Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR6/15
vom
24. März 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
24. März 2015, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt L.
als Verteidiger,
Rechtsanwalt W.
als Nebenklägervertreter,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. September 2014 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

– Von Rechts wegen –

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit ihrer auf den Strafausspruch beschränkten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Sie macht insbesondere geltend, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft einen minder schweren Fall nach § 213 Alt. 2 StGB angenommen. Die Revision bleibt ohne Erfolg.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Der zur Tatzeit 24-jährige Angeklagte und das spätere Tatopfer K. waren seit gemeinsamer Grundschulzeit miteinander befreundet. Beide trafen sich am Abend des 18. März 2014 mit dem gemeinsamen Bekannten T. , um dessen Geburtstag mit ihm und seinem Freund, dem Zeugen Y. , zu feiern. Zu ihnen stießen auch eine Bekannte des K. und deren Freundin. Die Gruppe, die zuvor andernorts Getränke zu sich genommen hatte, begab sich gegen Mitternacht in die Wohnung K. s, um dort gemeinsam weiter zu feiern. Nachdem sich die jungen Frauen von Anzüglichkeiten K. s und T. s, die beide angetrunken waren, belästigt gefühlt hatten und T. die Party zu langweilig geworden war, forderte K. alle zum Gehen auf; er hatte sich geärgert, dass der Angeklagte sich mit seiner Bekannten in die Küche zurückgezogen hatte. K. , T. und Y. stiegen in ein Auto und fuhren grußlos davon. Der Angeklagte und die beiden jungen Frauen waren empört und enttäuscht darüber, auf der Straße stehen gelassen worden zu sein. Sie riefen K. an, um ihn zur Rede zu stellen. In der unter wechselseitigem Gebrauch vulgärer Ausdrücke und Beleidigungen zunehmend erregter geführten Unterhaltung warf K. dem Angeklagten vor, den Abend kaputt gemacht und ihm und T. die Frauen ausgespannt zu haben. Der Angeklagte forderte K. schließlich auf, ihm in Zukunft grußlos zu begegnen; auch er werde ihn nicht mehr grüßen, wenn man sich zufällig über den Weg laufe. Anschließend ging der Angeklagte, der noch im elterlichen Haushalt lebte, nach Hause.
4
Gegen 3:00 Uhr waren K. , T. und Y. zu der Straße gefahren , in der außer dem Angeklagten auch T. wohnte. Nachdem K.
mehrfach vergeblich versucht hatte, bei dem Angeklagten anzurufen, der das Gespräch jedoch nicht annahm, kam es zu einem Telefonat zwischen beiden, bei dem K. ankündigte, dass sie bald bei dem Angeklagten vor der Tür wären. Er forderte den Angeklagten auf, herunter zu kommen, damit man die Sache klären könne. Der Angeklagte schlug daraufhin vor, später auf seiner Arbeitsstelle miteinander zu reden. K. erwiderte sinngemäß, dass der Angeklagte feige sei, wenn er nicht herunter käme (UA S. 6, 16), und äußerte: „Wir ficken dich“. Außerdem bezeichnete er den Angeklagten und dessen Familie als ehrlos und warf ihm vor, nicht einmal auf seine Schwester aufpassen zu können. Als der mit maximal 1,27 ‰ alkoholisierte Angeklagte mitbekam, dass K. und seine beiden Begleiter vor der Haustür angelangt waren, entschied er sich, hinunter zu gehen und zog sich wieder an. Um sie einzuschüchtern und von Angriffen abzuhalten, nahm er spontan ein Küchenmesser mit. Als der Angeklagte mit dem Messer in der Hand aus dem Haus trat, hatten sich K. , T. und Y. halbkreisförmig in geringer Entfernung von einem halben Meter bis zu zwei Metern um die Haustür herum formiert (UA S. 6, 17). Als K. sich zu ihm hindrehte, stach der Angeklagte ihm mit bedingtem Tötungsvorsatz wuchtig in die Brust und traf ihn ins Herz. Mit dem Ausruf „Ihr sollt rich- tig mit mir reden“ ging er wieder zurück ins Haus. K. verblutete an der Stichverletzung noch am Tatort.
5
