Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2013 - 4 StR 296/12
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Von Rechts wegen
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen, sexuellen Missbrauchs von Kindern in zehn Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen, und sexuellen Missbrauchs einer Schutzbefohlenen in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt; ferner hat es Adhäsionsentscheidungen getroffen. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat der Senat mit Beschluss vom 28. Februar 2013 gemäß § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten und „auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt(en)“ Revision dagegen, dass die Strafkammer kein – vornehmlich lebenslanges – Berufsverbotverhängt hat. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
- 2
- Nach den Feststellungen missbrauchte der Angeklagte als verantwortlicher Gruppenleiter des Kinderheims "S. " in R. im Zeitraum von Februar 1994 bis in den Sommer 2005 in insgesamt 15 Fällen fünf minderjährige , ihm anvertraute Mädchen, indem er unterschiedliche sexuelle Handlungen an ihnen vornahm und in zwei Fällen je ein männliches Kind hierbei einbezog. Das Landgericht hat die von der Staatsanwaltschaft beantragte „Verhängung eines (lebenslangen) Berufsverbots“ abgelehnt,weil die in § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB vorausgesetzte Wiederholungsgefahr nicht gegeben sei. Der Angeklagte sei „mit den verfahrensgegenständlichen Taten“ erstmals straffällig geworden. Nach deren Begehung sei er am 22. August 2008 wegen (zweier) einschlägiger Straftaten zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. In der dreijährigen Bewährungszeit seien keine weiteren Verfehlungen bekannt geworden, der Angeklagte habe sich nach Auskunft seines Bewährungshelfers vorbildlich geführt und auch den Beruf gewechselt. Zwar sei in dem früheren Verfahren auch ein dreijähriges Berufsverbot verhängt worden; auch habe die psychiatrische Sachverständige ausgeführt, dass sich an der sexuellen Devianz des Angeklagten bezogen auf junge Mädchen nichts mehr ändern werde „und somit z.B. bei einer Tätigkeit in einem Kinderheim immer die Gefahr eines Rückfalls bestehe“. Die Sachverständige habe aber eingeräumt, dass der Angeklagte seine Devianz offenbar kontrollieren könne; bei ihm seien keine Störungen der Impulskontrolle , keine Dissozialität, kein Hang zur sofortigen Bedürfnisbefriedigung und keine Psychopathie feststellbar. Auch verfüge er über „genug Intelligenz“, um die Folgen weiterer Straftaten für sich abschätzen zu können. Das habe er in den Jahren seit der letzten Verurteilung bewiesen und dies werde ihm durch die nunmehr verhängte mehrjährige Haftstrafe noch einmal deutlich vor Augen ge- führt. In einer Hilfserwägung hat die Strafkammer zudem die Verhältnismäßigkeit der Anordnung eines Berufsverbots verneint.
II.
- 3
- Die Revision ist unbegründet.
- 4
- 1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist wirksam (vgl. BGH, Urteil vom 5. August 1975 – 1 StR 356/75, NJW 1975, 2249) auf die Nichtverhängung des Berufsverbots beschränkt. Die Beschwerdeführerin hat zwar ihre Revision „auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt“ und einen dementsprechenden Revisionsantrag gestellt. Mit ihren materiell-rechtlichen Einzelausführungen greift sie jedoch das angefochtene Urteil nur insoweit an, als das Landgericht entgegen ihrem Antrag kein (lebenslanges) Berufsverbot verhängt hat. Unter Berücksichtigung von Nr. 156 Abs. 2 RiStBV versteht der Senat das gesamte Revisionsvorbringen dahin, dass die Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel weder die Schuld- noch die Strafaussprüche angreifen will (vgl. BGH, Urteile vom 7. August 1997 – 1 StR 319/97, NStZ 1998, 210, und vom 23. September 2008 – 1 StR 420/08).
- 5
- 2. Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei von der Anordnung eines Berufsverbots abgesehen.
