Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 319/03
vom
22. Januar 2004
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Januar
2004, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Athing,
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenklägerin S. ,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin von P. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerinnen gegen das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 16. Dezember 2002 werden verworfen.
2. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse. Die Kosten der Revisionen der Nebenklägerinnen und des Angeklagten fallen dem jeweiligen Beschwerdeführer zur Last.
Von Rechts wegen

Gründe:


I.


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen des Angeklagten, der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerinnen, mit denen die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrem zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittel - ebenso wie die Nebenklägerinnen, die überdies das Verfahren beanstanden - eine Verurteilung wegen Mordes. Der Angeklagte wendet sich in erster Linie dagegen, daß das Landgericht das Vorliegen einer verminderten Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB ausgeschlossen hat.
Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft wird vom Generalbundesanwalt nicht vertreten.
Die Revisionen haben keinen Erfolg.
Die Strafkammer hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte lebte mit der damals 28jährigen Melanie S. , dem späteren Tatopfer, und dem gemeinsamen Sohn in häuslicher Lebensgemeinschaft. Da der Angeklagte im Übermaß Alkohol trank und in alkoholisiertem Zustand gegenüber seiner Lebensgefährtin auch gewalttätig wurde, zog diese Anfang Januar 2002 mit dem Sohn aus der gemeinsamen Wohnung aus. In der Folgezeit bedrohte der Angeklagte, der sich mit der Trennung nicht abfinden konnte und seither noch mehr dem Alkohol zusprach, Melanie S. mehrfach mit dem Tode und griff sie überdies mehrere Male anläßlich zufälliger Zusammentreffen tätlich an, weil sie seiner Aufforderung, zu ihm zurückzukehren, nicht nachkam. Auch Dritten gegenüber äußerte er unter Alkoholeinfluß, er werde Melanie S. umbringen. Am 17. Juli 2002 suchte Melanie S. den Angeklagten in dessen Wohnung auf, um Fragen im Zusammenhang mit einem Besuchstermin für den gemeinsamen Sohn zu klären. Sie hatte zuvor eine Wohnungsnachbarin des Angeklagten gebeten, in seine Wohnung nachzukommen , falls sie nicht zurückkehre. Melanie S. machte dem Angeklagten Vorhaltungen wegen seines verwahrlosten Aussehens und kündigte an, er werde seinen Sohn nicht mehr sehen, wenn er so weitermache. Als der Angeklagte sie fragte, ob sie mit einem anderen Mann zusammen sei, antwortete Melanie S. zunächst ausweichend. Beide gelangten danach vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer. Dort bejahte schließlich Melanie S. die vom Ange-
klagten erneut gestellte Frage. Diese Antwort machte den Angeklagten wütend. Er warf Melanie S. auf das Bett und setzte sich auf sie. Sie versuchte zunächst , ihn wegzudrücken, was ihr jedoch nicht gelang. Der Angeklagte faßte daraufhin "aus Wut, Verzweiflung und endgültiger Verlustangst und Trauer um das Scheitern der Beziehung" den Entschluß, Melanie S. zu töten. Er würgte sie mindestens drei Minuten bis zum Eintritt des Todes. Im Zeitpunkt der Tat wies er eine Blutalkoholkonzentration von 2 ‰ auf.

II.


1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerinnen
Das Urteil weist keine Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf.

a) Soweit die Nebenklägerinnen beanstanden, das Landgericht habe die Hinweispflicht gemäß § 265 Abs. 1 StPO verletzt, greifen die Verfahrensrügen aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen nicht durch.

