Bundesgerichtshof Urteil, 22. Aug. 2001 - 5 StR 431/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Die Staatsanwaltschaft Dresden hat dem Angeklagten mit der zugelassenen Anklageschrift vorgeworfen, in der Zeit vom 1. Januar 1997 bis Mai 1997 in insgesamt 14 näher beschriebenen Fällen mit Betäubungsmitteln (Kokain u. a.) in jeweils nicht geringen Mengen unerlaubt Handel getrieben zu haben. Das Landgericht hat das Verfahren durch Urteil gemäß § 260 Abs. 3 StPO eingestellt, weil die angeklagten Taten schon Gegenstand eines früheren Verfahrens gewesen seien (Landgericht Dresden, Aktenzeichen : 4 KLs 423 Js 61496/97), dieses insoweit nach § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt worden und eine Wiederaufnahme (§ 154 Abs. 4 StPO) nicht erfolgt sei. Mit ihrer – vom Generalbundesanwalt letztlich vertretenen – Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Mit der “Aufklärungsrüge” beanstandet sie, daß das erkennende Gericht keine Beweisaufnahme durchgeführt habe. Dem Rechtsmittel ist ein Erfolg nicht zu versagen.
Der Senat hat das im angefochtenen Urteil angenommene Verfahrenshindernis von Amts wegen im Freibeweisverfahren zu prüfen (vgl. Pfeiffer in KK 4. Aufl. Einleitung Rdn. 133). Deshalb ist unerheblich, daß die Ausführungen der Beschwerdeführerin in der Revisionsbegründung den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht genügen. Die Prüfung ergibt, daß die Einstellung des früheren Verfahrens hinsichtlich des Falles 54 der damaligen Anklageschrift vom 20. März 1998 gemäß § 154 Abs. 2 StPO für die hier angeklagten Taten schon deshalb keine Sperrwirkung (vgl. dazu Rieß in Löwe/Rosenberg, StPO 24. Aufl. § 154 Rdn. 41, 50) entfalten konnte, weil sie diese Taten nicht erfaßte.
Sofern kein besonderer Vertrauensschutz gemäß dem Fairneßgrundsatz greifen sollte, kommt eine aus § 154 Abs. 2 StPO folgende Sperrwirkung nicht in Betracht, wenn es hierfür an einer wirksamen, ausreichend konkreten Anklageerhebung gefehlt hat (vgl. BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 – Tat 13). Nach ständiger Rechtsprechung hat die Anklageschrift die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen, daß die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche Tat gemeint ist; die Tat muß sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Täters unterscheiden lassen (BGHSt 40, 44, 45; 40, 390, 391; zusammenfassend Kuckein StraFo 1997, 33, 36). Diesen Anforderungen genügt die im “Alt-Verfahren” erhobene Anklage in Fall 54 weitgehend nicht.
Die damalige – unverändert zugelassene – Anklage lastete dem Angeklagten insoweit (gewerbsmäßiges) unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln an. Ihm wurde vorgeworfen, “bis zu seiner Festnahme am 30. Oktober 1997 verschiedene Betäubungsmittel, wie Cannabis, Cannabisprodukte , MDMA, MDE und Kokain, an Zwischenhändler und Drogenabhängige in Dresden und Umgebung veräußert zu haben, um dadurch Gewinne für sich zu erzielen”. Der Angeklagte habe das Rauschgift vor dem Verkauf auf einer Feinwaage abgewogen und portioniert, durch Zugabe von Lactose und Mannit gestreckt und verkaufsfertig in zuvor angefertigte Faltbriefchen verpackt. Bei der Durchsuchung am 30. Oktober 1997 sei eine Vielzahl von Gegenständen und Substanzen gefunden worden, welche diesem Zweck zu dienen geeignet und bestimmt gewesen seien.
Es fehlte hiermit bereits weitgehend an einer hinreichend deutlichen Eingrenzung des Tatzeitraumes. Die Angabe, daß der Anklagte bis zu seiner Festnahme am 30. Oktober 1997 mit Betäubungsmitteln gehandelt habe, läßt für sich offen, wann er diese Handlung(en) frühestens begangen haben könnte. Der ergänzende Hinweis im wesentlichen Ermittlungsergebnis – auf welches zur Verdeutlichung und ergänzenden Erläuterung des Anklagesatzes zurückgegriffen werden darf (BGHSt 46, 130, 134; BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 – Tat 12; jeweils m.w.N.) –, der Angeklagte habe spätestens im Januar 1996 mit dem Verkauf von Betäubungsmitteln begonnen, trägt zur näheren Konkretisierung des hier maßgeblichen Anklagepunktes 54 nicht bei; ersichtlich ist mit dieser Zeitangabe der Beginn der ersten weiteren 53 Taten gemeint. Eine zeitlich nur sehr vage Beschreibung des Tatvorwurfs führt zwar nicht zwingend zur Annahme eines Verfahrenshindernisses (vgl. BGHSt 44, 153, 154 ff.; BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 – Anklagesatz 2; Tat 13, 14). Doch läßt die Anklage darüber hinaus jedwede Information zu Teilakten des Handeltreibens, insbesondere zu einzelnen Erwerbs- oder Veräußerungshandlungen, zu Art und Menge von Betäubungsmitteln, zu Geschäftspartnern und ähnlichem vermissen.