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- Ein Berufsverbot ist ein schwerwiegender (BGH, Urteil vom 12. Juni 1958 – 4 StR 147/58, VRS 15, 112, 115) Eingriff, mit dem die Allgemeinheit, sei es auch nur ein bestimmter Personenkreis (BGH, Urteil vom 23. Juni 1959 – 5 StR 221/59, GA 1960, 183), vor weiterer Gefährdung geschützt werden soll (BGH, Urteil vom 12. Mai 1975 – AnwSt (R) 8/74, NJW 1975, 1712). Deshalb darf der Strafrichter es nur verhängen, wenn die Gefahr besteht, dass der Täter auch in Zukunft den Beruf, dessen Ausübung ihm verboten werden soll, zur Verübung erheblicher Straftaten missbrauchen wird (RGSt 68, 397, 398 f.; BGH, Beschluss vom 17. Mai 1968 – 2 StR 220/68, BGHSt 22, 144, 145 f.; BGH, Urteil vom 1. November 1955 – 5 StR 442/55, MDR 1956, 143 bei Dallinger). Voraussetzung ist, dass eine – auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung abgestellte (BGH, Urteil vom 5. August 1975 – 1 StR 356/75, NJW 1975, 2249 f.) – Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten den Richter zu der Überzeugung führt, dass die Gefahr, das heißt die Wahrscheinlichkeit künftiger ähnlicher erheblicher Rechtsverletzungen durch den Täter besteht (BGH, Beschluss vom 2. August 1978 – StB 171/78, BGHSt 28, 84, 85 f.; Urteil vom 22. Oktober 1981 – 4 StR 429/81, wistra 1982, 66, 67).
- 7
- Diesen Rechtsgrundsätzen entspricht das angefochtene Urteil; das Landgericht ist bei der Ablehnung eines Berufsverbots von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen: Der Angeklagte war zur Zeit der Begehung der hier abgeurteilten Taten strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten. Wird ein Täter erstmalig wegen einer Anlasstat straffällig, sind an die Annahme seiner weiteren Gefährlichkeit im Sinne des § 70 Abs. 1 Satz 1 StGB ganz besonders strenge Anforderungen zu stellen; insbesondere ist zu prüfen, ob bereits die Verurteilung zur Strafe den Täter von weiteren Taten abhalten wird (BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 1987 – 3 StR 414/87, BGHR StGB § 70 Abs. 1 Wiederholungsgefahr 1, und vom 12. September 1994 – 5 StR 487/94, NStZ 1995, 124). In diesem Zusammenhang hat das Landgericht nicht übersehen , dass der Angeklagte die Missbrauchstaten über nahezu den gesamten Zeitraum seiner Tätigkeit als verantwortlicher Gruppenleiter des „S. “ und damit seiner ersten dauerhaften Festanstellung nach Abschluss der Berufsausbildung begangen hat (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 4. Dezember 2001 – 1 StR 428/01, NStZ 2002, 198). Denn es nimmt zu Beginn seiner Gesamtwürdigung die verfahrensgegenständlichen Taten (UA 145) und damit den gesamten Tatzeitraum in den Blick. Die Strafkammer durfte ferner berücksichtigen , dass nach der Verhängung einer Bewährungsstrafe im Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 22. August 2008 (und schon zuvor nach Aufdeckung der zugrunde liegenden beiden Übergriffe im Jahr 2007) keine weiteren Straftaten bekannt geworden sind (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 1981 – 4 StR 429/81, wistra 1982, 66, 67; Beschlüsse vom 12. September 1994 – 5 StR 487/94, NStZ 1995, 124, vom 5. August 2009 – 5 StR 248/09, NStZ 2010, 170, 171, und vom 25. Januar 2012 – 1 StR 45/11, NJW 2012, 1377, 1386). Im Rahmen der von ihr vorzunehmenden Gesamtwürdigung konnte die Strafkammer der Gefahr eines Rückfalls rechtsfehlerfrei entgegensetzen, dass die Sachverständige zu dem Ergebnis gekommen war, der Angeklagte habe seine Devianz „offenbar“ psychisch und intellektuell unter Kontrolle.Mit ihren Einwendungen begibt sich die Staatsanwaltschaft weitgehend auf das der revisionsgerichtlichen Kontrolle verschlossene Gebiet tatrichterlicher Wertung. Soweit die Generalstaatsanwaltschaft Zweibrücken, die der Revision der Staatsanwaltschaft beigetreten ist, auf die „erhebliche(n) präventive(n) Aspekte“ der Eintragung eines Berufsverbots im Bundeszentralregister hinweist, übersieht sie, dass bereits die Regelung in § 34 Abs. 1 Nr. 2 BZRG eine hinreichende Information potentieller Arbeitgeber gewährleistet.