b) Ohne Erfolg wenden sich die Staatsanwaltschaft und die Nebenklägerinnen in sachlich-rechtlicher Hinsicht dagegen, daß der Angeklagte nicht wegen Mordes, sondern nur wegen Totschlags verurteilt worden ist.
aa) Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist das Schwurgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß der Angeklagte nicht die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers ausgenutzt, mithin nicht heimtückisch im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gehandelt hat.
Nach der Rechtsprechung kommt es bei heimtückisch begangenem Mord hinsichtlich der Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers auf den Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs an (vgl. BGHSt 32, 382, 384). Zwar kann das Opfer auch dann arglos sein, wenn der Täter mit bereits gefaßtem Tötungsvorsatz ihm zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, daß keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 15; BGH NStZ 1999, 506). Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Bundesgerichtshof erwogen, Arglosigkeit des Tatopfers auch dann anzunehmen, wenn - wie hier - der überraschende Angriff zunächst nicht mit Tötungsvorsatz, sondern nur mit Verletzungsvorsatz geführt wird, jedoch der ursprüngliche Verletzungswille derart schnell in Tötungsvorsatz umschlägt, daß der Überraschungseffekt zu dem Zeitpunkt andauert, zu dem der Täter zum auf Tötung gerichteten Angriff schreitet. Voraussetzung für die Annahme von Arglosigkeit soll aber auch in einem solchen Fall sein, daß dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen bleibt (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 16 und 27).
Es kann dahingestellt bleiben, ob hiernach Heimtücke schon deshalb entfällt, weil es dem Tatopfer gelang, sich zunächst gegen den ersten noch nicht mit Tötungsvorsatz geführten Angriff zur Wehr zu setzen.
Denn Melanie S. war nach den Feststellungen schon aufgrund des der Tötung unmittelbar vorausgegangenen Wortwechsels mit dem Angeklagten nicht mehr arglos. Zwar schließt ein bloßer der Tat vorausgegangener Wortwechsel , eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Mißtrauen Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tät-
lichkeit entnommen hat. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorausgegangenen Streit, daß das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGHSt 33, 363; 39, 353, 368; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21; BGH NStZ 2003, 146).
Daß letzteres hier vorgelegen hat, ergibt sich sowohl aus der Vorgeschichte der Auseinandersetzung als auch aus ihrem Verlauf selbst. Melanie S. war bei ihrem Besuch beim Angeklagten bewußt, daß dieser nach wie vor nicht bereit war, die Trennung zu akzeptieren, und auf ihre Weigerung, zu ihm zurückzukehren, in der Vergangenheit mit massiven Tätlichkeiten reagiert und sie bereits mehrfach mit dem Tode bedroht hatte. Zuletzt war es einen Monat vor der Tat zu einem tätlichen Angriff durch den Angeklagten gekommen. Aus Angst hatte sie ihm deshalb auch verheimlicht, daß sie zwischenzeitlich eine neue Beziehung eingegangen war. Am Tattag suchte sie die Wohnung des Angeklagten erst auf, nachdem sie - ersichtlich aus Sorge vor Tätlichkeiten des Angeklagten - eine Nachbarin gebeten hatte, nachzukommen, falls sie nicht zurückkehre. Diese Vorgeschichte darf bei der Beurteilung der Arglosigkeit und der Kenntnis des Angeklagten hiervon nicht außer acht gelassen werden (vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21). Hieraus ergibt sich jedoch, daß Melanie S. am Tattag nicht nur einer Begegnung mit dem Angeklagten mit generellem Mißtrauen begegnete, sondern jedenfalls spätestens ab dem Zeitpunkt, als der Angeklagte das Gespräch auf das Eingehen einer neuen Partnerschaft lenkte und sich erkennbar nicht mit ausweichenden Antworten abfinden wollte, auch konkret mit einem schweren tätlichen Angriff rechnete. Daß sie die früheren Todesdrohungen des Angeklagten nicht ernst nahm (UA 11) und sich deshalb möglicherweise keines Angriffs auf ihr Leben versah, belegt ihre Arglosigkeit im Tatzeitpunkt nicht. Vielmehr ist von einer Arglosigkeit eines Tatopfers
