Bundesgerichtshof Urteil, 22. Aug. 2019 - III ZR 113/18

bei uns veröffentlicht am22.08.2019
vorgehend
Landgericht Bremen, 6 O 2099/13, 21.09.2017
Landgericht Bremen, 2 U 106/17, 13.04.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 113/18
Verkündet am:
22. August 2019
P e l l o w s k i
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja

a) Ein Heimbewohner, der dem Heimträger zum Schutz seiner körperlichen
Unversehrtheit anvertraut ist, kann erwarten, dass der Heimträger ihn vor
einer - jedenfalls in einer DIN-Norm beschriebenen - Gefahrenlage schützt,
wenn er selbst auf Grund körperlicher oder geistiger Einschränkungen nicht
in der Lage ist, die Gefahr eigenverantwortlich zu erkennen und angemessen
auf sie zu reagieren.

b) Um die daraus folgende Obhutspflicht zu erfüllen, muss der Heimträger,
soweit dies mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand
möglich und für die Heimbewohner sowie das Pflege- und Betreuungspersonal
zumutbar ist, nach seinem Ermessen entweder die Empfehlungen der
DIN-Norm umsetzen oder aber die erforderliche Sicherheit gegenüber der
dieser Norm zugrunde liegenden Gefahr auf andere Weise gewährleisten,
um Schäden der Heimbewohner zu vermeiden (Bestätigung und Fortführung
des Senatsurteils vom 28. April 2005 - III ZR 399/04, BGHZ 163, 53).
BGH, Urteil vom 22. August 2019 - III ZR 113/18 - OLG Bremen
LG Bremen
ECLI:DE:BGH:2019:220819UIIIZR113.18.0

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom22. August 2019 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann und die Richter Tombrink, Dr. Remmert, Reiter und Dr. Kessen

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 13.April 2018 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen Verbrühungen in Anspruch, die sie in einer Einrichtung für betreutes Wohnen erlitt. Sie ist geistig behindert und leidet an dem so genannten PraderWilli -Syndrom. Es besteht eine deutliche Intelligenzminderung. Darüber hinaus liegt eine insulinpflichtige Zuckerkrankheit vor (Diabetes mellitus Typ 2).
2
Die 1969 geborene Klägerin, die von ihrer Mutter rechtlich betreut wird, lebte seit März 2012 in einem Wohnheim für Menschen mit einer geistigen Behinderung , das von der Beklagten als Trägerin betrieben wird. In Nr. 1.2 des Heimvertrags vom 30. März 2012 wird die Einrichtung wie folgt beschrieben: "Das Wohnheim ist ein stationäres Leistungsangebot der Eingliederungshilfe für den Personenkreis erwachsener Menschen mit geistiger Behinderung, die der Förderung und Unterstützung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bedürfen."
3
Am 19. April 2013 beabsichtigte die Klägerin, ein Bad zu nehmen, und bat eine der Betreuerinnen des Heimes um eine entsprechende Erlaubnis. Diese wurde ihr - wie auch schon in der Vergangenheit - erteilt. Die Klägerin ließ daraufhin heißes Wasser in eine mobile, in der Dusche bereit gestellte Sitzbadewanne ein, wobei die Temperaturregelung über einen Einhebelmischer ohne Begrenzung der Heißwassertemperatur erfolgte. Anders als in früheren - problemlos verlaufenen - Fällen war das ausströmende Wasser so heiß, dass die Klägerin schwerste Verbrühungen an beiden Füßen und Unterschenkeln erlitt (zunächst Grad IIa mit Blasenbildungen, spätere Vertiefung des Verbrühungsausmaßes auf Grad II bis III). Sie schrie lautstark, konnte sich aber nicht selbst aus der Situation befreien. Dies gelang erst, als ein anderer (behinderter) Heimbewohner ihr zur Hilfe eilte, das Wasser abließ und eine Pflegekraft herbeirief.
4
Bei der nachfolgenden Heilbehandlung im Krankenhaus der Streithelferin wurden mehrere Hauttransplantationen durchgeführt. Es kam zu erheblichen Komplikationen. Unter anderem wurde die Klägerin mit einem multiresistenten Keim infiziert. Sie ist inzwischen nicht mehr gehfähig und auf einen Rollstuhl angewiesen, weil sich so genannte Spitzfüße gebildet haben. Außerdem ver- schlechterte sich ihr psychischer Zustand, was sich unter anderem in häufigen und anhaltenden Schreianfällen äußert.
5
Die Klägerin hat geltend gemacht, das austretende Wasser müsse annähernd 100 °C heiß gewesen sein. Aber selbst eine konstante Einstellung der Wassertemperatur auf "nur" 60 °C sei zu hoch. Zur Abtötung etwaiger Keime genüge es, das Wasser einmal am Tag auf 60 °C aufzuheizen. In der DIN EN 806-2 für die Planung von Trinkwasserinstallationen werde für bestimmte Einrichtungen wie Krankenhäuser, Schulen und Seniorenheime eine Höchsttemperatur von 43 °C, in Kindergärten und Pflegeheimen sogar von nur 38 °C empfohlen. Es sei pflichtwidrig gewesen, sie ohne Aufsicht und insbesondere ohne Kontrolle der Wassertemperatur ein Bad nehmen zu lassen.
6
Das Landgericht hat die auf Zahlung eines Schmerzensgeldes von mindestens 50.000 € und einer monatlichen Rente von 300 € sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für weitere materielle und immaterielle Schäden gerichtete Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe


7
Die zulässige Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


8
Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
9
Der Klägerin stünden weder vertragliche noch deliktische Schadensersatzansprüche zu, weil es an einer Pflichtverletzung der Beklagten fehle. Nach den bindenden Feststellungen des Landgerichts hätten weder ein Defekt der Heizungsanlage noch eine Wassertemperatur von mehr als 60 °C im Unfallzeitpunkt vorgelegen. Aus der DIN EN 806-2 könne keine Pflicht der Beklagten hergeleitet werden, die Wasserentnahmestelle mit einer Temperaturbegrenzung für Heißwasser auszustatten. Sie sei eine technische Regel, die die Planung von Trinkwasserinstallationen betreffe und erst im Jahr 2005, also Jahrzehnte nach der Errichtung des Wohnheimgebäudes, in Kraft getreten sei. Die in der DIN genannten Höchsttemperaturen seien lediglich Empfehlungen; eine gesetzliche Verpflichtung zur Nachrüstung folge daraus nicht. Soweit DIN-Normen geeignet seien, Verkehrssicherungspflichten zu begründen, führe dies ebenfalls nicht zu einer Pflichtverletzung der Beklagten. Der Verkehrssicherungspflichtige habe nur diejenigen Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung einer Gefahr erforderlich und zumutbar seien. Die der Beklagten als Heimträgerin obliegenden Obhutspflichten zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der Heimbewohner seien begrenzt auf die in vergleichbaren Heimen üblichen, für Heimbewohner und Pflegepersonal zumutbaren Maßnahmen (Hinweis auf Senatsurteil vom 28. April 2005 - III ZR 399/04, BGHZ 163, 53). Dies gelte umso mehr, als die Beklagte weder einen Kindergarten noch ein Pflegeheim betreibe, sondern ein Wohnheim als "stationäres Leistungsangebot der Eingliederungshilfe" für Erwachsene mit geistiger Behinderung. Unter Berücksichtigung aller Umstände könne den Mitarbeitern der Beklagten nicht vorgeworfen werden, die Klägerin beim Baden nicht beaufsichtigt und die Wassertemperatur nicht kontrolliert zu haben. Die Klägerin habe stets problemlos allein geduscht und gebadet. Sie sei vor dem Unfall in eine Hilfebedarfsgruppe eingestuft gewesen, die für einen relativ hohen Grad an Selbständigkeit spreche. Die Mitarbeiter der Beklagten hätten nicht ernsthaft mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass die Klägerin sich beim Umgang mit der Mischbatterie verbrühen könnte.

II.


