Bundesgerichtshof Urteil, 30. Okt. 2008 - I ZR 12/06

bei uns veröffentlicht am30.10.2008
vorgehend
Landgericht Düsseldorf, 35 O 181/00, 08.03.2005
Oberlandesgericht Düsseldorf, 18 U 71/05, 19.12.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 12/06 Verkündet am:
30. Oktober 2008
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja

a) Die Vorschrift des § 437 HGB greift grundsätzlich nur dann ein, wenn auf den
Hauptfrachtvertrag deutsches Recht zur Anwendung kommt, da sich die Ersatzpflicht
des ausführenden Frachtführers am Verhältnis zwischen dem Absender
und dem vertraglichen (Haupt-)Frachtführer und nicht an den vertraglichen
Beziehungen des Letzteren zum ausführenden Frachtführer orientiert.

b) Dem Empfänger des Transportgutes können bei Verlust oder Beschädigung
des Gutes gegen den (ausführenden) Unterfrachtführer aus dem mit dem
Hauptfrachtführer geschlossenen Unterfrachtvertrag eigene Schadensersatzansprüche
zustehen (Aufgabe von BGHZ 116, 15 [zu Art. 34 CMR] und
Fortführung von BGHZ 172, 330).
BGH, Urt. v. 30. Oktober 2008 - I ZR 12/06 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. Oktober 2008 durch die Richter Dr. Bergmann, Pokrant, Prof.
Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 18. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Dezember 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Klägerin ist Transportversicherer der P. AG in W. - H. (im Weiteren: Versicherungsnehmerin). Sie nimmt die Beklagten wegen Verlustes von Transportgut aus abgetretenem und übergegangenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch. Die Beklagten sind Gesellschaften eines interna- tionalen Paketbeförderungsunternehmens; die Beklagte zu 1 hat ihren Sitz in Taiwan, die Beklagte zu 2 in Deutschland.
2
Die Versicherungsnehmerin bestellte am 26. November 1999 bei der J & A Inc. in T. (im Weiteren: J & A Inc.) 1.914 Speicherchips zum Preis von 70 US-Dollar je Stück. Die J & A Inc. übergab der Beklagten zu 1 noch am selben Tag die in zwei Paketen verpackte Ware und beauftragte sie mit deren Beförderung zur Versicherungsnehmerin. Ausweislich des von der Beklagten zu 1 ausgestellten Frachtbriefs waren in dem ersten Paket 1.000 und in dem zweiten Paket 914 "computer-parts" enthalten. Die Beklagte zu 1 beförderte beide Pakete per Luftfracht zum Flughafen Köln/Bonn. Dort übernahm die Beklagte zu 2 beide Pakete am 28. November 1999 zum Weitertransport zur Versicherungsnehmerin. Das Paket mit 1.000 Speicherchips kam bei der Versicherungsnehmerin an, das zweite Paket ging während des Landtransports zur Versicherungsnehmerin verloren.
3
Die Klägerin hat behauptet, in dem abhanden gekommenen Paket hätten sich die restlichen 914 der von der Versicherungsnehmerin bestellten Speicherchips befunden. Sie habe an die Versicherungsnehmerin für den Verlust im Februar 2000 einen Betrag von 126.776,14 DM (= 64.819,61 €) gezahlt. Die J & A Inc. habe die ihr aus dem Transportschaden zustehenden Ansprüche an die Versicherungsnehmerin abgetreten, die diese Ansprüche wiederum an sie, die Klägerin, abgetreten habe. Die Ansprüche der Versicherungsnehmerin als Empfängerin seien gemäß § 67 Abs. 1 VVG a.F. auf sie übergegangen.
4
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 64.820,63 € nebst Zinsen zu zahlen.
5
Die Beklagten haben geltend gemacht, die gegen sie gerichteten Ansprüche beurteilten sich nach taiwanesischem Recht. Gemäß § 639 des taiwanesischen Zivilgesetzbuchs sei eine Haftung der Beklagten zu 1 ausgeschlossen , weil nach dieser Vorschrift der Frachtführer bei Verlust von Wertgegenständen - um solche handele es sich bei den Speicherchips - nicht hafte, wenn der Versender den Wert der Warensendung - wie im vorliegenden Fall - nicht deklariert habe. Auf diesen Haftungsausschluss könne sich auch die Beklagte zu 2 berufen.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage mit Ausnahme eines geringfügigen Teils der beanspruchten Zinsen stattgegeben.
7
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:


8
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte zu 1 schulde der Klägerin wegen des Verlusts des Pakets gemäß § 425 Abs. 1 HGB Schadensersatz in der beanspruchten Höhe. Die Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 2 ergebe sich aus § 437 Abs. 1 HGB. Dazu hat das Berufungsgericht ausgeführt :
9
Auf den Streitfall komme deutsches Recht zur Anwendung. Der zwischen der J & A Inc. und der Beklagten zu 1 abgeschlossene Hauptfrachtvertrag un- terliege zwar an sich dem taiwanesischen Recht. Die Parteien hätten jedoch zu Beginn des Rechtsstreits nachträglich gemäß Art. 27 EGBGB die Geltung deutschen Rechts vereinbart. Der zwischen den Beklagten geschlossene Unterfrachtvertrag beurteile sich nach deutschem Recht.
10
Die anspruchsbegründenden Voraussetzungen der §§ 425, 437 HGB seien erfüllt. Die Beklagten könnten sich nicht auf gesetzliche oder in ihren Beförderungsbedingungen vereinbarte Haftungsbeschränkungen berufen, weil die Beklagte zu 2, für deren vertragswidriges Verhalten die Beklagte zu 1 einstehen müsse, den Verlust des Pakets leichtfertig i.S. von § 435 HGB verursacht habe. Für die Höhe des behaupteten Schadens streite aufgrund der Gesamtumstände des Falles ein Anscheinsbeweis.
11
Ein Mitverschulden der J & A Inc. wegen Unterlassens eines Hinweises auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens komme nicht in Betracht. Es müsse davon ausgegangen werden, dass in den der Beklagten zu 1 von der J & A Inc. übergebenen Versanddokumenten der Kaufpreis der Warensendung ausgewiesen gewesen sei, weil die Beklagten diese Information für die Verzollung des Gutes benötigten. Dadurch habe der Frachtführer in ausreichendem Maße Kenntnis über den tatsächlichen Wert der Warensendung erlangt.
12
II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
13
1. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch unter der Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (BGHZ 173, 57 Tz. 21 - Cambridge Institute), folgt aus § 39 ZPO, weil die Beklagte zu 1 in erster Instanz zur Sache verhandelt hat, ohne die fehlende in- ternationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte zu rügen (vgl. BGHZ 120, 334, 337; 134, 127, 132 ff.).
14
2. Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Annahme des Berufungsgerichts , auf den zwischen der J & A Inc. und der Beklagten zu 1 geschlossenen Hauptfrachtvertrag komme deutsches Landfrachtrecht zur Anwendung.
15
a) Das Berufungsgericht hat vom Ansatz her allerdings zutreffend angenommen , dass der Hauptfrachtvertrag grundsätzlich dem taiwanesischen Recht unterliegt. Da die J & A Inc. und die Beklagte zu 1 bei Abschluss des Hauptfrachtvertrags keine Rechtswahl getroffen haben, unterliegt der Vertrag nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 EGBGB dem Recht des Staates, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist. Gemäß Art. 28 Abs. 4 Satz 1 EGBGB wird bei Güterbeförderungsverträgen vermutet, dass sie mit dem Staat die engsten Verbindungen aufweisen, in dem der Beförderer im Zeitpunkt des Vertragsschlusses seine Hauptniederlassung hat, sofern sich in diesem Staat auch der Verladeort befindet. Die Beklagte zu 1 hat ihren Hauptsitz in T. /Taiwan. Dort wurde das Gut auch zum Transport nach Deutschland verladen. Aus den Gesamtumständen ist nichts dafür ersichtlich, dass der Vertrag mit einem anderen Staat als Taiwan engere Verbindungen aufweist (Art. 28 Abs. 5 EGBGB).
16
b) Das Berufungsgericht hat den Hauptfrachtvertrag dennoch dem deutschen Sachrecht unterworfen, weil die Parteien des Rechtsstreits nachträglich, nämlich zu Beginn des Rechtsstreits, gemäß Art. 27 Abs. 2 Satz 1 EGBGB eine Rechtswahl dahingehend getroffen hätten, dass der Rechtsstreit nach deutschem Frachtrecht entschieden werden solle. Es hat seine Beurteilung darauf gestützt, dass die Klägerin die von ihr geltend gemachten Ansprüche in der Klageschrift mit Bestimmungen des deutschen Frachtrechts (§ 425 Abs. 1, § 437 Abs. 1 HGB) begründet habe und die Beklagten in der Klageerwiderung - soweit frachtrechtliche Einwände erhoben worden seien - zu ihrer Verteidigung ausschließlich Vorschriften des deutschen Frachtrechts (betreffend die Verjährung und die Haftungsbeschränkungen) angeführt hätten. Dieses Verhalten der Parteien im Prozess hat das Berufungsgericht als eine stillschweigende Vereinbarung deutschen Rechts gewertet, weil die Parteien dadurch dem Gericht gegenüber zum Ausdruck gebracht hätten, dass der Rechtsstreit nach deutschem Frachtrecht entschieden werden solle. Diese Rechtswahl hätten die Beklagten später nicht mehr einseitig widerrufen können.
17
c) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Parteien hätten nachträglich stillschweigend die Geltung deutschen Rechts vereinbart, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
18
aa) Die Beurteilung der Frage, ob die Parteien zu Beginn des Rechtsstreits nachträglich gemäß Art. 27 Abs. 2 Satz 1 EGBGB im Wege der Individualvereinbarung eine stillschweigende Rechtswahl - eine ausdrückliche Rechtswahlvereinbarung macht auch die Klägerin nicht geltend - getroffen haben, ist Gegenstand tatrichterlicher Auslegung und in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt überprüfbar. Der Kontrolle durch das Revisionsgericht unterliegt nur, ob das Berufungsgericht seiner Auslegung die zutreffenden rechtlichen Maßstäbe zugrunde gelegt hat, ob es den Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei gewürdigt und ob es die indizielle Bedeutung der in Betracht kommenden Anknüpfungspunkte erkannt hat (BGH, Urt. v. 28.1.1997 - XI ZR 42/96, NJW-RR 1997, 686, 687; Urt. v. 19.1.2000 - VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, 1002, 1003; Urt. v. 26.7.2004 - VIII ZR 273/03, NJW-RR 2005, 206, 208). Bei der Auslegung von Individualvereinbarungen nach §§ 133, 157 BGB ist der Tatrichter insbesondere gehalten, alle für die Auslegung erheblichen Umstände umfassend zu würdigen und die Interessenlage beider Seiten ausreichend zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urt. v. 29.3.2000 - VIII ZR 297/98, NJW 2000, 2508, 2509 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird die Auslegung des Prozessverhaltens der Beklagten durch das Berufungsgericht nicht gerecht.
19
bb) Zwar kann es für die Annahme einer nachträglichen konkludenten Rechtswahl ausreichen, wenn die Parteien im Prozess deutlich auf eine bestimmte Rechtsordnung Bezug nehmen oder diese ihren rechtlichen Ausführungen zugrunde legen (BGH NJW-RR 2000, 1002, 1004; BGH, Urt. v. 9.6.2004 - I ZR 266/00, TranspR 2004, 369, 371 = VersR 2005, 811). Für eine die ursprünglich geltende Rechtsordnung abändernde Rechtswahl bedarf es aber eines dahingehenden beiderseitigen Gestaltungswillens (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.1990 - VIII ZR 332/89, NJW 1991, 1292, 1293).
20
Im Streitfall haben die Parteien zwar in erster Instanz anfangs nur unter Hinweis auf deutsche Rechtsvorschriften vorgetragen. Bereits in ihrem Schriftsatz vom 17. April 2002 haben die Beklagten jedoch darauf hingewiesen, dass die Sendung der Beklagten zu 1 in Taiwan zum Transport übergeben worden sei, was zur Folge habe, dass von ihr nicht verlangt werden könne, zum Lauf der Sendung substantiiert vorzutragen, weil es eine derartige Einlassungsobliegenheit nach der Rechtsprechung in Taiwan nicht gebe. Mit Schriftsatz vom 16. Juni 2003 haben die Beklagten sich ausdrücklich darauf berufen, dass auf den Hauptfrachtvertrag ausschließlich taiwanesisches Recht zur Anwendung komme. Bis zum Schriftsatz der Beklagten vom 16. Juni 2003 war die Frage des anwendbaren Rechts nicht Gegenstand des Vortrags der Parteien.
21
Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass sich die Beklagten mit einer Änderung der ursprünglich für den Hauptfrachtvertrag geltenden Rechtsordnung einverstanden erklärt haben. Beide Parteien des Hauptfrachtvertrags haben ihren Sitz in Taiwan. Der Verladeort war gleichfalls in Tai- wan. Es entsprach daher nicht den Interessen der Beklagten zu 1, sich bei dieser Sachlage auf die Anwendbarkeit deutschen Rechts auf den Hauptfrachtvertrag einzulassen, das nach ihrem Vortrag für sie wesentlich ungünstiger als das taiwanesische ist.
22
Da somit nach Art. 28 Abs. 1 und 4 Satz 1 EGBGB auf den Hauptfrachtvertrag zwischen der Absenderin und der Beklagten zu 1 taiwanesisches Recht anzuwenden ist, richtet sich sowohl die Frage, ob der Absenderin und/oder der Empfängerin wegen des Verlusts des Pakets vertragliche Ansprüche gegen die Beklagte zu 1 zustehen, als auch die Beurteilung, ob gegebenenfalls ein Mitverschulden der Absenderin zu berücksichtigen ist, nach taiwanesischem Recht (zur Bestimmung des auf die Abtretung und den gesetzlichen Forderungsübergang anwendbaren Rechts vgl. Art. 33 EGBGB).
23
3. Die Begründung, mit der das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten zu 2 für den streitgegenständlichen Verlust gemäß § 437 Abs. 1 Satz 1 HGB bejaht hat, ist ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern.
24
a) Die Vorschrift des § 437 HGB greift nur dann ein, wenn auf den Hauptfrachtvertrag deutsches Recht zur Anwendung kommt. Nach den Darlegungen unter II 2 unterliegt der Hauptfrachtvertrag zwischen der Absenderin und der Beklagten zu 1 jedoch dem taiwanesischen Recht. Zwar kommt auf den zwischen den Beklagten geschlossenen Unterfrachtvertrag nach Art. 28 Abs. 1 und 4 EGBGB deutsches Frachtrecht zur Anwendung, da die Beklagte zu 2 ihre Hauptniederlassung in der Bundesrepublik Deutschland hat und dort auch das in Verlust geratene Paket zum Weitertransport zur Versicherungsnehmerin übernommen hat. Die Ersatzpflicht des ausführenden Frachtführers nach § 437 HGB orientiert sich jedoch stets am Verhältnis zwischen dem Absender und dem vertraglichen (Haupt-)Frachtführer und nicht an den vertraglichen Bezie- hungen des Letzteren zum ausführenden Frachtführer (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des Transportsrechtsreformgesetzes, BT-Drucks. 13/8445, S. 75; Fremuth in: Fremuth/Thume, Transportrecht, § 437 HGB Rdn. 32; Koller, Transportrecht, 6. Aufl., § 437 HGB Rdn. 16; Seyffert, Die Haftung des ausführenden Frachtführers im neuen deutschen Frachtrecht, 2000, S. 165 f.; Ramming , TranspR 2000, 277, 279 f.). Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach der ausführende Frachtführer "in gleicher Weise wie der Frachtführer" haftet. Damit wird nicht allgemein auf die Frachtführerhaftung Bezug genommen , sondern maßgebend ist die Rechtsstellung des den Frachtvertrag mit dem Absender schließenden Frachtführers. Dementsprechend ist der ausführende Frachtführer nach § 437 Abs. 2 HGB auch berechtigt, alle Einwendungen aus dem Vertrag mit dem Hauptfrachtführer geltend zu machen.
25
Das Vertragsverhältnis zwischen dem ausführenden Frachtführer und dem vertraglichen (Haupt-)Frachtführer ist dagegen für die Haftung gemäß § 437 Abs. 1 Satz 1 HGB grundsätzlich ohne Bedeutung. Es ist nicht erforderlich , dass zwischen beiden überhaupt eine (wirksame) vertragliche Beziehung besteht; es können auch beliebig viele Unterfrachtführer zwischengeschaltet sein (vgl. Koller Transportrecht aaO § 437 HGB Rdn. 16; Ramming, TranspR 2000, 277, 279). Daraus ergibt sich, dass § 437 HGB nicht zur Anwendung kommt, wenn für das Vertragsverhältnis zwischen dem Absender und dem vertraglichen Frachtführer - wie im Streitfall - kein deutsches Recht gilt (so auch Ramming, TranspR 2000, 277, 280; Ebenroth/Boujong/Joost/Gass, HGB, § 437 Rdn. 19).
26
b) Als Grundlage für eine Haftung der Beklagten zu 2 kommt jedoch ein auf die Klägerin übergegangener oder abgetretener (vertraglicher) Schadensersatzanspruch der Empfängerin gegen die Beklagte zu 2 aus dem Unterfrachtvertrag in Betracht. Insoweit gilt deutsches Recht.