schon dann nicht mehr auszugehen, wenn es, wie hier, einen schweren Angriff auf seinen Körper befürchtet (BGHR aaO).
bb) Das Landgericht hat auch das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei verneint.
Es ist zu der Überzeugung gelangt, der Angeklagte habe Melanie S. aus "Wut, Verzweiflung, endgültiger Verlustangst und Trauer um das Scheitern der Beziehung" getötet. Es hat nicht feststellen können, daß eines dieser Motive für die Tötung ausschlaggebend gewesen ist und hat deshalb die Motivation des Angeklagten insgesamt nicht als auf niedrigster Stufe stehend angesehen.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Prüfung stand. Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung nur dann auf niedrigen Beweggründen , wenn das Hauptmotiv oder die vorherrschenden Motive, welche der Tat ihr Gepräge geben, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verwerflich sind (BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 20, 25; BGH, Urteil vom 9. September 2003 - 5 StR 126/03).
Ein solcher Fall ist nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen nicht gegeben. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer hat das Landgericht nicht verkannt, daß die Tötung der Melanie S. unmittelbar nach deren "Geständnis" über das Eingehen einer neuen Partnerschaft erfolgte und bei der Tötung auch Eifersucht und Wut des Angeklagten darüber, daß sie sich einem anderen Mann zugewandt hatte, eine Rolle spielten (UA 21 und 23). Daß das
Schwurgericht diese Motivation nicht als tatbeherrschend angesehen hat, begegnet indes keinen rechtlichen Bedenken. Vielmehr ist anhand der Vorge- schichte der Tat belegt, daß gleichbedeutend tatauslösend und tatbestimmend auch Gefühle der Verzweiflung des Angeklagten über die Trennung, über seine in der Folgezeit entstandene perspektivlose Lebenssituation und über das Erkennen , daß sich seine Lebensgefährtin endgültig von ihm abgewandt hatte, waren. Vor diesem Hintergrund hat das Schwurgericht rechtsfehlerfrei die für den Angeklagten bestimmenden Motive in ihrer Gesamtheit nicht als niedrig im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB gewertet (vgl. BGH NStZ 2004, 34).
2. Die Revision des Angeklagten
Auch die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
Die Erwägungen, mit denen das sachverständig beratene Schwurgericht eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit aufgrund einer affektiven Bewußtseinsstörung beziehungsweise einer Persönlichkeitsstörung im Sinne einer schweren anderen seelischen Abartigkeit abgelehnt hat, sind nicht zu beanstanden.
Zwar ist das Landgericht davon ausgegangen, daß unter anderem wegen der "Verlustangst" des Angeklagten eine "affektive Beeinflussung" bei der Tatausführung vorgelegen habe. Eine affektive Erregung stellt jedoch bei vorsätzlichen Tötungsdelikten, zumal, wenn wie hier, gefühlsmäßige Regungen bei der Tat eine Rolle spielen, eher den Normalfall dar (vgl. Saß, Der Nervenarzt 1983, 557, 558). Ob die affektive Erregung einen solchen Grad erreicht hat, daß sie zu einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung geführt hat, kann des-
halb nur anhand von tat- und täterbezogenen Merkmalen beurteilt werden, die als Indizien für und gegen die Annahme eines schuldrelevanten Affekts sprechen können. Diese Indizien sind dabei im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. BGHR StGB § 21 Affekt 4, 7, 9 jew. m.w.N.; BGH StV 1993, 637). Diese Gesamtwürdigung hat das Landgericht rechtsfehlerfrei vorgenommen. Es hat darauf abgestellt, daß der Angeklagte das Tatgeschehen "beherrscht" und "zweckmäßig" gehandelt habe. Dies wird durch die Feststellungen insoweit belegt, als der Angeklagte selbst das Gespräch auf das - wie er wußte - für ihn stark emotionsbelastete Thema einer neuen Partnerschaft der Melanie S. lenkte, er mithin nicht unvorhergesehen in die tatauslösende