b) Die Schwurgerichtskammer hat einen minder schweren Fall nach § 213 Alt. 2 StGB angenommen. Im Rahmen der Gesamtwürdigung hat sie strafmildernd berücksichtigt, dass der Angeklagte bislang unbestraft, „insofern“ auch durch die lang andauernde Untersuchungshaft belastet sei. Er habe die Tat mit ernsthaftem Bedauern eingeräumt und sich in seinem letzten Wort gegenüber der Familie des Opfers entschuldigt. Auch hätten seine alkoholbedingte Enthemmung und die Umstände für ihn gesprochen, dass der Tat – wenn- gleich nicht den in § 213 Alt. 1 StGB bezeichneten Schweregrad erreichende – Beleidigungen und Provokationen seitens des Opfers vorausgegangen seien, er zunächst versucht habe, der Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen und die Situation, als er sich allein drei streitlustigen Männern gegenüber gesehen habe, für ihn bedrohlich und einer Notwehrsituation nahe erschienen sei.
6
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft deckt letztlich keinen durchgreifenden Rechtsfehler bei der Strafrahmenwahl und der Strafzumessung auf.
7
a) Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf Grund der Hauptverhandlung die wesentlichen be- und entlastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen wird oder sich die verhängte Strafe von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgerichts eingeräumten Spielraums liegt. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Das gilt auch insoweit, als die tatrichterliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falles zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 26. Juli 2006 – 1 StR 150/06, NStZ-RR 2006, 339, 340; vom 12. Januar 2011 – 5 StR 403/10, NStZ-RR 2011, 141, und vom 31. Juli 2014 – 4 StR 216/14 mwN).
8
b) Daran gemessen ist die Entscheidung des Landgerichts revisionsrechtlich noch hinzunehmen. Die Beschwerdeführerin, die sich gegen die Wertung des Landgerichts wendet, es lägen erhebliche Strafmilderungsgründe, aber kein gewichtiger Straferschwerungsgrund vor, zeigt einen Rechtsfehler nicht auf. Dass das Landgericht eine durch den Generalbundesanwalt ange- sprochene „Heimtückenähe“ aus dem Blick verloren haben könnte, schließt der Senat angesichts der unmittelbar zuvor erfolgten Erörterung dieses Mordmerkmals und der Bezugnahme auf das Tatbild aus. Auch hat das Landgericht entgegen den Ausführungen der Revision den als strafmildernd herangezogenen Gesichtspunkt längerer Untersuchungshaft, die zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung bereits sechs Monate angedauert hatte, ausdrücklich in Bezug gesetzt zur bisherigen Unbestraftheit des Angeklagten. Damit hat es eine besondere Haftempfindlichkeit des zuvor noch nie inhaftierten Angeklagten zum Ausdruck gebracht und nicht lediglich den Vollzug von Untersuchungshaft an sich strafmildernd berücksichtigt (BGH, Urteile vom 21. Dezember 1993 – 5 StR 683/93, NStZ 1994, 198; vom 14. Juni 2006 – 2 StR 34/06, NJW 2006, 2645, und vom 19. Januar 2012 – 3 StR 413/11, NStZ-RR 2012, 168, 169).
9
Auch die Einschätzung des Landgerichts, der Angeklagte habe zunächst versucht, der nächtlichen Auseinandersetzung aus dem Wege zu gehen, findet entgegen dem Vorbringen der Staatsanwaltschaft in den Feststellungen ihre Bestätigung. Danach hatte der Angeklagte zunächst vorgeschlagen, die Klä- rung „der Sache“ auf den nächsten Tag zu verschieben und an einem anderen Ort durchzuführen (UA S. 6).
10
Die von der Revision angegriffene Bewertung des Landgerichts, dass der Angeklagte sich bei Tatbegehung einer Situation gegenüber sah, die „für ihn bedrohlich und einer Notwehrsituation nahe schien“, stellt keinen Rechtsfehler dar, der sich auf die Strafrahmenwahl oder konkrete Strafzumessung ausgewirkt haben könnte. Denn das Landgericht hat die relevanten Umstände zutreffend zugrunde gelegt (das Tatopfer hatte gegenüber dem zuvor provozierten Angeklagten seine Aufforderung, auf die Straße herunter zu kommen, mit der Ankündigung, „wir ficken dich“, begleitet; der Angeklagte stand alleine drei streitlustigen jungen Männern gegenüber, die sich in kurzem Abstand halbkreisförmig und damit für den Angeklagten bedrohlich um den Hauseingang herum postiert hatten).
Sander Schneider König
Berger Bellay