10
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
11
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte wegen Verletzung einer vertraglichen Schutzpflicht (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 278 Satz 1 BGB) beziehungsweise einer deliktischen Verkehrssicherungspflicht (§ 823 Abs. 1, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB, § 831 BGB) nicht verneint werden.
12
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass durch den Heimvertrag Obhutspflichten der Beklagten gemäß § 241 Abs. 2 BGB zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der ihr anvertrauten Klägerin begründet wurden. Ebenso bestand eine inhaltsgleiche allgemeine Verkehrssicherungspflicht zum Schutz der Bewohner vor Schädigungen, die ihnen wegen Krankheit oder sonstiger körperlicher oder geistiger Einschränkungen durch sie selbst oder durch die Einrichtung und bauliche Gestaltung des Heims drohten. Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflichten war geeignet, sowohl einen Schadensersatzanspruch wegen vertraglicher Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1, § 278 Satz 1 BGB) als auch einen damit korrespondierenden deliktischen Anspruch aus §§ 823, 831 BGB zu begründen (Senat, Urteil vom 28. April 2005 - III ZR 399/04, BGHZ 163, 53, 55; s. auch OLG Düsseldorf, VersR 2017, 501 f; OLG Koblenz, NJW-RR 2002, 867, 868; 2014, 458, 459 und OLG München, FamRZ 2006, 1676, 1677).
13
2. Diese Pflichten sind jedoch auf die in vergleichbaren Heimen üblichen (gebotenen) Maßnahmen begrenzt, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind. Maßstab ist das Erforderliche und das für die Heimbewohner und das Pflegepersonal Zumutbare. Dabei ist zu beachten , dass beim Wohnen in einem Heim die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen und die Selbständigkeit , die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohner zu wahren und zu fördern sind (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HeimG; Senat aaO).
14
3. Welchen konkreten Inhalt die Verpflichtung hat, einerseits die Menschenwürde und das Freiheitsrecht eines körperlich oder geistig beeinträchtigten Heimbewohners zu achten und andererseits sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit zu schützen, kann nicht generell, sondern nur aufgrund einer sorgfältigen Abwägung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden (Senat aaO; OLG Koblenz jew. aaO). Soweit im Hinblick auf eine bestimmte Gefahrenlage technische Regelungen wie insbesondere DINNormen bestehen, können diese im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung zur Konkretisierung des Umfangs der Obhuts- und Verkehrssicherungspflichten des Heimträgers mit herangezogen werden.
15
a) Zwar haben DIN-Normen als technische Regeln keine normative Geltung. Es handelt sich vielmehr um auf freiwillige Anwendung ausgerichtete private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. Sie können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben, hinter diesen aber auch zurückbleiben (BGH, Urteile vom 14. Mai 1998 - VII ZR 184/97, BGHZ 139, 16, 19 f; vom 14. Juni 2007 - VII ZR 45/06, BGHZ 172, 346 Rn. 32; vom 7. Juli 2010 - VIII ZR 85/09, NJW 2010, 3088 Rn. 14 und vom 24. Mai 2013 - V ZR 182/12, NJW 2013, 2271 Rn. 26). Da sie jedoch die widerlegliche Vermutung in sich tragen, den Stand der allgemein anerkannten Regeln der Technik wiederzugeben (BGH, Urteil vom 24. Mai 2013 aaO Rn. 25), sind sie zur Bestimmung des nach der Verkehrsauffassung Gebotenen in besonderer Weise geeignet und können regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden (BGH, Urteile vom 1. März 1988 - VI ZR 190/87, BGHZ 103, 338, 341 f; vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95, NJW 1997, 582, 583; vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00, NJW 2001, 2019, 2020; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02, NJW-RR 2003, 1459, 1460 und vom 3. Februar 2004 - VI ZR 95/03, NJW 2004, 1449, 1450). Auch außerhalb ihres unmittelbaren Anwendungsbereichs kommen DIN-Normen als Maßstab für verkehrsgerechtes Verhalten in Betracht, soweit Gefahren betroffen sind, vor denen sie schützen sollen (Palandt/Sprau, BGB, 78. Aufl., § 823 Rn. 51 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 15. Juli 2003 aaO, S. 1459). Da sie jedoch im Allgemeinen keine abschließenden Verhaltensanforderungen enthalten, darfsich der Verkehrssicherungspflichtige nicht darauf beschränken, die Empfehlungen technischer Normen unbesehen umzusetzen. Vielmehr hat er die zur Schadensabwehr erforderlichen Maßnahmen anhand der Umstände des Einzelfalls eigenverantwortlich zu treffen (BGH, Urteile vom 13. März 2001 und vom 3. Februar 2004 jeweils aaO sowie vom 9. September 2008 - VI ZR 279/06, NJW 2008, 3778 Rn. 16 mwN). Die Zumutbarkeit von Sicherungsvorkehrungen ist dabei unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, der Gewichtigkeit möglicher Schadensfolgen und des mit etwaigen Sicherungsvorkehrungen verbundenen Aufwands zu bestimmen (BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 - VII ZR 251/17, NJW 2018, 2956 Rn.18; Palandt/Sprau aaO § 823 Rn.
51; vgl. auch BGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03, NJW-RR 2005, 251, 253).
16
b) Diese Erwägungen gelten auch für die Bestimmung der Obhuts- und Verkehrssicherungspflichten eines Heimträgers, soweit in DIN-Normen enthaltene technische Regelungen bestimmte als regelungsbedürftig erkannte Gefahrenlagen beschreiben. Dabei kann bereits die bloße Existenz einer DIN-Norm für das Bestehen eines Risikos sprechen, dem durch Sicherheitsvorkehrungen zu begegnen ist (vgl. OLG Celle, NJW-RR 1995, 984). Ein Heimbewohner, der dem Heimträger zum Schutz seiner körperlichen Unversehrtheit anvertraut ist, kann erwarten, dass der Heimträger ihn vor einer - jedenfalls in einer DIN-Norm beschriebenen - Gefahrenlage schützt, wenn er selbst auf Grund körperlicher oder geistiger Einschränkungen nicht in der Lage ist, die Gefahr eigenverantwortlich zu erkennen und angemessen auf sie zu reagieren. Um die daraus folgende Obhutspflicht zu erfüllen, muss der Heimträger, soweit dies mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand möglich und für die Heimbewohner sowie das Pflege- und Betreuungspersonal zumutbar ist, nach seinem Ermessen entweder die Empfehlungen der DIN-Norm umsetzen oder aber die erforderliche Sicherheit gegenüber der dieser Norm zugrunde liegenden Gefahr auf andere Weise gewährleisten, um Schäden der Heimbewohner zu vermeiden (vgl. OLG Celle aaO S. 985).
17
4. Das Berufungsgericht hat die erforderliche Abwägung der gesamten Umstände des Einzelfalls unter Einschluss der Maßgaben der DIN EN 806-2 rechtsfehlerhaft nicht vorgenommen. Es hat seine Auffassung, die Klägerin habe beim Baden nicht beaufsichtigt werden müssen, und es habe auch keiner Kontrolle der Temperatur des einlaufenden Wassers bedurft, vor allem damit begründet, dass die Bewohnerin in der Vergangenheit regelmäßig allein geduscht beziehungsweise gebadet habe und in eine Hilfebedarfsgruppe mit einem relativ hohen Grad an Selbständigkeit eingestuft gewesen sei. Durch diese verengte Sichtweise hat das Berufungsgericht für die Abwägungsentscheidung wesentliche Gesichtspunkte außer Betracht gelassen.
18
a) Es fehlen bereits Feststellungen dazu, ob in vergleichbaren Wohnheimen die Installation eines Temperaturbegrenzers beziehungsweise ein sonstiger gleichwertiger Verbrühungsschutz zum üblichen Standard gehören. Dafür könnte sprechen, dass der Schutz vor Verbrühungen bereits in der Vergangenheit mehrfach Gegenstand obergerichtlicher Entscheidungen war und die Gerichte hierbei gesteigerte Sicherheitsanforderungen hinsichtlich schutzbedürftiger Heimbewohner angenommen haben (z.B. OLG Stuttgart, VersR 2000, 333: Einbau eines Temperaturbegrenzers oder einer nur durch das Personal zu bedienenden Sperrvorrichtung [Rehabilitationszentrum]; OLG München, FamRZ 2006, 1676: Installation eines Temperaturreglers oder -begrenzers [Pflegeheim ]; OLG Hamm, PflR 2014, 457: Einbau eines Absperrventils und von durch ein Sicherheitsschloss versperrten Türen [Pflegezentrum]).
19
b) Insbesondere war aber der Inhalt der seit Juni 2005 geltenden DIN EN 806-2 ("Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen - Teil 2: Planung") in den Blick zu nehmen. Nach Satz 1 der Nr. 9.3.2 sind Anlagen für erwärmtes Trinkwasser so zu gestalten, dass das Risiko von Verbrühungen gering ist. Entsprechend wird in Satz 2 ausgeführt, dass an "Entnahmestellen mit besonderer Beachtung der Auslauftemperaturen" (z.B. Krankenhäuser, Schulen, Seniorenheime - die Aufzählung ist nicht abschließend) thermostatische Mischventile oder -batterien mit Begrenzung der oberen Temperatur eingesetzt werden sollten. Dabei wird in Satz 3 eine Temperatur von höchstens 43 °C empfohlen.
20
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der dadurch vorgesehene Schutz vor Verbrühungen im vorliegenden Fall nicht deshalb ohne Relevanz , weil die DIN EN 806-2 mit der Empfehlung einer Begrenzung der Wassertemperatur erst im Juni 2005 eingeführt wurde und primär die Planung von Trinkwasserinstallationen regelt, ohne die Nachrüstung älterer technischer An- lagen explizit vorzusehen. Denn der DIN ist über ihren unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus allgemeingültig zu entnehmen, dass bei Warmwasseranlagen das Risiko von Verbrühungen besteht, wenn die Auslauftemperatur mehr als 43 °C beträgt, und deshalb in Einrichtungen mit einem besonders schutzbedürftigen Benutzerkreis ("Krankenhäuser, Schulen, Seniorenheime usw.") spezielle Sicherheitsvorkehrungen zur Verminderung des Risikos von Verbrühungen erforderlich sind. Nach dem sicherheitstechnischen Zweck der Empfehlung sollen die geschilderte apparative Temperaturbegrenzung oder andere geeignete Sicherheitsvorkehrungen (dazu OLG Hamm, PflR 2014, 457, 461 f) überall dort zum Einsatz kommen, wo im Rahmen einer für das Wohl der Bewohner verantwortlichen Einrichtung Personen leben, die auf Grund ihrer körperlichen oder geistigen Verfassung nicht in der Lage sind, die mit heißem Wasser verbundenen Gefahren zu beherrschen, und deshalb ein besonderer Schutz vor Verbrühungen erforderlich ist.
21
Dies gilt auch für die Wohneinrichtung der Beklagten, in der Personen leben, die trotz eines gewissen Grades an Selbständigkeit zu einem eigenständigen Leben ohne Betreuung nicht in der Lage sind. Dass die Bewohner nicht in dem Ausmaß betreuungsbedürftig sind wie in einem Pflegeheim, ändert daran nichts; dies trifft ebenso auf die in der DIN beispielhaft angeführten Krankenhäuser , Schulen oder Seniorenheime zu.
22
Darüber hinaus richtet sich das Maß der gebotenen Sicherheitsvorkehrungen bei einer technischen Anlage nicht ausschließlich nach den zum Zeitpunkt ihrer Errichtung bestehenden Erkenntnissen und dem damaligen Stand der Technik. Vielmehr ist es eine Frage des Einzelfalls, ob aus sachkundiger Sicht eine konkrete Gefahr besteht, dass durch die technische Anlage ohne Nachrüstung Rechtsgüter anderer verletzt werden können. Je größer die Ge- fahr und je schwerwiegender die im Falle ihrer Verwirklichung drohenden Folgen sind, umso eher kann die nachträgliche Umsetzung neuerer Sicherheitsstandards geboten sein (BGH, Urteil vom 2. März 2010 - VI ZR 223/09, NJW 2010, 1967 Rn. 9 f). Auch wenn dem Verkehrssicherungspflichtigen im Einzelfall eine angemessene Übergangszeit zuzubilligen sein mag (BGH, Urteil vom 2. März 2010 aaO), ist diese im vorliegenden Fall nach einem Zeitraum von annähernd acht Jahren verstrichen (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 1988 - VI ZR 190/87, BGHZ 103, 338, 342). Es kommt hinzu, dass bereits die inzwischen nicht mehr aktuelle DIN 1988-Teil 2 (Dezember 1988), die Vorgängernorm der DIN EN 806-2, in Nr. 4.2 die Empfehlung enthielt, bei Wassertemperaturen im häuslichen Bereich von über 45 °C Sicherheitsmischbatterien oder thermostatisch gesteuerte Mischbatterien mit Sicherheitsanschlag einzubauen.
23
c) aa) Die Wasserinstallation in der von der Klägerin benutzten Dusche wies keine Temperaturbegrenzung und auch keine anderen geeigneten Sicherheitsvorkehrungen auf. Das heiße Wasser trat, sofern nicht manuell kaltes Wasser beigemischt wurde, mit der Temperatur aus, die im Warmwassersystem vorhanden war. Diese lag - entsprechend den Empfehlungen zur Vermeidung von Gefahren durch Legionellen - bei zumindest annähernd 60 °C und war jedenfalls so heiß, dass es binnen kürzester Zeit zu schwerwiegenden Verbrühungen kommen konnte.
24
Es spricht viel dafür, dass die Klägerin diese mit der hohen Wassertemperatur verbundene Gefahr nicht rechtzeitig erkennen und nicht angemessen auf sie reagieren konnte. Infolge ihrer Diabetes-Erkrankung hatte sie ein deutlich vermindertes Schmerzempfinden und konnte die zu hohe Wassertemperatur sowie die dadurch verursachten Verbrühungen deshalb nicht so schnell wahrnehmen wie ein gesunder Mensch (Bericht des Neurologischen Rehabilita- tionszentrums F. vom 14. Mai 2014, S. 2 = GA I 60). Auf Grund ihrer geistigen Behinderung durch das Prader-Willi-Syndrom bestand bei ihr zudem das Risiko, dass sie auf vom gewöhnlichen Tagesablauf abweichende Gefahrensituationen nicht adäquat reagierte. Da das Berufungsgericht insoweit keine näheren Feststellungen getroffen hat, ist im Revisionsverfahren vom Vortrag der Klägerin auszugehen, wonach sie auf Grund ihrer geistigen Behinderung (Gen-Defekt) bei neuen und unerwarteten Situationen oft an ihre Grenzen stoße und schon die vage Aussicht, dass der Tagesrhythmus gestört werden könnte, zu Stressreaktionen führe. Diese Symptome seien bei ihr stark ausgeprägt. Durch das zu heiße Badewasser sei sie auf Grund ihrer Behinderung nicht mehr in der Lage gewesen, einen klaren Gedanken zu fassen und zum Beispiel das heiße Wasser sofort abzustellen beziehungsweise die Badewanne zu verlassen (Berufungsbegründung, S. 3 = GA II 348).
25
bb) Geht man von dieser Sachlage aus, begründete der unbeaufsichtigte Umgang mit heißem Badewasser, dessen Temperatur bei annähernd 60 °C lag, für die Klägerin die konkrete Gefahr von schweren Körperschäden durch Verbrühungen. Infolge des Zusammentreffens eines verminderten Schmerzempfindens mit der Behinderung durch das Prader-Willi-Syndrom war diese Gefahr weitaus größer als bei einem gesunden Menschen, der eine zu hohe Wassertemperatur sofort erkennen und adäquat auf sie reagieren kann. Der Annahme einer solchen konkreten Gefahr steht nicht entgegen, dass die Klägerin in der Vergangenheit sowohl im Haushalt ihrer Mutter als auch in der Einrichtung der Beklagten ohne Zwischenfälle allein geduscht beziehungsweise gebadet hatte. Dass sich eine Gefahr in der Vergangenheit nicht verwirklicht hat, kann zwar dafür sprechen, dass die Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung nicht sehr hoch ist. Angesichts der Schwere der drohenden Körperschäden musste die Beklagte jedoch auch einer nicht sehr wahrscheinlichen, aber gleichwohl nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossenen Gefahrverwirklichung Rechnung tragen.
26
cc) Die Beklagte hätte deshalb entweder eine Begrenzung der Temperatur des austretenden Wassers entsprechend den Empfehlungen der DIN EN 806-2 technisch sicherstellen müssen. Dies wäre ohne Umbau oder Erneuerung der gesamten Heizungsanlage allein durch Austausch der Mischarmaturen in der Dusche möglich gewesen. Oder aber ohne eine solche Änderung an der Wasserinstallation hätte die Klägerin vor Schaden bewahrt werden müssen, indem die Temperatur des Badewassers durch eine Betreuungsperson der Einrichtung überprüft worden wäre. Da die mobile Badewanne ohnehin in die Dusche gebracht werden musste, wäre der personelle Mehraufwand gering gewesen. Für die Eigenständigkeit der Klägerin hätte dies keine unzumutbare Beeinträchtigung bedeutet, weil eine Beaufsichtigung nicht während des gesamten Bades erforderlich gewesen wäre, sondern eine Kontrolle der Temperatur während des Einlaufens des Badewassers genügt hätte. Demgegenüber war die von der Beklagten behauptete standardmäßige Einstellung des Einhebelmischers auf eine erträgliche mittlere Wassertemperatur keine geeignete Schutzmaßnahme , weil die Position des Mischerhebels sowohl absichtlich als auch unbeabsichtigt leicht verstellt werden konnte.
27
5. Eine etwaige Pflichtverletzung der Beklagten wäre auch fahrlässig im Sinne des § 276 Abs. 2 (i.V.m. § 278 Satz 1 bzw. § 831) BGB. Ihrem Personal war die Behinderung der Klägerin bekannt. Es hätte erkennen können und müssen, dass die Wahl der Temperatur beim Einlassen des Badewassers für die Klägerin auf Grund der individuellen Ausprägung ihrer Behinderung ein Gefahrenpotential barg, dem entweder durch den Einbau eines Temperaturbegrenzers oder, solange ein solcher - wie hier - nicht vorhanden war, durch die Beaufsichtigung des Wassereinlaufens zu begegnen war.

III.


28
Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen zu treffen sind, ist der Senat zu einer eigenen Sachentscheidung nach § 563 Abs. 3 ZPO nicht in der Lage.
Herrmann Tombrink Remmert
Reiter Kessen
Vorinstanzen:
LG Bremen, Entscheidung vom 21.09.2017 - 6 O 2099/13 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 13.04.2018 - 2 U 106/17 -

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 241 Pflichten aus dem Schuldverhältnis


(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Re

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 278 Verantwortlichkeit des Schuldners für Dritte


Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwen

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 831 Haftung für den Verrichtungsgehilfen


(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl

Strafgesetzbuch - StGB | § 229 Fahrlässige Körperverletzung


Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Heimgesetz - HeimG | § 2 Zweck des Gesetzes


(1) Zweck des Gesetzes ist es, 1. die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner von Heimen vor Beeinträchtigungen zu schützen,2. die Selbständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohnerinnen u

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bei uns veröffentlicht am 03.02.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 95/03 Verkündet am: 3. Februar 2004 Böhringer-Mangold, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: n

Bundesgerichtshof Urteil, 05. Okt. 2004 - VI ZR 294/03

bei uns veröffentlicht am 05.10.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 294/03 Verkündet am: 5. Oktober 2004 Böhringer-Mangold, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 09. Sept. 2008 - VI ZR 279/06

bei uns veröffentlicht am 09.09.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 279/06 Verkündet am: 9. September 2008 Böhringer-Mangold, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 07. Juli 2010 - VIII ZR 85/09

bei uns veröffentlicht am 07.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VIII ZR 85/09 Verkündet am: 7. Juli 2010 Ring, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02

bei uns veröffentlicht am 15.07.2003

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 155/02 Verkündet am: 15. Juli 2003 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BG

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Juli 2018 - VII ZR 251/17

bei uns veröffentlicht am 19.07.2018

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VII ZR 251/17 Verkündet am: 19. Juli 2018 Klein, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Referenzen

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 399/04
Verkündet am:
28. April 2005
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 276 a.F. Hb; § 282 a.F.; § 823 Aa, Dc, I

a) Zur Pflicht des Trägers eines Pflegewohnheims, die körperliche Unversehrtheit
der Heimbewohner zu schützen.