Situation gestellt wurde. Für eine erhaltene Introspektionsfähigkeit spricht zudem die Reflektion seiner Tatmotivation (vgl. Saß aaO, 569), etwa seine Einlassung , er sei wütend gewesen, nachdem Melanie S. die Aufnahme einer Beziehung zum Zeugen M. eingeräumt habe. Das Landgericht hat ferner zutreffend hervorgehoben, der Angeklagte habe eine detailreiche Erinnerung an das Tatgeschehen. In seine Abwägung hat es die alkoholische Beeinflussung des trinkgewohnten Angeklagten zur Tatzeit ebenso wie sein Nachtatverhalten in nicht zu beanstandender Weise einbezogen. Es hat insbesondere berücksichtigt, daß der Angeklagte im Anschluß an die Tat sowohl mit der Zeugin Sch. als auch mit einem Polizeibeamten situationsangepaßte und - orientierte Telefongespräche führte. Wenn das Schwurgericht diese in der Tatsituation und im Nachtatverhalten liegenden Indizien zusammenfassend dahin gewürdigt hat, daß ein rechtlich relevanter Ausnahmezustand des Angeklagten zum Tatzeitpunkt nicht vorlag, so hält sich diese Wertung noch innerhalb des dem Tatrichter insoweit eröffneten Beurteilungsspielraums.
Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Tat- vorgeschichte. Nach den Feststellungen befaßte sich der Angeklagte bereits seit der Trennung von Melanie S. mit dem Gedanken diese zu töten, falls sie nicht zu ihm zurückkehrte. Diese Überlegungen werden nicht nur durch die vielfachen, von ihm eingeräumten Todesdrohungen gegenüber dem Tatopfer und entsprechenden Ankündigungen gegenüber dritten Personen belegt, sondern auch durch die Vorfälle vom Februar 2002, als der Angeklagte Melanie S. in einer der Tat vergleichbaren Situation erstmals heftig würgte und von anderen Personen von einem weiteren Vergehen gegen seine ehemalige Lebensgefährtin abgehalten werden mußte, sowie durch den Vorfall vom April 2002, als er Schrauben unter die Reifen ihres Fahrzeugs legte, möglicherweise um einen Verkehrsunfall herbeizuführen. Derartige Ankündigungen der Tat und vergleichbare aggressive Handlungen gegen das spätere Tatopfer im Vorfeld sind jedoch ebenfalls deutliche Anzeichen dafür, daß der Angeklagte nicht infolge einer Bewußtseinsstörung in ein gedanklich nicht vorbereitetes Tatgeschehen geraten ist (vgl. BGHR StGB § 21 Affekt 11 m.w.N.; Saß aaO, 567).
Die Urteilsfeststellungen ergeben auch keine Anhaltspunkte dafür, daß das Persönlichkeitsgefüge des Angeklagten bei der Tatausführung infolge einer schon längere Zeit vor der Tat bestehenden ambivalenten Täter-OpferBeziehung mit chronischen Affektanspannungen schwer erschüttert war. Zwar ist in der Rechtsprechung anerkannt, daß bei einer solchen Situation auch ein "Vorgestalten" der Tat in der Phantasie bis hin zu Ankündigungen und Vorbereitungshandlungen der Tat mit einem tatauslösenden affektiven Durchbruch vom Schweregrad des § 21 StGB vereinbar sein können (vgl. BGHR StGB § 21 Affekt 6 und 11 m.w.N.). Eine solche Konfliktentwicklung hat das Landgericht indes nicht festgestellt. Die Beziehung zwischen dem Angeklagten und Melanie
S. gestaltete sich seit der Trennung gerade nicht ambivalent; vielmehr unternahm lediglich der Angeklagte einseitige Versuche, Melanie S. zu einer Rückkehr zu bewegen, während diese an der Trennung festhielt. Auch die Stimmungsschwankungen des Angeklagten, seine zunehmende Verwahrlosung und die damit einhergehende Vernachlässigung sozialer Belange waren nach den Urteilsfeststellungen nicht Folgen einer Konfliktentwicklung im Rahmen einer ambivalenten Täter-Opfer-Beziehung, sondern standen, worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist, in untrennbarem Zusammenhang mit dem übermäßigen Alkoholkonsum des Angeklagten, den er nach der Trennung noch weiter gesteigert hatte. Angesichts dieser Umstände ist gegen die Annahme des Landgerichts, beim Angeklagten habe zur Tatzeit weder eine schuldmindernde affektive Bewußtseinsstörung noch eine schwere andere seelische Abartigkeit aufgrund einer schweren Persönlichkeitsstörung vorgelegen , aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.