27
aa) Allerdings hat der Senat in der Vergangenheit angenommen, dass dem Empfänger gegen den Unterfrachtführer, der nicht nachfolgender Frachtführer ist (§ 432 Abs. 2 HGB, Art. 34 CMR), wegen des Verlusts oder der Beschädigung des dem Hauptfrachtführer vom Absender zur Beförderung übergebenen Gutes keine Schadensersatzansprüche zustehen (vgl. nur BGH, Urt. v. 24.9.1987 - I ZR 197/85, TranspR 1988, 108, 111; BGHZ 116, 15, 17 ff.). Die Entscheidungen sind zwar auf der Grundlage des Haftungsregimes der CMR ergangen; sie beziehen sich aber stets auch ausdrücklich auf die Rechtslage nach dem Handelsgesetzbuch a.F. Danach konnte der Empfänger gemäß § 435 HGB a.F. (Art. 13 Abs. 1 Satz 2 CMR) grundsätzlich nur im Rahmen des Frachtvertrags zwischen dem Absender und dem Hauptfrachtführer Ersatzansprüche wegen Beschädigung oder Verlust des Gutes geltend machen. Der Unterfrachtführer sollte dem Empfänger dagegen nur bei Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des § 432 Abs. 2 HGB a.F. (Art. 34 CMR) zum Schadensersatz verpflichtet sein.
28
bb) Diese Rechtsprechung hat der Senat für den Bereich des Warschauer Abkommens (1955) und der CMR mit Urteil vom 14. Juni 2007 (BGHZ 172, 330 Tz. 26 ff.) aufgegeben. Nach erneuter Prüfung hält der Senat auch für den Bereich des Handelsgesetzbuches nicht mehr an ihr fest. Der Hauptfrachtführer , der einen Beförderungsauftrag selbst nicht (vollständig) ausführt, sondern im eigenen Namen und für eigene Rechnung einen anderen Frachtführer, den Unterfrachtführer, mit einer in den Anwendungsbereich der §§ 407 ff. HGB fallenden Beförderung beauftragt, schließt mit diesem einen selbständigen (Unter -)Frachtvertrag ab (vgl. BGHZ 172, 330 Tz. 30). Der Unterfrachtführer haftet dem Hauptfrachtführer als Absender nach den Haftungsvorschriften der §§ 425 ff. HGB. Trifft aber den Unterfrachtführer dem Hauptfrachtführer gegenüber die volle Frachtführerhaftung, so gibt es keinen sachgerechten Grund, sei- ne Haftung gegenüber dem Empfänger als Drittbegünstigten des Unterfrachtvertrags auszuschließen (BGHZ 172, 330 Tz. 30).
29
cc) Der vom Gesetzgeber mit der Transportrechtsreform geschaffene - im Streitfall nicht anwendbare - § 437 HGB steht einem solchen vertraglichen Anspruch des Empfängers gegen den Unterfrachtführer nicht als lex specialis entgegen, weil die Haftung des Unterfrachtführers gegenüber dem Empfänger aus einem anderen Rechtsverhältnis folgt. Während der ausführende Frachtführer nach Maßgabe des (Haupt-)Frachtvertrags zwischen dem Absender und dem vertraglichen (Haupt-)Frachtführer haftet (s. dazu unter II 3 a), richtet sich die Haftung des Unterfrachtführers gegenüber dem Empfänger allein nach dem den Empfänger begünstigenden Unterfrachtvertrag (vgl. BGHZ 172, 330 Tz. 30). Dementsprechend kann der Unterfrachtführer gegenüber dem Empfänger , der ihn nach §§ 437, 421 Abs. 1 Satz2 HGB in Anspruch nimmt, nur die Einwendungen aus dem Hauptfrachtvertrag geltend machen (§ 437 Abs. 2 HGB), während er bei einer Inanspruchnahme aus dem Unterfrachtvertrag seiner Haftung Einwendungen aus dem von ihm mit dem Hauptfrachtführer geschlossenen Beförderungsvertrag entgegenhalten kann. Beide Ansprüche können daher, wenn deutsches Recht zur Anwendung kommt, nebeneinander bestehen (so auch Thume, TranspR 2007, 427, 428; Ramming, NJW 2008, 291, 292).
30
Ob der Beklagten zu 2 aus dem mit der Beklagten zu 1 geschlossenen Unterfrachtvertrag Einwendungen zustehen, wird das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu klären haben.
31
III. Danach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Beklagten aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Bergmann Pokrant Büscher
Schaffert Koch
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 08.03.2005 - 35 O 181/00 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 19.12.2005 - I-18 U 71/05 -

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(1) Wird die Beförderung ganz oder teilweise durch einen Dritten ausgeführt (ausführender Frachtführer), so haftet dieser für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes oder durch Überschreitung der Lieferfrist während der durch ihn ausgeführten Beförderung entsteht, so, als wäre er der Frachtführer. Vertragliche Vereinbarungen mit dem Absender oder Empfänger, durch die der Frachtführer seine Haftung erweitert, wirken gegen den ausführenden Frachtführer nur, soweit er ihnen schriftlich zugestimmt hat.

