Bundesgerichtshof Urteil, 03. Apr. 2019 - 5 StR 94/19

bei uns veröffentlicht am03.04.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 94/19
vom
3. April 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
ECLI:DE:BGH:2019:030419U5STR94.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. April 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berger, Prof. Dr. Mosbacher
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Dresden vom 7. November 2018 dahingehend geändert, dass betreffend die Unterbringung des Angeklagten N. in einer Entziehungsanstalt ein Vorwegvollzug von einem Jahr der Freiheitsstrafe angeordnet wird. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (ca. 2 kg Crystal) zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt, seine Unterbringung in der Entziehungsanstalt und einen Vorwegvollzug von fünf Monaten der Freiheitsstrafe angeordnet. Die wirksam auf die Berechnung des Vorwegvollzugs beschränkte (vgl. BGH, Urteil vom 14. Januar 2014 – 1 StR 531/13, NStZ-RR 2014, 107; zu Fällen unwirksamer Beschränkung vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2017 – 3 StR 275/17, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 24) und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg.
2
Zutreffend weist der Generalbundesanwalt darauf hin, dass die Strafkammer angesichts der voraussichtlichen Therapiedauer den Vorwegvollzug der Strafe nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB mit einem Jahr hätte bestimmen müssen und – wie sie selbst erkannt hat – nicht die verbüßte Untersuchungshaft wie geschehen hiervon in Abzug hätte bringen dürfen (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. März 2018 – 1 StR 93/18 mwN).
3
Die Strafkammer hat sich zu Recht für die Berechnung des Vorwegvollzuges an einer Therapiedauer von eineinhalb Jahren orientiert. Nach den Ausführungen des Sachverständigen, dem die Kammer gefolgt ist, beträgt die zu erwartende Therapiedauer aufgrund einer Vielzahl positiver Faktoren ein bis eineinhalb Jahre. Kommen für die Therapiedauer – wie hier – im Ergebnis zwei Alternativen in Betracht, ist es ungeachtet der Möglichkeit späterer Entscheidungen nach § 67 Abs. 3 StGB nach dem Zweifelssatz (vgl. hierzu näher LR/Sander, 26. Aufl., § 261 Rn. 103 ff.; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 1297 ff., je mwN) geboten, die für den Angeklagten im Urteilszeitpunkt konkret günstigere Möglichkeit zu wählen (vgl. zur Problematik auch MüKo-StGB/Maier, 3. Aufl., § 67 Rn. 50 mwN). Vorliegend könnte nach § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB eine Dauer des Vorwegvollzuges von einem Jahr bei einer Therapiedauer von eineinhalb Jahren oder ein Vorwegvollzug von eineinhalb Jahren bei einer Therapiedauer von einem Jahr anzuordnen sein.
4
Bei der Entscheidung hierüber ist einerseits zu bedenken, dass der Angeklagte bei einem Vorwegvollzug von einem Jahr Freiheitsstrafe und einem Erfolg der Therapie nach einem Jahr bis zum erstmöglichen Zeitpunkt einer Aussetzung von Strafe und Maßregel zur Bewährung (Halbstrafe nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB) noch sechs Monate Freiheitsstrafe zu verbüßen hätte, was durch die Regelung in § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB wegen etwaiger negativer Folgen einer Rückverlegung in den Strafvollzug vermieden werden sollte. Dies spricht dafür, den Vorwegvollzug nach § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB mit eineinhalb Jahren zu bemessen (vgl. die Revision der Staatsanwaltschaft).
5
Andererseits könnten bei einer solchen Dauer des Vorwegvollzugs und einem Therapieerfolg erst nach eineinhalb Jahren die Reststrafe und Maßregel nicht zum Zeitpunkt des § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB nach zweieinhalb Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden, sondern frühestens nach drei Jahren. Da bei dem bislang unbestraften und nach den Feststellungen der Kammer therapiegeeigneten und -motivierten Angeklagten ein Therapieerfolg naheliegt, würde ihn die Anordnung eines Vorwegvollzugs von eineinhalb Jahren beschweren. Ein Vorwegvollzug, dessen Dauer einschließlich der Therapiedauer über den Zeitpunkt des § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB hinausgeht, wirkt sich wie ein zusätzliches Strafübel aus (BGH, Beschluss vom 18.Dezember 2007 – 3 StR 516/07, NStZ-RR 2009, 48). Danach ist eine – auch vom Landgericht angenommene – Therapiedauer von einem Jahr und sechs Monaten für den Angeklagten günstiger , die zu einem Vorwegvollzug von einem Jahr Freiheitsstrafe führt.