Bender Reiter
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wird jemand wegen einer rechtswidrigen Tat, die er unter Mißbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der mit ihnen verbundenen Pflichten begangen hat, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so kann ihm das Gericht die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren verbieten, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und der Tat die Gefahr erkennen läßt, daß er bei weiterer Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges erhebliche rechtswidrige Taten der bezeichneten Art begehen wird. Das Berufsverbot kann für immer angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, daß die gesetzliche Höchstfrist zur Abwehr der von dem Täter drohenden Gefahr nicht ausreicht.
(2) War dem Täter die Ausübung des Berufs, Berufszweiges, Gewerbes oder Gewerbezweiges vorläufig verboten (§ 132a der Strafprozeßordnung), so verkürzt sich das Mindestmaß der Verbotsfrist um die Zeit, in der das vorläufige Berufsverbot wirksam war. Es darf jedoch drei Monate nicht unterschreiten.
(3) Solange das Verbot wirksam ist, darf der Täter den Beruf, den Berufszweig, das Gewerbe oder den Gewerbezweig auch nicht für einen anderen ausüben oder durch eine von seinen Weisungen abhängige Person für sich ausüben lassen.
(4) Das Berufsverbot wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. In die Verbotsfrist wird die Zeit eines wegen der Tat angeordneten vorläufigen Berufsverbots eingerechnet, soweit sie nach Verkündung des Urteils verstrichen ist, in dem die der Maßregel zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten. Die Zeit, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist, wird nicht eingerechnet.
(1) Die Frist, nach deren Ablauf eine Verurteilung nicht mehr in das Führungszeugnis aufgenommen wird, beträgt
- 1.
drei Jahre bei - a)
Verurteilungen zu - aa)
Geldstrafe und - bb)
Freiheitsstrafe oder Strafarrest von nicht mehr als drei Monaten,
- b)
Verurteilungen zu Freiheitsstrafe oder Strafarrest von mehr als drei Monaten, aber nicht mehr als einem Jahr, wenn die Vollstreckung der Strafe oder eines Strafrestes gerichtlich oder im Gnadenweg zur Bewährung ausgesetzt, diese Entscheidung nicht widerrufen worden und im Register nicht außerdem Freiheitsstrafe, Strafarrest oder Jugendstrafe eingetragen ist, - c)
Verurteilungen zu Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr, wenn die Voraussetzungen des § 32 Absatz 2 nicht vorliegen, - d)
Verurteilungen zu Jugendstrafe von mehr als zwei Jahren, wenn ein Strafrest nach Ablauf der Bewährungszeit gerichtlich oder im Gnadenweg erlassen worden ist,
- 2.
zehn Jahre bei Verurteilungen wegen einer Straftat nach den §§ 174 bis 180 oder 182 des Strafgesetzbuches zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe von mehr als einem Jahr, - 3.
fünf Jahre in den übrigen Fällen.
(2) Die Frist, nach deren Ablauf eine Verurteilung wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i bis 184l, 201a Absatz 3, den §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder § 236 des Strafgesetzbuches nicht mehr in ein erweitertes Führungszeugnis aufgenommen wird, beträgt
- 1.
zehn Jahre - a)
bei Verurteilungen zu Geldstrafe oder Freiheitsstrafe oder Strafarrest oder Jugendstrafe, - b)
bei einer Verurteilung, durch die eine freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung allein angeordnet worden ist,
- 2.
zwanzig Jahre bei einer Verurteilung wegen einer Straftat nach den §§ 176 bis 176d des Strafgesetzbuches zu Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe von mehr als einem Jahr.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 Buchstabe d, Nummer 2 und 3 verlängert sich die Frist um die Dauer der Freiheitsstrafe, des Strafarrests oder der Jugendstrafe. In den Fällen des Absatzes 2 verlängert sich die Frist bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe oder Jugendstrafe von mehr als einem Jahr um die Dauer der Freiheitsstrafe oder der Jugendstrafe. Bei Erlaß des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe verlängert sich die Frist um den zwischen dem Tag des ersten Urteils und dem Ende der Bewährungszeit liegenden Zeitraum, mindestens jedoch um zwanzig Jahre.