(2) Der ausführende Frachtführer kann alle Einwendungen und Einreden geltend machen, die dem Frachtführer aus dem Frachtvertrag zustehen.

(3) Frachtführer und ausführender Frachtführer haften als Gesamtschuldner.

(4) Werden die Leute des ausführenden Frachtführers in Anspruch genommen, so gilt für diese § 436 entsprechend.

Von den §§ 60 bis 66 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden.

(1) Der Frachtführer haftet für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung oder durch Überschreitung der Lieferfrist entsteht.

(2) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verhalten des Absenders oder des Empfängers oder ein besonderer Mangel des Gutes mitgewirkt, so hängen die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon ab, inwieweit diese Umstände zu dem Schaden beigetragen haben.

(1) Wird die Beförderung ganz oder teilweise durch einen Dritten ausgeführt (ausführender Frachtführer), so haftet dieser für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes oder durch Überschreitung der Lieferfrist während der durch ihn ausgeführten Beförderung entsteht, so, als wäre er der Frachtführer. Vertragliche Vereinbarungen mit dem Absender oder Empfänger, durch die der Frachtführer seine Haftung erweitert, wirken gegen den ausführenden Frachtführer nur, soweit er ihnen schriftlich zugestimmt hat.

(2) Der ausführende Frachtführer kann alle Einwendungen und Einreden geltend machen, die dem Frachtführer aus dem Frachtvertrag zustehen.

(3) Frachtführer und ausführender Frachtführer haften als Gesamtschuldner.

(4) Werden die Leute des ausführenden Frachtführers in Anspruch genommen, so gilt für diese § 436 entsprechend.

(1) Der Frachtführer haftet für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung oder durch Überschreitung der Lieferfrist entsteht.

(2) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verhalten des Absenders oder des Empfängers oder ein besonderer Mangel des Gutes mitgewirkt, so hängen die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon ab, inwieweit diese Umstände zu dem Schaden beigetragen haben.

(1) Wird die Beförderung ganz oder teilweise durch einen Dritten ausgeführt (ausführender Frachtführer), so haftet dieser für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes oder durch Überschreitung der Lieferfrist während der durch ihn ausgeführten Beförderung entsteht, so, als wäre er der Frachtführer. Vertragliche Vereinbarungen mit dem Absender oder Empfänger, durch die der Frachtführer seine Haftung erweitert, wirken gegen den ausführenden Frachtführer nur, soweit er ihnen schriftlich zugestimmt hat.

(2) Der ausführende Frachtführer kann alle Einwendungen und Einreden geltend machen, die dem Frachtführer aus dem Frachtvertrag zustehen.

(3) Frachtführer und ausführender Frachtführer haften als Gesamtschuldner.

(4) Werden die Leute des ausführenden Frachtführers in Anspruch genommen, so gilt für diese § 436 entsprechend.

Die in diesem Unterabschnitt und im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 genannte Person vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen hat.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht.

(2) Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat.

Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges wird ferner dadurch begründet, dass der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt. Dies gilt nicht, wenn die Belehrung nach § 504 unterblieben ist.

(1) Der Frachtführer haftet für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes in der Zeit von der Übernahme zur Beförderung bis zur Ablieferung oder durch Überschreitung der Lieferfrist entsteht.

(2) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verhalten des Absenders oder des Empfängers oder ein besonderer Mangel des Gutes mitgewirkt, so hängen die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes davon ab, inwieweit diese Umstände zu dem Schaden beigetragen haben.

(1) Wird die Beförderung ganz oder teilweise durch einen Dritten ausgeführt (ausführender Frachtführer), so haftet dieser für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes oder durch Überschreitung der Lieferfrist während der durch ihn ausgeführten Beförderung entsteht, so, als wäre er der Frachtführer. Vertragliche Vereinbarungen mit dem Absender oder Empfänger, durch die der Frachtführer seine Haftung erweitert, wirken gegen den ausführenden Frachtführer nur, soweit er ihnen schriftlich zugestimmt hat.

(2) Der ausführende Frachtführer kann alle Einwendungen und Einreden geltend machen, die dem Frachtführer aus dem Frachtvertrag zustehen.

(3) Frachtführer und ausführender Frachtführer haften als Gesamtschuldner.

(4) Werden die Leute des ausführenden Frachtführers in Anspruch genommen, so gilt für diese § 436 entsprechend.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 266/00 Verkündet am:
9. Juni 2004
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ : nein
BGHR : ja
WA 1955 Art. 11 Abs. 2
Zur Reichweite der Beweiswirkung von Art. 11 Abs. 2 WA 1955.
BGH, Urt. v. 9. Juni 2004 - I ZR 266/00 - OLG Frankfurt a.M.
LG Frankfurt a.M.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. März 2004 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Ullmann und
die Richter Prof. Dr. Bornkamm, Pokrant, Dr. Büscher und Dr. Schaffert

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 1. November 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin nimmt die beklagte Luftfrachtführerin aus abgetretenem Recht wegen Beschädigung von Transportgut auf Schadensersatz in Anspruch. Die Parteien streiten hauptsächlich darüber, ob ein am Transportgut festgestellter Nässeschaden während der Luftbeförderung entstanden ist.
Die M. China ließ die streitgegenständliche Sendung (Ladegeräte für Handys), die aus 864 auf Paletten verpackten Kartons bestand, im Juli 1996 per Lkw von Tientsin/China zu ihrer Schwesterfirma nach Peking transportieren. Dort veranlaßte die S. P. AIR als Absenderin des Luftfrachtbriefs vom 29. Juli 1996 die Luftbeförderung der Fracht durch die Beklagte zur Empfängerin MS. in Hamburg. Die Beklagte beförderte das Gut am 30. Juli 1996 per Flugzeug von Peking nach Paris. Von dort wurde die Sendung am 3. August 1996 auf dem Landweg nach Hamburg transportiert, wo sie von der S. GmbH (im folgenden: S.-GmbH) als Empfangsspediteurin angenommen wurde. Am 5. August 1996 erfolgte über die MS. die Auslieferung des Gutes an die M. GmbH (im folgenden: M.-GmbH) in Flensburg.
Mit Schreiben vom 5. August 1996 teilte die MS. der Beklagten mit, daß die Verpackung der Ware beschädigt und durchnäßt sei. Die S.-GmbH informierte die Beklagte mit Schreiben vom 8. August 1996, daß bei der Abnahme der Sendung diverse Paletten eingedrückt und an den Seiten offen gewesen seien. Am 8. August 1996 besichtigte der Havariekommissar H. das Gut im Lager der M.-GmbH in Flensburg. In seinem Gutachten vom 13. August 1996 legte er dar, daß nach der ersten Sichtung 144 von den insgesamt 864 Kartons sowohl äußerlich als auch inwendig erhebliche Wasserschäden aufwiesen, die bis in das Innere der Geräte reichten. Bei einer zusätzlichen stichprobenartigen Untersuchung der restlichen Kartons am 10. September 1996 stellte der Havariekommissar auch an weiteren Geräten Wasserschäden fest. Die M.-GmbH ließ daraufhin alle Geräte vernichten.
Die Empfängerin MS. hat ihre möglicherweise gegen die Beklagte bestehenden Schadensersatzansprüche an die Klägerin abgetreten, die von der Beklagten Ersatz des Warenwertes, Erstattung der Fracht- und Entsorgungsko-
sten sowie der für die Einholung der Sachverständigengutachten aufgewendeten Kosten verlangt.
Die Klägerin hat behauptet, die von dem Havariekommissar festgestellten Nässeschäden seien während der Luftbeförderung eingetreten. Die Feststellungen des Sachverständigen H. rechtfertigten den Schluß, daß alle Geräte durch Nässeeinwirkung beschädigt worden seien, so daß ein Totalschaden gegeben sei.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 146.759,45 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie hat vorgebracht, es sei davon auszugehen, daß sie das Frachtgut bereits durchnäßt übergeben erhalten habe. Der Schaden sei durch eine unsachgemäße Verpackung der Sendung seitens des Herstellers entstanden. Bei den Fracht- und Gutachterkosten handele es sich um Folgekosten, für die sie ohnehin nicht einzustehen brauche.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben.
Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:


I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagte habe als Luftfrachtführerin gemäß Art. 18 WA 1955 Ersatz für die streitgegenständlichen Nässeschäden zu leisten. Dazu hat es ausgeführt:
Die Klägerin habe nachgewiesen, daß der von ihr behauptete Schaden am Transportgut durch ein Ereignis während der Luftbeförderung hervorgerufen worden sei. Aus dem Gutachten des Havariekommissars H. ergebe sich zudem , daß es sich um einen Totalschaden gehandelt habe. In Anbetracht des geringen Einzelwertes jedes Ladegerätes sei es unwirtschaftlich gewesen, jedes Gerät zu öffnen, um seine Beschädigung festzustellen. Von einem mitwirkenden Verschulden der Versenderin wegen mangelhafter Verpackung der Ware könne nicht ausgegangen werden.
Neben dem Warenwert in Höhe von 95.345 DM seien auch die Gutachterkosten in Höhe von 638,70 DM, die Frachtkosten in Höhe von 34.186,95 DM sowie die Kosten der Entsorgung der beschädigten Ladegeräte in Höhe von 16.588,80 DM zu ersetzen. Angesichts einer fehlenden genauen Regelung in Art. 18 WA 1955 finde in bezug auf die Höhe des zu ersetzenden Schadens nationales Recht Anwendung. Ersatzfähig seien danach alle Schäden i.S. der §§ 249 ff. BGB.
II. Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Annahme des Berufungsgerichts, von einem der Klägerin zurechenbaren schadensursächlichen Mitverschulden der Versenderin wegen unsachgemäßer Verpak-
kung der Ware könne nicht ausgegangen werden, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Die Angriffe der Revision gegen die Bejahung der Aktivlegitimation der Klägerin greifen nicht durch. Die Klägerin klagt aus abgetretenem Recht der Empfängerin MS. . Diese war gemäß Art. 13 Abs. 3 i.V. mit Art. 14 WA 1955 befugt, die Rechte aus dem Frachtvertrag gegen den Luftfrachtführer im eigenen Namen geltend zu machen. Dazu gehören auch die Ansprüche wegen Beschädigung des Transportgutes. Diese konnte die MS. daher wirksam an die Klägerin abtreten.
2. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Feststellung des Berufungsgerichts, der Klägerin sei der Nachweis gelungen, daß die streitgegenständlichen Nässeschäden am Transportgut durch ein Ereignis während der Luftbeförderung eingetreten seien. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht die Reichweite der Beweiswirkung eines Luftfrachtbriefs nach Art. 11 Abs. 2 WA 1955 nicht rechtsfehlerhaft verkannt.

a) Die Haftung des Luftfrachtführers gemäß Art. 18 WA 1955 setzt voraus , daß der Schaden während der Obhut des Luftfrachtführers eingetreten ist. Da die Ursache des streitgegenständlichen Wasserschadens zwischen den Parteien streitig ist, erfordert eine Haftung der Beklagten grundsätzlich den von der Klägerin zu führenden Nachweis, daß sich die Sendung bei der Übernahme durch den Luftfrachtführer in einwandfreiem Zustand befunden hat und der Schaden bei der Auslieferung an den im Luftfrachtbrief genannten Empfänger eingetreten war (vgl. Koller, Transportrecht, 5. Aufl., Art. 18 WA 1955 Rdn. 11). Der Geschädigte kann sich dabei auf die Vermutung des Art. 11 WA 1955 stützen.

Nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 WA 1955 gelten die Angaben des Luftfrachtbriefs über die Verpackung des Gutes bis zum Beweis des Gegenteils als richtig. Gemäß Art. 11 Abs. 2 Satz 2 WA 1955 erbringen die Angaben über den Zustand des Gutes gegenüber dem Luftfrachtführer allerdings nur insoweit Beweis , als dieser sie in Gegenwart des Absenders nachgeprüft hat und dies auf dem Frachtbrief vermerkt ist, oder wenn es sich um Angaben handelt, die sich auf den äußerlich erkennbaren Zustand des Gutes beziehen. Auf dem streitgegenständlichen Luftfrachtbrief ist nicht vermerkt, daß der Luftfrachtführer den Zustand des Gutes in Anwesenheit des Absenders nachgeprüft hat. Daher gilt die Angabe im Luftfrachtbrief, daß die Beklagte das Frachtgut in äußerlich ordnungsgemäßem Zustand übernommen hat, bis zum Beweis des Gegenteils nur insoweit als richtig, als sie sich auf den äußerlich erkennbaren Zustand des Gutes bezieht (Art. 11 Abs. 2 Satz 2 WA 1955). Die Beweiswirkung der Angaben zum äußerlich erkennbaren Zustand des Gutes gemäß Art. 11 Abs. 2 Satz 2 WA 1955 entspricht derjenigen des Art. 9 Abs. 2 CMR (vgl. Koller aaO Art. 5 bis 11 WA 1955 Rdn. 18). Darunter ist der Zustand zu verstehen, der sich mit den Mitteln und der Sorgfalt überprüfen läßt, die einem CMR-Frachtführer zur Verfügung stehen (vgl. Koller aaO Art. 8 CMR Rdn. 3; MünchKomm.HGB/ Basedow, Art. 8 CMR Rdn. 8; Herber/Piper, CMR, Art. 8 Rdn. 7).