6
Der Senat holt die Anordnung in dem rechtlich gebotenen Umfang in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO nach (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2018 – 1 StR 93/18 mwN). Diese Entscheidung ist auch nicht etwa durch die Dauer der seit 17. April 2018 vollzogenen Untersuchungshaft obsolet geworden (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 25. Januar 2018 – 5 StR 582/17, NStZ-RR 2018, 113, 114).
7
Die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten waren der Staatskasse aufzuerlegen, da die Staatsanwaltschaft ausweislich der Revisionsbegründung mit ihrem Rechtsmittel das Ziel verfolgt hat, die versehentlich fehlsame Gerichtsentscheidung auch im Interesse des Angeklagten mit dem Gesetz in Einklang zu bringen (vgl. Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, 61. Aufl., § 473 Rn. 17).
Mutzbauer Sander Schneider
Berger Mosbacher

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(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafgesetzbuch - StGB | § 67 Reihenfolge der Vollstreckung


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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 275/17
vom
10. August 2017
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung
ECLI:DE:BGH:2017:100817U3STR275.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. August 2017, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berg, Hoch als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin als Verteidigerin,
Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mönchengladbach vom 30. November 2016 aufgehoben
a) im Ausspruch über die Gesamtstrafe; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen zur Maßregelanordnung aufrechterhalten,
b) im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung der Strafen aus einer früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt sowie seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet; von der Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe hat es abgesehen. Die Staatsanwaltschaft rügt mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts. Der Angeklagte beanstandet - nach wirksamer Beschränkung des Rechtsmittels in der Hauptverhandlung - mit der nicht ausgeführten Formal- und der Sachrüge den gesamten Rechtsfolgenausspruch. Beide Rechtsmittel haben betreffend den Ausspruch über die Gesamtstrafe und die Maßregel Erfolg. Die weitergehende , auch die Einzelstrafe umfassende Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen weist der 30 Jahre alte, neunfach - darunter mehrfach wegen Betäubungsmitteldelikten - vorbestrafte Angeklagte dissoziale Persönlichkeitszüge auf. Er rauchte im Alter von neun Jahren erstmals Cannabis und konsumierte mit zwölf Jahren erstmals Alkohol und Ecstasy. Mit 14 Jahren begann er den Konsum von Heroin und Kokain. Es entwickelte sich eine körperliche Abhängigkeit von Alkohol und Heroin. Der Angeklagte konsumierte zuletzt täglich acht bis zehn Flaschen Bier sowie zwei bis drei Gramm Heroin, daneben Cannabis im Rahmen der Verfügbarkeit. Unterbrochen wurde der Konsum lediglich in Haftzeiten. Nach Entgiftungen wurde der Angeklagte immer wieder rückfällig. Therapiemaßnahmen auf der Grundlage des § 35 BtMG brach er nach wenigen Stunden ab. Auch während Substitutionsbehandlungen mit Methadon hatte er durchgehend Beikonsum. In der seit Januar 2016 andauernden Inhaftierung wurde der Angeklagte durch Substitutionsbehandlung von Alkohol und Heroin entgiftet.
3
Am Tattag, dem 19. November 2015, setzte sich der Angeklagte eine Spritze mit Kokain und Heroin. Sodann bedrohte er die 81 Jahre alte Geschädigte in deren Wohnung in einem Seniorenwohnheim mit einem Messer und den Worten: "Gib mir dein Geld oder ich stech zu." Daraufhin übergab die völlig verängstigte Geschädigte dem Angeklagten ihr Portemonnaie. Der Angeklagte entnahm diesem 250 Euro, zerschnitt das Telefonkabel und flüchtete. Von dem erbeuteten Geld kaufte er Heroin.
4
Das Landgericht hat wegen der hier abgeurteilten Tat auf eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten erkannt. Sodann hat es unter Einbeziehung vom Amtsgericht Mönchengladbach am 13. Juni 2016 verhängter Einzelstrafen in Höhe von einem Jahr und acht Monaten, einem Jahr und drei Monaten, einem Jahr sowie zweimal drei Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verhängt.
5
I. Revision der Staatsanwaltschaft
6
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Ausspruch über die Maßregel sowie denjenigen betreffend die Gesamtstrafe beschränkt. Dies ergibt sich aus Folgendem:
7
Ausweislich der Begründung des Rechtsmittels greift die Staatsanwaltschaft lediglich die Entscheidung des Landgerichts an, von der Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Freiheitsstrafe abzusehen. Hierzu führt sie näher aus, die Strafkammer habe die Voraussetzungen der notwendigen Erfolgsaussicht der Unterbringung bzw. der dahingehenden Prognose einerseits und der tatsächlichen Dauer der Unterbringung andererseits verkannt.
8
Vor diesem Hintergrund erfasst die Anfechtung des Urteils über die Nichtanordnung des Vorwegvollzugs hinaus zunächst auch die Anordnung der Maßregel als solche. Denn die Rechtswirksamkeit einer Revisionsbeschränkung setzt voraus, dass der Beschwerdepunkt nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angefochtenen Teil rechtlich und tatsächlich unabhängig beurteilt werden kann, ohne eine Überprüfung des Ur- teils im Übrigen erforderlich zu machen, und die nach dem Teilrechtsmittel stufenweise entstehende Gesamtentscheidung frei von inneren Widersprüchen bleibt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 2. März 1995 – 1 StR 595/94, BGHSt 41, 57, 59; Beschluss vom 2. Dezember 2004 – 3 StR 246/04, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 16). Die Anordnung des Vorwegvollzugs und die damit einhergehende Bestimmung von dessen Dauer nach § 67 Abs. 2 StGB kommt nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen für die Unterbringung als solche erfüllt sind. Hierzu ist u.a. erforderlich, dass die Maßregel Aussicht auf Erfolg bietet (§ 64 Satz 2 StGB). Ist dies nicht der Fall oder zweifelhaft, lässt sich auch kein angemessener Zeitraum für die Therapie bemessen, der neben der Strafhöhe für die Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs maßgebend ist. Somit ist eine getrennte revisionsrechtliche Beurteilung der tatgerichtlichen Anordnung des Vorwegvollzugs und der Bestimmung von dessen Dauer, welche die Erfolgsaussicht der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt außer Betracht lässt, nicht möglich (vgl. zum Verhältnis zwischen Dauer des Vorwegvollzugs und Erfolgsaussicht BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 3 StR 516/07, NStZ-RR 2009, 48, 49).
9
Die dem Grunde nach mögliche Beschränkung des Rechtsmittels auf den Maßregelausspruch insgesamt kommt hier ebenfalls nicht in Betracht; denn das Landgericht hat im Rahmen der Begründung der Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe ausdrücklich berücksichtigt, dass neben der Freiheitsstrafe auch noch eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist. Somit besteht im vorliegenden Fall ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe und der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt. Demgegenüber hat die Strafkammer bei der Bemessung der Einzelfreiheitsstrafe für die hier abgeurteilte Tat nicht auf die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgestellt. Da zudem die Ausführungen der Strafkammer zu der Bemessung der Gesamtstrafe und diejenigen zu der Bestimmung der Einzelstrafe trennbar sind, wird letztere nicht von der Anfechtung umfasst.
10
2. Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg.
11
a) Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt ist rechtsfehlerhaft, denn das Landgericht hat mit Blick auf die Feststellungen zum Drogenkonsum des Angeklagten die Erfolgsaussicht der Maßregel nicht rechtsfehlerfrei begründet.
12
Nach § 64 Satz 2 StGB setzt die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt die hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg , mithin darauf voraus, die süchtige Person zu heilen oder über eine erhebliche Zeitspanne vor einem Rückfall in den Rauschmittelkonsum zu bewahren (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 2013 – 3 StR 513/12, BGHR StGB § 64 Satz 2 Erfolgsaussicht 1). Hierfür ist es erforderlich, dass sich in Persönlichkeit und Lebensumständen des Angeklagten konkrete Anhaltspunkte für einen erfolgreichen Verlauf der Therapie finden lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2007 – 3 StR 516/07, NStZ-RR 2009, 48, 49).
13
Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift unter Hinweis auf die genannte Rechtsprechung des Senats ausgeführt:
14
"Hieran bestehen insbesondere aufgrund der Dauer der Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten, der hinzutretenden dissozialen Persönlichkeitsstörung und der Vielzahl der bisher ohne Ausnahme nach kurzer Zeit erfolglos abgebrochenen Therapiemaßnahmen i.S.d. § 35 BtMG begründete Zweifel. Bei einem derartig verfestigten und langjährigen Drogenkonsum wird allein mit dem nicht näher ausgeführten Hinweis des Landgerichts, die Therapieabbrüche schlössen nicht aus, dass der Angeklagte sich in dem deutlich strukturierteren und begrenzteren Setting des Maßregelvollzugs längerfristig auf Therapiemaßnahmen einlasse, und der Mitteilung der Erklärung des Angeklagten , mit der Durchführung einer Maßregel nach § 64 StGB einverstanden zu sein, die konkrete Erfolgsaussicht der Maßregel nicht ausreichend belegt. Soweit lediglich das Ergebnis der Ausführungen des Sachverständigen zitiert wird, er schätze die Erfolgsaussichten einer Behandlung des Angeklagten im Maßregelvollzug mit 30 % ein, bleibt offen, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände von dieser Einschätzung ausgegangen wird. Im Übrigen drückt eine "Erfolgswahrscheinlichkeit" von 30 %, der sich die Kammer anschließt, nicht mehr aus als die Annahme, dass ein Behandlungserfolg nicht (gänzlich) verneint werden kann. Dies genügt aber den Anforderungen des § 64 S. 2 StGB nicht."
15
Dem schließt sich der Senat an.
16
Der Senat hebt auch die zugehörigen, zu den früheren Therapieversuchen des Angeklagten eher unpräzisen Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht eine insgesamt in sich stimmige Entscheidung über die Maßregel zu ermöglichen.
17
b) Aufgrund des Wegfalls des Maßregelausspruchs kann hier auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe nicht bestehen bleiben, denn das Landgericht hat - wie dargelegt - bei der Bestimmung der Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe in seine Erwägungen eingestellt, dass gegen den Angeklagten neben der Strafe die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet wurde. Hiervon sind die zur Gesamtstrafe rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen mit Ausnahme derjenigen, dass eine Maßregel angeordnet worden ist, nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
18
II. Revision des Angeklagten
19
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge denselben Erfolg wie das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft. Betreffend die Einzelstrafe ist sie nicht begründet. Die nicht ausgeführte Formalrüge ist unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Im Übrigen hat das Landgericht insbesondere rechtsfehlerfrei dargelegt, warum es die Voraussetzungen des § 21 StGB als nicht gegeben angesehen hat.

III.

20
Mit Blick auf das Revisionsvorbringen der Staatsanwaltschaft weist der Senat für die neue Hauptverhandlung darauf hin, dass es für die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 Satz 2 StGB in dessen seit dem 1. August 2016 geltender Fassung ausreicht, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, dass der Behandlungserfolg innerhalb der Frist nach § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3 StGB zu erreichen ist. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist mithin, wenn daneben eine Freiheitsstrafe verhängt wird, nicht mehr auf zwei Jahre beschränkt; die Höchstfrist der Unterbringung verlängert sich in diesen Fällen vielmehr nach Maßgabe des § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB um die Dauer des nach § 67 Abs. 4 StGB anrechenbaren Teils der Freiheitsstrafe (vgl. BT-Drucks. 18/7244, S. 1, 2, 24 f.; BGH, Beschlüsse vom 15. März 2017 – 2 StR 581/16, NStZ-RR 2017, 139; vom 14. Juni 2017 – 3 StR 97/17, juris Rn. 6).
Becker Schäfer Spaniol Berg Hoch

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 93/18
vom
22. März 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:220318B1STR93.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 22. März 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen :
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 26. September 2017 dahin abgeändert , dass vor der Unterbringung des Angeklagten R. in einer Entziehungsanstalt zwei Jahre und vor der Unterbringung des Angeklagten B. in einer Entziehungsanstalt ein Jahr und sechs Monate der gegen sie verhängten Freiheitsstrafen zu vollziehen sind. 2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen. 3. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub und gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen verurteilt, den Angeklagten B. zu sieben Jahren, den Angeklagten R. zu acht Jahren. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten R. in der Sicherungsverwahrung vorbehalten. Außerdem hat das Landgericht die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass bei dem Angeklag- ten R. ein Jahr und sechs Monate und bei dem Angeklagten B. ein Jahr der verhängten Freiheitsstrafen vorweg zu vollziehen sind. Ferner hat es Entscheidungen im Adhäsionsverfahren getroffen und die Einziehung von Wertersatz angeordnet.
2
Die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten führen zu einer Änderung der Dauer des Vorwegvollzugs (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
Das Landgericht hat nicht beachtet, dass die erlittene Untersuchungshaft bei der Bestimmung des teilweisen Vorwegvollzugs der Strafen nach § 67 Abs. 2 StGB außer Betracht zu bleiben hat, weil die nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB anzurechnende Untersuchungshaft im Vollstreckungsverfahren auf den vor der Unterbringung zu vollziehenden Teil der Strafe anzurechnen ist (st. Rspr.; vgl. nur Beschlüsse vom 13. April 2016 – 2 StR 53/16 Rn. 2; vom 24. November 2015 – 1 StR 494/15 Rn. 3 und vom 18. November 2014 – 4 StR 505/14 Rn. 3).
4
Bezüglich des Angeklagten B. ist daher, angesichts der vom Landgericht rechtsfehlerfrei bestimmten voraussichtlich erforderlichen Behandlungsdauer von etwa zwei Jahren, ein Vorwegvollzug von einem Jahr und sechs Monaten anzuordnen. Hinsichtlich des Angeklagten R. hat die Strafkammer zwar die Therapiedauer nicht ausdrücklich bestimmt. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich jedoch, dass auch bei ihm von einer voraussichtlichen Behandlungsdauer von etwa zwei Jahren auszugehen ist, da seine Suchtproblematik keine gravierenden Unterschiede zu der des Angeklagten B. aufweist. Damit ist bei ihm ein Vorwegvollzug von zwei Jahren anzuordnen.
5
Der Senat kann den Urteilstenor entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst abändern, da die Grundlagen der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs rechtsfehlerfrei festgestellt sind (BGH, Beschlüsse vom 24. November 2015 – 1 StR 494/15 Rn. 5; vom24. Juni 2014 – 1 StR 162/14 Rn. 12, NStZ-RR 2014, 368, 369 und vom 15. Dezember 2010 – 1 StR 642/10 Rn. 3). Das Verschlechterungsverbot steht dem nicht entgegen; denn die gesetzlichen Regelungen über die Vollstreckungsreihenfolge dienen auch der Sicherstellung des Therapieerfolgs (BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 2014 – 1 StR 162/14, aaO und vom 21. August 2007 – 3 StR 263/07 Rn. 4).
6
Der geringe Teilerfolg des Rechtsmittels rechtfertigt es nicht, die Beschwerdeführer von einem Teil der Kosten und Auslagen zu entlasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO). Jäger Bellay Fischer Bär Hohoff

(1) Wird die Unterbringung in einer Anstalt nach den §§ 63 und 64 neben einer Freiheitsstrafe angeordnet, so wird die Maßregel vor der Strafe vollzogen.

(2) Das Gericht bestimmt jedoch, daß die Strafe oder ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn der Zweck der Maßregel dadurch leichter erreicht wird. Bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren soll das Gericht bestimmen, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist. Dieser Teil der Strafe ist so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung nach Absatz 5 Satz 1 möglich ist. Das Gericht soll ferner bestimmen, dass die Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist, wenn die verurteilte Person vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und zu erwarten ist, dass ihr Aufenthalt im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe beendet wird.

(3) Das Gericht kann eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 nachträglich treffen, ändern oder aufheben, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen. Eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 kann das Gericht auch nachträglich treffen. Hat es eine Anordnung nach Absatz 2 Satz 4 getroffen, so hebt es diese auf, wenn eine Beendigung des Aufenthalts der verurteilten Person im räumlichen Geltungsbereich dieses Gesetzes während oder unmittelbar nach Verbüßung der Strafe nicht mehr zu erwarten ist.

(4) Wird die Maßregel ganz oder zum Teil vor der Strafe vollzogen, so wird die Zeit des Vollzugs der Maßregel auf die Strafe angerechnet, bis zwei Drittel der Strafe erledigt sind.

(5) Wird die Maßregel vor der Strafe oder vor einem Rest der Strafe vollzogen, so kann das Gericht die Vollstreckung des Strafrestes unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 zur Bewährung aussetzen, wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist. Wird der Strafrest nicht ausgesetzt, so wird der Vollzug der Maßregel fortgesetzt; das Gericht kann jedoch den Vollzug der Strafe anordnen, wenn Umstände in der Person des Verurteilten es angezeigt erscheinen lassen.

(6) Das Gericht bestimmt, dass eine Anrechnung nach Absatz 4 auch auf eine verfahrensfremde Strafe erfolgt, wenn deren Vollzug für die verurteilte Person eine unbillige Härte wäre. Bei dieser Entscheidung sind insbesondere das Verhältnis der Dauer des bisherigen Freiheitsentzugs zur Dauer der verhängten Strafen, der erzielte Therapieerfolg und seine konkrete Gefährdung sowie das Verhalten der verurteilten Person im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Die Anrechnung ist in der Regel ausgeschlossen, wenn die der verfahrensfremden Strafe zugrunde liegende Tat nach der Anordnung der Maßregel begangen worden ist. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 93/18
vom
22. März 2018
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:220318B1STR93.18.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts – zu 2. auf dessen Antrag – und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 22. März 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO beschlossen :
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 26. September 2017 dahin abgeändert , dass vor der Unterbringung des Angeklagten R. in einer Entziehungsanstalt zwei Jahre und vor der Unterbringung des Angeklagten B. in einer Entziehungsanstalt ein Jahr und sechs Monate der gegen sie verhängten Freiheitsstrafen zu vollziehen sind. 2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen. 3. Die Beschwerdeführer haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub und gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen verurteilt, den Angeklagten B. zu sieben Jahren, den Angeklagten R. zu acht Jahren. Darüber hinaus hat es die Unterbringung des Angeklagten R. in der Sicherungsverwahrung vorbehalten. Außerdem hat das Landgericht die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und bestimmt, dass bei dem Angeklag- ten R. ein Jahr und sechs Monate und bei dem Angeklagten B. ein Jahr der verhängten Freiheitsstrafen vorweg zu vollziehen sind. Ferner hat es Entscheidungen im Adhäsionsverfahren getroffen und die Einziehung von Wertersatz angeordnet.
2
Die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten führen zu einer Änderung der Dauer des Vorwegvollzugs (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen sind sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
Das Landgericht hat nicht beachtet, dass die erlittene Untersuchungshaft bei der Bestimmung des teilweisen Vorwegvollzugs der Strafen nach § 67 Abs. 2 StGB außer Betracht zu bleiben hat, weil die nach § 51 Abs. 1 Satz 1 StGB anzurechnende Untersuchungshaft im Vollstreckungsverfahren auf den vor der Unterbringung zu vollziehenden Teil der Strafe anzurechnen ist (st. Rspr.; vgl. nur Beschlüsse vom 13. April 2016 – 2 StR 53/16 Rn. 2; vom 24. November 2015 – 1 StR 494/15 Rn. 3 und vom 18. November 2014 – 4 StR 505/14 Rn. 3).
4
Bezüglich des Angeklagten B. ist daher, angesichts der vom Landgericht rechtsfehlerfrei bestimmten voraussichtlich erforderlichen Behandlungsdauer von etwa zwei Jahren, ein Vorwegvollzug von einem Jahr und sechs Monaten anzuordnen. Hinsichtlich des Angeklagten R. hat die Strafkammer zwar die Therapiedauer nicht ausdrücklich bestimmt. Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich jedoch, dass auch bei ihm von einer voraussichtlichen Behandlungsdauer von etwa zwei Jahren auszugehen ist, da seine Suchtproblematik keine gravierenden Unterschiede zu der des Angeklagten B. aufweist. Damit ist bei ihm ein Vorwegvollzug von zwei Jahren anzuordnen.
5
Der Senat kann den Urteilstenor entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst abändern, da die Grundlagen der Bestimmung der Dauer des Vorwegvollzugs rechtsfehlerfrei festgestellt sind (BGH, Beschlüsse vom 24. November 2015 – 1 StR 494/15 Rn. 5; vom24. Juni 2014 – 1 StR 162/14 Rn. 12, NStZ-RR 2014, 368, 369 und vom 15. Dezember 2010 – 1 StR 642/10 Rn. 3). Das Verschlechterungsverbot steht dem nicht entgegen; denn die gesetzlichen Regelungen über die Vollstreckungsreihenfolge dienen auch der Sicherstellung des Therapieerfolgs (BGH, Beschlüsse vom 24. Juni 2014 – 1 StR 162/14, aaO und vom 21. August 2007 – 3 StR 263/07 Rn. 4).
6
Der geringe Teilerfolg des Rechtsmittels rechtfertigt es nicht, die Beschwerdeführer von einem Teil der Kosten und Auslagen zu entlasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO). Jäger Bellay Fischer Bär Hohoff

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
5 StR 582/17
vom
25. Januar 2018
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:250118B5STR582.17.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 25. Januar 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 12. Juli 2017 aufgehoben, soweit eine Entscheidung über die Vollstreckungsreihenfolge gemäß § 67 Abs. 2 StGB unterblieben ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltrei- bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführung von Waffen in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf Verfahrens- und Sachbeanstandungen gestützte Revision des Angeklagten erzielt nur den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verwahrte der Angeklagte in seiner Wohnung neben einem griffbereiten Elektroimpulsgerät 1,2 kg Amphetamin (Wirkstoffgehalt 128,95 g Amphetamin-Base), 33,8 g Kokain (Wirkstoffgehalt 10,9 g Kokainhydrochlorid) sowie 198 g Ecstasy (Wirkstoffgehalt 45,86 g MDMA-Base) auf. Zudem besaß der Angeklagte aus dem Betrieb zweier Plantagen Cannabis mit einem Wirkstoffgehalt von insgesamt 136,3 g THC. Kokain, Metamphetamin und Cannabis waren ausschließlich zum Verkauf an Drogenkonsumenten bestimmt. Aus dem Amphetaminvorrat deckte der Angeklagte auch seinen Eigenkonsumbedarf (UA S. 5 unten).
3
2. Das Rechtsmittel erzielt nur einen Teilerfolg. Die Verfahrensbeanstandungen versagen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift benannten Gründen. Schuld- und Strafausspruch halten im Ergebnis sachlichrechtlicher Prüfung stand. Hingegen erweist es sich als rechtsfehlerhaft, dass eine Entscheidung über die Vollstreckungsreihenfolge gemäß § 67 Abs. 2 StGB unterblieben ist.
4
a) Es begegnet allerdings rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht bei der Strafzumessung die gesamte Amphetamin-Menge ausdrücklich strafschärfend berücksichtigt hat. Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil jedoch nicht.
5
aa) Die Strafkammer hat nur allgemein festgestellt, dass der Angeklagte seinem Vorrat an Amphetamin auch Teilmengen zum Eigenkonsum entnahm. Zur Bestimmung des Schuldumfangs wäre es erforderlich gewesen, den Eigenverbrauchsanteil konkret zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 27. April 2014 – 3 StR 116/04, StV 2004, 602). Denn abhängig hiervon besteht in Fällen , in denen der Täter die Betäubungsmittel teils zum Eigenverbrauch, teils zum gewinnbringenden Weiterverkauf besessen hat, Tateinheit zwischen (be- waffnetem) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit Besitz einer nicht geringen Menge (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2016 – 2 StR 62/16) bzw. – bei einer geringen zum Eigenverbrauch bestimmten Menge – mit Besitz von Betäubungsmitteln (vgl. BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 – 4 StR 210/10; Beschluss vom 5. April 2017 – 5 StR 61/17). Bei der nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB im Hinblick auf das Delikt des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorzunehmenden Strafzumessung durfte das Landgericht nur die zum Verkauf bestimmte Betäubungsmittelmenge berücksichtigen. Die Eigenverbrauchsmenge hatte in Bezug auf diese Gesetzesverletzung (§ 30a Abs. 2 Var. 1 BtMG) außer Betracht zu bleiben.