III.


Eine gegenseitige Überbürdung der notwendigen Auslagen des Angeklagten und der Nebenklägerinnen findet nicht statt, weil beide Revisionen erfolglos sind (vgl. BGHR StPO § 473 Abs. 1 Satz 3 Auslagenerstattung 1).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

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(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

5 StR 126/03

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IM NAMEN DES VOLKES
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vom 9. September 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
9. September 2003, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Häger,
Richter Basdorf,
Richterin Dr. Gerhardt,
Richter Schaal
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt H ,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof S
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt Ho
als Verteidiger,
Rechtsanwältin M
als Vertreterin des Nebenklägers Sc ,
Rechtsanwalt Ma
als Vertreter der Nebenklägerin L ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft, des Nebenklägers Sc und der Nebenklägerin L wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 11. November 2002 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Revision des Angeklagten wird verworfen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren verurteilt und einen Pkw des Angeklagten eingezogen. Die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft sowie die Revisionen beider Nebenkläger haben mit der Sachrüge Erfolg. Dagegen bleibt die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erfolglos.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Die im Jahre 1974 geschlossene Ehe des Angeklagten verlief zunächst harmonisch und problemlos. Im Jahre 1986 nahm seine Ehefrau ein intimes Verhältnis zu einem anderen Mann auf. Gleichwohl hielt der Angeklagte an der Ehe fest. Der Angeklagte erkrankte im Jahre 1996 an Krebs, wurde mehrfach operiert, erhielt Strahlenbehandlung und schied in der Folgezeit aus seinem Beschäftigungsverhältnis aus. Im Jahre 2000 zog seine Ehefrau aus der gemeinsamen Wohnung aus, weil der Angeklagte an Depressionen litt, mehrfach Gegenstände nach ihr warf und die Wohnung demolierte und die Ehefrau deshalb ein Zusammenleben nicht mehr aushielt. Der Angeklagte , der dadurch – auch wegen seiner schweren Krankheit – tief enttäuscht war und sich alleingelassen fühlte, begann, seiner Ehefrau nachzuspionieren , sie mit seinem Auto zu verfolgen, sie immer wieder gegen ihren Willen anzurufen und ihr auch anzudrohen, sie und sich selbst umzubringen. Die Ehefrau nahm diese Drohungen sehr ernst und hatte erhebliche Angst vor Tätlichkeiten ihres Mannes. Zu irgendwelchen Tätlichkeiten kam es jedoch nicht. Nach Scheidung der Ehe – im September 2001 – sagte der Angeklagte zu seiner geschiedenen Ehefrau, sie werde Weihnachten nicht überleben. Er machte jedoch diese Drohung nicht wahr. Die erhebliche Angst seiner ehemaligen Ehefrau bestand aber weiter fort.
Als diese Ostern 2001 Herrn Sch kennenlernte und mit ihm ein intimes Verhältnis begann, war der Angeklagte darüber erbost, verärgert und wütend und rief in der Folgezeit mehrfach Herrn Sch an. Der Angeklagte erfuhr, daß seine geschiedene Ehefrau mit Herrn Sch in einer gemeinsamen Wohnung in Weyhausen lebte. Auch danach versuchte er wiederholt, seine Ehefrau zurückzugewinnen.
Der Angeklagte erwarb – ohne entsprechende Berechtigung – im April 2002 eine Kleinkaliberpistole Typ Walther PPK samt Munition und im Mai 2002 eine weitere Pistole, Typ Luger, Kaliber 9 mm und kurz darauf für diese Waffe auch scharfe Munition.
Am frühen Abend des 17. Mai 2002 fuhr der Angeklagte von seiner Wohnung in Helmstedt mit seinem Pkw VW Golf etwa 50 km nach Weyhausen. Die Pistole Typ Luger 9 mm hatte er in durchgeladenem und gesichertem Zustand in einem Stoffbeutel bei sich. Er suchte seine ehemalige Ehefrau und deren Lebensgefährten in Weyhausen und auf den umgebenden Straßen. Gegen 21.00 Uhr sah er auf einer Kreisstraße nahe Weyhausen seine ehemalige Ehefrau und Herrn Sch , die auf oder neben der Straße spazierengingen. Der Angeklagte fuhr zunächst an ihnen vorbei, wendete, fuhr zurück und parkte sein Fahrzeug am rechten Rand der Kreisstraße. Er zog die durchgeladene Pistole aus dem Stoffbeutel und stieg aus dem Fahrzeug. Spätestens jetzt faßte er den Entschluß, seine geschiedene Ehefrau und Herrn Sch zu töten. In Ausführung dieses Tatplanes entsicherte er die Waffe und schoß sofort auf beide. Er traf seine geschiedene Ehefrau von schräg unten in den Kopf, Herrn Sch einmal schräg von oben in die Schädeldecke, einmal in den hinteren rechten Lendenbereich in Nähe des Gesäßes und einmal von vorn in die rechte Hand. Herr Sch verstarb noch am Tatort, die Frau in der folgenden Nacht im Krankenhaus, beide aufgrund zentraler Lähmung infolge der Kopfschüsse.
Nach den Schüssen fuhr der Angeklagte mit seinem Pkw mit erheblicher Startgeschwindigkeit davon. Er fuhr zu seiner Wohnung nach Helmstedt , versteckte die Tatwaffe im Keller und legte sich schlafen.

