Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juni 2009 - I ZR 224/06

published on 18/06/2009 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juni 2009 - I ZR 224/06
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Previous court decisions
Landgericht Köln, 81 O 186/06, 01/12/2006

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate
There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 224/06 Verkündet am:
18. Juni 2009
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Solange der Vorrat reicht
UWG (2008) § 4 Nr. 4, § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1

a) Der Begriff der Bedingung in § 4 Nr. 4 UWG umfasst alle aus der Sicht des
Verbrauchers nicht ohne weiteres zu erwartenden Umstände, die die Möglichkeit
einschränken, in den Genuss der Vergünstigung zu gelangen.

b) Wird damit geworben, dass bei Erwerb einer Hauptware eine Zugabe gewährt
wird, genügt regelmäßig der auf die Zugabe bezogene Hinweis „solange
der Vorrat reicht“, um den Verbraucher darüber zu informieren, dass
die Zugabe nicht im selben Umfang vorrätig ist wie die Hauptware. Der
Hinweis kann jedoch im Einzelfall irreführend sein, wenn die bereitgehaltene
Menge an Zugaben in keinem angemessenen Verhältnis zur erwarteten
Nachfrage steht.
BGH, Urteil vom 18. Juni 2009 - I ZR 224/06 - LG Köln
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Juni 2009 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Prof. Dr. Büscher, Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln vom 1. Dezember 2006 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Kläger, der Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe Köln, beanstandet die im Klageantrag wiedergegebene Werbung der Beklagten für Parfümerieartikel, die am 29. Juni 2006 im Kölner Stadtanzeiger erschien.
2
Nach erfolgloser Abmahnung hat der Kläger beantragt, 1. es der Beklagten zu verbieten, wie nachstehend wiedergegeben mit der Ankündigung Beim Kauf von Produkten der abgebildeten Marken, ab einem Wert von 45,00 €, erhalten Sie eine exklusive Strandtasche als Geschenk. * und dem Zusatz * solange der Vorrat reicht zu werben, wenn weitere Erläuterungen zu dem Hinweis „solange der Vorrat reicht“ nicht erfolgen: 2. an den Kläger 176,56 € nebst 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
3
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Sprungrevision.

Entscheidungsgründe:


4
I. Das Landgericht hat einen Verstoß der beanstandeten Werbung gegen das Transparenzgebot des § 4 Nr. 4 UWG verneint. Hierzu hat es ausgeführt:
5
§ 4 Nr. 4 UWG verlange nicht die Angabe der Vorratsmenge. Es liege nahe, unter „Bedingungen für die Inanspruchnahme“ allein solche Umstände zu verstehen, die der Verbraucher selbst gestalten müsse, um in den Genuss der ausgelobten Vorteile zu kommen. Aber auch wenn man mit dem Oberlandesgericht Köln (GRUR-RR 2006, 57, 58) unter „Bedingungen für die Inanspruchnahme“ zukünftige Ereignisse jedweder Art verstehe, könne von der Beklagten eine nähere Angabe zur Angebotsmenge nicht verlangt werden, da sie sinnlos wäre. Denn eine Angabe der Stückzahl helfe dem Verbraucher nicht bei seiner Entscheidung, ob es sich lohne, etwa am Abend des ersten Tages der Werbeaktion das Ladenlokal aufzusuchen oder nicht.
6
II. Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Vorschrift des § 4 Nr. 4 UWG zu Recht nicht auf den Streitfall angewendet.
7
1. Der Unterlassungsantrag ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu unbestimmt. Es ist nicht erforderlich, den Zusatz „Solange der Vorrat reicht“ näher zu erläutern.
8
Die Klage wendet sich nur gegen den Zusatz „Solange der Vorrat reicht“ ohne jegliche weitere Erläuterungen. Der Gegenstand der Klage ist damit kon- kret bestimmt. Es ist allein Sache der Beklagten, im Falle ihrer Verurteilung ausreichende Erläuterungen zu finden.
9
2. Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sind die Bestimmungen des am 30. Dezember 2008 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2949) anzuwenden, mit dem die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken umgesetzt worden ist. Der im Streitfall auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch besteht allerdings nur, wenn die beanstandete Verhaltensweise auch schon zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig war (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2005 - I ZR 96/02, GRUR 2005, 442 = WRP 2005, 474 - Direkt ab Werk; Urt. v. 28.6.2007 - I ZR 153/04, GRUR 2008, 186 Tz. 17 = WRP 2008, 220 - Telefonaktion). Demgegenüber ist für den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten allein die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung maßgeblich (vgl. BGH, Urt. v. 19.4.2007 - I ZR 57/05, GRUR 2007, 981 Tz. 15 = WRP 2007, 1337 - 150% Zinsbonus). Die im vorliegenden Fall maßgebliche Vorschrift des § 4 Nr. 4 UWG hat durch die Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken keine Änderung erfahren. Es ist deshalb nicht erforderlich, zwischen der vor und nach dem 30. Dezember 2008 geltenden Rechtslage zu unterscheiden.
10
3. Die in § 4 Nr. 4 UWG vorgesehene Pflicht, über die Bedingungen der Inanspruchnahme von Verkaufsförderungsmaßnahmen zu informieren, steht mit der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken in Einklang (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.2009 – I ZR 194/06, GRUR 2009, 1064 Tz. 14 ff. = WRP 2009, 1229 – Geld-zurück-Garantie II).
11
4. Die beanstandete Werbung der Beklagten ist zwar eine Verkaufsförderungsmaßnahme i.S. des § 4 Nr. 4 UWG in Form einer Zugabe. Die Beklagte ist jedoch nicht verpflichtet, über die Angabe „solange der Vorrat reicht“ hinaus weitere Erläuterungen zu den beworbenen Zugaben zu geben.
12
a) Allerdings handelt es sich bei einer mengenmäßigen Beschränkung verfügbarer Zugaben nicht anders als bei der Befristung einer Werbeaktion um eine Bedingung für die Inanspruchnahme der Verkaufsförderungsmaßnahme (OLG Köln GRUR-RR 2006, 57, 58; Bruhn in Harte/Henning, UWG, 2. Aufl., § 4 Nr. 4 Rdn. 56; a.A. Steingass/Teworte, WRP 2005, 676, 684 f.).
13
Die in § 4 Nr. 4 UWG verwendete Formulierung geht auf Art. 6 lit. c der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr zurück. Im Interesse des mit dieser Bestimmung bezweckten Verbraucherschutzes ist der Begriff der Bedingung weit auszulegen (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm , UWG, 27. Aufl., § 4 Rdn. 4.9). Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind damit nicht nur Umstände gemeint, die in der Person des Verbrauchers liegen oder die der Verbraucher durch sein Verhalten beeinflussen kann. Der Begriff erfasst vielmehr alle aus der Sicht des Verbrauchers nicht ohne weiteres zu erwartenden Umstände, die die Möglichkeit einschränken, in den Genuss der Vergünstigung zu gelangen. Dies können auch mengenmäßige Beschränkungen einer in Aussicht gestellten Zugabe sein. Unbegründet ist demgegenüber die vom Landgericht geäußerte Befürchtung, dass bei einem objektiven Verständnis des Begriffs der Bedingung über eine Fülle von Umständen – wie etwa die Öffnungszeiten des fraglichen Geschäftslokals – informiert werden müsste, von denen die Gewährung der Vergünstigung ebenfalls abhängig sei. Dass eine in Aussicht gestellte Zugabe nur während der Öffnungszeiten des Geschäftslokals gewährt wird, stellt eine Einschränkung dar, die der Verbraucher ohne weiteres erwartet.
