfordernis anzuerkennen sei.
2. Wie die Revision mit Recht rügt, kann auch ein Verschulden der mit der Anfrage des Sozialamts befaßten Beamten des Gesundheitsamts und der Bezirksregierung nicht ausgeschlossen werden. Es geht hier - jedenfalls im Kern -
nicht, wie das Berufungsgericht in den Mittelpunkt seiner Erörterungen stellt, um das Maß der in den sechziger Jahren anerkannten und zu erwartenden allgemeinen Betreuungs-, Beratungs- und Fürsorgepflicht, sondern zunächst und zuvörderst um die Beachtung von Pflichten, die Gegenstand der ministeriellen Runderlasse waren und daher zum alltäglichen "Handwerkszeug" der Beamten gehörten, denen gegenüber der Verdacht auf einen Impfschaden geäußert war. Es trifft auch nicht zu, wenn das Berufungsgericht ausführt, an die Beamten sei ein entsprechender Sachverhalt nicht herangetragen worden. Es war vielmehr ein Antrag der Klägerin in der Welt, der Anlaß zu der Frage bot, ob das Land aus dem Gesichtspunkt des Impfschadens für die Kosten von Eingliederungsmaßnahmen aufkommen müsse. So ist dies auch, wie die Behandlung der Angelegenheit zeigt, vom Gesundheitsamt und der Bezirksregierung angesehen worden. Soweit das Berufungsgericht meint, die befaßten Beamten hätten die Voraussetzungen für einen erfolgversprechenden Antrag der Klägerin nicht vorwerfbar als nicht gegeben angesehen, übersieht es den maßgeblichen Gesichtspunkt , daß die mit dem Fall befaßten Beamten die Sache auf einer - gemessen an der durch die Erlasse begründeten Pflichtenlage - erkennbar unvollständigen Grundlage, die es nicht erlaubte, die Erfolgsaussicht eines auf Anerkennung eines Impfschadens gerichteten Antrags zu beurteilen oder gar zu verneinen, abgeschlossen haben. War es aber ohnehin geboten, sich mit einem gesetzlichen Vertreter der Klägerin wegen der Aufklärung des nicht von vornherein auszuräumenden Verdachts eines Impfschadens ins Benehmen zu setzen, konnten die mit der Sache befaßten Beamten schwerlich ohne Verschulden davon ausgehen, sie müßten sich über den Grund oder das mögliche Ziel ihrer Untersuchungen nicht näher erklären.
Ein Verschulden der zuständigen Bediensteten ist nicht deshalb ausgeschlossen , weil ihnen mehrere Kollegialgerichte rechtmäßiges Verhalten bescheinigt haben. Auf die allgemeine Richtlinie, daß einen Amtsträger in der Regel kein Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (vgl. Senatsurteil BGHZ 97, 97, 107), kann sich der Beklagte hier nicht berufen. Bei dieser Regel handelt es sich nur um eine allgemeine Richtlinie für die Beurteilung des im Einzelfall gegebenen Sachverhalts. Sie greift unter anderem nicht ein, wenn die Annahme des Kollegialgerichts, die Amtshandlung sei rechtmäßig gewesen, auf einer unzureichenden tatsächlichen oder rechtlichen Beurteilungsgrundlage beruht, etwa deshalb, weil das Gericht sich bereits in seinem Ausgangspunkt von einer sachlich verfehlten Betrachtungsweise nicht hat freimachen können oder weil es infolge unzureichender Tatsachenfeststellung von einem anderen Sachverhalt als dem, vor den der Beamte gestellt war, ausgegangen ist oder den festgestellten Sachverhalt nicht sorgfältig und erschöpfend gewürdigt hat (Senatsurteil vom 2. April 1998 - III ZR 111/97 - NVwZ 1998, 878 m.w.Nachw.). So liegt es hier. Denn soweit die Vorinstanzen und das Landessozialgericht überhaupt auf den Vorgang von 1968 eingegangen sind, haben sie ihn nur unter dem Gesichtspunkt erörtert, mangels einer auf die Anerkennung eines Impfschadens gerichteten Antragstellung habe für die Bediensteten des Gesundheitsamts und der Bezirksregierung nach allgemeinen Grundsätzen kein Anlaß und keine Pflicht bestanden, Ermittlungen vorzunehmen und der Klägerin Hinweise zu erteilen. Sie haben damit den für die Beurteilung wesentlichen Gesichtspunkt unberücksichtigt gelassen, daß sich aus den ministeriellen Runderlassen die oben dargestellten Verpflichtungen ergeben konnten.