I.


Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger, die sämtlich geltend machen, das Landgericht habe Mordmerkmale zu Unrecht verneint , sind begründet, weil die Verneinung von Heimtücke rechtlicher Prüfung nicht standhält.
1. Allerdings hat das Landgericht das Mordmerkmal der niedrigen Be- weggründe auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen rechtsfehlerfrei verneint.
Es hat hierzu ausgeführt, es könne beim Angeklagten ein Motivbündel aus Verärgerung, Eifersucht, Wut, aber auch tiefste Enttäuschung über das „Verlassenwordensein“ durch seine Ehefrau vorgelegen haben. Bei Berücksichtigung der von dem psychiatrischen Sachverständigen beschriebenen besonderen Persönlichkeit des Angeklagten und bei Berücksichtigung der Entwicklungsgeschichte der seit langem sehr problematischen Ehe sei nicht sicher auszuschließen, daß eine tiefe Enttäuschung des Angeklagten das Hauptmotiv für die Tat war, nämlich darüber, daß nach seiner eingeengten Sichtweise seine Ehefrau ihn – so seine Worte – nach der schweren Krankheit „weggeworfen“ habe. Dieses Motiv stehe nicht auf moralisch tiefster Stufe.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Prüfung stand. Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung nur dann auf niedrigen Beweggründen , wenn das Hauptmotiv oder die vorherrschenden Motive, welche der Tat ihr Gepräge geben, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verwerflich sind (BGH NJW 1981, 1382; BGHR StGB § 211 Abs. 2 niedrige Beweggründe 20, 25; BGH NStZ 1997, 81; BGH StV 1983, 503, 504 und 2000, 76). Dies ist nach den getroffenen Feststellungen nicht gegeben. Das Landgericht hat nicht ausschließen können , daß das Hauptmotiv der Tat die Enttäuschung des Angeklagten darüber war, daß seine Ehefrau ihn nach seiner Krebserkrankung und den folgenden Depressionen verlassen („weggeworfen“) hat. Dieses Motiv erfüllt nicht das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe. Das gilt zunächst für die Tötung der ehemaligen Ehefrau des Angeklagten. Für die Beurteilung der Tötung des Herrn Sch ergibt sich aus den Feststellungen nichts anderes. Auch die Tötung des neuen Lebensgefährten der ehemaligen Ehefrau des Angeklagten kann von dem genannten Hauptmotiv getragen gewesen sein.
2. Auch liegt kein Rechtsfehler darin, daß das Landgericht angesichts der getroffenen Feststellungen die Möglichkeiten nicht erörtert hat, der Angeklagte habe eine der beiden Tötungen etwa begangen, um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken. Für die beiden von der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin erwogenen Tatvarianten, daß der Angeklagte Herrn Sch etwa zunächst tötete, um danach seine geschiedene Frau töten zu können, oder daß der Angeklagte etwa Herrn Sch als Zeugen der vorangegangenen Tötung seiner ehemaligen Ehefrau beseitigte, bestehen nach den getroffenen Feststellungen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Das Landgericht hat sich nicht einmal imstande gesehen, eine Reihenfolge der Schüsse festzustellen. Schon damit fehlt jeder der beiden gedachten Tatvarianten eine Grundlage.
3. Jedoch hält die Begründung, mit der das Landgericht das Mordmerkmal der Heimtücke verneint hat, rechtlicher Prüfung nicht stand.
Hierzu ist im angefochtenen Urteil ausgeführt: Es sei nicht sicher auszuschließen , daß die geschiedene Ehefrau des Angeklagten dessen Pkw, der ihr auf der Straße entgegenkam, bei der ersten Begegnung erkannte und dieses auch Herrn Sch mitteilte. Da sie nach den vorherigen Drohungen ihres Mannes und den sonstigen Vorfällen noch erhebliche Angst vor dem Angeklagten gehabt habe und davon auszugehen sei, daß auch Herr Sch diese Angst kannte, könne nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden, daß beide Opfer bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs, nämlich beim Anhalten und Aussteigen des Angeklagten mit der gut sichtbaren Pistole am Tatort, nicht mehr arglos waren, sondern einen tätlichen Angriff des Angeklagten für möglich hielten.