14
b) Der auf die Zugabe bezogene Hinweis „solange der Vorrat reicht“ genügt , um den Verbraucher darüber zu informieren, dass bei Erwerb der Hauptware mit der Vergünstigung nicht sicher gerechnet werden kann.
15
Wird mit einer Zugabe geworben, erwartet der Verbraucher, beim Erwerb der Hauptware die Zugabe zu erhalten. Für seine Entscheidung, sich näher mit dem beworbenen Angebot zu befassen, muss er wissen, ob diese Erwartung uneingeschränkt zutrifft oder ob die Zugabe nur in geringerer Menge als die Hauptware vorhanden ist. In letzterem Falle ist der auf die Zugabe bezogene Hinweis „solange der Vorrat reicht“ notwendig, aber auch ausreichend. Weitere Angaben darüber, in welchem Umfang die als Zugabe zu gewährende Ware vorhanden ist, sind im Interesse der Transparenz nicht geboten. Durch den auf die Zugabe bezogenen Hinweis „solange der Vorrat reicht“ erfährt der Verbraucher , dass die Zugabe nicht unbegrenzt und auch nicht im selben Umfang wie die beworbene Hauptware verfügbar ist. Er weiß in diesem Fall, dass keine Gewähr besteht, beim Erwerb der Hauptware auch in den Genuss der Zugabe zu kommen, und erkennt, dass sich seine Chancen durch einen raschen Kaufentschluss erhöhen. Weitere Informationen, etwa über die Anzahl der vom Unternehmen am Erscheinungstag der Werbung vor Geschäftsöffnung bereitgehaltenen Zugaben, könnten dem Verbraucher ohnehin keinen Aufschluss darüber geben, ob er zu einem bestimmten Zeitpunkt, zu dem er das fragliche Geschäftslokal aufsuchen möchte, noch in den Genuss der Zugabe kommen kann.
16
c) Dies ändert nichts daran, dass der Hinweis „solange der Vorrat reicht“ im Einzelfall irreführend sein kann, wenn die bereitgehaltene Menge an Zugaben in keinem angemessenen Verhältnis zur erwarteten Nachfrage steht, so dass der Verbraucher auch innerhalb einer zumutbaren kurzen Reaktionszeit nach üblicher Kenntnisnahme von der Werbung von vornherein keine realistische Chance hat, in den Genuss der Zugabe zu gelangen. Eine solche Irrefüh- rung hat der Kläger indessen nicht behauptet. Sie ist auch nicht Gegenstand seines Antrags.
17
5. Da dem Kläger kein Unterlassungsanspruch zusteht, kann ihm auch keine Abmahnpauschale zugesprochen werden.
18
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Büscher Schaffert
Kirchhoff Koch
Vorinstanz:
LG Köln, Entscheidung vom 01.12.2006 - 81 O 186/06 -
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

3 Referenzen - Gesetze

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Unlauter handelt, wer 1. die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;2. über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerb
7 Referenzen - Urteile

moreResultsText

{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 19/04/2007 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 57/05 Verkündet am: 19. April 2007 Walz Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ : nein BGHR
published on 11/03/2009 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 194/06 Verkündet am: Führinger 11. März 2009 Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
published on 28/06/2007 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 153/04 Verkündet am: 28. Juni 2007 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
published on 20/01/2005 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 96/02 Verkündet am: 20. Januar 2005 Führinger Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.
published on 17/03/2011 00:00

Berichtigte Fassung Die nachstehende berichtigte Fassung beruht auf dem Berichtigungsbeschluss vom 6. Oktober 2011, durch den die Abschnitte II 4 und 5 (Rn. 18 bis 23 in der berichtigten Fassung) nach § 319 Abs. 1 ZPO ersetzt worden sind. In der den
published on 31/03/2010 00:00

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL I ZR 75/08 Verkündet am: 31. März 2010 Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:
published on 02/12/2015 00:00

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 18. Februar 2015 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung..
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

Unlauter handelt, wer

1.
die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;
2.
über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;
3.
Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er
a)
eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,
b)
die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder
c)
die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;
4.
Mitbewerber gezielt behindert.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)