3. Die angefochtene Entscheidung kann nicht mit der Erwägung aufrechterhalten bleiben, auch bei Erteilung eines Hinweises wäre es der Klägerin vor dem Inkrafttreten des Zweiten Ä nderungsgesetzes zum Bundes-Seuchengesetz zum 1. September 1971 nicht möglich gewesen, die Ursächlichkeit der Impfung für die eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu beweisen. Die Revision macht insoweit zu Recht geltend, die Klägerin habe in das Wissen eines Sachverständigen gestellt, daß ein medizinisches Gutachten bereits in den sechziger Jahren zu demselben Ergebnis gekommen wäre wie das neurologische Gutachten von Prof. Dr. H. vom 30. Juli 1991, auf dessen Grundlage das Versorgungsamt einen Impfschaden der Klägerin anerkannt hat. Soweit das Berufungsgericht seine gegenteilige Auffassung auf die ärztlichen Stellungnahmen von Prof. Dr. F. vom 1. Juni 1987 und Dr. B. vom 1. November 1987 stützt, übersieht es - wie die Revision mit Recht rügt -, daß diesen Stellungnahmen nicht die Fragestellung zugrunde lag, ob die untersuchten gesundheitlichen Beeinträchtigungen - eine im wesentlichen an den Armen der Klägerin aufgetretene Muskelatrophie - auf die Impfung zurückzuführen seien. Schon gar nicht hatten sie zum Gegenstand, ob dies für die im unmittelbaren Anschluß an die Impfung aufgetretenen Beschwerden der Klägerin in ihren Beinen anzunehmen sei. Die Revision hebt weiter zutreffend hervor, der Sachverständige Prof. Dr. H. habe sich in seinem Gutachten auf eine im Jahr 1961 veröffentlichte wissenschaftliche Untersuchung bezogen, so daß die Beurteilung des Berufungsgerichts, die in diesem Gutachten enthaltenen Feststellungen über die Ursächlichkeit des Krankheitsbildes der Klägerin seien in den vorangegangenen Jahrzehnten nicht bekannt gewesen, keine hinreichende Grundlage hat. Da der Sachverständige Prof. Dr. H. es im Hinblick auf den neurologischen Befund für "sehr wahrscheinlich" gehalten hat, daß die rechtsund beinbetonte Tetraspastik Folge der im unmittelbaren Anschluß an die
Impfung durchgemachten postvakzinalen Enzephalopathie sei, läßt sich nach dem von der Klägerin unter Beweis gestellten Vorbringen nicht ausschließen, daß ihr auch bereits in den sechziger Jahren ein für die Anerkennung eines Impfschadens hinreichender Nachweis gelungen wäre.
4. Geht man von einer Amtspflichtverletzung in den sechziger Jahren aus, müßte die Klägerin im Wege des Schadensersatzes so gestellt werden, als hätte sie damals bereits einen Antrag auf Anerkennung ihres Impfschadens gestellt. Für einen solchen Antrag wäre nicht das Bundes-Seuchengesetz in seiner ursprünglichen Fassung vom 18. Juli 1961 (BGBl. I, S. 1012) maßgebend gewesen. Wie der Senat mehrfach entschieden hat, war das BundesSeuchengesetz vom 18. Juli 1961, das nach seinem § 85 erst am 1. Januar 1962 in Kraft getreten ist, auf frühere Schadensfälle nicht anwendbar (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 12. Oktober 1964 - III ZR 30/64 - NJW 1965, 347; BGHZ 45, 290, 291). Die Klägerin hätte daher zum damaligen Zeitpunkt Anspruch darauf gehabt, Entschädigungsleistungen aufgrund des allgemeinen Aufopferungsanspruchs des § 75 EinlALR zu erhalten, ohne daß sie dabei eine Anmeldefrist hätte einhalten müssen. Zur damaligen Zeit war der Aufopferungsanspruch , der erst durch das Senatsurteil vom 19. Februar 1953 (BGHZ 9, 83) für Impfschäden anerkannt wurde, nicht verjährt. Aus diesem Grund spielen § 56 BSeuchenG in der Fassung vom 18. Juli 1961, wonach der Geschädigte seinen Anspruch innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Erlangung der Kenntnis von dem Impfschaden geltend zu machen hatte und bei später eingehenden Anträgen die Entschädigungsleistungen frühestens vom Tag der Antragstellung an zu gewähren waren, sowie der in dieser Vorschrift geregelte grundsätzliche Anspruchsausschluß für den Fall, daß nach Ablauf eines Jahres seit Kenntnis von dem Impfschaden noch kein Anspruch geltend