b) Das Berufungsgericht hat festgestellt, ausweislich der Bestätigung im Luftfrachtbrief seien die Kartons bei Übernahme des Frachtgutes in Peking äußerlich in Ordnung gewesen. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Havariekommissars H., die das Berufungsgericht zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat, wies ein wesentlicher Teil der 864 Kartons bei der ersten Besichtigung der Ware am 8. August 1996 sowohl äußerlich als auch in-
wendig erhebliche Wasserschäden auf. Die Feuchtigkeit war bis tief in die Innenlagen der Kartons eingedrungen.
Auf dieser Tatsachengrundlage konnte das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei annehmen, daß die Beklagte nicht den äußerlich guten Zustand der Kartonagen bei Übernahme der Ware durch Stempelaufdruck im Frachtbrief hätte bestätigen dürfen, wenn die Kartons bereits in der von dem Havariekommissar beschriebenen Weise durchfeuchtet gewesen wären. Dem entsprechend ist die Annahme des Berufungsgerichts, es sei schlechterdings nicht vorstellbar, daß die Beklagte die äußere Unversehrtheit der Ware bestätigt hätte, obwohl bereits erhebliche Regenmengen zu Durchnässungen der Kartons von außen geführt hatten, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
Ferner ist zu berücksichtigen, daß der Havariekommissar H. bei seiner mündlichen Anhörung durch das Landgericht erklärt hat, bei der ersten Besichtigung der Ware am 8. August 1996 sei diese auf den vier Paletten noch mit Plastikfolie umgeben gewesen, die von innen mit Wasser beschlagen gewesen sei. Die Revisionserwiderung weist mit Recht darauf hin, daß sich Staunässe bereits bei Übergabe der Sendung zur Beförderung an den Plastikfolien niedergeschlagen hätte und damit für die Beklagte erkennbar gewesen wäre, wenn zuvor tatsächlich eine Nässeeinwirkung auf das Transportgut stattgefunden hätte. Entgegen der Annahme der Revision bezieht sich die Angabe zum äußerlich einwandfreien Zustand der Ware im Frachtbrief mithin auch auf den Inhalt der mit Stretchfolie umgebenen Paletten.

c) Die Angriffe der Revision gegen die weitere Annahme des Berufungsgerichts , die Beklagte habe den nach Art. 11 Abs. 2 Satz 1 WA 1955 grundsätzlich zulässigen Gegenbeweis nicht erbracht, bleiben ebenfalls erfolglos.

aa) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe die Ausführungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. L. in dessen Gutachten vom 8. November 1999 nicht voll ausgeschöpft. Der Havariekommissar H. habe bei der Besichtigung des Transportgutes am 8. August 1996 festgestellt, daß sich die Kartonage teilweise bereits im Zerfall befunden habe. Unter Bezugnahme auf diese Feststellung habe der Sachverständige Dr. L. in seinem Gutachten dargelegt , daß ein "Zerfressen" der Wellpappe durch Bakterien und Schimmelpilze erfahrungsgemäß einen längeren Zeitraum bei warmen Temperaturen als die eine Woche von Peking nach Hamburg erfordere. Aus den von dem Havariekommissar H. getroffenen Feststellungen zum Zustand der Kartonagen habe der Sachverständige L. gefolgert, daß der Wassereinbruch bereits "einige Zeit vor Einbringung der Paletten in die B 747 stattgefunden haben dürfte". Bei vollständiger Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. L. hätte das Berufungsgericht - so die Revision - nicht annehmen dürfen, der Nässeschaden sei erst nach Übernahme der Sendung durch die Beklagte eingetreten. Dieses Vorbringen verhilft der Revision nicht zum Erfolg.
bb) Entgegen der Auffassung der Revision steht die Annahme des Berufungsgerichts , es müsse davon ausgegangen werden, daß die Nässeschäden erst nach Übernahme der Ware durch die Beklagte entstanden seien, nicht im Widerspruch zu den von der Revision herangezogenen Darlegungen des Sachverständigen Dr. L. Ebenso wie das Berufungsgericht nimmt auch der gerichtlich bestellte Sachverständige Dr. L. an, daß die vom Havariekommissar H. festgestellten Nässeschäden durch eine Regeneinwirkung während des Transportes entstanden sein müssen. Seine Schlußfolgerung, die Regeneinwirkung "dürfte" einige Zeit vor der Einbringung der Paletten in das Flugzeug stattgefunden haben, stützt sich hauptsächlich auf die beiden von dem Havariekommis-
sar H. erstatteten Gutachten vom 13. August und 12. September 1996. Eine eigene Untersuchung des durchnäßten Verpackungsmaterials und der Ware konnte der Sachverständige Dr. L. nicht vornehmen. Die Revisionserwiderung weist mit Recht darauf hin, daß es sich bei den Darlegungen des Sachverständigen Dr. L. um Vermutungen ohne hinreichende Tatsachengrundlage handelt. Bei dieser Sachlage ist die tatrichterliche Beurteilung des Berufungsgerichts, die Schlußfolgerung des Sachverständigen Dr. L., daß der Wasserschaden mit großer Wahrscheinlichkeit bereits vor der Übergabe an die Beklagte durch Regeneinwirkung in China entstanden sein müsse, entlaste die Beklagte nicht, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Erwägung des Berufungsgerichts, es sei schlechterdings nicht nachvollziehbar, daß die Beklagte die äußere Ordnungsgemäßheit der Sendung bestätigt habe, obwohl bereits erhebliche Regenmengen zu Durchnässungen der Kartons von außen geführt hätten, ist nachvollziehbar und trägt die Annahme, die Beklagte habe die Beweiswirkung gemäß Art. 11 Abs. 2 WA 1955 nicht widerlegt.
3. Die Revision rügt des weiteren vergeblich, das Berufungsgericht habe sich nicht mit dem Einwand der Beklagten auseinandergesetzt, die MS. habe den Schaden nicht rechtzeitig gemäß Art. 26 WA 1955 angezeigt, was gemäß Art. 26 Abs. 4 WA 1955 den Ausschluß jeder Klage gegen den Luftfrachtführer zur Folge habe.

a) Gemäß Art. 26 Abs. 2 WA 1955 muß der Empfänger im Fall einer Beschädigung von Transportgut dem Luftfrachtführer unverzüglich nach der Entdeckung des Schadens, jedenfalls aber binnen 14 Tagen nach Annahme des Gutes, Anzeige erstatten. Jede Beanstandung muß entweder auf den Beförderungsschein gesetzt oder in anderer Weise schriftlich erklärt und innerhalb der dafür vorgesehenen Frist abgesandt werden (Art. 26 Abs. 3 WA 1955). Wird die
Anzeigefrist versäumt, so ist nach Art. 26 Abs. 4 WA 1955 jede Klage gegen den Luftfrachtführer ausgeschlossen, es sei denn, daß dieser arglistig gehandelt hat.
Die Schadensanzeige muß grundsätzlich den Schadenssachverhalt konkret mitteilen und erkennen lassen, gegen wen Ansprüche geltend gemacht werden. Die Beschreibung der Beschädigung muß dabei nicht ins Detail gehen; es genügt, daß die Schäden aus der Sicht des Empfängers der Anzeige hinreichend erkennbar sind. Diesen Anforderungen wird die Schadensanzeige der MS. vom 5. August 1996 gerecht.

