Bundesgerichtshof Urteil, 22. Jan. 2014 - I ZR 71/12

published on 22/01/2014 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 22. Jan. 2014 - I ZR 71/12
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Landgericht Köln, 84 O 274/10, 27/04/2011
Oberlandesgericht Köln, 6 U 113/11, 16/03/2012

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 71/12 Verkündet am:
22. Januar 2014
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
REAL-Chips
Die durch eine Markenanmeldung begründete Erstbegehungsgefahr entfällt
nicht schon dann, wenn gegen die Zurückweisung der Markenanmeldung durch
das Deutsche Patent- und Markenamt keine Beschwerde eingelegt wird.
BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - I ZR 71/12 - OLG Köln
LG Köln
vom 17. Oktober 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr. Dr. h.c. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Büscher, Dr. Kirchhoff
und Dr. Löffler

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 16. März 2012 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Der Beklagten fallen auch die außergerichtlichen Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde zur Last.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin, ein Tochterunternehmen der Metro AG, verwaltet die gewerblichen Schutzrechte des Metro-Konzerns. Zu diesem Konzern gehört auch die real,- SB-Warenhaus GmbH, die mehr als 300 Warenhäuser in Deutschland betreibt. Die Klägerin ist Inhaberin mehrerer deutscher Marken mit dem Bestandteil "real,-". Im vorliegenden Rechtsstreit stützt sie sich in erster Linie auf die unter anderem für Waren der Klassen 29 und 30 eingetragene deutsche Wort-Bild-Marke Nr. 307 64 283 mit den Wortbestandteilen "real,- QUALITY" ("real" in roter Schrift, weitere Wortbestandteile blau), die im Folgenden dargestellt ist:
2
Die Beklagte vertreibt auf den britischen Inseln unter der Bezeichnung "REAL" Kartoffelchips. Sie nahm im Jahr 2010 an der internationalen Süßwarenmesse ISM in Köln teil und präsentierte dort Kartoffelchips in der folgenden Aufmachung:
3
Nachdem ihr dies durch eine von der Klägerin erwirkte einstweilige Verfügung verboten worden war, meldete die Beklagte am 13. April 2010 die deutschen Wortmarken "REAL" und "REAL Crisps" für folgende Waren der Klassen 29 und 30 an: Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kompotte; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette; Kartoffelchips; Kartoffelchips aus echten Kartoffeln; Kartoffelerzeugnisse und Kartoffelpräparate in Form von Snacks oder für deren Herstellung; gepuffte Schweineschwarte als Nahrungsmittel für den menschlichen Verzehr, verarbeitete Erdnüsse und geröstete Erdnüsse; Snacks in Form von echten Kartoffelchips; Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze ; Kühleis; geformte und stranggepresste herzhafte Snacks aus Getreidepräparaten und/oder Kartoffelmehl.
4
Das Deutsche Patent- und Markenamt wies die Anmeldungen am 4. Oktober 2010 zurück, weil die Zeichen nicht unterscheidungskräftig seien. Die Bezeichnung "REAL" werde lediglich beschreibend verstanden. Die Entscheidungen des Deutschen Patent- und Markenamts sind bestandskräftig geworden , nachdem die Beklagte kein Rechtsmittel eingelegt hat.
5
Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt, die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, I. im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland unter der Bezeichnung "REAL" Kartoffelchips anzubieten, zu bewerben und/oder in den Verkehr zu bringen oder zu diesen Zwecken einzuführen, wie oben dargestellt wiedergegeben; II. im geschäftlichen Verkehr in der Bundesrepublik Deutschland die Bezeichnung "REAL" und/oder "REAL Crisps" für die oben genannten Waren der Klassen 29 und 30 zu verwenden und/oder verwenden zu lassen.
6
Das Landgericht hat die Beklagte insoweit antragsgemäß verurteilt. Die Berufung ist im Umfang der Verurteilung nach dem vorstehend wiedergegebenen Klageantrag zu II ohne Erfolg geblieben. Bezogen auf den Antrag zu I ist das Berufungsurteil rechtskräftig. Mit ihrer vom Senat allein hinsichtlich des Antrags zu II zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:


7
I. Das Berufungsgericht hat dem Unterlassungsantrag zu II stattgegeben und dazu ausgeführt:
8
Zwischen der Klagemarke und den Zeichen "REAL" und "REAL Crisps" der Beklagten liege Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vor. Die Klagemarke sei durchschnittlich kennzeichnungskräftig und es bestehe Warenidentität. Zwischen der Klagemarke mit dem prägenden Bestandteil "real" und den angegriffenen Zeichen sei eine hohe Ähnlichkeit anzunehmen.
9
Die Anmeldung der Marken "REAL" und "REAL Crisps" durch die Beklagte begründe eine Erstbegehungsgefahr für eine rechtsverletzende Benutzung dieser Bezeichnungen für die angemeldeten Waren. Diese sei auch nicht entfallen. Zwar seien an die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr weniger hohe Anforderungen zu stellen als an den Fortfall der durch eine Verletzungshandlung begründeten Wiederholungsgefahr. Erforderlich sei aber eine hinreichend deutliche entgegengesetzte Handlung ("actus contrarius"). Der Umstand, dass die Beklagte die Zurückweisung der Markenanmeldung nicht mit Rechtsmitteln angegriffen habe, reiche dafür nicht aus.

10
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
11
1. Die Revision ist zulässig. Das Rechtsmittel ist auch hinsichtlich des Antrags zu II ausreichend begründet worden (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO). Zwar enthält die Revisionsbegründung keine Ausführungen, mit denen sich die Beklagte ausdrücklich gegen die Verurteilung nach diesem Antrag wendet. Die Revision rügt aber auch solche rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts als unzutreffend, die im Zusammenhang mit der Begründung des Klageantrags zu II stehen.
12
2. Die Revision ist aber nicht begründet. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Klägerin von der Beklagten verlangen kann, die Verwendung der Bezeichnungen "REAL" und/oder "REAL Crisps" für die näher bezeichneten Waren der Klassen 29 und 30 zu unterlassen.
13
a) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht angenommen, dass zwischen der Klagemarke und den angegriffenen Zeichen in Bezug auf die aus dem Antrag ersichtlichen Waren Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht.
14
aa) Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt. Bei dieser umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind (EuGH, Urteil vom 12. Juni 2007 - C-334/05, Slg. 2007, I-4529 = GRUR 2007, 700 Rn. 35 - Limoncello/LIMONCHELO; BGH, Urteil vom 3. April 2008 - I ZR 49/05, GRUR 2008, 1002 Rn. 23 = WRP 2008, 1434 - Schuhpark). Von diesen Grundsätzen ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.
15
bb) Das Berufungsgericht hat Warenidentität angenommen. Das wird von der Revision nicht angegriffen und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
16
cc) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Klagemarke komme durchschnittliche Kennzeichnungskraft zu, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.
17
(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Marke der Klägerin fehle nicht jede Unterscheidungskraft. Sie sei von Haus aus zwar nur schwach kennzeichnungskräftig , weil der Wortbestandteil "real" im Sinne von "wirklich" oder "echt" und damit auch als Beschreibung der Warenqualität oder des PreisLeistungs -Verhältnisses verstanden werden könne. Vor dem Hintergrund einer Verkehrsbefragung zum Unternehmenskennzeichen der Klägerin und dessen erheblicher Bekanntheit für große Verbrauchermärkte sei die Kennzeichnungskraft der Klagemarke aber als wenigstens durchschnittlich anzusehen. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.
18