gemacht war, keine Rolle. Durch das Zweite Ä nderungsgesetz zum BundesSeuchengesetz , das die Impfschadensregelung in der Weise vereinheitlichte, daß es die Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes für entsprechend anwendbar erklärte, wurden allerdings auch Altfälle in die gesetzliche Regelung einbezogen. Dies hat das Bundessozialgericht der - als unvollständig angesehenen - Übergangsregelung in Art. 2 des Zweiten Ä nderungsgesetzes zum Bundes-Seuchengesetz entnommen (vgl. BSGE 42, 28 ff), was der Gesetzgeber des Vierten Gesetzes zur Ä nderung des Bundes-Seuchengesetzes vom 18. Dezember 1979 (BGBl. I S. 2248) durch eine Ä nderung der Fassung in § 51 Abs. 1 und 2 bestätigt hat, indem er das Wort "erleidet" durch die Worte "erlitten hat" ersetzt hat (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drucks. 402/78 S. 31). Diese Regelung wirkt sich zwar auf den Entschädigungsumfang und damit mittelbar auch auf den hier in Rede stehenden Schadensersatzanspruch aus, bedeutet jedoch nicht, daß die § 56 BSeuchenG a.F. ablösende Regelung über den Beginn der Versorgung in § 60 BVG auf den Beginn des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs anzuwenden wäre.
5. Ein Amtshaftungsanspruch scheitert nicht daran, daß die Klägerin mit ihrem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch möglicherweise noch Erfolg hätte. Dies ergibt sich bereits aus der Regelung des § 54 Abs. 4 BSeuchenG, wonach ein Schadensersatzanspruch aufgrund fahrlässiger Amtspflichtverletzung nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß die Voraussetzungen des § 51 BSeuchenG vorliegen, also ein Versorgungsanspruch zu gewähren ist, wie es Ziel des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist. Der Senat kann auch weiterhin offenlassen, ob die Geltendmachung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs als ein Rechtsmittel im Sinn des § 839 Abs. 3 BGB anzusehen ist (vgl. Senatsurteil vom 16. November 1989 - III ZR 146/88 - NJW-RR 1990,
408, 409 m.w.Nachw.). Denn nachdem das Landessozialgericht insoweit die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Sozialgerichts zurückgewiesen hat, ohne die Revision an das Bundessozialgericht zuzulassen , ist es der Klägerin nicht zuzumuten, das Verfahren durch Einlegung einer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision fortzuführen.
6. Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, daß der Amtshaftungsanspruch der Klägerin nicht wegen Verjährung abzuweisen ist. Wie der Senat entschieden hat, wird die Verjährung des Amtshaftungsanspruchs in analoger Anwendung des § 209 BGB durch den Widerspruch und die anschließende Klage gegen die Versagung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs unterbrochen , soweit der Amtshaftungsanspruch auf dasselbe Fehlverhalten des Sozialleistungsträgers gestützt wird (BGHZ 103, 242, 248 f). Damit halten sich die hier zu beurteilenden Vorgänge innerhalb der 30jährigen Frist des § 852 Abs. 1 BGB; darüber hinaus hat die Klägerin ihre Ansprüche innerhalb der dreijährigen Frist seit ihrer Kenntnis davon erhoben, daß ihr Impfschaden anerkannt ist und ihr für die Vergangenheit keine Versorgung zu gewähren sei. Der Unterbrechungswirkung steht nicht entgegen, daß die Klägerin nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bei einem Antrag, der - wie hier - auf Geldleistungen gerichtet ist, die materiellrechtlich von der Antragstellung abhängen, die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X auch im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs analog heranzuziehen ist (vgl. BSGE 60, 245, 247), so daß die Klägerin bei einem Erfolg im sozialgerichtlichen Verfahren Leistungen erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 1984 erlangen könnte, während es hier im anhängigen Verfahren um eine weiterreichende Rückwirkung geht. Aus den im Senatsurteil BGHZ 103, 242, 248 angeführten Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit ist für die Unterbrechungswirkung viel-
mehr entscheidend, daß die Klägerin ihren sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auf dieselben Gesichtspunkte gestützt hat, aus denen sie auch eine Amtspflichtverletzung herleitet.

