Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2016 - 5 StR 162/16
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. Oktober 2016, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider, Richter Dölp, Richter Prof. Dr. König, Richter Dr. Feilcke
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin als Gruppenleiterin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt W.
als Verteidiger des Angeklagten G. ,
Rechtsanwalt R.
als Verteidiger des Angeklagten L. ,
Rechtsanwalt We.
als Verteidiger des Angeklagten H. ,
Rechtsanwalt Wa.
als Verteidiger des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt S.
als Verteidiger des Angeklagten Ki. ,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
a) jeweils im gesamten Strafausspruch,
b) soweit das Landgericht bezüglich der Fälle 1 bis 3 der Urteilsgründe Entscheidungen gemäß § 111i Abs. 2 StPO unterlassen hat.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
Gründe:
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- Das Landgericht hat die Angeklagten namentlich wegen vielfacher, teils banden- und gewerbsmäßig begangener Betrugstaten und (banden- und gewerbsmäßiger ) Urkundendelikte schuldig gesprochen. Es hat deswegen verurteilt die Angeklagten G. und L. jeweils zu einer Gesamtfreiheits- strafe von einem Jahr und sechs Monaten, die Angeklagten K. und Ki. jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und den Angeklagten H. unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren aus einem anderen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten und zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten.
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- und Ki. sowie der zweiten gegen den Angeklagten H. verhängten Gesamtfreiheitsstrafe hat das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt. Gegen das Urteil richten sich mit der Sachrüge geführte und auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Revisionen der Staatsanwaltschaft. Die durch den Generalbundesanwalt zum Teil vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg.
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- 1. Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatgerichts. Es ist seine Aufgabe, aufgrund der Hauptverhandlung die wesentlichen be- und entlastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Das Revisionsgericht kann nur eingreifen, wenn sich beispielsweise die verhängte Strafe von ihrer Bestimmung eines gerechten Schuldausgleichs so- weit löst, dass sie nicht mehr innerhalb des dem Tatgericht eingeräumten Spielraumes liegt (st. Rspr. vgl. etwa BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 6/15; dort nicht abgedruckt; Schäfer/Sander/van Gemmeren, Praxis der Strafzumessung , 5. Aufl. Rn. 833).
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- Gemessen hieran ist die Entscheidung des Landgerichts nicht mehr hinnehmbar. Die banden- und gewerbsmäßig handelnden Angeklagten haben professionell mit hohem Organisationsgrad (UA S. 57 f.), unter Nutzung von Gesellschaften und Fälschung zahlreicher Unterlagen eine Vielzahl von Straftaten mit einem Schaden von etwa 400.000 Euro zum Nachteil der Berliner Sparkasse begangen (Fälle 1 bis 3). Darüber hinaus haben sie sich mit einer Beuteerwartung von weiteren mehreren hunderttausend Euro zu Straftaten ähnlichen Charakters verabredet oder haben versucht, sie zu begehen (Fälle 4 bis 7). Angesichts dessen sind die verhängten Einzel- und Gesamtfreiheitsstrafen auch unter Berücksichtigung der vom Landgericht zugunsten der Angeklagten angeführten Gesichtspunkte unvertretbar niedrig. Es ist dabei – ausgenommen die erste Gesamtfreiheitstrafe betreffend den Angeklagten H. – zu besorgen , dass das Landgericht nicht nur die Bemessung der Gesamtstrafen, sondern auch bereits der Einzelstrafen so vorgenommen hat, dass die Vollstreckung noch zur Bewährung ausgesetzt werden konnte (vgl. BGH, Urteile vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11, BGHSt 57, 123, 134; vom 17. September 1980 – 2 StR355/80, BGHSt 29, 319, 321; zum Ganzen Schäfer/Sander/van Gemmeren , aaO Rn. 189). Auf die durch den Generalbundesanwalt erhobenen Einzeleinwendungen kommt es daher nicht mehr an.
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- 2. Das Tatgericht hat zudem Entscheidungen gemäß § 111i Abs. 2 StPO zu Unrecht unterlassen. Ob es eine solche Entscheidung trifft, steht zwar in seinem Ermessen und unterliegt insoweit einer nur eingeschränkten revisionsge- richtlichen Überprüfung (BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 – 5 StR 306/12, BGHSt 58, 152). Unterlässt es das Tatgericht aber, eine solche Entscheidung zu treffen, und lässt sich dem Urteil mangels Ausführungen hierzu nicht entnehmen , aus welchen Gründen es eine solche Entscheidung nicht getroffen hat, so liegt ein Rechtsfehler im Sinne von § 337 StPO vor (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2014 – 4 StR 60/14, BGHSt 60, 75, 77 f.). Vorliegend ist von einem derartigen Rechtsfehler auszugehen, weil entsprechende Feststellungen unter Berücksichtigung des Umfangs der Schadenswiedergutmachung mit Blick auf die Höhe der erlangten Geldbeträge in den Fällen 1 bis 3 der Urteilsgründe naheliegen.
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- 3. Da es sich nur um Wertungsfehler handelt, können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bestehen bleiben; sie können um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.
König Feilcke
Annotations
(1) Ist jemandem aus der Tat ein Anspruch auf Ersatz des Wertes des Erlangten erwachsen und wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arrestschuldners eröffnet, so erlischt das Sicherungsrecht nach § 111h Absatz 1 an dem Gegenstand oder an dem durch dessen Verwertung erzielten Erlös, sobald dieser vom Insolvenzbeschlag erfasst wird. Das Sicherungsrecht erlischt nicht an Gegenständen, die in einem Staat belegen sind, in dem die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anerkannt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für das Pfandrecht an der nach § 111g Absatz 1 hinterlegten Sicherheit.
(2) Sind mehrere Anspruchsberechtigte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 vorhanden und reicht der Wert des in Vollziehung des Vermögensarrestes gesicherten Gegenstandes oder des durch seine Verwertung erzielten Erlöses zur Befriedigung der von ihnen geltend gemachten Ansprüche nicht aus, so stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arrestschuldners. Die Staatsanwaltschaft sieht von der Stellung eines Eröffnungsantrags ab, wenn begründete Zweifel daran bestehen, dass das Insolvenzverfahren auf Grund des Antrags eröffnet wird.
(3) Verbleibt bei der Schlussverteilung ein Überschuss, so erwirbt der Staat bis zur Höhe des Vermögensarrestes ein Pfandrecht am Anspruch des Schuldners auf Herausgabe des Überschusses. In diesem Umfang hat der Insolvenzverwalter den Überschuss an die Staatsanwaltschaft herauszugeben.