(2) Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterschei- dungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH, Urteil vom 9. September 2010 - C-265/09, Slg. 2010, I-8265 = GRUR 2010, 1096 Rn. 31 - BORCO/HABM [Buchst. α]; BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 - I ZR 50/11, GRUR 2012, 930 Rn. 27 = WRP 2012, 1234 - Bogner B/Barbie B). Marken, die über einen für die jeweiligen Waren oder Dienstleistungen erkennbar beschreibenden Anklang verfügen, haben regelmäßig nur geringe originäre Kennzeichnungskraft (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 2012 - I ZR 100/10, GRUR 2012, 1040 Rn. 29 = WRP 2012, 1241 - pjur/pure).
19
Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen und hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Klagemarke im Hinblick auf die Anlehnung an einen beschreibenden Begriff für den in Rede stehenden Warenbereich originär nur schwach kennzeichnungskräftig ist, ihr aber nicht jegliche Kennzeichnungskraft von Haus aus fehlt.
20
Ohne Erfolg macht die Revision insoweit geltend, die Beklagte habe unter Hinweis auf die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom 4. Oktober 2010, wonach den angemeldeten Zeichen "REAL" und "REAL Crisps" jede Unterscheidungskraft fehle, dargelegt, dass auch die Klagemarke originär nicht unterscheidungskräftig sei. Die Feststellung, ob die angesprochenen Verkehrskreise das Markenwort "real" als glatt beschreibend auffassen und die Marke daher nur aufgrund ihrer weiteren Bestandteile originär kennzeichnungskräftig sein kann, obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2003 - I ZR 79/01, GRUR 2004, 514, 515 = WRP 2004, 758 - Telekom). In der Revisionsinstanz ist nur zu prüfen, ob der Tatrichter einen zutreffenden Rechtsbegriff zugrunde gelegt, nicht gegen Erfahrungssätze und Denkgesetze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat. Rechtsfehler des Berufungsgerichts zeigt die Revision in diesem Zusammenhang nicht auf. Vielmehr begibt sie sich mit ihrer gegenteiligen Beurteilung auf das ihr grundsätzlich verschlossene Gebiet tatrichterlicher Würdigung.
21
(3) Die Revision rügt, das Berufungsgericht sei zu Unrecht von einer Steigerung der Kennzeichnungskraft der Klagemarke im fraglichen Warenbereich aufgrund der Bekanntheit des Unternehmenskennzeichens der Klägerin ausgegangen. Das Berufungsgericht habe die Bekanntheit des Unternehmenskennzeichens der Klägerin ohne Bezug zu den konkreten Waren, für die die Klagemarke geschützt sei, berücksichtigt. Mit diesem Vorbringen dringt die Revision nicht durch.
22
Die Kennzeichnungskraft der Klagemarke ist zwar bezogen auf die konkreten Produkte zu bestimmen (vgl. BGH, Urteil vom 5. Februar 2009 - I ZR 167/06, GRUR 2009, 484 Rn. 83 = WRP 2009, 616 - METROBUS, mwN). Dies schließt es aber nicht aus, dass infolge der Bekanntheit des Unternehmenskennzeichens auch die Klagemarke "real,-" für die fraglichen Waren nicht lediglich über eine schwache Kennzeichnungskraft verfügt. Hierfür spricht, dass das Publikum in der Erinnerung nicht nach der rechtlichen Art der Kennzeichen differenziert und daran gewöhnt ist, dass große Handelsketten ihr Unternehmenskennzeichen regelmäßig auch zur Kennzeichnung von ihnen angebotener Waren verwenden (vgl. BGH, GRUR 2009, 484 Rn. 29 - METROBUS).
23
Von diesen Maßstäben ist das Berufungsgericht ausgegangen und hat entgegen der Auffassung der Revision die Kennzeichnungskraft der Klagemarke nicht allgemein aus der Bekanntheit des Unternehmenskennzeichens gefolgert. Es hat vielmehr aufgrund der Bekanntheit des Unternehmenskennzeichens im Lebensmittelbereich die Kennzeichnungskraft der Klagemarke für die konkret geschützten Waren bestimmt.