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 24. März 2015 - 5 StR 6/15

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 24. März 2015 - 5 StR 6/15

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 24. März 2015 - 5 StR 6/15 zitiert 2 §§.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 24. März 2015 - 5 StR 6/15 zitiert oder wird zitiert von 11 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 24. März 2015 - 5 StR 6/15 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Jan. 2012 - 3 StR 413/11

bei uns veröffentlicht am 19.01.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 3 StR 413/11 vom 19. Januar 2012 in der Strafsache gegen wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Januar 2012, an der teilgenommen h

Bundesgerichtshof Urteil, 12. Jan. 2011 - 5 StR 403/10

bei uns veröffentlicht am 12.01.2011

5 StR 403/10 BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL vom 12. Januar 2011 in der Strafsache gegen wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a. Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 12. Januar 2011, an der teilgenomme

Bundesgerichtshof Urteil, 26. Juli 2006 - 1 StR 150/06

bei uns veröffentlicht am 26.07.2006

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 150/06 vom 26. Juli 2006 in der Strafsache gegen wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juli 2006, an der teilgenomme

Bundesgerichtshof Urteil, 31. Juli 2014 - 4 StR 216/14

bei uns veröffentlicht am 31.07.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR216/14 vom 31. Juli 2014 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren Raubes Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 31. Juli 2014, an der teilgenommen haben: Vorsit
7 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 24. März 2015 - 5 StR 6/15.