Soweit unter Ziffer 54 im Anklagevorwurf mitgeteilt wird, daß bei der Festnahme des Angeklagten am 30. Oktober 1997 in dessen Wohnung noch kleinere Mengen und Anhaftungen verschiedener, im einzelnen bezeichneter Betäubungsmittel gefunden worden sind, ist damit freilich der Umgang mit diesen Betäubungsmitteln hinreichend konkretisiert; insoweit ist ein Teilakt gewerbsmäßigen Handeltreibens (noch) ausreichend angeklagt. Ferner läßt sich aus der zeitlichen Abfolge der angeklagten Taten und dem Zusammenhang zwischen den Anklagepunkten 53 (Handeltreiben bis zum 13. Oktober 1997) und 54 allenfalls noch eine konkrete Anklage gewerbsmäßigen Handeltreibens ab dem 14. Oktober 1997 aus der Anklage herauslesen. Keinesfalls bestehen aber Anhaltspunkte dafür, daß zwischen einem so verstandenen Tatvorwurf und den neuerlich angeklagten Taten irgendein Zusammenhang besteht, zumal letztere ausweislich der Anklage schon im Mai 1997, somit fünf Monate zuvor beendet gewesen sein sollen.
Bei dieser Sachlage kann offenbleiben, inwieweit eine frühere Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO gegenüber einer neuerlichen Strafverfolgung bei Hinzutreten erschwerender Umstände Sperrwirkung entfalten kann (vgl. dazu BGH NStZ 1986, 36 m. Anm. Rieß).
Der beträchtliche Zeitablauf seit Begehung der hier angeklagten Taten und der Vorlauf dieses Verfahrens, der dem Angeklagten nicht anzulasten ist, wird vom neuen Tatrichter ganz erheblich zu Gunsten des Angeklagten zu berücksichtigen sein.
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(1) Die Hauptverhandlung schließt mit der auf die Beratung folgenden Verkündung des Urteils.
(2) Wird ein Berufsverbot angeordnet, so ist im Urteil der Beruf, der Berufszweig, das Gewerbe oder der Gewerbezweig, dessen Ausübung verboten wird, genau zu bezeichnen.
(3) Die Einstellung des Verfahrens ist im Urteil auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht.
(4) Die Urteilsformel gibt die rechtliche Bezeichnung der Tat an, deren der Angeklagte schuldig gesprochen wird. Hat ein Straftatbestand eine gesetzliche Überschrift, so soll diese zur rechtlichen Bezeichnung der Tat verwendet werden. Wird eine Geldstrafe verhängt, so sind Zahl und Höhe der Tagessätze in die Urteilsformel aufzunehmen. Wird die Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten, die Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung zur Bewährung ausgesetzt, der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt oder von Strafe abgesehen, so ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen. Im übrigen unterliegt die Fassung der Urteilsformel dem Ermessen des Gerichts.
(5) Nach der Urteilsformel werden die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufgeführt. Ist bei einer Verurteilung, durch die auf Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt wird, die Tat oder der ihrer Bedeutung nach überwiegende Teil der Taten auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen worden, so ist außerdem § 17 Abs. 2 des Bundeszentralregistergesetzes anzuführen.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.
(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.
(1) Die Anklageschrift hat den Angeschuldigten, die Tat, die ihm zur Last gelegt wird, Zeit und Ort ihrer Begehung, die gesetzlichen Merkmale der Straftat und die anzuwendenden Strafvorschriften zu bezeichnen (Anklagesatz). In ihr sind ferner die Beweismittel, das Gericht, vor dem die Hauptverhandlung stattfinden soll, und der Verteidiger anzugeben. Bei der Benennung von Zeugen ist nicht deren vollständige Anschrift, sondern nur deren Wohn- oder Aufenthaltsort anzugeben. In den Fällen des § 68 Absatz 1 Satz 3, Absatz 2 Satz 1 genügt die Angabe des Namens des Zeugen. Wird ein Zeuge benannt, dessen Identität ganz oder teilweise nicht offenbart werden soll, so ist dies anzugeben; für die Geheimhaltung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des Zeugen gilt dies entsprechend.
(2) In der Anklageschrift wird auch das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen dargestellt. Davon kann abgesehen werden, wenn Anklage beim Strafrichter erhoben wird.
(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,
- 1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder - 2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.
(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.
(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.
(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.
(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.