b) Zur Beweislast für eine schuldhafte Pflichtverletzung des Pflegepersonals bei
einem Unfall im Heim.
BGH, Urteil vom 28. April 2005 - III ZR 399/04 - KG Berlin
LG Berlin
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Kammergerichts vom 2. September 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Klägerin ist der gesetzliche Krankenversicherer der am 19. Februar 1912 geborenen, unter Betreuung stehenden Rentnerin G. W. Diese lebt seit dem 23. April 1997 in einem von der Beklagten betriebenen Pflegewohnheim. Ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Pflegegutachtens hatte sie bereits im Jahre 1994 bei einem Sturz eine Oberschenkelfraktur links erlitten, aufgrund deren ihr das Gehen fortan nur noch mit Hilfe und Gehstütze möglich war; kurz vor ihrer Aufnahme in das Heim der Beklagten hatte sie sich bei einem weiteren Sturz ein Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades und im Januar 1998 bei einem dritten Sturz ein solches zweiten Grades zugezogen. Wegen
dieser Verletzungen mußte sie jeweils stationär behandelt werden. Nach dem Pflegegutachten ist sie hochgradig sehbehindert, zeitweise desorientiert und verwirrt; ihr Gang ist sehr unsicher. Sie ist der Pflegestufe III zugeordnet.
Im Heim bewohnte sie ein Zimmer gemeinsam mit zwei we iteren Bewohnerinnen. Neben ihrem Bett befand sich eine Klingel; außerdem konnte sie sich durch Rufe bemerkbar machen. Das Pflegepersonal schaute regelmäßig jede Stunde, zu den Mahlzeiten und zur Inkontinenzversorgung nach der Bewohnerin.
Am 27. Juni 2001 fand gegen 13.00 Uhr die letzte Kon trolle statt. Die Bewohnerin lag zu dieser Zeit zur Mittagsruhe in ihrem Bett. In der Folgezeit war die zuständige Pflegekraft im Wohnbereich mit anderen Bewohnern beschäftigt. Gegen 14.00 Uhr wurde die Bewohnerin von der Pflegekraft in ihrem Zimmer vor dem Bett liegend aufgefunden. Sie hatte sich eine Oberschenkelhalsfraktur zugezogen und wurde bis zum 31. Juli 2001 stationär und anschließend ambulant behandelt.
Die Klägerin ist der Auffassung, daß der Unfall auf e ine Verletzung von Pflichten aus dem Heimvertrag durch die Beklagte zurückzuführen ist. Mit ihrer Klage verlangt sie Ersatz der von ihr getragenen Heilbehandlungskosten. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 7.185,13 € nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist nicht begründet. Der Klägerin steht we gen des Unfalls vom 27. Juni 2001 kein nach § 116 Abs. 1 SGB X übergegangener Schadensersatzanspruch der verletzten Heimbewohnerin gegen die Beklagte zu.
1. Allerdings erwuchsen der beklagten Heimträgerin aus den jeweiligen Heimverträgen Obhutspflichten zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der ihr anvertrauten Heimbewohner. Ebenso bestand eine inhaltsgleiche allgemeine Verkehrssicherungspflicht zum Schutze der Bewohner vor Schädigungen , die diesen wegen Krankheit oder einer sonstigen körperlichen oder geistigen Einschränkung durch sie selbst oder durch die Einrichtung und bauliche Gestaltung des Altenheims drohten (OLG Koblenz NJW-RR 2002, 867, 868). Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflichten war daher geeignet, sowohl einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung des Heimvertrages als auch einen damit konkurrierenden deliktischen Anspruch aus §§ 823, 831 BGB zu begründen.
2. Diese Pflichten sind allerdings begrenzt auf die in Pflegeheimen üblichen Maßnahmen, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind (OLG München VersR 2004, 618, 619; LG Essen VersR 2000, 893). Maßstab müssen das Erforderliche und das für die Heimbewohner und das Pflegepersonal Zumutbare sein (OLG Koblenz aaO). Dabei ist insbesondere auch zu beachten, daß beim Wohnen in einem Heim die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen und die Selbständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverant-
wortung der Bewohner zu wahren und zu fördern sind (vgl. nunmehr § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HeimG i.d.F. vom 5. November 2001 BGBl. I S. 2970).
3. Wie das Oberlandesgericht Koblenz (aaO) zutreffend ausführt, kann nicht generell, sondern nur aufgrund einer sorgfältigen Abwägung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden, welchen konkreten Inhalt die Verpflichtung hat, einerseits die Menschenwürde und das Freiheitsrecht eines alten und kranken Menschen zu achten und andererseits sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit zu schützen. Im vorliegenden Fall ist der Unfallhergang im einzelnen nicht mehr aufklärbar. Das Berufungsgericht hat es mit Recht abgelehnt, der Klägerin Beweiserleichterungen im Sinne einer Beweislastumkehr zugute kommen zu lassen. Allein aus dem Umstand, daß die Heimbewohnerin im Bereich des Pflegeheims der Beklagten gestürzt ist und sich dabei verletzt hat, kann nicht auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Pflegepersonals der Beklagten geschlossen werden. Darlegungs- und beweispflichtig ist vielmehr insoweit die Klägerin als Anspruchstellerin; Gegenteiliges läßt sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18. Dezember 1990 (VI ZR 169/90 = NJW 1991, 1540 f = VersR 1991, 310 f) herleiten. Der VI. Zivilsenat hat dort ausgeführt, die Beweislastumkehr nach § 282 BGB a.F. (nunmehr § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.) könne nach dem Sinn der Beweisregel auch den Nachweis eines objektiven Pflichtverstoßes des Schuldners umfassen, wenn der Gläubiger im Herrschafts- und Organisationsbereich des Schuldners zu Schaden gekommen sei und die den Schuldner treffenden Vertragspflichten (auch) dahin gegangen seien, den Gläubiger gerade vor einem solchen Schaden zu bewahren. Daraus hat der VI. Zivilsenat für den damals zu beurteilenden Sachverhalt die Folgerung gezogen, wenn ein Patient im Krankenhaus bei einer Bewegungs- und Transportmaßnahme der ihn
betreuenden Krankenschwester aus ungeklärten Gründen das Übergewicht bekomme und stürze, so sei es Sache des Krankenhausträgers, aufzuzeigen und nachzuweisen, daß der Vorfall nicht auf einem pflichtwidrigen Verhalten der Pflegekraft beruhe (ähnlich OLG Dresden NJW-RR 2000, 761 für die Ursache des Sturzes einer Pflegeheimpatientin, die sich in Begleitung und Betreuung einer Pflegekraft befunden hatte). Um eine derartige Konstellation ging es hier nicht. Die Bewohnerin befand sich nicht in einer konkreten Gefahrensituation , die gesteigerte Obhutspflichten auslöste und deren Beherrschung einer speziell dafür eingesetzten Pflegekraft anvertraut worden war. Vielmehr ging es hier (lediglich) um den normalen, alltäglichen Gefahrenbereich, der grundsätzlich in der eigenverantwortlichen Risikosphäre der Geschädigten verblieb. Vergeblich versucht die Revision, hiergegen einzuwenden, daß bei dieser Betrachtungsweise der Geschädigte um so schlechter dastünde, je weniger man sich um ihn kümmere. Werde er sich selbst überlassen, treffe ihn die Darlegungsund Beweislast. Sei hingegen eine Pflegeperson anwesend, die dem Betroffenen helfe und unmittelbaren Einfluß nehmen könne, solle sich der Träger des Pflegeheims entlasten müssen. Das könne nicht richtig sein. Dabei wird, worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist, verkannt, daß es bei der Beweislastumkehr jeweils nur darum gehen kann, ob in der konkreten Unfallsituation eine Sicherungspflicht bestanden hatte, die gerade die Schädigung ausschließen sollte. Dementsprechend wird für vergleichbare Unfallhergänge auch in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte eine Beweislastumkehr abgelehnt (OLG Hamm NJW-RR 2003, 30, 31; OLG München aaO).
4. Die Revision lastet der Beklagten insbesondere an, sie habe es versäumt , die Bewohnerin im Bett zu fixieren, mindestens aber die Bettgitter hochzufahren. Dieser Vorwurf ist indessen unbegründet.


a) In rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung ha t das Berufungsgericht festgestellt, daß das Pflegepersonal diese Sicherungsmaßnahmen für entbehrlich halten durfte. Insbesondere hat dabei der Umstand Gewicht, daß der von der Klägerin selbst nach dem bis dahin letzten Sturz der Bewohnerin (Januar 1998) beauftragte ärztliche Gutachter zwar schwere Einschränkungen des Stütz- und Bewegungsapparates diagnostiziert hatte (Liegen, Sitzen, Stehen mit Hilfe, Gehen mit Hilfe und Gehstütze, sehr unsicher, kleinschrittig), aber gleichwohl besondere Sicherungsmaßnahmen beim Liegen im Bett nicht in Erwägung gezogen hatte. Das Oberlandesgericht Koblenz (aaO), dem sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, weist nicht ohne Grund darauf hin, daß dasjenige, was sich dem medizinischen Dienst der im Schadensfall eintrittspflichtigen Krankenkasse an Sicherungsmaßnahmen nicht aufdrängt, sich bei unverändertem Befund auch der Leitung eines Altenheims nicht aufdrängen muß. Dies gilt trotz des von der Revision - an sich zutreffend - hervorgehobenen Umstandes, daß das Gutachten der Feststellung der Pfflegebedürftigkeit und der Zuordnung zu der entsprechenden Pflegestufe diente. Dieser beschränkte Zweck des Gutachtens änderte nichts daran, daß dort auch Vorschläge zur Versorgung in der stationären Pflegeeinrichtung sowie zur Ausstattung mit Pflegehilfsmitteln vorgesehen waren und derartige Empfehlungen auch - in anderen Bereichen - tatsächlich erteilt wurden. Daß aus der Sicht des Pflegepersonals keine besonderen weitergehenden Maßnahmen ergriffen zu werden brauchten, wird indiziell dadurch bestätigt, daß in der Folgezeit, nach Erstattung des Gutachtens, die Bewohnerin über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren sturzfrei geblieben war.

b) Hinzu kommt folgendes: Jene Sicherungsmaßnahmen hätte n, da sie auch nach der Einschätzung der Klägerin nicht durch eine konkrete, einzelfallbezogene Gefahrensituation gefordert wurden, nur abstrakt-generalisierend, d.h. auf Dauer, getroffen werden müssen, um die allgemeine Gefahr eines Sturzes zu bannen. Damit aber hätten sie den Charakter von Maßnahmen erhalten , die der - unter Betreuung stehenden - Bewohnerin über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen und deshalb der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht bedurft hätten (§ 1906 Abs. 4 BGB). Die Beklagte hatte indessen aus den vorgenannten Gründen keinen hinreichenden Anlaß, von sich aus auf eine derartige Entscheidung des Vormundschaftsgerichts hinzuwirken.
5. In rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung hat das Berufungsgericht eine schuldhafte Pflichtverletzung auch nicht darin erblickt, daß die Mitarbeiter der Beklagten es unterlassen hatten, der Bewohnerin Hüftschutzhosen (Protektorhosen ) anzulegen, durch die die Gefahr eines Knochenbruchs bei einem Sturz gemindert worden wäre. Die Klägerin selbst hatte erstmals in ihrer Berufungserwiderung eher beiläufig darauf hingewiesen, daß die Bewohnerin durch Tragen von Hüftprotektoren vor den hier eingetretenen Folgen eines Sturzes hätte bewahrt werden können. Entgegen der Auffassung der Revision durfte das Berufungsgericht davon ausgehen, daß dieses Vorbringen nicht hinreichend substantiiert war. Weder hatte die Klägerin konkret vorgetragen, noch unter Beweis gestellt, mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit Verletzungen, wie sie die Bewohnerin erlitten hatte, durch das Tragen dieser Schutzvorrichtungen zu verhindern gewesen wären. Die weitere Feststellung des Berufungsgerichts , daß das Tragen von Protektoren die Gefahr des Wundliegens erhöht, wird von der Revision nicht angegriffen.

6. Zu Unrecht macht die Revision weiter geltend, die Beklagte habe es versäumt , dafür Sorge zu tragen, daß der Bewohnerin beim Aufstehen Hilfe zuteil wurde. Dieser Pflicht war die Beklagte vielmehr hinreichend dadurch nachgekommen , daß sie in Reichweite der Bewohnerin eine Klingel bereitgestellt hatte , mit der diese im Bedarfsfall Hilfe hätte herbeirufen können. Das Berufungsgericht weist ferner zutreffend darauf hin, es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, daß die Bewohnerin beim Aufstehen stets der Hilfe bedurft hätte. Die Forderung, der Bewohnerin jedes Mal beim Aufstehen (unaufgefordert) Hilfe zu leisten, würde auf eine lückenlose Überwachung durch die Mitarbeiter des Pflegeheims hinauslaufen. Dies würde über das einem Pflegeheim wirtschaftlich Zumutbare hinausgehen und zudem auch den Interessen der Heimbewohner an der Wahrung ihrer Privatsphäre widersprechen.
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Galke

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher für den Geschäftsherrn die Besorgung eines der im Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Geschäfte durch Vertrag übernimmt.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.

Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher für den Geschäftsherrn die Besorgung eines der im Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Geschäfte durch Vertrag übernimmt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 399/04
Verkündet am:
28. April 2005
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 276 a.F. Hb; § 282 a.F.; § 823 Aa, Dc, I

a) Zur Pflicht des Trägers eines Pflegewohnheims, die körperliche Unversehrtheit
der Heimbewohner zu schützen.

b) Zur Beweislast für eine schuldhafte Pflichtverletzung des Pflegepersonals bei
einem Unfall im Heim.
BGH, Urteil vom 28. April 2005 - III ZR 399/04 - KG Berlin
LG Berlin
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter
Dr. Wurm, Dr. Kapsa, Dörr und Galke

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Kammergerichts vom 2. September 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsrechtszuges zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Die Klägerin ist der gesetzliche Krankenversicherer der am 19. Februar 1912 geborenen, unter Betreuung stehenden Rentnerin G. W. Diese lebt seit dem 23. April 1997 in einem von der Beklagten betriebenen Pflegewohnheim. Ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Pflegegutachtens hatte sie bereits im Jahre 1994 bei einem Sturz eine Oberschenkelfraktur links erlitten, aufgrund deren ihr das Gehen fortan nur noch mit Hilfe und Gehstütze möglich war; kurz vor ihrer Aufnahme in das Heim der Beklagten hatte sie sich bei einem weiteren Sturz ein Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades und im Januar 1998 bei einem dritten Sturz ein solches zweiten Grades zugezogen. Wegen
dieser Verletzungen mußte sie jeweils stationär behandelt werden. Nach dem Pflegegutachten ist sie hochgradig sehbehindert, zeitweise desorientiert und verwirrt; ihr Gang ist sehr unsicher. Sie ist der Pflegestufe III zugeordnet.
Im Heim bewohnte sie ein Zimmer gemeinsam mit zwei we iteren Bewohnerinnen. Neben ihrem Bett befand sich eine Klingel; außerdem konnte sie sich durch Rufe bemerkbar machen. Das Pflegepersonal schaute regelmäßig jede Stunde, zu den Mahlzeiten und zur Inkontinenzversorgung nach der Bewohnerin.
Am 27. Juni 2001 fand gegen 13.00 Uhr die letzte Kon trolle statt. Die Bewohnerin lag zu dieser Zeit zur Mittagsruhe in ihrem Bett. In der Folgezeit war die zuständige Pflegekraft im Wohnbereich mit anderen Bewohnern beschäftigt. Gegen 14.00 Uhr wurde die Bewohnerin von der Pflegekraft in ihrem Zimmer vor dem Bett liegend aufgefunden. Sie hatte sich eine Oberschenkelhalsfraktur zugezogen und wurde bis zum 31. Juli 2001 stationär und anschließend ambulant behandelt.
Die Klägerin ist der Auffassung, daß der Unfall auf e ine Verletzung von Pflichten aus dem Heimvertrag durch die Beklagte zurückzuführen ist. Mit ihrer Klage verlangt sie Ersatz der von ihr getragenen Heilbehandlungskosten. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 7.185,13 € nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist nicht begründet. Der Klägerin steht we gen des Unfalls vom 27. Juni 2001 kein nach § 116 Abs. 1 SGB X übergegangener Schadensersatzanspruch der verletzten Heimbewohnerin gegen die Beklagte zu.
1. Allerdings erwuchsen der beklagten Heimträgerin aus den jeweiligen Heimverträgen Obhutspflichten zum Schutz der körperlichen Unversehrtheit der ihr anvertrauten Heimbewohner. Ebenso bestand eine inhaltsgleiche allgemeine Verkehrssicherungspflicht zum Schutze der Bewohner vor Schädigungen , die diesen wegen Krankheit oder einer sonstigen körperlichen oder geistigen Einschränkung durch sie selbst oder durch die Einrichtung und bauliche Gestaltung des Altenheims drohten (OLG Koblenz NJW-RR 2002, 867, 868). Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflichten war daher geeignet, sowohl einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung des Heimvertrages als auch einen damit konkurrierenden deliktischen Anspruch aus §§ 823, 831 BGB zu begründen.
2. Diese Pflichten sind allerdings begrenzt auf die in Pflegeheimen üblichen Maßnahmen, die mit einem vernünftigen finanziellen und personellen Aufwand realisierbar sind (OLG München VersR 2004, 618, 619; LG Essen VersR 2000, 893). Maßstab müssen das Erforderliche und das für die Heimbewohner und das Pflegepersonal Zumutbare sein (OLG Koblenz aaO). Dabei ist insbesondere auch zu beachten, daß beim Wohnen in einem Heim die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohner vor Beeinträchtigungen zu schützen und die Selbständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverant-
wortung der Bewohner zu wahren und zu fördern sind (vgl. nunmehr § 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HeimG i.d.F. vom 5. November 2001 BGBl. I S. 2970).
3. Wie das Oberlandesgericht Koblenz (aaO) zutreffend ausführt, kann nicht generell, sondern nur aufgrund einer sorgfältigen Abwägung sämtlicher Umstände des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden, welchen konkreten Inhalt die Verpflichtung hat, einerseits die Menschenwürde und das Freiheitsrecht eines alten und kranken Menschen zu achten und andererseits sein Leben und seine körperliche Unversehrtheit zu schützen. Im vorliegenden Fall ist der Unfallhergang im einzelnen nicht mehr aufklärbar. Das Berufungsgericht hat es mit Recht abgelehnt, der Klägerin Beweiserleichterungen im Sinne einer Beweislastumkehr zugute kommen zu lassen. Allein aus dem Umstand, daß die Heimbewohnerin im Bereich des Pflegeheims der Beklagten gestürzt ist und sich dabei verletzt hat, kann nicht auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Pflegepersonals der Beklagten geschlossen werden. Darlegungs- und beweispflichtig ist vielmehr insoweit die Klägerin als Anspruchstellerin; Gegenteiliges läßt sich insbesondere nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18. Dezember 1990 (VI ZR 169/90 = NJW 1991, 1540 f = VersR 1991, 310 f) herleiten. Der VI. Zivilsenat hat dort ausgeführt, die Beweislastumkehr nach § 282 BGB a.F. (nunmehr § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB n.F.) könne nach dem Sinn der Beweisregel auch den Nachweis eines objektiven Pflichtverstoßes des Schuldners umfassen, wenn der Gläubiger im Herrschafts- und Organisationsbereich des Schuldners zu Schaden gekommen sei und die den Schuldner treffenden Vertragspflichten (auch) dahin gegangen seien, den Gläubiger gerade vor einem solchen Schaden zu bewahren. Daraus hat der VI. Zivilsenat für den damals zu beurteilenden Sachverhalt die Folgerung gezogen, wenn ein Patient im Krankenhaus bei einer Bewegungs- und Transportmaßnahme der ihn
betreuenden Krankenschwester aus ungeklärten Gründen das Übergewicht bekomme und stürze, so sei es Sache des Krankenhausträgers, aufzuzeigen und nachzuweisen, daß der Vorfall nicht auf einem pflichtwidrigen Verhalten der Pflegekraft beruhe (ähnlich OLG Dresden NJW-RR 2000, 761 für die Ursache des Sturzes einer Pflegeheimpatientin, die sich in Begleitung und Betreuung einer Pflegekraft befunden hatte). Um eine derartige Konstellation ging es hier nicht. Die Bewohnerin befand sich nicht in einer konkreten Gefahrensituation , die gesteigerte Obhutspflichten auslöste und deren Beherrschung einer speziell dafür eingesetzten Pflegekraft anvertraut worden war. Vielmehr ging es hier (lediglich) um den normalen, alltäglichen Gefahrenbereich, der grundsätzlich in der eigenverantwortlichen Risikosphäre der Geschädigten verblieb. Vergeblich versucht die Revision, hiergegen einzuwenden, daß bei dieser Betrachtungsweise der Geschädigte um so schlechter dastünde, je weniger man sich um ihn kümmere. Werde er sich selbst überlassen, treffe ihn die Darlegungsund Beweislast. Sei hingegen eine Pflegeperson anwesend, die dem Betroffenen helfe und unmittelbaren Einfluß nehmen könne, solle sich der Träger des Pflegeheims entlasten müssen. Das könne nicht richtig sein. Dabei wird, worauf die Revisionserwiderung zutreffend hinweist, verkannt, daß es bei der Beweislastumkehr jeweils nur darum gehen kann, ob in der konkreten Unfallsituation eine Sicherungspflicht bestanden hatte, die gerade die Schädigung ausschließen sollte. Dementsprechend wird für vergleichbare Unfallhergänge auch in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte eine Beweislastumkehr abgelehnt (OLG Hamm NJW-RR 2003, 30, 31; OLG München aaO).
4. Die Revision lastet der Beklagten insbesondere an, sie habe es versäumt , die Bewohnerin im Bett zu fixieren, mindestens aber die Bettgitter hochzufahren. Dieser Vorwurf ist indessen unbegründet.