III.


Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf folgendes hin:
1. Bei der abschließenden Prüfung, ob den Bediensteten des Gesundheitsamts und der Bezirksregierung eine Amtspflichtverletzung unterlaufen ist, hat die Klägerin Gelegenheit, ihren Vortrag, dem Amtsarzt sei im Zusammenhang mit der Ausstellung der Bescheinigung vom 15. Juni 1962 eine Amtspflichtverletzung unterlaufen, zu präzisieren. Der Verfügung der Bezirksregierung vom 25. Juli 1968 könnte insoweit entnommen werden, der Amtsarzt habe seinerzeit nicht näher geprüft, was es mit dem von der Klägerin bzw. ihrer Begleitperson behaupteten Impfschaden auf sich habe. Ob die gesamten Umstände jedoch eine solche Prüfung erforderten, für die die Runderlasse vom 17. April 1959 (MinBl. 1959, Spalte 777) und vom 4. Februar 1960 (MinBl. 1960, Spalte 279) im wesentlichen dasselbe wie die Runderlasse vom 31. Dezember 1967 verlangten, läßt sich dem bisherigen Vorbringen der Klägerin nicht deutlich entnehmen. Die Klägerin hat ferner Gelegenheit, auf ihren unter Beweis gestellten Vortrag zurückzukommen, ihre Eltern hätten Ende 1963/Anfang 1964 beim Gesundheitsamt die Übernahme der Kosten für den Schulbesuch aus dem Gesichtspunkt einer Entschädigung für den erlittenen Impfschaden beantragt; das Gesundheitsamt habe von Ostern 1965 bis Juni 1970 die Fahrtkosten für den Besuch des Aufbaugymnasiums und Kosten für
Schulbedarf und Schulbücher übernommen. Darüber hinaus hätten während ihrer Schulzeit regelmäßig Untersuchungen im Gesundheitsamt durch den Landesarzt für Körperbehinderte stattgefunden. Es ist nicht auszuschließen, daß auch diese Kontakte Anlaß boten, die Klägerin über ihre Rechte zu belehren.
2. Sollte die Klägerin im weiteren Verfahren nicht in der Lage sein, den Zusammenhang ihrer gesundheitlichen Einschränkungen mit dem Impfschaden aufgrund einer Antragstellung in den sechziger Jahren nachzuweisen, wird das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob sich aus der Dauer eines entsprechenden Verfahrens die Anwendung des erleichterten Kausalitätsnachweises des Zweiten Ä nderungsgesetzes zum Bundes-Seuchengesetz ergeben konnte,
oder ob nicht anzunehmen ist, daß die Klägerin nach einem erfolglosen Verfahren der Impfschadensfeststellung die Möglichkeit wahrgenommen hätte, einen Antrag nach Art. 2 Abs. 3 2. Ä ndGBSeuchenG zu stellen.
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(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.