b) Die im Luftfrachtbrief benannte Empfängerin MS. hat der Beklagten mit Schreiben vom 5. August 1996 angezeigt, daß bei Ankunft der streitgegenständlichen Sendung in Hamburg folgende Unregelmäßigkeiten festgestellt worden seien: "Verpackung durchnäßt" und "Verpackung beschädigt".
Entgegen dem Vorbringen der Revision hat sich die Schadensmeldung der MS. nicht lediglich auf die Anzeige einer Verpackungsbeschädigung beschränkt. Aus der Mitteilung, daß die Verpackung "durchnäßt" gewesen sei, ergab sich für die Beklagte mit hinreichender Deutlichkeit, daß auch an der Ware selbst - also an den Ladegeräten -, die in besonderem Maße gegen Feuchtigkeit empfindlich waren, ein Schaden entstanden sein konnte. Eine rechtzeitige und ordnungsgemäße Schadensanzeige, aus der sich auch ergab, daß ein Schaden an der gesamten Sendung reklamiert werden sollte, liegt mithin vor.
4. Erfolglos wendet sich die Revision ferner dagegen, daß das Berufungsgericht seiner Entscheidung eine Beschädigung aller Ladegeräte zum Zeitpunkt der Übergabe der Sendung am 5. August 1996 zugrunde gelegt hat.


a) Das Berufungsgericht hat angenommen, aufgrund der Feststellungen des Havariekommissars H. sei bewiesen, daß ein wesentlicher Teil der 864 Kartons im Zeitpunkt der Anlieferung der Sendung bei der Empfangsspediteurin sowohl äußerlich als auch inwendig erhebliche Wasserschäden aufgewiesen habe. Nach den nachvollziehbaren Darlegungen des Havariekommissars H. sei die Feuchtigkeit bereits bis tief in die Innenlagen der Kartons eingedrungen gewesen. Ebenso habe der Havariekommissar anläßlich einer am 10. September 1996 durchgeführten Nachbesichtigung der Ware bei mikroskopischen Überprüfungen der Ladegeräte die bei einer Durchnässung der Kartons zu erwartenden inwendigen Wasserschäden festgestellt. In Anbetracht des geringen Einzelwerts jedes Ladegeräts sei es unwirtschaftlich gewesen, jedes Gerät zu öffnen, um eine Beschädigung festzustellen. Die Empfängerin der Ware sei vielmehr aus wirtschaftlichen Gründen gehalten gewesen, sämtliche Geräte als unbrauchbar zu behandeln, um sich nach deren Einbau in hochwertige Telefonanlagen nicht Mängelrügen ihrer Kunden auszusetzen.

b) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft unberücksichtigt gelassen, daß die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung geltend gemacht habe, es könne nicht von einer Beschädigung der gesamten Sendung ausgegangen werden, weil die Endempfängerin in Flensburg gemäß den Feststellungen des Havariekommissars H. nach Anlieferung der Ware aus allen Paletten diejenigen 144 Kartons herausgesucht habe, bei denen äußerlich Nässe erkennbar gewesen sei. Die übrigen Kartons, die keine Feuchtigkeitserscheinungen aufgewiesen hätten, seien wieder auf Paletten gestapelt und mit Folie umwickelt worden. Wenn der Havariekommissar H. bei seiner am 10. September 1996 durchgeführten Nachbesichtigung an den nicht aussortierten Kartons äußere Wasserschäden festgestellt habe, könne zumindest nicht ausgeschlos-
sen werden, daß diese Schäden erst durch ein Ereignis nach Übergabe der Ware an die MS. eingetreten seien.

c) Dieses Vorbringen verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Die Empfängerin in Flensburg hatte zwar zunächst nur 144 Kartons aus den insgesamt vier Paletten aussortiert, die nach den Feststellungen des Havariekommissars H. schwere von außen erkennbare Feuchtigkeitsschäden aufwiesen. Entgegen der Auffassung der Revision rechtfertigt dies jedoch nicht die Annahme, die restliche Ware sei unbeschädigt gewesen. Denn der Havariekommissar H. hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 13. August 1996 dargelegt, daß aufgrund des Schadensbildes davon ausgegangen werden könne, daß auch noch weitere Schäden an den übrigen nicht ausgepackten Paletten-Stapeleinheiten vorhanden seien. Diese Äußerung des Havariekommissars steht nicht in Widerspruch zu den von ihm bei seiner mündlichen Anhörung vor dem Landgericht abgegebenen Erklärungen, wonach an den nicht aussortierten, auf Paletten gestapelten Kartons äußerlich keine Wasserschäden erkennbar gewesen seien. Den Inhalt dieser Kartons hat der Havariekommissar stichprobenartig bei seiner Nachbesichtigung am 10. September 1996 überprüft und dabei ebenfalls Beschädigungen an den Ladegeräten festgestellt. Bei dieser Sachlage konnte das Berufungsgericht ohne Rechtsverstoß von einer Beschädigung der gesamten Ware im Zeitpunkt der Anlieferung bei der Empfangsspediteurin ausgehen, zumal keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, daß anschließend noch eine Wassereinwirkung auf das Gut stattgefunden hat.
5. Ohne Erfolg bleiben auch die Angriffe der Revision gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Schadensberechnung.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend und von der Revision auch unbeanstandet davon ausgegangen, daß Art. 18 WA 1955 keine Regelungen zum Umfang des zu ersetzenden Schadens enthält. Demnach ist ergänzend das jeweils anwendbare nationale Recht heranzuziehen (vgl. Koller aaO Art. 18 WA 1955 Rdn. 22; Müller-Rostin in: Fremuth/Thume, Kommentar zum Transportrecht , Art. 18 WA 1955 Rdn. 27).

b) Die Revision wendet sich vergeblich dagegen, daß das Berufungsgericht den Umfang des zu ersetzenden Schadens auf der Grundlage des deutschen Rechts festgestellt hat. Es trifft zwar zu, daß Art. 18 WA 1955 - anders als Art. 21 WA 1955 - nicht auf das materielle Recht am Ort des angerufenen Gerichts verweist. Die anwendbare Rechtsordnung kann jedoch grundsätzlich von den Parteien gemäß Art. 27 Abs. 1 EGBGB frei gewählt werden. Allerdings genügt hierfür im allgemeinen nicht allein eine rügelose Einlassung des Beklagten. Eine stillschweigende Einigung über die Wahl der Rechtsordnung des heimischen Rechts des Geschädigten ist aber dann anzunehmen, wenn der völkerrechtliche Vertrag - wie hier das Warschauer Abkommen in der Fassung von Den Haag 1955 - die Haftungsgrundlagen regelt und nur Teilbereiche des Haftungsumfangs dem jeweiligen nationalen Recht überläßt. Die Parteien sind in den Vorinstanzen übereinstimmend von der Anwendung deutschen Schadensersatzrechts ausgegangen. Daraus ergibt sich mit hinreichender Sicherheit (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 EGBGB) die Wahl dieser Rechtsordnung für die Berechnung des zu ersetzenden Schadens (vgl. BGH, Urt. v. 19.1.2000 - VIII ZR 275/98, NJW-RR 2000, 1002, 1004).

