Bundesgerichtshof Urteil, 03. Apr. 2019 - 5 StR 94/19

published on 03/04/2019 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 03. Apr. 2019 - 5 StR 94/19
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 94/19
vom
3. April 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2019:030419U5STR94.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. April 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 7. November 2018 dahingehend geändert, dass betreffend die Unterbringung des Angeklagten N. in einer Entziehungsanstalt ein Vorwegvollzug von einem Jahr der Freiheitsstrafe angeordnet wird. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (ca. 2 kg Crystal) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, seine Unterbringung in der Entziehungsanstalt und einen Vorwegvollzug von fünf Monaten der Freiheitsstrafe angeordnet. Die wirksam auf die Berechnung des Vorwegvollzugs beschränkte (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2014 – 1 StR 531/13, NStZ-RR 2014, 107; zu Fällen unwirksamer Beschränkung vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2017 – 3 StR 275/17, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 24) und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
Zutreffend weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass die Strafkammer angesichts der voraussichtlichen Therapiedauer den Vorwegvollzug der Strafe nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB mit einem Jahr hätte bestimmen müssen und – wie sie selbst erkannt hat – nicht die verbüßte Untersuchungshaft wie geschehen hiervon in Abzug hätte bringen dürfen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. März 2018 – 1 StR 93/18 mwN).
3
Die Strafkammer hat sich zu Recht für die Berechnung des Vorwegvollzuges an einer Therapiedauer von eineinhalb Jahren orientiert. Nach den Ausführungen des Sachverständigen, dem die Kammer gefolgt ist, beträgt die zu erwartende Therapiedauer aufgrund einer Vielzahl positiver Faktoren ein bis eineinhalb Jahre. Kommen für die Therapiedauer – wie hier – im Ergebnis zwei Alternativen in Betracht, ist es ungeachtet der Möglichkeit späterer Entscheidungen nach § 67 Abs. 3 StGB nach dem Zweifelssatz (vgl. hierzu näher LR/Sander, 26. Aufl., § 261 Rn. 103 ff.; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1297 ff., je mwN) geboten, die für den Angeklagten im Urteilszeitpunkt konkret günstigere Möglichkeit zu wählen (vgl. zur Problematik auch MüKo-StGB/Maier, 3. Aufl., § 67 Rn. 50 mwN). Vorliegend könnte nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB eine Dauer des Vorwegvollzuges von einem Jahr bei einer Therapiedauer von eineinhalb Jahren oder ein Vorwegvollzug von eineinhalb Jahren bei einer Therapiedauer von einem Jahr anzuordnen sein.
4
Bei der Entscheidung hierüber ist einerseits zu bedenken, dass der Angeklagte bei einem Vorwegvollzug von einem Jahr Freiheitsstrafe und einem Erfolg der Therapie nach einem Jahr bis zum erstmöglichen Zeitpunkt einer Aussetzung von Strafe und Maßregel zur Bewährung (Halbstrafe nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB) noch sechs Monate Freiheitsstrafe zu verbüßen hätte, was durch die Regelung in § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB wegen etwaiger negativer Folgen einer Rückverlegung in den Strafvollzug vermieden werden sollte. Dies spricht dafür, den Vorwegvollzug nach § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB mit eineinhalb Jahren zu bemessen (vgl. die Revision der Staatsanwaltschaft).
5
Andererseits könnten bei einer solchen Dauer des Vorwegvollzugs und einem Therapieerfolg erst nach eineinhalb Jahren die Reststrafe und Maßregel nicht zum Zeitpunkt des § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB nach zweieinhalb Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden, sondern frühestens nach drei Jahren. Da bei dem bislang unbestraften und nach den Feststellungen der Kammer therapiegeeigneten und -motivierten Angeklagten ein Therapieerfolg naheliegt, würde ihn die Anordnung eines Vorwegvollzugs von eineinhalb Jahren beschweren. Ein Vorwegvollzug, dessen Dauer einschließlich der Therapiedauer über den Zeitpunkt des § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB hinausgeht, wirkt sich wie ein zusätzliches Strafübel aus (BGH, Beschluss vom 18.Dezember 2007 – 3 StR 516/07, NStZ-RR 2009, 48). Danach ist eine – auch vom Landgericht angenommene – Therapiedauer von einem Jahr und sechs Monaten für den Angeklagten günstiger , die zu einem Vorwegvollzug von einem Jahr Freiheitsstrafe führt.
6
Der Senat holt die Anordnung in dem rechtlich gebotenen Umfang in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO nach (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2018 – 1 StR 93/18 mwN). Diese Entscheidung ist auch nicht etwa durch die Dauer der seit 17. April 2018 vollzogenen Untersuchungshaft obsolet geworden (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 25. Januar 2018 – 5 StR 582/17, NStZ-RR 2018, 113, 114).
7
Die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten waren der Staatskasse aufzuerlegen, da die Staatsanwaltschaft ausweislich der Revisionsbegründung mit ihrem Rechtsmittel das Ziel verfolgt hat, die versehentlich fehlsame Gerichtsentscheidung auch im Interesse des Angeklagten mit dem Gesetz in Einklang zu bringen (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, 61. Aufl., § 473 Rn. 17).
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher
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(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R
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Annotations

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.