(1) Die Finanzbehörde soll die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind. Sie erteilt, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten.

(2) Die Finanzämter und das Bundeszentralamt für Steuern können auf Antrag verbindliche Auskünfte über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilen, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht. Zuständig für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist die Finanzbehörde, die bei Verwirklichung des dem Antrag zugrunde liegenden Sachverhalts örtlich zuständig sein würde. Bei Antragstellern, für die im Zeitpunkt der Antragstellung nach den §§ 18 bis 21 keine Finanzbehörde zuständig ist, ist auf dem Gebiet der Steuern, die von den Landesfinanzbehörden im Auftrag des Bundes verwaltet werden, abweichend von Satz 2 das Bundeszentralamt für Steuern zuständig; in diesem Fall bindet die verbindliche Auskunft auch die Finanzbehörde, die bei der Verwirklichung des der Auskunft zugrunde liegenden Sachverhalts zuständig ist. Über den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft soll innerhalb von sechs Monaten ab Eingang des Antrags bei der zuständigen Finanzbehörde entschieden werden; kann die Finanzbehörde nicht innerhalb dieser Frist über den Antrag entscheiden, ist dies dem Antragsteller unter Angabe der Gründe mitzuteilen. Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen zu Form, Inhalt und Voraussetzungen des Antrages auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft und zur Reichweite der Bindungswirkung zu treffen. In der Rechtsverordnung kann auch bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich zu erteilen ist und welche Finanzbehörde in diesem Fall für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist. Die Rechtsverordnung bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates, soweit sie die Versicherungsteuer betrifft.

(3) Für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach Absatz 2 wird eine Gebühr erhoben. Wird eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Antragstellern einheitlich erteilt, ist nur eine Gebühr zu erheben; in diesem Fall sind alle Antragsteller Gesamtschuldner der Gebühr. Die Gebühr ist vom Antragsteller innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe ihrer Festsetzung zu entrichten. Die Finanzbehörde kann die Entscheidung über den Antrag bis zur Entrichtung der Gebühr zurückstellen.

(4) Die Gebühr wird nach dem Wert berechnet, den die verbindliche Auskunft für den Antragsteller hat (Gegenstandswert). Der Antragsteller soll den Gegenstandswert und die für seine Bestimmung erheblichen Umstände in seinem Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft darlegen. Die Finanzbehörde soll der Gebührenfestsetzung den vom Antragsteller erklärten Gegenstandswert zugrunde legen, soweit dies nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt.

(5) Die Gebühr wird in entsprechender Anwendung des § 34 des Gerichtskostengesetzes mit einem Gebührensatz von 1,0 erhoben. § 39 Absatz 2 des Gerichtskostengesetzes ist entsprechend anzuwenden. Beträgt der Gegenstandswert weniger als 10 000 Euro, wird keine Gebühr erhoben.

(6) Ist ein Gegenstandswert nicht bestimmbar und kann er auch nicht durch Schätzung bestimmt werden, ist eine Zeitgebühr zu berechnen; sie beträgt 50 Euro je angefangene halbe Stunde Bearbeitungszeit. Beträgt die Bearbeitungszeit weniger als zwei Stunden, wird keine Gebühr erhoben.

(7) Auf die Gebühr kann ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Gebühr kann insbesondere ermäßigt werden, wenn ein Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft vor Bekanntgabe der Entscheidung der Finanzbehörde zurückgenommen wird.

(1) Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die in § 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchstabe b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden.

(2) Hat das Berufungsgericht festgestellt, dass eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, dass in Bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.