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Aug. 2017 - 5 StR 198/17

bei uns veröffentlicht am 08.08.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 198/17 vom 8. August 2017 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung ECLI:DE:BGH:2017:080817U5STR198.17.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Au

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Dez. 2016 - 1 StR 499/16

bei uns veröffentlicht am 08.12.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 499/16 vom 8. Dezember 2016 in der Strafsache gegen wegen unerlaubter bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln u.a. ECLI:DE:BGH:2016:081216B1STR499.16.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhöru

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Juni 2016 - 5 StR 183/16

bei uns veröffentlicht am 21.06.2016

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR 183/16 vom 21. Juni 2016 in der Strafsache gegen wegen schwerer Brandstiftung u.a. ECLI:DE:BGH:2016:210616U5STR183.16.0 Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. Juni

Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juni 2015 - 5 StR 113/15

bei uns veröffentlicht am 03.06.2015

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 5 StR113/15 vom 3. Juni 2015 in der Strafsache gegen wegen Totschlags Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Juni 2015, an der teilgenommen haben: Richter Prof. Dr. Sander

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 150/06
vom
26. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Juli 2006,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Boetticher,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 10. Januar 2006 wird verworfen. Die Staatskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen.
Von Rechts wegen

Gründe:

I.


1
1. Die Strafkammer hat festgestellt:
2
Der Angeklagte hatte am 2. Mai 2004 anlässlich einer Konfirmationsfeier im Familienkreis bei einem Spaziergang im Wald mit seiner Cousine, die für ihn erhebliche Sympathien empfand, Geschlechtsverkehr. Dabei hatte der damals 21 Jahre alte Angeklagte zwar den entgegenstehenden Willen der damals 13jährigen Geschädigten erkannt; davon, dass er, wie sie behauptet hat, Gewalt anwandte, hat sich die Strafkammer aber nicht überzeugen können. Die Geschädigte vertraute sich zunächst niemanden an, sondern wollte das Geschehen allein verarbeiten. Um kein familiäres Aufsehen zu erregen, rief sie ihn etwa ein Jahr später sogar an und fragte, ob er zu ihrer Konfirmationsfeier käme. Offenbar hierdurch ermutigt, schickte er ihr in der Folge SMS-Nachrichten mit zunehmend zweideutigem Inhalt. Unter dem Eindruck dieser Nachrichten war sie der Belastung, die Tat allein zu verarbeiten, nicht mehr gewachsen und vertraute sich einer Freundin an.
3
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 Abs. 1, § 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB) zu zwei Jahren Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt. Dabei nahm die Strafkammer einen minder schweren Fall (§ 176a Abs. 4 StGB) an, da sie trotz einer Reihe belastender Umstände in der Persönlichkeit des Angeklagten , im Tathergang und im Nachtatverhalten von ihr näher dargelegte mildernde Gesichtspunkte sah.
4
3. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft zum Nachteil des Angeklagten. Einen ausdrücklichen Revisionsantrag (zu dessen Funktion vgl. BGH NStZ-RR 2004, 118) hat die Staatsanwaltschaft entgegen § 344 Abs. 1 StPO nicht gestellt. Ausweislich der Begründung des Rechtsmittels ist es nicht gegen den Schuldspruch (etwa wegen der Verneinung von Gewalt) gerichtet, sondern allein gegen den Strafausspruch , insbesondere die Annahme eines minder schweren Falles und die Strafaussetzung zur Bewährung.

II.