a) In rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung ha t das Berufungsgericht festgestellt, daß das Pflegepersonal diese Sicherungsmaßnahmen für entbehrlich halten durfte. Insbesondere hat dabei der Umstand Gewicht, daß der von der Klägerin selbst nach dem bis dahin letzten Sturz der Bewohnerin (Januar 1998) beauftragte ärztliche Gutachter zwar schwere Einschränkungen des Stütz- und Bewegungsapparates diagnostiziert hatte (Liegen, Sitzen, Stehen mit Hilfe, Gehen mit Hilfe und Gehstütze, sehr unsicher, kleinschrittig), aber gleichwohl besondere Sicherungsmaßnahmen beim Liegen im Bett nicht in Erwägung gezogen hatte. Das Oberlandesgericht Koblenz (aaO), dem sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, weist nicht ohne Grund darauf hin, daß dasjenige, was sich dem medizinischen Dienst der im Schadensfall eintrittspflichtigen Krankenkasse an Sicherungsmaßnahmen nicht aufdrängt, sich bei unverändertem Befund auch der Leitung eines Altenheims nicht aufdrängen muß. Dies gilt trotz des von der Revision - an sich zutreffend - hervorgehobenen Umstandes, daß das Gutachten der Feststellung der Pfflegebedürftigkeit und der Zuordnung zu der entsprechenden Pflegestufe diente. Dieser beschränkte Zweck des Gutachtens änderte nichts daran, daß dort auch Vorschläge zur Versorgung in der stationären Pflegeeinrichtung sowie zur Ausstattung mit Pflegehilfsmitteln vorgesehen waren und derartige Empfehlungen auch - in anderen Bereichen - tatsächlich erteilt wurden. Daß aus der Sicht des Pflegepersonals keine besonderen weitergehenden Maßnahmen ergriffen zu werden brauchten, wird indiziell dadurch bestätigt, daß in der Folgezeit, nach Erstattung des Gutachtens, die Bewohnerin über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren sturzfrei geblieben war.

b) Hinzu kommt folgendes: Jene Sicherungsmaßnahmen hätte n, da sie auch nach der Einschätzung der Klägerin nicht durch eine konkrete, einzelfallbezogene Gefahrensituation gefordert wurden, nur abstrakt-generalisierend, d.h. auf Dauer, getroffen werden müssen, um die allgemeine Gefahr eines Sturzes zu bannen. Damit aber hätten sie den Charakter von Maßnahmen erhalten , die der - unter Betreuung stehenden - Bewohnerin über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen und deshalb der Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht bedurft hätten (§ 1906 Abs. 4 BGB). Die Beklagte hatte indessen aus den vorgenannten Gründen keinen hinreichenden Anlaß, von sich aus auf eine derartige Entscheidung des Vormundschaftsgerichts hinzuwirken.
5. In rechtsfehlerfreier tatrichterlicher Würdigung hat das Berufungsgericht eine schuldhafte Pflichtverletzung auch nicht darin erblickt, daß die Mitarbeiter der Beklagten es unterlassen hatten, der Bewohnerin Hüftschutzhosen (Protektorhosen ) anzulegen, durch die die Gefahr eines Knochenbruchs bei einem Sturz gemindert worden wäre. Die Klägerin selbst hatte erstmals in ihrer Berufungserwiderung eher beiläufig darauf hingewiesen, daß die Bewohnerin durch Tragen von Hüftprotektoren vor den hier eingetretenen Folgen eines Sturzes hätte bewahrt werden können. Entgegen der Auffassung der Revision durfte das Berufungsgericht davon ausgehen, daß dieses Vorbringen nicht hinreichend substantiiert war. Weder hatte die Klägerin konkret vorgetragen, noch unter Beweis gestellt, mit welchem Grad an Wahrscheinlichkeit Verletzungen, wie sie die Bewohnerin erlitten hatte, durch das Tragen dieser Schutzvorrichtungen zu verhindern gewesen wären. Die weitere Feststellung des Berufungsgerichts , daß das Tragen von Protektoren die Gefahr des Wundliegens erhöht, wird von der Revision nicht angegriffen.

6. Zu Unrecht macht die Revision weiter geltend, die Beklagte habe es versäumt , dafür Sorge zu tragen, daß der Bewohnerin beim Aufstehen Hilfe zuteil wurde. Dieser Pflicht war die Beklagte vielmehr hinreichend dadurch nachgekommen , daß sie in Reichweite der Bewohnerin eine Klingel bereitgestellt hatte , mit der diese im Bedarfsfall Hilfe hätte herbeirufen können. Das Berufungsgericht weist ferner zutreffend darauf hin, es sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, daß die Bewohnerin beim Aufstehen stets der Hilfe bedurft hätte. Die Forderung, der Bewohnerin jedes Mal beim Aufstehen (unaufgefordert) Hilfe zu leisten, würde auf eine lückenlose Überwachung durch die Mitarbeiter des Pflegeheims hinauslaufen. Dies würde über das einem Pflegeheim wirtschaftlich Zumutbare hinausgehen und zudem auch den Interessen der Heimbewohner an der Wahrung ihrer Privatsphäre widersprechen.
Schlick Wurm Kapsa
Dörr Galke

(1) Zweck des Gesetzes ist es,

1.
die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner von Heimen vor Beeinträchtigungen zu schützen,
2.
die Selbständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohnerinnen und Bewohner zu wahren und zu fördern,
3.
die Einhaltung der dem Träger des Heims (Träger) gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern obliegenden Pflichten zu sichern,
4.
die Mitwirkung der Bewohnerinnen und Bewohner zu sichern,
5.
eine dem allgemein anerkannten Stand der fachlichen Erkenntnisse entsprechende Qualität des Wohnens und der Betreuung zu sichern,
6.
die Beratung in Heimangelegenheiten zu fördern sowie
7.
die Zusammenarbeit der für die Durchführung dieses Gesetzes zuständigen Behörden mit den Trägern und deren Verbänden, den Pflegekassen, dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung sowie den Trägern der Sozialhilfe zu fördern.

(2) Die Selbständigkeit der Träger in Zielsetzung und Durchführung ihrer Aufgaben bleibt unberührt.