24
dd) Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass zwischen der Klagemarke und den angegriffenen Zeichen "REAL" und "REAL Crisps" eine hohe Ähnlichkeit besteht. Die Kollisionszeichen, die jeweils durch den Wortbestandteil "real" in Groß- und Kleinschreibung geprägt würden, seien klanglich identisch.
25
(1) Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 2011 - I ZR 31/09, GRUR 2011, 824 Rn. 25 f. = WRP 2011, 1157 - Kappa, mwN).
26
(2) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klagemarke durch den Wortbestandteil "real" geprägt wird. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung nicht außer Acht gelassen, dass im Fall von Marken oder Markenbestandteilen, die an einen die Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Begriff angelehnt sind und nur dadurch Unterscheidungskraft erlangen und als Marke eingetragen werden konnten, weil sie von diesem Begriff (geringfügig) abweichen, der Schutzumfang der eingetragenen Marke eng zu bemessen ist, und zwar nach Maßgabe der Eigenprägung und der Unterscheidungskraft, die dem Zeichen die Eintragungsfähigkeit verleiht (vgl. BGH, GRUR 2012, 1040 Rn. 39 - pjur/pure). Die Klagemarke erlangt Unterscheidungskraft für die in Rede stehenden Waren nicht ausschließlich durch eine Abweichung von einem nicht unterscheidungskräftigen Markenwort.

27
(3) Zwischen dem die Klagemarke prägenden Markenwort "real" und den unterscheidungskräftigen Bestandteilen der angegriffenen Zeichen, die das Berufungsgericht ebenfalls in dem jeweiligen Wortbestandteil "REAL" gesehen hat, besteht klangliche Identität und damit bezogen auf die zum Teil aus mehreren Wörtern zusammengesetzten Kollisionszeichen (Klagemarke "real,- QUALITY" und "REAL Crisps") zumindest hochgradige klangliche Ähnlichkeit.
28
ee) Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellten durchschnittlichen Kennzeichnungskraft, hohen Zeichenähnlichkeit und Warenidentität ist auch seine Annahme nicht zu beanstanden, es liege Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vor.
29
b) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts , für die Nutzung der Wortmarken "REAL" und "REAL Crisps" bestehe eine Erstbegehungsgefahr.
30
aa) Aufgrund der Anmeldung eines Zeichens als Marke ist im Regelfall zu vermuten, dass eine Benutzung des Zeichens für die eingetragenen Waren oder Dienstleistungen in naher Zukunft bevorsteht, wenn keine konkreten Umstände vorliegen, die gegen eine solche Benutzungsabsicht sprechen (BGH, Urteil vom 13. März 2008 - I ZR 151/05, GRUR 2008, 912 Rn. 30 = WRP 2008, 1353 - Metrosex; Urteil vom 14. Januar 2010 - I ZR 92/08, GRUR 2010, 838 Rn. 24 = WRP 2010, 1043 - DDR-Logo).
31
In diesem Zusammenhang kommt es nicht auf die Motivation der Beklagten bei der Markenanmeldung an. Deshalb ist es unerheblich, ob es der Beklagten mit der Anmeldung der Marken allein darum ging, von den Registerinstanzen eine Bestätigung für eine fehlende Unterscheidungskraft der angemeldeten Zeichen zu erhalten. Dies sagt nichts darüber aus, ob die Beklagte nach Zurückweisung der Markenanmeldung die Zeichen im Inland benutzen wird.
32
bb) Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, dass das Berufungsgericht einen Fortfall der von den Markenanmeldungen ausgehenden Erstbegehungsgefahr verneint hat.
33
(1) Ein aufgrund einer Markenanmeldung oder -eintragung begründeter vorbeugender Unterlassungsanspruch erlischt, wenn die Begehungsgefahr wegfällt. Dabei sind an die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr grundsätzlich weniger strenge Anforderungen zu stellen als an den Fortfall der durch eine Verletzungshandlung begründeten Gefahr der Wiederholung des Verhaltens in der Zukunft (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1991 - I ZR 31/90, GRUR 1992, 116, 117 = WRP 1991, 719 - Topfgucker-Scheck; Urteil vom 31. Mai 2001 - I ZR 106/99, GRUR 2001, 1174, 1176 = WRP 2001, 1076 - Berühmungsaufgabe ; GRUR 2010, 838 Rn. 27 - DDR-Logo). Anders als für die durch eine Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr besteht für den Fortbestand der Erstbegehungsgefahr keine Vermutung (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1989 - I ZR 18/87, GRUR 1989, 432, 434 = WRP 1989, 496 - Kachelofenbauer I). Für die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr genügt daher grundsätzlich ein "actus contrarius", also ein der Begründungshandlung entgegengesetztes Verhalten (BGH, GRUR 2008, 912 Rn. 30 - Metrosex; vgl. dazu Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 8 Rn. 1.26 ff.).
34
(2) Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Erstbegehungsgefahr nach diesen Grundsätzen nicht entfallen ist. Bei der bloßen Nichteinlegung von Rechtsmitteln fehlt es an einem für den Fortfall der Erstbegehungsgefahr ausreichenden entgegengesetzten Verhalten.
35
Der Senat hat zwar entschieden, dass die Rücknahme der Markenanmeldung oder ein Verzicht auf die Eintragung der Marke regelmäßig zum Fortfall der Erstbegehungsgefahr führt (BGH, GRUR 2008, 912 Rn. 30 - Metrosex; Urteil vom 4. Dezember 2008 - I ZR 94/06, GRUR-RR 2009, 299 Rn. 12). Diese Fälle sind aber mit dem Streitfall nicht vergleichbar, weil jeweils eine bewusste, auf die Erzielung einer bestimmten Rechtswirkung gerichtete Handlung des Anmelders nach außen vorliegt, die der Annahme entgegensteht, er werde die angemeldeten Zeichen nutzen.
36
Der Annahme einer fortbestehenden Erstbegehungsgefahr bei bloßer Nichteinlegung eines Rechtsmittels steht auch nicht entgegen, dass die Erstbegehungsgefahr auch dann entfällt, wenn die Anmeldung aufgrund einer unterbliebenen Zahlung der Anmeldegebühren gemäß § 64a MarkenG, § 6 Abs. 2 PatKostG kraft Gesetzes als zurückgenommen gilt (vgl. BGH, GRUR 2010, 838 Rn. 29 f. - DDR-Logo). In diesem Fall wird eine bewusste Handlung und damit auch die entsprechende Rechtswirkung vom Gesetz fingiert. Eine solche Fiktion gibt es bei der Nichteinlegung eines Rechtsmittels nicht.
37
Ein der Anmeldung entgegengesetztes Verhalten kann in einem schlichten Untätigbleiben - wie es in der unterbliebenen Einlegung eines Rechtsmittels liegt - nicht gesehen werden.
38
III. Die Kostenentscheidung beruht § 97 Abs. 1 ZPO.
Vorsitzender Richter am BGH Pokrant Büscher Prof. Dr. Dr. h.c. Bornkamm ist wegen Erkrankung verhindert zu unterschreiben. Pokrant
Kirchhoff Löffler
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 27.04.2011 - 84 O 274/10 -
OLG Köln, Entscheidung vom 16.03.2012 - 6 U 113/11 -
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published on 14/01/2010 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 92/08 Verkündet am: 14. Januar 2010 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES TEILURTEIL I ZR 101/15 Verkündet am: 3. November 2016 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BG
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 112/17 Verkündet am: 20. Dezember 2018 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Crailsh
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Annotations

(1) Der Erwerb des Markenschutzes nach § 4 gewährt dem Inhaber der Marke ein ausschließliches Recht.