c) Bei Zugrundelegung deutschen Rechts gelten für die Feststellung des Umfangs des zu ersetzenden Schadens die §§ 249 ff. BGB (vgl. MünchKomm.HGB /Kronke, Art. 18 WA 1955 Rdn. 76; Müller-Rostin in: Giemulla/
Schmid, Warschauer Abkommen und Zusatzabkommen von Guadalajara, Stand: 2003, Art. 18 Rdn. 45; a.A. Koller aaO Art. 18 WA 1955 Rdn. 22). Im Fall der Zerstörung des Gutes - wie hier - ist dem Geschädigten der Aufwand zu ersetzen, der am Ort der Ablieferung erbracht werden muß, um die gleiche Sache wieder zu beschaffen (Müller-Rostin in: Giemulla/Schmid aaO Art. 18 Rdn. 45). Das ist im vorliegenden Fall der von der Klägerin geltend gemachte Betrag von 95.345 DM. Darüber hinaus hat der Geschädigte im Fall des Totalverlusts Anspruch auf Ersatz der Frachtkosten und der Schadensermittlungskosten (MünchKomm.HGB/Kronke, Art. 18 WA 1955 Rdn. 76; Müller-Rostin: Giemulla /Schmid aaO Art. 18 Rdn. 45a), die sich hier auf 34.186,95 DM (Frachtkosten ) und 638,70 DM (Sachverständigenkosten) belaufen. Das Berufungsgericht hat der Klägerin auch mit Recht einen Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Entsorgung der beschädigten Ladegeräte zuerkannt, da diese in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Güterschaden stehen und der Rechtsvorgängerin der Klägerin auch tatsächlich entstanden sind.
6. Mit Erfolg wendet sich die Revision aber gegen die Annahme des Berufungsgerichts , von einem der Klägerin zurechenbaren Mitverschulden (Art. 21 WA 1955) der Versenderin wegen unsachgemäßer Verpackung der Ware könne nicht ausgegangen werden. Die Revision beanstandet mit Recht, daß das Berufungsgericht das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. L. nicht voll ausgeschöpft, sondern nur einseitig gewürdigt hat.

a) Das Berufungsgericht hat darauf abgestellt, daß der Sachverständige Dr. L. die verwendete Verpackung als üblich angesehen und nicht von vornherein für unsachgemäß gehalten hat. Bei dieser Sichtweise hat das Berufungsgericht die Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht genügend berücksichtigt. Es kommt entscheidend darauf an, ob die gewählte Verpackung geeignet und
ausreichend war, die Ware gegen die vorhersehbaren Gefahren und Einwirkungen während des konkreten Transports zu schützen (vgl. Koller aaO Art. 21 WA 1955 Rdn. 2). Die Revision weist zutreffend darauf hin, daß im vorliegenden Fall mit einer mehrfachen Umladung des Gutes zu rechnen war. Eine beförderungssichere Verpackung mußte daher auch Schutz gegen Witterungseinflüsse, insbesondere gegen Regen, umfassen, zumal das Transportgut in besonderem Maße gegen Feuchtigkeit empfindlich war.
Der Sachverständige Dr. L. hat in seinem schriftlichen Gutachten vom 8. November 1999 u.a. ausgeführt, für die kurze Dauer einer Luftfracht sei gegen die Art der Verpackung nicht allzu viel einzuwenden. Gegen Regeneinwirkung habe die gewählte Verpackung jedoch keinen ausreichenden Schutz geboten. Das Auflegen einer losen fünf Millimeter dicken Styroporplatte als Abdeckung der Paletten sei weder branchenüblich und angemessen noch transportsicher gewesen. Die sicherste und durchaus übliche Verpackung bei derart hohen Warenwerten sei die Verwendung einer palettengroßen Versandkiste aus Wellpappe mit einem PE-Innensack, in dem die Kartons unter Zugabe von Trockenmittelbeuteln hätten eingeschweißt werden müssen. Es ist nicht ersichtlich , daß das Berufungsgericht diese Ausführungen des Sachverständigen Dr. L. bei seiner Beurteilung eines möglichen Mitverschuldens der Versenderin berücksichtigt hat.

b) Die Haftungsabwägung nach § 254 BGB obliegt grundsätzlich dem Tatrichter (BGHZ 149, 337, 355, m.w.N.). Bei der erneuten Beurteilung eines möglichen Mitverschuldens der Versenderin wird das Berufungsgericht auch zu berücksichtigen haben, daß der Beklagten als Luftfrachtführerin grundsätzlich die Kontrolle oblag, ob die von der Versenderin gewählte Art der Verpackung für den konkreten Transport von Peking nach Hamburg geeignet war.

III. Danach war auf die Revision der Beklagten das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Ullmann Bornkamm Pokrant
Büscher Herr Dr. Schaffert ist in Urlaub. Ullmann

(1) Wird die Beförderung ganz oder teilweise durch einen Dritten ausgeführt (ausführender Frachtführer), so haftet dieser für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes oder durch Überschreitung der Lieferfrist während der durch ihn ausgeführten Beförderung entsteht, so, als wäre er der Frachtführer. Vertragliche Vereinbarungen mit dem Absender oder Empfänger, durch die der Frachtführer seine Haftung erweitert, wirken gegen den ausführenden Frachtführer nur, soweit er ihnen schriftlich zugestimmt hat.

(2) Der ausführende Frachtführer kann alle Einwendungen und Einreden geltend machen, die dem Frachtführer aus dem Frachtvertrag zustehen.

(3) Frachtführer und ausführender Frachtführer haften als Gesamtschuldner.

(4) Werden die Leute des ausführenden Frachtführers in Anspruch genommen, so gilt für diese § 436 entsprechend.

Haftet der Frachtführer wegen Verlust oder Beschädigung, so hat er über den nach den §§ 429 bis 431 zu leistenden Ersatz hinaus die Fracht, öffentliche Abgaben und sonstige Kosten aus Anlaß der Beförderung des Gutes zu erstatten, im Fall der Beschädigung jedoch nur in dem nach § 429 Abs. 2 zu ermittelnden Wertverhältnis. Weiteren Schaden hat er nicht zu ersetzen.

Die in diesem Unterabschnitt und im Frachtvertrag vorgesehenen Haftungsbefreiungen und Haftungsbegrenzungen gelten nicht, wenn der Schaden auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen ist, die der Frachtführer oder eine in § 428 genannte Person vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewußtsein, daß ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen hat.

Haftet der Frachtführer wegen Verlust oder Beschädigung, so hat er über den nach den §§ 429 bis 431 zu leistenden Ersatz hinaus die Fracht, öffentliche Abgaben und sonstige Kosten aus Anlaß der Beförderung des Gutes zu erstatten, im Fall der Beschädigung jedoch nur in dem nach § 429 Abs. 2 zu ermittelnden Wertverhältnis. Weiteren Schaden hat er nicht zu ersetzen.

(1) Wird die Beförderung ganz oder teilweise durch einen Dritten ausgeführt (ausführender Frachtführer), so haftet dieser für den Schaden, der durch Verlust oder Beschädigung des Gutes oder durch Überschreitung der Lieferfrist während der durch ihn ausgeführten Beförderung entsteht, so, als wäre er der Frachtführer. Vertragliche Vereinbarungen mit dem Absender oder Empfänger, durch die der Frachtführer seine Haftung erweitert, wirken gegen den ausführenden Frachtführer nur, soweit er ihnen schriftlich zugestimmt hat.

(2) Der ausführende Frachtführer kann alle Einwendungen und Einreden geltend machen, die dem Frachtführer aus dem Frachtvertrag zustehen.

(3) Frachtführer und ausführender Frachtführer haften als Gesamtschuldner.

(4) Werden die Leute des ausführenden Frachtführers in Anspruch genommen, so gilt für diese § 436 entsprechend.