a) Zwar ist das Landgericht – im Ansatz zutreffend – davon ausgegangen , daß die Arglosigkeit des Opfers dann entfallen kann, wenn es mit einem schweren oder doch erheblichen Angriff gegen seine körperliche Unversehrtheit rechnet. Allerdings hat der Bundesgerichtshof den genannten Gesichts-
punkt regelmäßig in solchen Fällen zur Geltung gebracht, in denen der Tat eine offene Auseinandersetzung mit von vornherein feindseligem Verhalten des Täters vorangegangen war (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21, 27; BGH NStZ-RR 1996, 322 jeweils m. w. N.) oder in denen das Opfer sich bewußt in eine feindliche Auseinandersetzung eingelassen hatte (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 29), der Anlaß für die vom Opfer gehegte Erwartung eines tätlichen Angriffs des Täters also ein akuter war. Eine auf früheren Aggressionen und einer feindseligen Atmosphäre beruhende latente Angst des Opfers vermag dessen Arglosigkeit jedenfalls nicht zu beseitigen (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 21; BGH NStZ-RR 2001, 14). Es kommt insofern vielmehr allein darauf an, ob das Opfer im Tatzeitpunkt mit Feindseligkeiten des Täters rechnet (BGHSt 39, 353, 368).

b) Zudem gilt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgendes: Ein Opfer, gegen das sich ein lebensbedrohlicher Angriff richtet, kann auch dann arg- und wehrlos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, das Opfer die drohende Gefahr aber erst im letzten Augenblick erkennt, so daß ihm keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff zu begegnen. Denn die besondere Gefährlichkeit heimtückischen Handelns liegt darin, daß der Täter sein Opfer in hilfloser Lage überrascht und dadurch hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu entgehen oder diesen doch wenigstens zu erschweren (BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3, 15, 16; BGH GA 1971, 113, 114; BGH NStZ-RR 1997, 168; BGH NStZ 2003, 146; BGH, Beschl. vom 3. August 2000 – 4 StR 259/00). Das offen aggressive Verhalten des Angeklagten, der seinen Opfern unmittelbar vor den tödlichen Schüssen mit gezückter Waffe feindselig entgegentrat, konnte – was das Landgericht nicht verkannt hat – eine zu dem Zeitpunkt noch gegebene Arglosigkeit nicht entfallen lassen. Maßgeblich für die Beurteilung ist nämlich grundsätzlich die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs und damit der Eintritt der Tat in das Versuchsstadium (BGHSt 32, 382, 384; BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 4, 13, 22; jeweils m. w. N.). Dies ist hier spätestens der Zeitpunkt, in dem der Angeklagte aus seinem
Fahrzeug ausstieg und mit Tötungsvorsatz seine Waffe entsicherte.