(2) Dritten ist es untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen

1.
ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt,
2.
ein Zeichen zu benutzen, wenn das Zeichen mit einer Marke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, die von der Marke erfasst werden, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird, oder
3.
ein mit der Marke identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn es sich bei der Marke um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
Waren und Dienstleistungen werden nicht schon deswegen als ähnlich angesehen, weil sie in derselben Klasse gemäß dem in der Nizza-Klassifikation festgelegten Klassifikationssystem erscheinen. Waren und Dienstleistungen werden nicht schon deswegen als unähnlich angesehen, weil sie in verschiedenen Klassen der Nizza-Klassifikation erscheinen.

(3) Sind die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt, so ist es insbesondere untersagt,

1.
das Zeichen auf Waren oder ihrer Aufmachung oder Verpackung anzubringen,
2.
unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen,
3.
unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen,
4.
unter dem Zeichen Waren einzuführen oder auszuführen,
5.
das Zeichen als Handelsnamen oder geschäftliche Bezeichnung oder als Teil eines Handelsnamens oder einer geschäftlichen Bezeichnung zu benutzen,
6.
das Zeichen in Geschäftspapieren oder in der Werbung zu benutzen,
7.
das Zeichen in der vergleichenden Werbung in einer der Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 21) zuwiderlaufenden Weise zu benutzen.

(4) Dritten ist es ferner untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr

1.
ein mit der Marke identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen auf Aufmachungen oder Verpackungen oder auf Kennzeichnungsmitteln wie Etiketten, Anhängern, Aufnähern oder dergleichen anzubringen,
2.
Aufmachungen, Verpackungen oder Kennzeichnungsmittel, die mit einem mit der Marke identischen Zeichen oder einem ähnlichen Zeichen versehen sind, anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder
3.
Aufmachungen, Verpackungen oder Kennzeichnungsmittel, die mit einem mit der Marke identischen Zeichen oder einem ähnlichen Zeichen versehen sind, einzuführen oder auszuführen,
wenn die Gefahr besteht, daß die Aufmachungen oder Verpackungen zur Aufmachung oder Verpackung oder die Kennzeichnungsmittel zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen benutzt werden, hinsichtlich deren Dritten die Benutzung des Zeichens nach den Absätzen 2 und 3 untersagt wäre.

(5) Wer ein Zeichen entgegen den Absätzen 2 bis 4 benutzt, kann von dem Inhaber der Marke bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

(6) Wer die Verletzungshandlung vorsätzlich oder fahrlässig begeht, ist dem Inhaber der Marke zum Ersatz des durch die Verletzungshandlung entstandenen Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung der Marke eingeholt hätte.

(7) Wird die Verletzungshandlung in einem geschäftlichen Betrieb von einem Angestellten oder Beauftragten begangen, so kann der Unterlassungsanspruch und, soweit der Angestellte oder Beauftragte vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, der Schadensersatzanspruch auch gegen den Inhaber des Betriebs geltend gemacht werden.

Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt gilt für die Kosten das Patentkostengesetz.

(1) Ist für die Stellung eines Antrags oder die Vornahme einer sonstigen Handlung durch Gesetz eine Frist bestimmt, so ist innerhalb dieser Frist auch die Gebühr zu zahlen. Alle übrigen Gebühren sind innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit (§ 3 Abs. 1) zu zahlen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

(2) Wird eine Gebühr nach Absatz 1 nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gezahlt, so gilt die Anmeldung oder der Antrag als zurückgenommen, oder die Handlung als nicht vorgenommen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

(3) Absatz 2 ist auf Weiterleitungsgebühren (Nummern 335 100, 344 100 und 345 100) nicht anwendbar.

(4) Zahlt der Erinnerungsführer die Gebühr für das Erinnerungsverfahren nicht, nicht rechtzeitig oder nicht vollständig, so gilt auch die von ihm nach § 64 Abs. 6 Satz 2 des Markengesetzes eingelegte Beschwerde als zurückgenommen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)