6
bb) Der Rechtsfehler hat sich indes nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt:
7
Weil der Angeklagte neben dem Amphetamin ausschließlich zur Veräußerung bestimmte nicht geringe Mengen an Kokain und Ecstasy aufbewahrte, hat der Schuldspruch wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unabhängig von diesem Rechtsfehler Bestand. Dadurch, dass es das Landgericht unterlassen hat, den Besitz der zum Eigenverbrauch bestimmten Betäubungsmittel als tateinheitlich zum (bewaffneten) Handeltreiben verwirklicht im Schuldspruch zum Ausdruck zu bringen, ist der Angeklagte nicht beschwert. Da wegen der unzureichenden Feststellungen des Landgerichts zur Eigenkonsummenge nicht feststeht, welchen Straftatbestand der Angeklagte insoweit tateinheitlich verwirklicht hat, kommt eine Ergänzung des Schuldspruchs nicht in Betracht.
8
Der Senat schließt ein Beruhen des Strafausspruchs auf der Berücksichtigung der gesamten Amphetamin-Menge bei der Strafzumessung aus. Bereits mit Blick auf die Mengen der übrigen zum Verkauf bestimmten Betäubungsmittel – neben Kokain und Ecstasy auch eine aus dem Betrieb zweier Plantagen herrührende, den 18-fachen Grenzwert übersteigende Cannabis-Menge – scheidet die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens des § 30a Abs. 3 BtMG ersichtlich aus, zumal das Unrecht des tateinheitlich verwirklichten Betäubungsmittelbesitzes bei dessen Prüfung hätte berücksichtigt werden dürfen. In dem mithin rechtsfehlerfrei zur Anwendung gebrachten Regelstrafrahmen des § 30a Abs. 2 BtMG hat das Landgericht die Mindeststrafe von fünf Jahren festgesetzt.
9
b) Das Urteil hat keinen Bestand, soweit darin eine Entscheidung über die Dauer des Vorwegvollzuges eines Teils der Freiheitsstrafe vor dem Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
10
Die Vorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB bestimmt, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel vollzogen werden soll, wenn – wie hier – die Unterbringung nach § 64 StGB neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren angeordnet wird; dabei ist dieser Teil der Strafe so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Entscheidung über die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung nach § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB möglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29. März 2017 – 2 StR 17/17). Das Tatgericht kann von der Sollvorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB aus einzelfallbezogenen Gründen abweichen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. September 2011 – 2 StR 322/11; MüKo-StGB/Maier, 3. Aufl. § 67 Rn. 87 mwN). Das Landgericht hat es hier jedoch ohne Begründung bei der in § 67 Abs. 1 StGB vorgesehenen Reihenfolge belassen, wonach die Maßregel grundsätzlich vor der Freiheitsstrafe zu vollziehen ist. Dies war rechtsfehlerhaft.
11
Mangels Feststellungen zur voraussichtlichen Therapiedauer, kann der Senat nicht prüfen, ob sich der Vorwegvollzug durch die vom Angeklagten erlittene Untersuchungshaft erledigt und die Anordnung des Vollzugs eines Teils der Freiheitsstrafe vor der Maßregelvollstreckung deshalb zu unterbleiben hat (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2011 – 5 StR 423/11 mwN). Die Entscheidung über den Vorwegvollzug ist daher unter sachverständiger Beratung zur möglichen Dauer einer erfolgreichen Therapie nachzuholen.
12
2. Zum Inhalt der Urteilsgründe bemerkt der Senat ergänzend: Verfahrensvorgänge sind im Urteil grundsätzlich nicht zu erörtern. Insbesondere sind Ausführungen zur Verwertbarkeit von Beweismitteln von Rechts wegen nicht geboten; zur Vermeidung der Überfrachtung der schriftlichen Urteilsgründe sind sie regelmäßig sogar tunlichst zu unterlassen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2012 – 4 StR 623/11, BGHSt 57, 273 Rn. 17; Beschluss vom 8. Mai 2007 – 1 StR 202/07; MüKo-StPO/Wenske, § 267 Rn. 79 ff.).
Mutzbauer Sander Schneider
Dölp Mosbacher