32
bb) Darüber hinaus wäre es verfehlt, in der DIN 4109 formulierte Schallschutzanforderungen , sei es für einen Mindeststandard, sei es für einen erhöhten Schallschutz, unabhängig von den zur Verfügung stehenden Bauweisen als anerkannte Regeln der Technik zu bewerten. Der Senat hat wiederholt darauf hingewiesen, dass DIN-Normen keine Rechtsnormen sind, sondern nur private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter. DIN-Normen können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben oder hinter diesen zurückbleiben (BGH, Urteil vom 16. Dezember 2004 - VII ZR 257/03, BauR 2005, 542, 545 = NZBau 2005, 216 = ZfBR 2005, 263; Urteil vom 14. Mai 1998 - VII ZR 184/97, BGHZ 139, 16; Urteil vom 19. Januar 1995 - VII ZR 131/93, BauR 1995, 230, 231 = ZfBR 1995, 132; Urteil vom 20. März 1986 - VII ZR 81/85, BauR 1986, 447, 448 = ZfBR 1986, 171). Die Anforderungen an den Schallschutz unterliegen einer dynamischen Veränderung. Sie orientieren sich einerseits an den aktuellen Bedürfnissen der Menschen nach Ruhe und individueller Abgeschiedenheit in den eigenen Wohnräumen. Andererseits hängen sie von den Möglichkeiten des Baugewerbes und der Bauindustrie ab, unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen beider Vertragsparteien einen möglichst umfangreichen Schallschutz zu gewährleisten. In privaten technischen Regelwerken festgelegte Schalldämm-Maße können nicht als anerkannte Regeln der Technik herangezogen werden, wenn es wirtschaftlich akzeptable, ihrerseits den anerkannten Regeln der Technik entsprechende Bauweisen gibt, die ohne weiteres höhere Schalldämm-Maße erreichen. Das hat die Klägerin für den maßgeblichen Zeitpunkt behauptet. Auch gehen die Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte aufgrund sachverständiger Beratung übereinstimmend davon aus, dass bei Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik zur Bauausführung bereits im maßgeblichen Zeitraum höhere Schalldämmwerte von jedenfalls 63 dB (OLG München, BauR 1999, 399, 401; IBR 2004, 197; OLG Düsseldorf, IBR 2004, 571; OLG Koblenz, IBR 2006, 98; OLG München, IBR 2006, 269, mit Volltext jeweils auf ibr-online.de) oder 67 dB (OLG Hamm, BauR 2001, 1262) zu erreichen waren.
14
Dabei verkennt der Senat nicht, dass DIN-Normen keine Rechtsnormen sind, sondern nur private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter (BGHZ 139, 16, 19). DIN-Normen können die anerkannten Regeln der Technik wiedergeben, aber auch hinter diesen zurückbleiben (BGHZ 172, 346, Tz. 32). Die allgemein anerkannten Regeln der Baukunst stellen die Summe der im Bauwesen anerkannten wissenschaftlichen, technischen und handwerklichen Erfahrungen dar, die durchweg bekannt und als richtig und notwendig aner- kannt sind (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 13. Aufl., Rdnr. 1459 ff.). Die Anforderungen an den Schallschutz unterliegen einer dynamischen Veränderung (BGHZ, 172, aaO). So bleiben die DIN-Normen oftmals hinter der technischen Entwicklung und den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die sich in ständigem Fluss befinden, zurück (Boldt, NJW 2007, 2960, 2962). Zudem stellt die - hier einschlägige - DIN 4109 nach ihrer Zweckbestimmung lediglich den Mindeststandard an Schallschutz dar, durch den Menschen in Aufenthaltsräumen vor unzumutbaren Belästigungen durch Schallübertragung geschützt werden sollen.
26
bb) Diese Vermutung kann jedoch entkräftet werden. Nur wenn dies gelingt , bleibt bei der Ausübung des den Wohnungseigentümern (§ 21 Abs. 3 WEG) bzw. dem Richter (§ 21 Abs. 8 WEG) eingeräumten Gestaltungsermessens Raum für eine von DIN-Normen abweichende Sanierung. DIN-Normen sind keine Rechtsnormen, sondern private technische Regelungen mit Empfehlungscharakter , die hinter den anerkannten Regeln der Technik zurückbleiben können (BGH, Urteil vom 14. Mai 1998 - VII ZR 184/97, BGHZ 139, 16, 19 f.; Urteil vom 14. Juni 2007 - VII ZR 45/06, BGHZ 172, 346, 355 f. mwN), weil technische Entwicklung und wissenschaftliche Erkenntnis in einem ständigen Wandel begriffen sind (Pastor in Werner/Pastor, aaO, Rn. 1970 f.; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. Juni 2007 - VII ZR 45/06, aaO). Von daher liegt es in der Natur der Sache, dass in DIN-Normen empfohlene Maßnahmen zur Schäd- lingsbekämpfung nicht mehr die anerkannten Regeln der Technik beschreiben, wenn aufgrund neuer Erkenntnisse andere - geeigneter erscheinende - Methoden an deren Stelle treten, was zur Verteuerung, aber auch zur Verbilligung von Sanierungen führen kann. Ob es sich so verhält, kann zuverlässig nur durch Einholung eines Sachverständigengutachtens geklärt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. März 2008 - VII ZR 219/06, BauR 2008, 1031, 1032; Pastor in Werner/Pastor, aaO, Rn. 1977 mwN). Tritt eine Partei der Vermutungswirkung im Zivilprozess unter Beweisantritt entgegen, hat das Gericht dem grundsätzlich nachzugehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 155/02 Verkündet am:
15. Juli 2003
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers eines Sägewerks.
BGH, Urteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - OLG Frankfurt/Main
LG Fulda
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in Kassel vom 26. März 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist Inhaber eines Sägewerkes und holzverarbeitenden Betriebes. Der Kläger, ein selbständiger Fliesenlegermeister, brachte im Januar 1998 Baumstämme in den Betrieb des Beklagten, um daraus Schalbretter und Kanthölzer herstellen zu lassen. Am 26. Januar 1998 wollte der Kläger das geschnittene Holz abholen. Dazu begab er sich auf das nicht eingezäunte Betriebsgelände des Beklagten und betrat dort einen nach zwei Seiten offenen, frei zugänglichen Schuppen, in dem ein Sägegatter (Vertikalgatter) in Betrieb war. Als der Kläger den Schneidearbeiten zusah, wurde er von einem aus dem Sägegatter herausgeschleuderten Kantholz am Kopf getroffen und schwer verletzt. Der Kläger begehrt Schadensersatz, Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für alle materiellen und immateriellen Zukunftsschäden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Zahlungsansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und der Feststellungsklage stattgegeben; wegen des Betragsverfahrens hat es den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält für nicht bewiesen, daß der Beklagte das Vertikalgatter in mangelhaftem Zustand betrieben habe und läßt offen, ob die Säge fehlerhaft bedient worden sei. Es meint, der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt und dadurch die Schädigung des Klägers herbeigeführt. Allerdings handele es sich beim Sägen an einem Vertikalgatter nach Angaben des Sachverständigen nicht um einen besonders gefährlichen Vorgang. Holz reagiere aber bei der Bearbeitung unterschiedlich. Aufgrund von Verwachsungen und sonstigen Besonderheiten im Innern des Stammes könne es beim Sägen reißen oder absplittern. Es sei auch nicht ausgeschlossen, daß sich durch die senkrechte Bewegung des Sägeblattes vor allem kurze Kanthölzer verkeilten und dadurch aus der Maschine herausgeschleudert würden. Dies sei für den Gatterführer auch bei aufmerksamer Beobachtung des Schneidevorgangs nicht vorhersehbar. Wegen dieser Gefahren hätte der Beklagte nach Auffassung des Berufungsgerichts betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Schuppen durch Anbringung von Warn- und Verbotsschildern verbieten müssen. Dafür, daß der Kläger ein entsprechendes Verbot beachtet hätte, spreche eine tatsächliche Vermutung. Ein Mitverschulden treffe ihn nicht. Als Betriebsfremder habe er nicht mit abfliegenden Spänen oder weggeschleuderten Kanthölzern rechnen müssen.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht überspannt die dem Beklagten als Betreiber der Säge obliegenden Verkehrssicherungspflichten. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß derjenige , der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499 und vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - III ZR 99/90 - VersR 1993, 586, 587 m.w.N.; BGHZ 121, 368, 375 und BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/95 - VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfaßt danach diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, daß sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO m.w.N.). 2. Das Berufungsgericht hält eine solche Gefahr hier deswegen für gegeben , weil nach Angaben des Sachverständigen bei dem Betrieb der Säge die Möglichkeit besteht, daß Teile des zu verarbeitenden Holzes absplittern oder Kanthölzer sich verkeilen und aus dem Gatter herausgeschleudert werden. Dieser vom Sachverständigen als möglich angesehene Geschehensablauf mag eine Erklärung für den Hergang des Unfalls vom 26. Januar 1998 sein. Eine solche nachträgliche Betrachtungsweise eines nach Kenntnis des Sachverstän-
digen bislang einmaligen Vorgangs erlaubt für sich allein jedoch nicht die Schlußfolgerung, daß der Beklagte betriebsfremden Personen den Zutritt zu der Anlage hätte verbieten müssen. Das Berufungsgericht verkennt, daß nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre unrealistisch (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812). So ist eine Verkehrssicherung , die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar (Senatsurteil vom 21. April 1964 - VI ZR 39/63 - VersR 1964, 746). Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165 und vom 5. Mai 1987 - VI ZR 181/86 - VersR 1987, 1014, 1015). Deshalb muß nicht für alle nur denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen geboten, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO; BGHZ 14, 83, 85; BGH, Urteil vom 13. November 1970 - 1 StR 412/70 - NJW 1971, 1093, 1094 m.w.N.). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB), deren Verletzung zur deliktischen Haftung führt (§ 823 Abs. 1 BGB), ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich erachtet (Senatsurteil vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560 m.w.N.). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, dann, wenn die Gefahren bei der Ausübung eines Berufes oder eines Gewerbes auftreten, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger dieser Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren, und die diesem den Umständen
nach zuzumuten sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532 und vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801, jeweils m.w.N.). Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mußten und eine Gefährdung von anderen – wenn auch nicht völlig ausgeschlossen – nur unter besonders eigenartigen und entfernt liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muß der Geschädigte den Schaden selbst tragen, auch wenn dies im Einzelfall hart sein mag. Er hat ein "Unglück" erlitten und kann dem Schädiger kein "Unrecht" vorhalten (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO). 3. Nach diesen Grundsätzen vermögen die bisher getroffenen Feststellungen eine Haftung des Beklagten gem. § 823 BGB nicht zu begründen.
a) Das Berufungsgericht stellt - sachverständig beraten - fest, daß die Anbringung eines Zutrittsverbotsschildes nach den maßgeblichen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) für Maschinen und Anlagen zur Be- und Verarbeitung von Holz und ähnlichen Stoffen nicht erforderlich war. Damit ist allerdings die Frage noch nicht geklärt, ob der Beklagte dennoch gehalten gewesen wäre, insbesondere betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Maschinenraum zu verwehren. Insoweit geht das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, daß an die Sorgfaltspflicht des Unternehmers zum Schutz betriebsfremder Personen im Einzelfall durchaus höhere Anforderungen zu stellen sein können als gegenüber seinen Betriebsangehörigen, zu deren Schutz die UVV in erster Linie bestimmt sind (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO S. 812 f. m.w.N.). Gesetzliche oder andere Anordnungen, einschlägige Unfallverhütungsvorschriften und DIN-Normen enthalten im allgemeinen nämlich keine abschließenden Verhaltensanforderungen (vgl. Senatsurteile vom 30. April
1985 - VI ZR 162/83 - VersR 1985, 781; vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - VersR 1997, 249, 250; vom 26. Mai 1998 - VI ZR 183/97 - VersR 1998, 1029, 1030; vom 4. Mai 1999 - VI ZR 379/98 - VersR 1999, 1033, 1034 und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 – VersR 2001, 1040 jeweils m.w.N.). Solche Bestimmungen können jedoch regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden (Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f. und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 - aaO, jeweils m.w.N.). Namentlich die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft stellen den von der zuständigen Stelle kraft öffentlicher Gewalt festgelegten Niederschlag der in einem Gewerbe gemachten Berufserfahrungen dar und sind von dem Unternehmer zu beachten (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 1953 - VI ZR 58/52 - VersR 1953, 196 und vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f., jeweils m.w.N.). Gebietet die Verkehrssicherungspflicht den Schutz vor anderen Gefahren als denen, die zu verhüten die Unfallverhütungsvorschrift dient, so kann sich der Verkehrssicherungspflichtige nicht darauf berufen, in Ansehung dieser Gefahren seiner Verkehrssicherungspflicht dadurch genügt zu haben, daß er die Unfallverhütungsvorschrift eingehalten hat. Vielmehr hat er die insoweit zur Schadensabwehr erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen. Dient hingegen die Unfallverhütungsvorschrift gerade der Vermeidung der Gefahren, die sich später in einem Unfall verwirklicht haben, so kann dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er keine weitergehenden Schutzmaßnahmen ergriffen hat, als in der einschlägigen Unfallverhütungsvorschrift gefordert (vgl. Senatsurteile vom 30. April 1985 - VI ZR 162/83 - aaO und vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - aaO, jeweils m.w.N.).
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sahen die seinerzeit maßgebenden UVV keine spezifischen Schutzmaßnahmen gegen ein Herausschleudern von Kanthölzern vor, sondern verlangten nur, beim Sägen von kur-
zen Stämmen an einem Vertikalgatter solche Vorrichtungen bereitzuhalten und zu benutzen, die das Hochschlagen der Stämme verhindern. Daß der Beklagte am Unfalltag gegen diese Vorschrift verstoßen hätte, ist nicht festgestellt. Deshalb ist im Revisionsrechtszug zu seinen Gunsten zu unterstellen, daß die Säge vorschriftsmäßig und fehlerfrei bedient wurde. Weitergehende Sicherungsvorkehrungen waren nach den UVV nicht zu treffen. Hat der Beklagte aber die Vorschriften beachtet, welche der Abwendung der (bekannten) Gefahr des Hochschlagens der Stämme dienten, hat er denjenigen Sicherheitsgrad geschaffen , den ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betreffenden Berufsgruppe für ausreichend halten durfte, um andere Personen vor Schaden zu schützen. Da die von dem Hochschlagen der Stämme ausgehende Gefährdung für alle sich in der Nähe der Säge aufhaltenden Personen und damit für Betriebsangehörige wie für Betriebsfremde in gleichem Maße galt, bestanden gegenüber letzteren auch keine zusätzlichen Sorgfaltspflichten. Für ein Zutrittsverbot gegenüber betriebsfremden Personen wegen der Möglichkeit des Herausschleuderns von Kanthölzern hätte nur dann Veranlassung bestanden, wenn es sich dabei um eine nach sachverständigem Urteil naheliegende Gefahr gehandelt hätte. Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall. Hat sich der Unfall vorliegend trotz Einhaltung der aus damaliger Sicht gebotenen Sicherheitsvorkehrungen ereignet, hat er die Erkenntnis gebracht, daß diese Maßnahmen nicht ausreichend waren. In diesem Fall mag sich eine bis dahin zwar denkbare, aber für das sachverständige Urteil seinerzeit allenfalls als bloß theoretisch anzusehende Möglichkeit des Herausschleuderns von Holzteilen in der Praxis realisiert haben. Das reicht jedoch zur Begründung einer Haftung aus einem solchen Unfall nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht aus (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO und vom 5. Mai 1987 - VI ZR
181/86 - aaO). Nach alledem mußte der Beklagte den Zutritt zu der Anlage jedenfalls seinen Kunden nicht verwehren. Eine andere Frage mag es sein, ob er den Sägeschuppen allen Außenstehenden und somit z.B. auch Kindern zugänglich machen durfte. Einer Vertiefung dieser Frage bedarf es hier aber deshalb nicht, weil es sich insoweit um ein besonderes Risiko handeln würde, das sich im Streitfall nicht verwirklicht hat und das deshalb hier außer Betracht bleiben kann (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1978 - VI ZR 194/76 - VersR 1978, 739, 740; Lepa, Der Schaden im Haftpflichtprozeß, 1992, S. 17).

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um zu klären, ob die Schädigung des Klägers durch eine fehlerhafte Bedienung des Vertikalgatters verursacht worden ist.
Müller Wellner Pauge Stöhr Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 95/03 Verkündet am:
3. Februar 2004
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht bei einer Wasserrutsche (Röhrenrutsche)
in einem Schwimmbad.
BGH, Urteil vom 3. Februar 2004 - VI ZR 95/03 - OLG Dresden
LG Görlitz
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Februar 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 25. Februar 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der damals 9-jährige Kläger besuchte am 20. Oktober 1999 gemeinsam mit seiner Mutter und Bekannten das Hallenbad der Beklagten in G. Im Außenbereich dieses Bades befindet sich eine 46 m lange Wasserrutsche in Form einer komplett geschlossenen Röhre. Der Zugang erfolgt über eine in einem Rutschenturm gelegene Treppe. Der Auslauf mündet im Innenbereich des Bades. Am unteren Eingang zum Rutschenturm und oben etwa 4 m vor dem Einstieg zur Rutsche befinden sich Tafeln mit Benutzungshinweisen. Für im Eingangsbereich der Rutsche stehende Badegäste ist der weitere Rutschenbereich nicht einsehbar. Die Rutsche ist mit einer sensorgesteuerten Ampelanlage ausgestattet. Der Benutzer passiert unmittelbar nach dem Start eine Lichtschranke und schaltet damit die am Rutscheneingang installierte Ampel von Grün auf
Rot. Kurz vor dem Ende der Rutsche befindet sich eine zweite Lichtschranke, bei deren Passieren die Ampel wieder auf Grün geschaltet wird. Der Einstieg und der Auslauf der Rutsche können von der Schwimmeisterzentrale aus über eine Video-Überwachungsanlage eingesehen werden, die wahlweise Bilder des Rutscheneinstiegs, des Ausstiegs oder anderer Überwachungskameras zeigt. Die Schwimmeister können den Bereich der Rutsche persönlich aufsuchen oder mit Lautsprecherdurchsagen erreichen. Der Kläger, der die Rutsche nach seiner Behauptung bei Grün betreten und ordnungsgemäß benutzt hat, kollidierte innerhalb der Röhre mit einem anderen Badegast, einer älteren Dame. Er schlug nach dem Aufprall mit dem Gesicht auf der Rutsche auf. Dabei wurden zwei seiner bleibenden Schneidezähne mit den Wurzeln herausgerissen. Ein weiterer Schneidezahn brach ab. Die auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes von mindestens 15.000 DM und Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich materieller und weiterer immaterieller Schäden gerichtete Klage hatte in erster Instanz Erfolg. Die Berufung der Beklagten führte zur Klageabweisung. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Beklagte habe die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Die Anlage der Rutsche entspreche der maßgeblichen DIN-Norm. Bei ordnungsgemäßer Benutzung durch alle Badegäste gewährleiste die sensorgesteuerte Ampel, daß sich immer nur eine Person in der Rutsche befinde, eine Kollisionsgefahr also ausgeschlossen
sei. Die Einhaltung der Regeln könne von den Bademeistern überwacht werden. Weitergehende Maßnahmen zur Vermeidung von Kollisionen seien der Beklagten nicht zuzumuten. Zum einen resultiere nach allgemeiner Lebenserfahrung bei weitem nicht aus jeder Kollision eine ernstzunehmende Verletzung. Zum anderen würden mechanisch wirkende Einrichtungen, die so beschaffen sein müßten, daß sie von Badegästen, insbesondere von Kindern, nicht überwunden werden könnten, ihrerseits Unfallgefahren bergen (zum Beispiel durch Quetschungen). Zudem seien sie - ebenso wie eine weitergehende Beaufsichtigung der Badegäste - mit dem Charakter des Schwimmbades als Freizeiteinrichtung und dem Badebetrieb als Freizeitvergnügen nicht zu vereinbaren.

II.


Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Beklagte als Betreiberin des Schwimmbades verpflichtet ist, ihre Badegäste vor Gefahren zu schützen, denen diese beim Besuch des Hallenbades und bei der Benutzung der Einrichtungen des Bades ausgesetzt sein können. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, wonach derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499 und vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; jeweils m.w.N.; vgl. auch BGHZ 121, 367, 375 und BGH, Urteile vom 17. Dezember 1992 - III ZR 99/90 - VersR 1993, 586, 587 m.w.N. und vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/95 - VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssiche-
rung umfaßt danach diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger , in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, daß sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319 m.w.N.).
Auf der Grundlage dieser allgemeinen Maßstäbe bestimmt sich auch das Maß der Verkehrssicherungspflicht für Schwimmbäder. Die Anlagen einer Badeanstalt müssen so beschaffen sein, daß die Benutzer vor vermeidbaren Gefahren bewahrt bleiben. Das bedeutet, daß die Badegäste vor den Gefahren zu schützen sind, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen , von ihnen nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar sind (vgl. Senatsurteil vom 29. Januar 1980 - VI ZR 11/79 - VersR 1980, 863, 864). Dem Betreiber eines Freibades obliegt neben seiner Verpflichtung zur Erfüllung der von den Besuchern abgeschlossenen Benutzungsverträge auch die deliktische (Garanten-)Pflicht, dafür zu sorgen, daß keiner der Besucher beim Badebetrieb durch solche Risiken zu Schaden kommt (Senatsurteil vom 21. März 2000 - VI ZR 158/99 - VersR 2000, 984). Wird das Schwimmbad - wie im Streitfall - nicht nur von Erwachsenen besucht, ist für den Umfang der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen zudem in Betracht zu ziehen, daß insbesondere Kinder und Jugendliche dazu neigen, Vorschriften und Anordnungen nicht zu beachten und sich unbesonnen zu verhalten; daher kann die Verkehrssicherungspflicht auch die Vorbeugung gegenüber solchem mißbräuchlichen Verhalten umfassen (Senatsurteile vom 21. Februar 1978 - VI ZR 202/76 - VersR 1978, 561 f. und vom 29. Januar 1980 - VI ZR 11/79 - aaO; BGH, Urteil vom 28. Juni 1962 - III ZR 37/61 - VersR 1962, 825, 826 f.).
2. Der Betrieb einer Wasserrutsche bringt vielfältige Gefahren mit sich. Neben Stürzen aus nach oben offenen Röhrenrutschen (vgl. OLG München, VersR 1974, 200) kommt es im Bereich der Wasserrutschen immer wieder dadurch zu Unfällen, daß Badegäste die Rutsche in falscher Körperlage benutzen (vgl. OLG Hamm, VersR 1979, 943; OLG Karlsruhe, VersR 1993, 709; OLG Saarbrücken mit NA-Beschluß des Senats vom 24. September 1996 - VI ZR 15/96 - VersR 1997, 377; vgl. auch Fritzweiler/Scheffen, SpuRt 1998, 148, 150 f.) oder aber in der Rutsche selbst oder am Rutschenauslauf mit anderen Benutzern zusammenstoßen (vgl. OLG Köln, VersR 1989, 159; KG, VersR 1990, 168; OLG Karlsruhe, aaO; OLG Hamm, ZfS 1999, 50; OLG Köln mit NABeschluß des Senats vom 26. Juni 2001 - VI ZR 309/00 - VersR 2002, 859; OLG Stuttgart, NJW-RR 2003, 1531; OLG Celle, NJW-RR 2004, 20; LG Berlin, VersR 1994, 998; LG Aachen, ZfS 1995, 323; AG Friedberg, NJW-RR 1989, 738). Ursächlich hierfür können unterschiedliche Rutschtechniken und die damit einhergehenden voneinander abweichenden Rutschgeschwindigkeiten sein. Begünstigt werden Kollisionen häufig aber auch durch einen zu geringen Abstand zum Vordermann zu Beginn des Rutschvorgangs (vgl. Tücks, VersR 2000, 422, 423).
3. Es begegnet keinen Bedenken, daß das Berufungsgericht zur Feststellung von Inhalt und Umfang der die Beklagte bezüglich der Wasserrutsche treffenden Verkehrssicherungspflichten die DIN EN 1069-2 mit herangezogen hat. Auch wenn es sich bei DIN-Normen nicht um mit Drittwirkung versehene Normen im Sinne hoheitlicher Rechtssetzung, sondern um auf freiwillige Anwendung ausgerichtete Empfehlungen des "DIN Deutschen Instituts für Normung e.V." handelt (vgl. Senatsurteil vom 10. März 1987 - VI ZR 144/86 - VersR 1987, 783, 784), so spiegeln sie doch den Stand der für die betroffenen Kreise geltenden anerkannten Regeln der Technik wider und sind somit zur Be-
stimmung des nach der Verkehrsauffassung zur Sicherheit Gebotenen in besonderer Weise geeignet (vgl. Senatsurteile BGHZ 103, 338, 341 f. und vom 11. Dezember 1979 - VI ZR 141/78 - VersR 1980, 380, 382). Wie das Berufungsgericht von der Revision unbeanstandet festgestellt hat, entspricht die Anlage der Rutsche den Anforderungen der hier maßgeblichen DIN-Norm. Damit ist allerdings die Frage noch nicht geklärt, ob die Beklagte alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz der Badegäste getroffen hat. Anerkannt ist nämlich , daß Bestimmungen wie Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaften oder DIN-Normen im allgemeinen keine abschließenden Verhaltensanforderungen gegenüber den Schutzgütern enthalten (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812 f. und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 - VersR 2001, 1040, 1041, jeweils m.w.N.).
4. Welche Maßnahmen zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht erforderlich sind, hängt stets von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab. Das gilt auch für den Schutz der Besucher von Schwimmbädern (vgl. Senatsurteil vom 21. März 2000 - VI ZR 158/99 - aaO, S. 984 f.). So richten sich Art und Umfang der gebotenen Sicherungsvorkehrungen u.a. nach der Größe und der Lage des Bades, der Überschaubarkeit der Anlage, dem Einsatz technischer Hilfsmittel (z.B. Videokameras), der Anzahl der Besucher und der hierdurch bedingten "Spitzenbelastungen" (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 1979 - VI ZR 106/78 - VersR 1980, 67) und auch nach den Gefahren, die von einer besonderen Einrichtung wie hier der Röhrenrutsche deswegen ausgehen, weil ihre Benutzer beim Betreten den weiteren Rutschenverlauf nicht einsehen können. Mit Recht weist die Revision darauf hin, daß für den in die Rutsche einsteigenden Badegast die Gefahr eines Zusammenstoßes mit einem noch in der Rutsche befindlichen anderen Badegast nicht vorhersehbar und auch nicht beherrschbar ist, weil er den Vordermann gegebenenfalls erst unmittelbar vor der
Kollision bemerkt; zu diesem Zeitpunkt ist ihm im allgemeinen ein Abbremsen nicht oder kaum mehr möglich, weil er in der Rutsche keinen Halt findet. Für den zuerst eingestiegenen Badegast ist die Gefahr eines Aufpralls des Hintermannes erst recht nicht vorhersehbar und kontrollierbar. Dieses Gefahrenpotential erfordert besondere Sicherungsvorkehrungen.

a) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um ihrer besonderen Verkehrssicherungspflicht im Bereich der Wasserrutsche zu genügen. Die sowohl am unteren Eingang zum Rutschenturm als auch oben etwa 4 m vor dem Einstieg ausgehängte Rutschanleitung enthält eine Reihe von Verhaltensaufforderungen. So signalisiert eines der auf den Tafeln zu sehenden Piktogramme das - auch textlich wiedergegebene - Gebot, beim Rutschen Abstand zu halten. Kindern im Alter bis zu sechs Jahren ist die Benutzung untersagt. Ein weiteres Piktogramm fordert zusammen mit einem entsprechenden Text dazu auf, den Bereich des Rutschenauslaufs nach dem Rutschen unverzüglich zu verlassen. Neben der Anordnung von Verhaltensmaßregeln hat die Beklagte technische Vorkehrungen getroffen, die es den Schwimmeistern ermöglichen, von ihrer Zentrale aus den Rutscheneinstieg mittels einer Video-Kamera zu beobachten und die sich dort aufhaltenden Badegäste über Lautsprecher anzusprechen. Alle diese Maßnahmen zielen auf eine ordnungsgemäße und damit möglichst gefahrlose Benutzung der Wasserrutsche ab. Um deren Verkehrssicherheit noch weiter zu erhöhen und einen zeitlichen und räumlichen Abstand zwischen den Benutzern der Rutsche zu gewährleisten, hat die Beklagte diese mit einer sensorgesteuerten Ampelanlage ausgestattet, die so angelegt ist, daß die Freigabe (bei ordnungsgemäßer Benutzung) jeweils dann erfolgt, wenn der jeweilige Benutzer den Rutschenauslauf erreicht. Damit wird zum einen dem Umstand Rechnung getragen, daß die am Rutscheneingang wartenden Benutzer den weiteren Ver-
lauf der Röhre nicht einsehen können und deshalb für die Einhaltung eines ausreichenden Rutschabstandes ohne Ampel auf eine bloße Schätzung der seit dem Einstieg des Vordermannes verstrichenen Zeit angewiesen wären (vgl. OLG Köln, VersR 2002, aaO). Zum anderen werden mit dieser Technik - im Unterschied zu zeitgesteuerten Signalanlagen (vgl. dazu KG, aaO und AG Friedberg, aaO) - die für den Zeitpunkt der Freigabe der Rutsche bedeutsamen unterschiedlichen Rutschgeschwindigkeiten der Badegäste berücksichtigt.

b) Die vorhandenen Sicherungsvorkehrungen gewährleisten im Zusammenwirken ein relativ hohes Maß an Verkehrssicherheit. Sie können - wie der Streitfall zeigt - Unfälle durch Zusammenstöße in der Rutsche allerdings nicht gänzlich verhindern. Wenn ein Badegast bei Rot in die Rutsche einsteigt, wird nicht nur der erforderliche Sicherheitsabstand zu dessen Vordermann unterschritten , sondern gleichzeitig auch die Funktion der Signalgebung aufgehoben, denn die Ampel schaltet in diesem Fall schon in dem Moment auf Grün, in dem der Vordermann den Rutschenauslauf erreicht. Tatsächlich ist die Rutsche zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht frei, weil sich der "Rotlichtsünder" noch in der Röhre befindet. Der nächste Badegast läuft deshalb Gefahr, in der Rutsche mit dem "Rotlichtsünder" zu kollidieren. Betritt er die Rutsche zudem sehr schnell nach Aufleuchten des Grünlichts, und zwar bevor der "Rotlichtsünder" den Rutschenauslauf erreicht, kommt es ein weiteres Mal zu einer irreführenden Wirkung der Ampel, weil diese schon in dem Moment wieder auf Grün umschaltet, in dem der "Rotlichtsünder" die Lichtschranke am Rutschenauslauf passiert, während der nachfolgende Badegast sich noch in der Röhre befindet. Auf diese Weise kann bei einer entsprechend raschen Folge der Rutschenden das sinnvolle Funktionieren der Signalanlage infolge eines einzigen Rotlichtverstoßes theoretisch auf Dauer beeinträchtigt sein. Dazu bedarf es allerdings einer Verkettung unglücklicher Umstände. Ob der Verkehrssicherungspflichtige Vorkeh-
rungen zur Abwehr einer solchen doch eher fernliegenden Gefahr zu treffen hat, erscheint zweifelhaft. Anerkannt ist nämlich, daß nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere zu gefährden, wäre unrealistisch (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO). Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt , daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO, vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 + 99/77 - VersR 1978, 1163, 1164 und vom 5. Mai 1987 - VI ZR 181/86 - VersR 1987, 1014, 1015).
Im Streitfall ist indessen nicht eine mehrfache, sondern nur eine einmalige Fehlfunktion festgestellt. Die Gefahr, daß es dazu kommt, ist weniger fernliegend , denn hierzu bedarf es lediglich eines einzigen Rotlichtverstoßes. Mit der Möglichkeit, daß irgendwann einmal ein Badegast das Signal der Ampel mißachtet und zu früh in die Rutsche einsteigt, kann und muß der Verkehrssicherungspflichtige rechnen. Das gilt erst recht, wenn die Wasserrutsche - wie hier - nicht allein von Erwachsenen, sondern auch - oder sogar vorwiegend - von Kindern und Jugendlichen benutzt wird, die erfahrungsgemäß dazu neigen, Vorschriften und Anordnungen nicht zu beachten und sich unbesonnen zu verhalten , eine Erscheinung, die gerade in Schwimmbädern häufig zu beobachten ist. Deshalb gebietet die Verkehrssicherungspflicht, im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren Vorkehrungen dagegen zu treffen, daß ein Badegast bei Rotlicht in die Rutsche einsteigt und auf diese Weise sich und andere gefährdet.

c) Indessen gab es nach den vom Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen für die Beklagte jedenfalls im Zeitpunkt des Unfalls keine geeignete und zumutbare Möglichkeit, dieser Gefahr zu begegnen.
aa) Die Installation einer mechanisch wirkenden Sperre hat das Berufungsgericht mit Recht als nicht sachdienlich erachtet. Eine solche Einrichtung könnte nur dann verlangt werden, wenn sie die Sicherheit der Badegäste tatsächlich erhöhen würde. Das aber ist nicht gewährleistet, da eine solche Einrichtung , worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist, ihrerseits neue Unfallgefahren mit sich bringen würde. Es liegt zum Beispiel nicht fern, daß Kinder versuchen könnten, die Sperre zu überwinden, um - vorschriftswidrig - zu mehreren gemeinsam zu rutschen. Dabei könnten sie sich an der Sperre klemmen oder auf andere Weise (z.B. durch Quetschungen) verletzen, womit die Unfallgefahr im Ergebnis lediglich verlagert würde.
bb) Eine geeignete Maßnahme, mit der sich Unfälle im Bereich der Rutsche weitgehend verhindern ließen, könnte eine lückenlose Beaufsichtigung der Badegäste am Rutscheneinstieg durch einen dort präsenten Bademeister sein. Die Gewährleistung einer solchen ununterbrochenen direkten Aufsicht „vor Ort“ war der Beklagten aber nicht zumutbar. Eine lückenlose Aufsicht in Schwimmbädern ist nicht üblich und nach ständiger Rechtsprechung auch nicht erforderlich (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 1979 - VI ZR 106/78 - aaO; OLG Hamm, VersR 1979, 943; OLG Köln, VersR 1989, 159; KG, aaO, S. 168 f.; Tücks, aaO, S. 424). Dieser für die allgemeine Badeaufsicht entwickelte Grundsatz gilt auch für die Aufsicht an besonderen Einrichtungen des Bades, wie Sprungbrettern, Sprungtürmen und Wasserrutschen. In Schwimmbädern drohen an vielen Stellen Gefahren. Ihnen durch eine allgegenwärtige Aufsicht zu begegnen, ist weder geboten noch möglich. Die im Verkehr erforderliche Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 S. 2 BGB), deren Verletzung zur deliktischen Haftung führen kann (§ 823 Abs. 1 BGB), umfaßt nicht jede denkmögliche Sicherheitsmaßnahme. Ihr ist vielmehr genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich er-
achtet (Senatsurteile vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560 und vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO). Der Besucher eines Schwimmbades kann eine Badeaufsicht, aber keine lückenlose "Rundum"Kontrolle erwarten. Sie wird deshalb auch nicht geschuldet.
cc) Ein Unterlassen anderer denkbarer Sicherungsvorkehrungen kann der Beklagten im Streitfall nicht zum Vorwurf gereichen. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die Beklagte hätte die Ampelanlage mit einem "Gedächtnis" ausstatten müssen, um sicherzustellen, daß sie nur auf Grün schaltet, wenn ebenso viele Personen, wie oben eingestiegen, unten aus der Röhre herausgekommen sind. Ob dies technisch möglich und mit zumutbarem Aufwand zu bewerkstelligen wäre, kann hier dahinstehen. Die Revision vermag nämlich weder Vortrag in den Tatsacheninstanzen dazu aufzuzeigen, daß eine solche Ampelschaltung oder anderweitige technische Sicherheitsvorkehrungen für Rutschen vor dem Unfall des Klägers, also im Jahre 1999, überhaupt zur Verfügung gestanden hätte, noch, daß der Beklagten ein Nachrüsten der Signalanlage mit einer solchen "intelligenten" Technik seinerzeit finanziell zumutbar gewesen wäre. Das Maß der im Streitfall erforderlichen Verkehrssicherheit bestimmt sich nicht nach dem heute Möglichen und eventuell Zumutbaren, sondern richtet sich nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Schädigung. Ob eine sensorgesteuerte Ampelschaltung, wie sie hier installiert war, heute noch den Sicherheitserfordernissen genügt, ist deshalb nicht zu entscheiden.

III.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Greiner Wellner
Pauge Stöhr
16
Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht wird freilich nicht alleine durch gesetzliche Vorgaben bestimmt. Der zur Verkehrssicherung Verpflichtete hat vielmehr grundsätzlich selbständig zu prüfen, ob und welche Sicherungsmaßnahmen zur Vermeidung von Schädigungen notwendig sind; er hat die erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen, auch wenn gesetzliche oder andere Anordnungen, Unfallverhütungsvorschriften oder technische Regeln wie DIN-Normen seine Sorgfaltspflichten durch Bestimmungen über Sicherheitsmaßnahmen konkretisieren. Solche Bestimmungen enthalten im Allgemeinen keine abschließenden Verhaltensanforderungen gegenüber den Schutzgütern. Sie können aber regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden und sind deshalb für die Bestimmung des Umfangs der Verkehrssicherungspflichten durchaus von Bedeutung (vgl. Senat BGHZ 103, 338, 342; Urteile vom 29. November 1983 - VI ZR 137/82 - VersR 1984, 164, 165; vom 23. Oktober 1984 - VI ZR 85/83 - VersR 1985, 64, 65; vom 7. Oktober 1986 - VI ZR 187/85 - VersR 1987, 102, 103; vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 - VersR 2001, 1040, 1041). Welche Maßnahmen zur Wahrung der Verkehrssicherungspflicht erforderlich sind, hängt von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab (vgl. Senat, Urteile vom 21. März 2000 - VI ZR 158/99 - VersR 2000, 984 f.; vom 3. Juni 2008 - VI ZR 223/07 - aaO, Rn. 18).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 251/17 Verkündet am:
19. Juli 2018
Klein,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Schutz der Rechtsgüter der Benutzer erfordert es, dass von dem Betreiber
einer Waschstraße nicht nur die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln
der Technik verlangt wird. Sind Schädigungen zu besorgen, wenn die Kunden
bei der Nutzung der Anlage - zwar selten, aber vorhersehbar - nicht die notwendigen
Verhaltensregeln einhalten, muss der Betreiber in geeigneter Weise
darauf hinwirken, dass kein Fehlverhalten vorkommt. Den Betreiber einer
Waschstraße trifft deshalb die Pflicht, die Benutzer der Anlage in geeigneter
und ihm zumutbarer Weise über die zu beachtenden Verhaltensregeln zu informieren.
BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 - VII ZR 251/17 - LG Wuppertal
AG Wuppertal
ECLI:DE:BGH:2018:190718UVIIZR251.17.0

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündlicheVerhandlung vom 19. Juli 2018 durch die Richter Dr. Kartzke, Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Borris und Dr. Brenneisen
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 17. Oktober 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger verlangt von der Beklagten, der Betreiberin einer Waschstraße , wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs Schadensersatz in Höhe von 1.223,19 € nebst Zinsen sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
2
Er befand sich am 7. März 2015 mit seinem Fahrzeug in der von der Beklagten betriebenen Waschstraße. Bei dieser handelt es sich um eine vollautomatisierte Anlage, durch die die Fahrzeuge während des Waschvorgangs von einem Schleppband mit einer geringen Geschwindigkeit gezogen werden. Dabei befinden sich die linken Räder auf der Fördereinrichtung, während die rechten Räder frei über den Boden laufen. Vor und hinter dem Fahrzeug des Klägers befand sich jeweils ein weiteres Fahrzeug. Während des Waschvorgangs betätigte der Fahrer des Fahrzeugs, das sich vor dem Fahrzeug des Klägers befand, grundlos die Bremse, wodurch dieses Fahrzeug aus dem Schleppband geriet und stehenblieb, während das Fahrzeug des Klägers sowie das dahinter befindliche Fahrzeug weitergezogen wurden. Hierbei wurden das Fahrzeug des Klägers auf das abgebremste Fahrzeug und das hinter ihm befindliche Fahrzeug auf sein Fahrzeug geschoben.
3
Der Kläger wirft der Beklagten eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor.
4
Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zum Schadensersatz verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Verurteilung.

Entscheidungsgründe:

5
Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6
Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe keine Pflicht im Sinne der § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB aus dem zwischen den Parteien bestehenden Werkvertrag über die Reinigung des Fahrzeugs des Klägers verletzt. Die Beschädigung dieses Fahrzeugs sei allein durch das Fehlverhalten des Fahrers des vorausfahrenden Fahrzeugs verursacht worden, der grundlos gebremst habe.
7
Eine technische Fehlfunktion der Anlage, die zu dem Vorfall geführt habe , habe es unstreitig nicht gegeben.
8
Es greife auch keine Vermutung ein, wonach auf eine Pflichtverletzung der Beklagten geschlossen werden könne. In Abweichung von der grundsätzlichen Beweislast des Geschädigten habe die Rechtsprechung zwar anerkannt, dass ausnahmsweise von einer Schädigung auf eine Pflichtverletzung geschlossen werden könne, wenn der Geschädigte darlege und beweise, dass die Schadensursache allein aus dem Verantwortungsbereich des Schädigers herrühren könne. Davon könne hier indes nicht ausgegangen werden, da es zur Beschädigung des Fahrzeugs des Klägers nur wegen des grundlosen Bremsens des Fahrers des vorausfahrenden Fahrzeugs gekommen sei. Eine Schadensursächlichkeit allein im Verantwortungsbereich der Beklagten könne insoweit gerade nicht festgestellt werden.
9
Eine Pflichtverletzung der Beklagten in Form der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht könne ebenfalls nicht festgestellt werden. Zwar treffe die Beklagte als Betreiberin der Waschanlage die Obhutspflicht, die Fahrzeuge ihrer Kunden vor Schaden zu bewahren. Diese Pflicht habe die Beklagte indes nicht verletzt. Der Betreiber einer Waschanlage genüge seiner Verkehrssicherungspflicht , wenn die von ihm betriebene Anlage den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspreche. Nach den nachvollziehbaren und nicht zu beanstandenden Ausführungen des Sachverständigen J. entspreche die Waschanlage der Beklagten diesen Regeln. Zwar gebe es keinerlei Sicherungsvorkehrungen , die ein Auffahren der sich in der Waschstraße befindenden Fahrzeuge bei einem plötzlichen Abbremsen eines Wagens verhindern könnten. Allerdings seien nach den Feststellungen des Sachverständigen entsprechende Sicherungsvorkehrungen in vergleichbaren Waschstraßen auch nicht üblich und aus technischer Sicht funktionell und auch unter Kostengründen kaum möglich.
10
Auch der Einsatz einer ununterbrochenen Videoüberwachung oder von Personal, das den gesamten Waschvorgang jedes einzelnen in der Anlage befindlichen Fahrzeugs kontinuierlich überwache, sei nicht üblich. Den Betreiber treffe insoweit auch keine Pflicht, derartige mit einem hohen technischen beziehungsweise personellen Aufwand verbundene Überwachungsmaßnahmen vorzuhalten.

II.

11
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 631 BGB wegen Verletzung einer werkvertraglichen Schutzpflicht der Beklagten nicht verneint werden.
12
1. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht im Ausgangspunkt allerdings angenommen, dass es sich bei dem Vertrag über die Reinigung eines Fahrzeugs um einen Werkvertrag handelt (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2004 - X ZR 133/03, NJW 2005, 422, juris Rn. 15) und dass sich aus einem solchen Vertrag als Nebenpflicht die Schutzpflicht des Anlagenbetreibers ergibt, das Fahrzeug des Kunden vor Beschädigungen beim Waschvorgang zu bewahren (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2004, - X ZR 133/03, juris Rn. 15, NJW 2005, 422; Urteil vom 23. Januar 1975 - VII ZR 137/73, juris Rn. 22, NJW 1975, 685). Zutreffend ist das Berufungsgericht des Weiteren davon ausgegangen, dass Verkehrssicherungspflichten innerhalb eines Vertragsverhältnisses zugleich Vertragspflichten sind (vgl. BGH, Urteil vom 14. März 2013 - III ZR 296/11 Rn. 25, BGHZ 196, 340) und dass die auf den Besteller eines Werkvertrags bezogene Verkehrssicherungspflicht des Unternehmers nicht weiter geht als die werkvertragliche Schutzpflicht des Unternehmers (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2013 - VII ZR 98/12 Rn. 15, NJW-RR 2013, 534, zur werkvertraglichen Treuepflicht des Bestellers gegenüber dem Unternehmer).
13
2. Im Ergebnis nicht zu beanstanden ist auch, dass das Berufungsgericht eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht schon mit der Begründung bejaht hat, die Schadensursache liege allein in deren Gefahrenbereich.
14
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Schädiger - über den Wortlaut des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB hinaus - sich nicht nur hinsichtlich seines Verschuldens zu entlasten, sondern er muss auch darlegen und gegebenenfalls beweisen, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein in seinem Gefahrenbereich liegen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2016 - XII ZR 50/14, Rn. 31, NJW-RR 2017, 635; Urteil vom 22. Oktober 2008 - XII ZR 148/06, Rn. 15 f., NJW 2009, 142; vgl. auch zu Waschstraßenfällen OLG Hamm, OLGR 2002, 369, juris Rn. 5 m.w.N.; OLG Koblenz, NJW-RR 1995, 1135, juris Rn. 17).
15
b) Der Schaden des Klägers ist nicht allein durch den automatisierten Waschvorgang unter Einsatz des von der Beklagten verwendeten und in Gang gesetzten Schleppbands verursacht worden. Vielmehr liegt ein maßgeblicher Verursachungsbeitrag darin, dass der Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs grundlos gebremst und damit den automatisierten Waschvorgang gestört hat. Der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich damit von Fällen, bei denen das Fahrzeug des geschädigten Waschstraßennutzers durch ein am Waschvorgang beteiligtes Teil der Waschstraße (z.B. eine Rotationsbürste) beschädigt wird.
16
3. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe keine Schutzpflicht verletzt, hält indes der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
17
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - etwa durch den Betrieb einer Waschstraße - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2010 - VI ZR 223/09 Rn. 5 f., NJW 2010, 1967; Urteil vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 Rn. 6 f., NJW 2006, 2326, jeweils m.w.N). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.
18
Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2010 - VI ZR 223/09 Rn. 6, NJW 2010, 1967; Urteil vom 16.Mai 2006 - VI ZR 189/05 Rn. 7, NJW 2006, 2326, jeweils m.w.N). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 2010 - VI ZR 223/09 Rn. 6, NJW 2010, 1967; Urteil vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 Rn. 7, NJW 2006, 2326, jeweils m.w.N). Daher reicht es aus, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise - hier der Betreiber von Waschstraßen - für ausreichend halten darf, um andere Personen - hier die Kunden - vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind. Die Zumutbarkeit von Sicherungsvorkehrungen bestimmt sich dabei unter Abwägung der Wahrscheinlichkeit der Gefahrverwirklichung, der Gewichtigkeit möglicher Schadensfolgen und der Höhe des Kostenaufwands, der mit etwaigen Sicherungsvorkehrungen einhergeht (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03, juris Rn. 17 f., NJW-RR 2005, 251).
19
Zu den gebotenen Sicherungsvorkehrungen kann auch die Erfüllung von Hinweispflichten gehören (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03, juris Rn. 24, NJW-RR 2005, 251).
20
b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die vom Berufungsgericht unter Würdigung des Sachverständigengutachtens getroffenen Feststellungen, dass die Waschstraße der Beklagten den anerkannten Regeln der Technik entspricht , dass technische Sicherungsvorkehrungen, die ein Auffahren bei einem Bremsvorgang des vorausfahrenden Fahrzeugs verhindern könnten, bei derartigen Anlagen nicht üblich und dass derartige technische Sicherungsvorkehrungen nicht marktgängig sind.
21
Die in diesem Zusammenhang von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, aber für nicht durchgreifend erachtet, § 564 Satz 1 ZPO.
22
c) Nicht zu beanstanden ist zudem die Annahme des Berufungsgerichts, eine Schutzpflicht sei nicht deshalb verletzt, weil die Beklagte nicht für eine ununterbrochene Überwachung der Anlage - sei es durch den Einsatz einer Vide- oanlage sei es durch Mitarbeiter, die neben dem Schleppband mitlaufen - gesorgt hat.
23
Eine so weitgehende Schutzpflicht würde die berechtigten Verkehrserwartungen überspannen, die anhand der konkreten Umstände, insbesondere der Gefahrgeneigtheit der betriebenen Anlage zu bemessen sind (vgl. BGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03, juris Rn. 17 f., NJW-RR 2005, 251). Solche Maßnahmen sind wegen des damit verbundenen technischen und/oder personellen Aufwands nicht zumutbar und unverhältnismäßig. Das gilt insbesondere deshalb, weil Schadensereignisse der vorliegenden Art mit geringen Kollisionsgeschwindigkeiten allenfalls geringe Sachschäden verursachen, deren Vermeidung den notwendigen Personal- und Materialeinsatz nicht rechtfertigt. Bei diesen Vorfällen handelt es sich zudem um selten auftretende Einzelfälle. Nach dem nicht wirksam bestrittenen Vortrag der Beklagten gab es in der Waschstraße im Jahr 2015 bei 46.700 Waschgängen lediglich fünf Aufschiebevorfälle. Angesichts einer Quote von 0,01 % kommen solche Vorfälle nur in einem geringen Umfang vor. An die Benutzung einer automatisierten Waschstraße - wie hier - stellen die beteiligten Verkehrskreise nicht die Anforderung, durchgehend von einem Mitarbeiter unmittelbar oder per Video überwacht zu werden.
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d) Das Berufungsgericht hat indes nicht berücksichtigt, dass eine Schutzpflichtverletzung in Betracht kommen kann, wenn die Beklagte gebotene Hinweise bezüglich der Benutzung der Waschstraße nicht erteilt hat.
25
Der Schutz der Rechtsgüter der Benutzer erfordert es, dass von dem Betreiber der Waschstraße nicht nur die Einhaltung der allgemein anerkannten Regeln der Technik verlangt wird. Sind - wie hier - Schädigungen zu besorgen, wenn die Kunden bei der Nutzung der Anlage - zwar selten, aber vorherseh- bar - nicht die notwendigen Verhaltensregeln einhalten, muss der Betreiber in geeigneter Weise darauf hinwirken, dass kein Fehlverhalten vorkommt. Den Betreiber einer Waschstraße trifft deshalb die Pflicht, die Benutzer der Anlage in geeigneter und ihm zumutbarer Weise über die zu beachtenden Verhaltensregeln zu informieren (vgl. zu einer Wasserrutsche BGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03, juris Rn. 24, NJW-RR 2005, 251).
26
Für die Revisionsinstanz ist mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts davon auszugehen, dass die Beklagte dem Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs keine Hinweise zur Benutzung der Waschstraße und der bei einem Bremsen während des Schleppvorgangs drohenden Gefahren erteilt hat.
27
4. Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben und die Sache ist an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil noch weitere Feststellungen von dem Berufungsgericht zu treffen sind und der Rechtsstreit daher nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Kartzke Halfmeier Jurgeleit Borris Brenneisen
Vorinstanzen:
AG Wuppertal, Entscheidung vom 06.11.2015 - 98 C 188/15 -
LG Wuppertal, Entscheidung vom 17.10.2017 - 16 S 107/15 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 294/03 Verkündet am:
5. Oktober 2004
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht bei einer Wasserrutsche (Röhrenrutsche)
in einem Schwimmbad (Fortsetzung der Rechtsprechung in dem Senatsurteil vom
3. Februar 2004 - VI ZR 95/03 = VersR 2004, 657 = NJW 2004, 1449).
BGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03 - OLG Celle
LG Stade
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Oktober 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 24. September 2003 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die damals acht Jahre alte Klägerin benutzte im August 2001 in dem von der beklagten Gemeinde betriebenen Freibad die etwa 90 Meter lange kurvenreiche Großrutsche. Nach ihrem Vortrag erlitt sie Zahnschäden, als sie einem anderen noch in der Rutsche befindlichen Mädchen ausweichen wollte und dabei gegen die Wand der Rutsche geriet. Sie begehrt deshalb von der Beklagten Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens. Auf Schildern und Piktogrammen am Eingang der Rutsche und im Rutschbereich befinden sich Benutzungs- und Warnhinweise. Danach dürfen Kinder unter sieben Jahren die Rutsche nicht benutzen. Zugelassen ist die
Rutschposition "Rückenlage, Blick nach vorn". Eingehalten werden soll eine Wartezeit von mindestens 30 Sekunden. Die Klägerin hat geltend gemacht, vor dem Rutschen einige Zeit gewartet zu haben, die sie für 30 Sekunden gehalten habe. Nach der dritten Kurve habe sie ein dickeres Mädchen gesehen, das in der Rutsche festgehangen habe. Bei einem Ausweichversuch sei sie mit ihrem Gesicht gegen die Rutschenwand und das Mädchen gestoßen. Das Landgericht hat eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte verneint und deshalb die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat mit dem Landgericht die Verletzung einer vertraglichen oder deliktischen Verkehrssicherungspflicht der Beklagten verneint und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Gefahr von Unfällen in größeren Schwimmbadrutschen sei ernst zu nehmen und von den Schwimmbadbetreibern durch geeignete Maßnahmen auf ein angesichts der drohenden Gesundheitsbeeinträchtigungen vertretbares Maß zu reduzieren. Auf dieser Erkenntnis und Einschätzung der Sachlage beruhten denn auch die gefahrsteuernden Hinweise der Beklagten. Eine völlige Vermeidung der für den Benutzer kalkulierbaren Gefahren sei nicht geboten, da derartige Vergnügungseinrichtungen sozial akzeptiert und zur Steigerung der Schwimmbadattraktivität gewünscht würden. Der Betreiber müsse bei seinen
Gefahrsteuerungsmaßnahmen allerdings auch einen vorhersehbaren Missbrauch berücksichtigen. Eine Reservierung der Rutschenbenutzung für einzelne Personen, durch die allein Unfälle der behaupteten Art völlig vermieden werden könnten, sei bei Abwägung der Kosten- und Benutzungsnachteile gegen den mit Alternativmaßnahmen erreichbaren Rechtsgüterschutz nicht geboten. Die ständige Aufsicht eines - im Zweifel zusätzlichen - Bademeisters am Einstieg zur Rutsche könne schon aus Kostengründen nicht verlangt werden. Zeitweilige Benutzungssperren seien auch deshalb nicht geboten, weil die Benutzungsfrequenz unnötig stark reduziert wäre, wenn jeweils das Verlassen der Rutsche durch den Vorbenutzer abgewartet werden müsste; durch lange Wartezeiten wäre die Attraktivität der Rutsche erheblich eingeschränkt. Für die Behauptung der Klägerin, weitergehende Sicherungsmaßnahmen entsprächen inzwischen dem Stand der Technik, sei nichts ersichtlich; in einer DIN-Norm oder Euro-Norm - die für den Rutschenbetrieb einschlägige EN 1069 sei erst 1996 neu gefaßt worden - schlage sich dies nicht nieder. Es sei ausreichend, für einen zeitlichen Abstand zwischen den einzelnen Benutzern zu sorgen, wie es die Beklagte im Grundsatz richtig getan habe. Er schließe die Gefahr eines Zusammenstoßes regelmäßig aus, die insbesondere nach dem Verlassen der Rutsche im Wasserbecken bestehe. Der von der Beklagten festgelegte Abstand von 30 Sekunden sei angemessen, sollte aber tunlichst nicht unterschritten werden. Ein Aufrutschen sei zwar nicht auszuschließen , werde dann aber auf seltene Fälle beschränkt bleiben. Verletzungen durch den Aufprall nachfolgender Rutschenbenutzer seien nach vorausschauender Erwartung gering, wenn der nachfolgende Benutzer entsprechend den von der Beklagten aufgestellten Benutzungsvorgaben in Rückenlage mit den Füßen
voran rutsche. Dazu trage auch das insgesamt mäßige und im zweiten Teil der Rutsche, in dem sich der Unfall ereignet haben solle, geringe Röhrengefälle bei. Die Klägerin trage zweitinstanzlich selbst vor, daß ein früherer Unfall, der sich im Jahre 2000 zwischen zwei Kindern ereignet haben solle, nur zu leichten Verletzungen geführt habe. Der Sachverhalt in dem Fall OLG Köln VersR 2002, 859, der einen Unfall aus dem Jahre 1996 mit Querschnittslähmung des Vorausrutschenden betraf, weise Besonderheiten auf, die erheblich von den Gegebenheiten des vorliegenden Falles abwichen; dort sei ein Aufrutschen aufgrund der Umstände „nahezu an der Tagesordnung" gewesen. Der Ablauf der Wartezeit von 30 Sekunden sei zwar insbesondere für jüngere Kinder ohne vom Schwimmbadbetreiber gestellte technische Hilfsmittel schwer feststellbar, so daß diese Gefahrsteuerungsmaßnahme leer laufe, wenn die vorgeschriebene Wartezeit trotz Gutwilligkeit infolge fehlerhafter Zeitschätzung als verstrichen angesehen werde. Ob das Aufstellen einer Uhr zu verlangen sei, könne aber dahingestellt bleiben. Selbst wenn dies zur Einhaltung der objektiven Verkehrssicherungspflicht erforderlich wäre, ließe sich daraus keine Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen im Streitfall ableiten. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin habe sich das vorausrutschende Mädchen "verkeilt", was schon für sich genommen auf eine Zeitverzögerung ihres Rutschvorgangs hindeute, die auch bei korrekter Einhaltung der Wartezeit von 30 Sekunden einen Zusammenstoß unvermeidbar gemacht habe. Daß es sich so verhalten habe, entspreche der eigenen Einschätzung der Klägerin, nach deren Vortrag die unter diesen Umständen nahe liegende Gefahr eines Aufpralls sich trotz Einhaltung der Wartezeit im vorliegenden Fall sogar verwirklicht habe. Das Fehlen einer Zeitanzeige sei also für den Unfall der Klägerin selbst dann nicht kausal geworden, wenn die Klägerin aus diesem Grund zu früh mit dem Rutschen begonnen haben sollte.

II.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Prüfung stand. 1. Der erkennende Senat, hat die Voraussetzungen, die unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht an den Betrieb von Wasserrutschen zu stellen sind, bereits in dem Urteil vom 3. Februar 2004 (VI ZR 95/03 - VersR 2004, 657 ff.) im einzelnen dargelegt. Danach ist der Betreiber eines Schwimmbades verpflichtet, die Badegäste vor Gefahren zu schützen, denen diese beim Besuch des Hallenbades und bei der Benutzung der Einrichtungen des Bades ausgesetzt sein können. Unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht für Schwimmbäder müssen die Badegäste vor den Gefahren geschützt werden, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen, von ihnen nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar sind, wobei, wenn das Schwimmbad nicht nur von Erwachsenen besucht wird, für den Umfang der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen auch in Betracht zu ziehen ist, daß insbesondere Kinder und Jugendliche dazu neigen, Vorschriften und Anordnungen nicht zu beachten und sich unbesonnen zu verhalten. Auf die vielfältigen Gefahren, die sich aus dem Betrieb einer Wasserrutsche ergeben können und denen der Sicherungspflichtige nach Möglichkeit entgegenwirken muß, hat der erkennende Senat in dem Urteil vom 3. Februar 2004 hingewiesen. Dort ist auch bereits ausgeführt, daß es keinen Bedenken begegnet, wenn der Tatrichter zur Feststellung von Inhalt und Umfang der den Schwimmbadbetreiber bezüglich einer Wasserrutsche treffenden Verkehrssicherungspflichten die DIN EN 1069 mit heranzieht, wie es das Berufungsgericht hier getan hat. 2. Danach gilt unter den im vorliegenden Einzelfall festgestellten Umständen Folgendes:

a) Das Berufungsgericht stellt fest, es sei nichts dafür ersichtlich, daß hier nach der DIN EN 1069 zusätzliche Sicherungsmaßnahmen erforderlich gewesen seien. Dies wird von der Revision nicht beanstandet. Diese macht auch nicht geltend, es beruhe auf einem Fehler der Rutsche, daß sich das andere Mädchen darin "verkeilt" hatte.
b) Das Berufungsgericht geht weiter davon aus, daß der Unfall nach aller Wahrscheinlichkeit trotz Einhaltung der von der Beklagten vorgegebenen Wartezeit von 30 Sekunden geschehen ist, daß also das Fehlen möglicherweise erforderlicher Benutzerhilfen zur Zeitfeststellung nicht unfallursächlich geworden ist. Auch dem tritt die Revision nicht entgegen. Sie verweist vielmehr ausdrücklich auf den Vortrag der Klägerin, die vorgeschriebene Wartezeit eingehalten und die Rutsche ordnungsgemäß benutzt zu haben. Sie führt weiter aus, daß nach den Umständen nicht festgestellt werden kann, daß sich das andere Kind bei der Benutzung der Rutsche nicht ordnungsgemäß verhalten hat und deshalb hängen geblieben ist. Unter diesen Umständen kann die Revision mit ihren Ausführungen dazu, die Beklagte habe (weitere) Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung eines Fehlgebrauchs der Rutsche treffen müssen, schon deshalb keinen Erfolg haben, weil sich ein solch mögliches Versäumnis im Streitfall nicht ausgewirkt hat.
c) Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß es unter den hier gegebenen Umständen in der Rutsche zu einem Zusammenstoß hintereinander rutschender Benutzer kommen kann. Es meint jedoch, daß die Sicherungsvorgaben der Beklagten gleichwohl ausreichen. Dabei stellt es auf Überlegungen der Finanzierbarkeit und der Benutzerfreundlichkeit, aber auch darauf ab, daß es bei Einhaltung der Regeln in Anbetracht des mäßigen bis geringen Röhrengefälles nach vorausschauender Erwartung allenfalls zu geringen Verletzungen kommen kann.
Jedenfalls im Hinblick auf den zuletzt genannten Gesichtspunkt sind die Ausführungen des Berufungsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aufwand, den der Verkehrssicherungspflichtige zu treiben hat, richtet sich auch nach den möglichen Verletzungsfolgen, die den Benutzern einer Sportoder Freizeitanlage drohen. Daß es bei sportlichen Betätigungen oder sportähnlicher Freizeitbetätigung aus Unachtsamkeit, aufgrund der Verkettung unglücklicher Umstände oder auch wegen der solchen Aktivitäten häufig anhaftenden Gefahren zu Verletzungen kommen kann, ist allgemein bekannt und wird vom Großteil der Bevölkerung akzeptiert, der sich dadurch nicht von derartigen Betätigungen abbringen lässt. Die Auffassung des Berufungsgerichts, eine Sportoder Freizeitanlage, bei deren regelgerechter Benutzung lediglich kleinere Verletzungen drohen, müsse nicht durch kostenträchtige Maßnahmen weiter gesichert werden, begegnet - jedenfalls bei der gegebenen Sachlage - keinen durchgreifenden Bedenken. Daß die lückenlose Überwachung sämtlicher Rutschvorgänge durch Personal oder Einbau und Betrieb technischer Anlagen einen nicht unerheblichen Kostenaufwand erfordert, kann nicht zweifelhaft sein. Drohen von einer Anlage nur seltene und relativ geringe Gefahren, kann das Kostenargument auch bei der gebotenen Berücksichtigung der möglicherweise gefährdeten Rechtsgüter der Benutzer durchaus an Bedeutung gewinnen. Entsprechendes gilt für die Überlegung, den durch die Anlage vermittelten Freizeitspaß nicht durch Überregulierung allzu weit einzuschränken.
d) Die Auffassung der Revision, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei bei der hier in Frage stehenden Rutsche mit schweren Verletzungen zu rechnen, kann sich nicht auf im konkreten Fall festgestellte oder fehlerhaft nicht festgestellte Umstände stützen. Der Hinweis darauf, daß es in anderen - veröffentlichten Urteilen zugrundeliegenden - Fällen der Benutzung von Was-
serrutschen zu erheblichen Verletzungen gekommen ist, reicht nicht aus. Das Berufungsgericht geht ohne revisionsrechtlich beachtlichen Fehler davon aus, daß es auf der Rutsche der Beklagten bisher zu erheblichen Verletzungen nicht gekommen sei und wegen des geringen Gefälles voraussichtlich auch nicht kommen werde. Nicht zu beanstanden ist dabei der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts , daß eine Zahnverletzung, wie sie hier vorgekommen ist und wie sie jederzeit, etwa beim Zusammenprall spielender Kinder, beim Hinfallen oder einem unglücklichen Sprung ins Schwimmbecken vorkommen kann, nicht zu den schweren Verletzungen gehört, denen mit allen Mitteln und ohne Berücksichtigung des finanziellen Aufwandes begegnet werden muß.
e) Aus diesem Grund kann der Revision auch nicht dahin gefolgt werden, die Rutsche habe durch eine Videoanlage oder einen dauernd anwesenden Bademeister ständig überwacht werden müssen. Der erkennende Senat hat auch in dem Urteil vom 3. Februar 2004 (aaO) bereits darauf hingewiesen, daß eine lückenlose Aufsicht in Schwimmbädern nicht üblich und nach ständiger Rechtsprechung auch nicht erforderlich ist. Daran ist festzuhalten.
f) Die Revision macht geltend, der Fall zeige, daß eine Wartezeit von 30 Sekunden nicht ausreiche, wenn der Vorausrutschende in der Bahn steckenbleibt. Sie meint deshalb, ungeachtet aller anderen Überlegungen habe die Wasserrutsche jedenfalls mit einer Ampelanlage ausgestattet werden müssen, die die Rutschbahn erst freigibt, wenn der Vorausrutschende den Gefahrenbereich verlassen hat. Ob eine Wasserrutsche mit einer die Rutschvorgänge steuernden Ampelanlage - wie sie in dem dem Senatsurteil vom 3. Februar 2004 zugrundeliegenden Fall vorhanden war - auszustatten ist, hängt von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der konstruktiven Gestaltung der
Rutsche und den den Benutzern drohenden Gefahren. Eine Ampelanlage oder eine vergleichbare technische Einrichtung für sämtliche Wasserrutschen zu fordern , ginge zu weit. Dabei ist nicht primär auf Kostengesichtspunkte und die Benutzerfreundlichkeit abzustellen. Besteht bei der „normalen“ Benutzung einer Rutsche, etwa wegen des steilen Gefälles oder wegen ihrer sonstigen konstruktiven Gestaltung, die ernsthafte Gefahr erheblicher Verletzungen der Benutzer durch Aufrutschen, so wird eine Regelung des Benutzerverhaltens durch eine technische Einrichtung (oder gleichwertige Überwachungsmaßnahmen ausreichenden Personals) auch beim Anfall erheblicher Kosten unerläßlich sein. Eine ernsthafte Gefahr droht, wenn mit Unfällen im regelmäßigen Betrieb auch außerhalb des Bereichs der schicksalhaften Verkettung unglücklicher Umstände gerechnet werden muß. Davon kann nach den im Streitfall getroffenen Feststellungen nicht ausgegangen werden. Die Rutsche der Beklagten weist danach ein mäßiges und im unteren Bereich, in dem der Unfall geschehen sein soll, ein geringes Gefälle auf, so daß eine regelmäßige ernsthafte Gefahr erheblicher Verletzungen nicht besteht. Zu solchen ist es in der Vergangenheit auch nicht gekommen; nach dem Vortrag der Klägerin kam es lediglich im Jahr 2000 zu einem Unfall zwischen zwei Kindern, der zu leichteren Verletzungen geführt hat. Unter den hier vorliegenden Umständen genügt der Betreiber eines Schwimmbades seiner Pflicht, besondere Sicherungsvorkehrungen gegen die Gefahr des Aufrutschens zu treffen, wenn er - wie hier die Beklagte - den Rutschenden die Rutschhaltung und den zeitlichen Abstand - sowie die Verpflichtung zur sofortigen Räumung des Auslaufbereichs im Becken - mit ausreichender Deutlichkeit vorgibt. Daß im Streitfall die Hinweistafeln - auch im Hinblick auf die Freigabe der Rutsche für Kinder ab sieben Jahren - nicht ausreichend deutlich und verständlich gewesen sein könnten, legt die Revision nicht ausrei-
chend dar und ist auch nicht ersichtlich. Darauf käme es auch nicht an, weil die Klägerin selbst vorgetragen hat, sich den Hinweisen entsprechend verhalten zu haben.

III.

Die Revision ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
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a) Die vom Berufungsgericht als zulassungswürdig angesehene Frage einer Nachrüstungspflicht für bestehende technische Anlagen im Falle einer Verschärfung von Sicherheitsbestimmungen lässt sich nicht generell beantworten , sondern richtet sich ebenfalls danach, ob sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Gefahr ergibt, dass durch die bestehende technische Anlage - ohne Nachrüstung - Rechtsgüter anderer verletzt werden können. Unter den Umständen des Streitfalles begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Pflicht der Beklagten verneint hat, die Schließanlage so "nachzurüsten", dass sie der seit Dezember 2005 für Neubauten geltenden Herstellungsnorm (DIN 18650/1 und -2) genügte.

(1) Wer einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere in Ausführung der Verrichtung einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl der bestellten Person und, sofern er Vorrichtungen oder Gerätschaften zu beschaffen oder die Ausführung der Verrichtung zu leiten hat, bei der Beschaffung oder der Leitung die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beobachtet oder wenn der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt entstanden sein würde.

(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher für den Geschäftsherrn die Besorgung eines der im Absatz 1 Satz 2 bezeichneten Geschäfte durch Vertrag übernimmt.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.