c) Selbst wenn davon ausgegangen werden könnte, daß die Ehefrau des Angeklagten beim Anblick des Angeklagten im Vorbeifahren eine relevante Gefahr angenommen haben sollte, die sie ihrem Begleiter vermittelte, wodurch die Arglosigkeit der Opfer zu Beginn des todbringenden Angriffs beseitigt worden wäre, so bleibt eine solche – vom Tatrichter zugunsten des Angeklagten unterstellte – Geschehensvariante im Urteil unzulänglich belegt. Es fehlt an der hierfür unerläßlichen näheren Erörterung maßgeblicher Begleitumstände. Zur Frage, ob das vorbeifahrende Fahrzeug für die Ehefrau individuell als das Fahrzeug des Angeklagten erkennbar war, enthält das Urteil lediglich Ausführungen, daß es zur Tatzeit noch hell war und Frau Lu den Pkw ihres Mannes „gut kannte“. Nähere Anknüpfungstatsachen zu Fragen im Zusammenhang mit der Wahrscheinlichkeit einer individuellen Erkennbarkeit des Pkw VW Golf – insbesondere zu orts- und zeitbedingten Sichtverhältnissen, etwa unter Berücksichtigung der möglichen Blickrichtung der Spaziergänger auf die Fahrbahn, der Verkehrsdichte, des Erscheinungsbildes des Fahrzeugs und der möglichen Fahrgeschwindigkeit –, aus denen sich eine gewisse Wahrscheinlichkeit der zur Entlastung des Angeklagten unterstellten Geschehensvariante ableiten ließe, die mehr als eine bloße Vermutung des Tatrichters rechtfertigen könnte, fehlen.

d) Der Senat weist allerdings darauf hin, daß ungeachtet dessen – auch wenn bei richtiger Sachverhaltsauswertung Arg- und Wehrlosigkeit der Opfer bei Tatbegehung objektiv festzustellen wären – bei dem offen feindlichen Entgegentreten des erregten Angeklagten auf seine Opfer zusätzlich zu prüfen wäre, ob er die Situation der Arglosigkeit seiner Opfer wahrgenommen und bewußt ausgenutzt hat. Das mag sich freilich allein aus der von ihm vorgefundenen Situation zu Beginn des tödlichen Angriffs ohne weiteres ableiten lassen.

II.


Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
1. Insbesondere liegt in der Annahme zweier selbständiger Fälle des Totschlags kein den Angeklagten beschwerender Rechtsfehler.
Eine natürliche Handlungseinheit kann ausnahmsweise auch dann vorliegen , wenn es um die Beeinträchtigung höchstpersönlicher Rechtsgüter verschiedener Personen geht. Die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit ist in derartigen Fällen dann gerechtfertigt, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs willkürlich und gekünstelt erschiene (BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit – Entschluß, einheitlicher 1 und 9). Ein solcher Ausnahmefall kann namentlich bei mehreren Schüssen auf zwei Personen innerhalb weniger Sekunden ohne jegliche zeitliche Zäsur vorliegen (BGHR StGB vor § 1/natürliche Handlungseinheit – Entschluß, einheitlicher 2 und 5). Allerdings kann sich eine solche Zäsur etwa auch daraus ergeben, daß der Täter nach dem ersten Schuß einen Stellungswechsel vorgenommen hat (vgl. BGH NStZ-RR 2001, 82). Offenbar hat das Landgericht dies vor Augen gehabt, als es eine natürliche Handlungseinheit mit der Begründung abgelehnt hat, „daß der Angeklagte jeweils bei Schußabgabe die Lage seiner Pistole in der Hand erheblich ändern mußte, um den beabsichtigten Erfolg herbeizuführen“. Es erscheint eher fernliegend, in dieser geringfügigen Richtungsänderung zwischen den Schüssen auf die beiden Opfer , die „dicht beieinander“ waren, einen Umstand zu sehen, der der Annahme einer natürlichen Handlungseinheit entscheidend entgegenstehen könnte.
Jedenfalls beschwert die Annahme zweier Handlungen den Angeklagten nicht. Denn es ist auszuschließen, daß das Landgericht, wäre es von einer tateinheitlichen Tötung zweier Menschen ausgegangen, – statt, wie ge-
schehen, aus zwei Einzelfreiheitsstrafen von jeweils elf Jahren eine Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren zu bilden – auf eine geringere Freiheitsstrafe als eine solche von 13 Jahren erkannt hätte.
2. Die umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils deckt auch sonst keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

III.


Für die erneute Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, daß in vollem Umfang Feststellungen zur Person des Angeklagten und zur Tat zu treffen sind. In der rechtlichen Beurteilung ist der neue Tatrichter – bis auf die Bindung an die die Heimtücke betreffenden Aufhebungsgründe des Senatsurteils – frei.
Harms Häger Basdorf Gerhardt Schaal

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.