5
Das auch vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel bleibt erfolglos.
6
1. Die Annahme eines minder schweren Falles ist rechtsfehlerfrei.
7
a) Die Staatsanwaltschaft verweist auf die Gesetzesmaterialien zu § 176a StGB: Dort, so trägt sie zutreffend vor, ist als Beispiel eines minder schweren Falles die Liebesbeziehung zwischen einem körperlich und seelisch weit über den altersgemäßen Zustand hinaus entwickelten fast 14 Jahre alten Mädchen und einem jungen Erwachsenen genannt (vgl. BTDrucks. 13/8587 S. 32). Da der vorliegende Fall offenkundig mit jenem Beispielsfall nicht zu vergleichen ist, so folgert die Staatsanwaltschaft, widerspräche es dem Willen des Gesetzgebers und überschreite daher die Grenze des Vertretbaren, hier einen minder schweren Fall anzunehmen.
8
b) Der Senat kann dem nicht folgen.
9
§§ 176, 176a StGB schützen die Möglichkeit zur ungestörten sexuellen Entwicklung von Kindern (vgl. BGHSt 45, 131, 132; Tröndle/ Fischer StGB 53. Aufl. § 176 Rdn. 2 jew. m.w.N.). Es erscheint nahe liegend, dass ein minder schwerer Fall gegeben sein kann, wenn das zu schützende Rechtsgut wegen Besonderheiten in der Person eines „weit über den altersgemäßen Zustand hinaus entwickelten“ Opfers weniger stark als üblich gefährdet erscheint. Das ändert jedoch nichts daran, dass die Annahme eines minder schweren Falles nicht von Rechts wegen auf diese oder überhaupt eine bestimmte Art der Fallgestaltung beschränkt wäre. Vielmehr sind, wie die Strafkammer und auch die Staatsanwaltschaft selbst an anderer Stelle ihrer Revisionsbegründung ausführen , alle Umstände heranzuziehen, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (st. Rspr. seit BGHSt 26, 97, 98). Anhaltspunkte dafür, dass die genannte Stelle in den Gesetzesmaterialien darauf hindeuten könnte, dass hier etwas anderes gelten solle, sind nicht ersichtlich. Der Senat braucht daher hier nicht der Frage nachzugehen, welche Bedeutung Ausfüh- rungen in den Gesetzesmaterialien haben können, die im Gesetz selbst keinen Niederschlag gefunden haben (vgl. hierzu BGHSt 42, 291, 293; 47, 243, 245).
10
c) Wie dies auch der Generalbundesanwalt in seinem Terminsantrag vom 9. Mai 2006 zutreffend ausgeführt und belegt hat, hält die von der Strafkammer vorgenommene Wertung der Tat als minder schwerer Fall auch sonst revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. Die Erschwernisgründe und mildernden Gesichtspunkte im Rahmen der insoweit gebotenen Gesamtwürdigung gegeneinander abzuwägen, ist Sache des Tatrichters. Hält sich dessen Wertung rechtsfehlerfrei in den Grenzen des ihm dabei zustehenden Beurteilungsrahmens, ist sie vielmehr vom Revisionsgericht auch dann zu respektieren, wenn dieses selbst die angefallenen Erkenntnisse anders gewichtet hätte (vgl. hierzu zusammenfassend auch BGH, Urteil vom 10. März 1999 - 3 StR 15/99; Maatz/ Wahl, Festschrift 50 Jahre BGH S. 531, 551 f.). Die Strafkammer hat ihre Entscheidung für die Annahme eines minder schweren Falles auf Grund einer eingehenden Gesamtbetrachtung getroffen und auf die dafür bestimmenden Umstände (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) hingewiesen. Dass sie insgesamt die Grenzen möglicher tatrichterlicher Beurteilung überschritten hätte, ist nicht erkennbar.
11
Auch die hierauf bezogenen Darlegungen der Revision können nichts anderes belegen:
12
(1) Die Strafkammer hat auch erwogen, dass der Angeklagte den Geschlechtsverkehr mit dem Mädchen vollzog, „obwohl er wusste, dass es damit nicht einverstanden ist“. Das Vorbringen der Revision, dieser Gesichtspunkt sei „nur am Rande erwähnt“ und nur „untergeordnet gewürdigt“, es fehle eine „ausdrückliche Erörterung“, ist schon im Ansatz wenig klar. Unabhängig davon kann die Annahme der Staatsanwaltschaft, das Handeln des Angeklagten gegen den von ihm erkannten Willen der Geschädigten wäre als „entscheidendes Kriterium“ für die Ablehnung eines minder schweren Falles heranzuziehen gewesen, allerdings verdeutlichen, dass auch eine andere Bewertung als die von der Strafkammer vorgenommene möglich, vielleicht sogar nahe liegend gewesen wäre. Rechtsfehlerhaft ist die Bewertung durch die Strafkammer deshalb aber nicht.
13
(2) Wie dargelegt, hat sich die Geschädigte erst offenbart, nachdem sie vom Angeklagten zweideutige SMS-Nachrichten erhielt. Der zeitliche Zusammenhang zwischen SMS-Nachrichten und Offenbarung rechtfertigt ohne weiteres die Annahme, dass diese Nachrichten für sie in besonderem Maße belastend waren. Die Strafkammer spricht in diesem Zusammenhang von “erheblichen weiteren psychischen Nachteilen“. Die Staatsanwaltschaft meint dagegen, die schweren psychischen Belastungen resultierten „vornehmlich aus dem gegen den Willen des Kindes vollzogenen Geschlechtsverkehr selbst“. Der Senat braucht der Frage, wieso, wie die Staatsanwaltschaft meint, deshalb die Traumatisierungen der Geschädigten „nicht ausreichend ... gewürdigt“ sein sollen, aber nicht näher nachzugehen, weil sich dieser Teil des Vorbringens von den (rechtsfehlerfrei getroffenen) Urteilsfeststellungen entfernt und schon deshalb ins Leere geht.
14
2. Auch im Übrigen ist der Strafausspruch rechtsfehlerfrei.
15
a) Hinsichtlich der von der Staatsanwaltschaft auch nicht speziell angegriffenen Strafzumessung innerhalb des zuvor gefundenen Strafrahmens bedarf dies keiner weiteren Darlegung.
16
b) Auch die Strafaussetzung zur Bewährung hält rechtlicher Überprüfung stand.
17
(1) Die Ausführungen der Strafkammer zu § 56 Abs. 1 und § 56 Abs. 2 StGB sind sorgfältig begründet und überschreiten die bei der revisionsrechtlichen Überprüfung maßgebliche „Grenze des Vertretbaren“ (st. Rspr., vgl. die Nachw. bei Tröndle/Fischer aaO § 56 Rdn. 25) nicht. Die nicht näher ausgeführte nur pauschale Behauptung der Staatsanwaltschaft, die „angeführten Gründe (seien) auch in der Gesamtschau nicht geeignet, eine Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zu rechtfertigen“, vermag die Möglichkeit eines Rechtsfehlers nicht zu verdeutlichen.
18
(2) Zu § 56 Abs. 3 StGB hat der Generalbundesanwalt in seinem Terminsantrag vom 9. Mai 2006 ausgeführt:
19
„Entgegen der Auffassung der Revision liegen Umstände, wegen derer die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung geboten wäre, nicht nahe. Eine ausdrückliche Erörterung von § 56 Abs. 3 StGB war daher nicht veranlasst. Das Tatgeschehen ist von Besonderheiten in der Person des zur Tatzeit erst 21 Jahre alten Täters sowie dem Umstand geprägt, dass sich die Tat auf dem Boden einer jahrelang bestehenden Freundschaft zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten entwickelt hat. Trotz der psychischen Beeinträchtigung beim Tatopfer, die allerdings nicht als außergewöhnliche Folgen sexuellen Missbrauchs zu werten sind, ist es für das allgemeine Rechtsempfinden nicht schlechthin unverständlich, dass bei einem erst 21jährigen reuigen Täter die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wird. Dies gilt umso mehr, als sich der Angeklagte bereits für die Dauer von fünf Monaten in Untersuchungshaft befunden hatte.“
20
Dem stimmt der Senat zu. Nack Wahl Boetticher Hebenstreit Elf
5 StR 403/10

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 12. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schwerer Vergewaltigung u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
12. Januar 2011, an der teilgenommen haben:
Richter Schaal als Vorsitzender,
Richterin Roggenbuck,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay
alsbeisitzendeRichter,
Staatsanwältin ,
Staatsanwältin beim Bundesgerichtshof
alsVertreterinnenderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
alsVerteidiger,
Rechtsanwalt
alsVertreterderNebenklägerin,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 26. April 2010 werden verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Der Angeklagte trägt die Kosten seiner Revision und die der Nebenklägerin hierdurch erwachsenen notwendigen Auslagen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten – unter Freisprechung im Übrigen – wegen besonders schwerer Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit ihrer auf den Strafausspruch beschränkten Revision, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Sie macht insbesondere geltend, das Landgericht habe rechtsfehlerhaft einen minder schweren Fall der besonders schweren Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 5 Halbsatz 2 StGB angenommen und zudem die Untergrenze des § 177 Abs. 2 StGB bei der Strafrahmenbestimmung als nicht beachtlich angesehen. Der Angeklagte beanstandet mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützten Revision die Nichtannahme einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB. Beide Revisionen bleiben ohne Erfolg.

2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
Die Nebenklägerin bat den mit maximal 2 ‰ alkoholisierten Angeklagten , den sie als Nachbarn vom Sehen her kannte, am Morgen des 7. November 2009 in ihre Wohnung. Nach einer zunächst freundlichen Unterhaltung wollte der Angeklagte von der Nebenklägerin Geld. Die Nebenklägerin erklärte , dass sie kein Geld habe. Daraufhin schlug ihr der Angeklagte mit einem Schlagring ein- bis zweimal ins Gesicht, „um seinen Frust über sein trostloses Leben abzureagieren“. Als er die Nebenklägerin dann ängstlich und hilflos sah, wollte er mit ihr geschlechtlich verkehren. Er verlangte von ihr, an ihm den Oralverkehr auszuüben. Unter dem Eindruck der Gewalthandlungen kam sie der Aufforderung nach, wobei ihr der Oralverkehr so starke Übelkeit verursachte , dass sie sich auf der Toilette übergeben musste. Nach ihrer Rückkehr verlangte der Angeklagte vaginalen Geschlechtsverkehr. Als sie sich weigerte, schlug er ihr mit seinem Schlagring erneut mehrfach ins Gesicht und gegen den Kopf. Es gelang ihm jedoch nicht, mit seinem erigierten Penis in die Scheide der sich vehement wehrenden Nebenklägerin einzudringen. Die Nebenklägerin konnte den Angeklagten trotz ihrer Verletzungen, unter anderem einer stark blutenden Kopfplatzwunde, mit den Füßen wegstoßen und – um Hilfe schreiend – ins Treppenhaus fliehen. Der Angeklagte flüchtete aus dem Fenster. Als er bemerkte, dass er seinen Ausweis am Tatort vergessen hatte, stellte er sich selbst bei der Polizei.
4
Das Landgericht hat einen minder schweren Fall der besonders schweren Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 5 Halbsatz 2 StGB angenommen. Im Rahmen der Gesamtwürdigung hat es maßgebend strafmildernd berücksichtigt das umfängliche von Reue getragene Geständnis des zur Tatzeit 24jährigen , nicht vorbestraften Angeklagten, das der Nebenklägerin eine Aussage in der Hauptverhandlung erspart habe, seine Entschuldigung, verbunden mit einem Schmerzensgeldangebot von 1.000 €, seine alkoholbedingte Enthemmung , seine Strafempfindlichkeit als Erstverbüßer und seine Selbststellung bei den Ermittlungsbehörden. Strafschärfend hat es ausdrücklich die psy- chischen Auswirkungen der Tat und die gegenüber der Nebenklägerin aufgewendete Tatintensität gewertet, deren Vertrauen und Gastfreundschaft der Angeklagte überdies missbraucht habe. Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, dass bei dem zugrunde zu legenden minder schweren Fall des § 177 Abs. 5 Halbsatz 2 StGB die Untergrenze des § 177 Abs. 2 StGB „nicht zu beachten“ sei, da die zuvor genannten Umstände in ihrer Gesamtheit auch die Regelwirkung dieser Vorschrift entfallen ließen.
5
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft deckt letztlich keinen durchgreifenden Rechtsfehler bei der Strafrahmenwahl und der Strafzumessung auf.
6
Strafzumessung Die ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, auf Grund der Hauptverhandlung die wesentlichen be- und entlastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht kann nach ständiger Rechtsprechung nur eingreifen, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen wird oder sich die verhängte Strafe von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs so weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraums liegt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 – GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349 mwN).
7
a) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des Landgerichts revisionsrechtlich hinzunehmen. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin ist die tatrichterliche Gesamtwürdigung bei der Bestimmung des Strafrahmens nicht lückenhaft. Nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe hat das Landgericht die von der Revision vermisste Erörterung der Verletzung mehrerer Strafgesetze (neben der Vergewaltigung zugleich gefährliche Körperverletzung und Verstoß gegen das Waffengesetz) nicht außer Acht gelassen. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung führt die Strafkammer die Verwendung des Schlagrings – eine Verurteilung erfolgte nicht, weil die Staatsanwaltschaft das Verfahren insoweit gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt hatte – und dessen besondere Gefährlichkeit an. Der Senat schließt aus, dass ihr diese Umstände bei der Strafzumessung aus dem Blick geraten sein könnten. Gleiches gilt hinsichtlich der physischen Verletzungsfolgen , die das Landgericht im Einzelnen festgestellt und auch im Lichte möglicher Spätfolgen erörtert hat.
8
b) Ebenso liegt eine von der Revision beanstandete fehlerhafte Gewichtung der Strafzumessungserwägungen bei der Strafrahmenwahl nicht vor. Die Beschwerdeführerin nimmt lediglich eine eigene stärkere Gewichtung der hohen Gewaltkomponente und der besonderen Intensität der erzwungenen sexuellen Handlungen vor; Rechtsfehler bei der Annahme eines minder schweren Falls zeigt sie indes nicht auf.
9
c) Nicht zu Unrecht rügt die Beschwerdeführerin allerdings, dass das Landgericht die Untergrenze des § 177 Abs. 2 StGB ohne nähere Begründung als unbeachtlich angesehen hat. Für den Wegfall der Regelwirkung dieser Vorschrift genügt nicht die bloße Bezugnahme auf die Erwägungen, die zur Annahme eines minder schweren Falls nach § 177 Abs. 5 Halbsatz 2 StGB geführt haben. Das Tatgericht muss sich vielmehr mit dem systematischen Zusammenhang zwischen dem Qualifikationstatbestand des § 177 Abs. 4 StGB, der eine Vergewaltigung im Sinne des § 177 Abs. 2 Satz 1, 2 Nr. 1 StGB nicht erfordert, und dem Regelbeispiel des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB auseinandersetzen. Eine Entkräftung der Regelwirkung des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB kommt nur bei ganz außergewöhnlichen – hier nicht gegebenen – Milderungsgesichtspunkten in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2003 – 3 StR 60/03, NStZ 2004, 32 f.; Urteil vom 7. März 2000 – 5 StR 30/00, NStZ 2000, 419).
10
Insoweit in Übereinstimmung mit der Auffassung des Generalbundesanwalts schließt der Senat jedoch angesichts der verhängten Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten aus, dass sich der Rechtsfehler auf die konkrete Straffindung ausgewirkt hat. Die Strafe orientiert sich weder an einer Ober- noch an einer Untergrenze des Strafrahmens, so dass die fehlerhafte Annahme der Strafrahmenuntergrenze des § 177 Abs. 5 Halbsatz 2 StGB (ein Jahr Freiheitsstrafe) im Vergleich zu der richtigerweise anzuwendenden Untergrenze des § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB (zwei Jahre Freiheitsstrafe) ohne Belang ist.
11
3. Die Revision des Angeklagten ist gleichfalls unbegründet. Seine Verfahrensrüge dringt aus den vom Generalbundesanwalt genannten Gründen ebenso wenig durch wie die Sachrüge. Das Landgericht hat namentlich aufgrund der motorischen Fähigkeiten des Angeklagten sowie seines aufrecht erhaltenen Orientierungs- und Erinnerungsvermögens bei einer errechneten Blutalkoholkonzentration von maximal 2 ‰ zur Tatzeit rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB verneint.
Schaal Roggenbuck Schneider König Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR216/14
vom
31. Juli 2014
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 31. Juli 2014,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Mutzbauer,
Bender,
Dr. Quentin,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 22. November 2013 wird verworfen. 2. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen das Urteil richtet sich die auf den Strafausspruch beschränkte, vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Sie hat keinen Erfolg.

I.


2
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Antrag der Revisionsführerin, mit dem sie die Aufhebung des Urteils insgesamt begehrt, aber unzweifelhaft aus der Begründung des Rechtsmittels, die sich ausschließlich mit der nach Ansicht der Staatsanwaltschaft zu milden Strafe befasst. Unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV versteht der Senat das Revisionsvorbringen dahin, dass die Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel weder den Schuld- noch den Maßregelausspruch angreifen will (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 2011 - 4 StR 354/11 [juris Rn. 11], sowie die Nachweise bei Meyer-Goßner, StPO, 57. Aufl., § 344 Rn. 6). Es liegt auch kein Fall vor, in dem eine Abhängigkeit der Strafhöhe vom (unterlassenen) Maßregelausspruch besteht (vgl. BGH, Beschluss vom 2. November 2011 - 2 StR 251/11, StV 2012, 203 f., sowie für den umgekehrten Fall BGH, Urteil vom 31. Juli 2013 - 2 StR 620/12 [juris Rn. 8]).

II.


3
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat aus den vom Generalbundesanwalt in der Zuschrift vom 21. Mai 2014 dargelegten Gründen keinen Erfolg. Der Strafausspruch weist weder einen den Angeklagten begünstigenden, noch einen ihn belastenden (§ 301 StPO) Rechtsfehler auf. Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat lediglich:
4
Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und hierbei gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist nur möglich, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Dagegen ist eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ausgeschlossen (BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349). Das gilt auch insoweit, als die tatrichterliche Annahme oder Verneinung eines minder schweren Falles zur revisionsgerichtlichen Prüfung steht (st. Rspr.; vgl.
etwa BGH, Urteile vom 26. Juli 2006 - 1 StR 150/06, NStZ-RR 2006, 339, 340; vom 27. Januar 2010 - 2 StR 498/09 [juris Rn. 4]; Beschluss vom 20. August 2008 - 5 StR 375/08 [juris Rn. 3]).
5
Daran gemessen ist weder die Annahme des Landgerichts, es liege ein minder schwerer Fall vor, noch die Strafhöhe als durchgreifend rechtsfehlerhaft zu beanstanden. Dass die Strafkammer im Rahmen der Gesamtabwägung die im Urteil genannten Milderungsgründe - ohne dabei die Tat des Angeklagten zu verharmlosen - für so überwiegend hielt, dass es das Vorliegen eines minder schweren Falles bejahte, hält sich insbesondere bei Berücksichtigung des Zeitablaufs noch im Rahmen tatrichterlichen Ermessens. Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang die Nennung zulässiger Strafschärfungsgründe wie etwa die Maskierung der Täter (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2000 - 4 StR 611/99; Urteile vom 5. November 1997 - 5 StR 504/97, NStZ 1998, 188; vom 20. April 2004 - 5 StR 87/04 [juris Rn. 7]) vermisst, gilt - neben dem oben genannten begrenzten Überprüfungsmaßstab - Folgendes: Eine erschöpfende Aufzählung aller in Betracht kommenden Erwägungen ist weder vorgeschrieben noch möglich. Daraus, dass ein für die Strafzumessung bedeutsamer Umstand nicht ausdrücklich angeführt worden ist, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, der Tatrichter habe ihn überhaupt nicht gesehen oder nicht gewertet (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 12. Mai 2005 - 5 StR 86/05; vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336). Was als wesentlicher Strafzumessungsgrund anzusehen ist, ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls vom Tatrichter zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom 2. August 2012 - 3 StR 132/12, NStZ-RR 2012, 336 mwN).
Sost-Scheible Roggenbuck Mutzbauer Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 413/11
vom
19. Januar 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 19. Januar
2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
von Lienen,
Hubert,
Dr. Schäfer
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung - ,
Staatsanwalt - bei der Verkündung -
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 6. Mai 2011 wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in Tateinheit mit Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Nach den Feststellungen fügte der Angeklagte bei zwei Gelegenheiten aus Verärgerung und Überforderung dem zwei Jahre alten Sohn seiner Lebensgefährtin am Rücken mit einer heißen Flüssigkeit eine großflächige Verbrühung sowie weitere schwerwiegende, schmerzhafte Verletzungen zu, an deren Folgen das Kind verstarb.
2
Gegen das Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Revision. Sie beanstandet mit der Sachrüge Rechtsfehler bei der Strafzumessung und hält insbesondere die verhängte Strafe für unvertretbar milde. Das Rechtsmittel, das vom Generalbundesanwalt vertreten wird, bleibt ohne Erfolg.
3
1. Die Strafkammer hat einen minder schweren Fall der Körperverletzung mit Todesfolge abgelehnt und ist vom Regelstrafrahmen des § 227 Abs. 1 StGB ausgegangen. Innerhalb des Strafrahmens von drei bis 15 Jahren Freiheitsstrafe hat es zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass er noch jung sowie nur geringfügig vorbestraft ist, im Tatzeitraum innerlich angespannt und mit seiner Lebenssituation überfordert war, spontan handelte, erstmals Untersuchungshaft verbüßt und sich für ihn die Haftsituation vergleichsweise hart darstellt. Zu seinen Lasten hat sie das hohe Maß der in multipler Form angewendeten Gewalt, die sich gegen ein ihm wehrlos ausgeliefertes Opfer richtete, die Misshandlungen an besonders schmerzempfindlichen Körperregionen, die über eine Woche lang andauernden Schmerzen sowie die Verwirklichung von zwei Straftatbeständen gewertet.
4
2. Die dem Tatgericht obliegende Strafzumessung hält sachlich rechtlicher Überprüfung stand. Revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler in dem Sinne, dass die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstoßen, bestimmende Strafzumessungstatsachen übergangen wurden oder sich die verhängte Freiheitsstrafe von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs offenkundig löst (vgl. BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345, 349; BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 - 3 StR 441/10, NStZ 2011, 270; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 337 Rn. 34), liegen nicht vor.
5
Den Umstand, dass der Angeklagte das Kleinkind mehrfach mit direktem Vorsatz grob und mit roher Gewalt misshandelte, hat das Landgericht ausdrücklich bei der Strafzumessung straferschwerend gewichtet. Dasselbe gilt für die ihm zugefügten intensiven körperlichen Schmerzen. Es ist nicht zu besorgen , dass es die seelischen Qualen sowie die psychischen Belastungen, die das Tatopfer in den letzten Wochen vor seinem Tod erleiden musste, und die Tatfolgen für dessen Familie dabei unberücksichtigt gelassen hat, zumal diese Gesichtspunkte in mehreren Urteilspassagen angesprochen sind. Dass in den Strafzumessungsgründen eine Erwägung nicht ausdrücklich wiederholt wird, lässt nicht ohne weiteres den Schluss zu, das Tatgericht habe sie bei der Zumessung der Strafe übersehen (BGH, Beschluss vom 2. März 1989 - 1 StR 7/89, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 18). Den Versuch des Angeklagten , Tatspuren zu beseitigen, durfte die Strafkammer nicht zu seinen Lasten werten (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rn. 49 mwN), sein Verteidigungsverhalten (vgl. Fischer, aaO Rn. 52, 53) musste sie nicht zwingend als bestimmenden Strafzumessungsgrund ausdrücklich in die Strafzumessung einstellen. Mit der Formulierung "Strafmildernd war … zu berücksichtigen, dass er erstmals Untersuchungshaft verbüßt und dass sich für ihn die Haftsituation vor dem Hintergrund des Tatvorwurfs und der damit verbundenen Reaktionen von Mitgefangenen härter gestaltet als bei anderen Gefangenen." hat sie ohne durchgreifenden Rechtsfehler eine besondere Haftempfindlichkeit zum Ausdruck gebracht und nicht lediglich den Vollzug von Untersuchungshaft an sich strafmildernd berücksichtigt (BGH, Urteil vom 14. Juni 2006 - 2 StR 34/06, NStZ 2006, 620 f.; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 46 Rn. 70-73). Entgegen der Meinung der Staatsanwaltschaft ist die verhängte Freiheitsstrafe von neun Jahren angesichts der Strafzumessungstatsachen nicht offenkundig so unvertretbar milde, dass sie sich von ihrer Bestimmung löst, einen gerechten Schuldausgleich herbeizuführen , und somit außerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Beurteilungsspielraums liegt. Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer