Bundesgerichtshof Urteil, 10. März 2016 - 3 StR 450/15

bei uns veröffentlicht am10.03.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 450/15
vom
10. März 2016
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Diebstahls u.a.
ECLI:DE:BGH:2016:100316U3STR450.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. März 2016, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof Hubert, Dr. Schäfer, Mayer, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Vertreter der Nebenklägerin,
Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 5. Mai 2015 wird verworfen. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten des versuchten Diebstahls in Tateinheit mit unterlassener Hilfeleistung, den Angeklagten S. weiter in Tateinheit mit Sachbeschädigung, schuldig gesprochen. Den Angeklagten S. hat es deswegen zu der Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Angeklagten H. hat es vier Wochen Dauerarrest verhängt; ferner hat es ihn der Aufsicht eines Betreuungshelfers unterstellt und ihm die Ableistung von 100 Arbeitsstunden auferlegt. Die Revision der Nebenklägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts und beanstandet das Verfahren. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.


2
Das Landgericht hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. In der Nacht zum 28. November 2014 kamen die alkoholisierten Angeklagten überein, in eine Fast-Food-Filiale einzudringen, die damals ein Gewinnspiel mit Aufklebern auf ihren Verpackungen veranstaltete. Sie wollten von den vorrätig gehaltenen Verpackungen die Aufkleber ablösen und an sich bringen. Der dort zuvor beschäftigte S. wusste, dass man aus dem Keller eines häufig unverschlossenen Nachbarhauses ungehindert in den der Filiale wechseln konnte. Gemeinsam begaben sie sich so in den im Keller befindlichen Lagerraum und begannen mit dem Ablösen der Aufkleber. S. sah sich nach einiger Zeit kurz in den oberen Räumen um und erblickte im Büro die mit der Tagesabrechnung befasste Nebenklägerin, die ihn allerdings nicht bemerkte. In der Annahme, diese werde nicht in den Keller kommen, fuhren sie mit dem Ablösen der Aufkleber fort.
4
Bei einem Kontrollgang gegen 02.50 Uhr entdeckte die Nebenklägerin die Angeklagten. Unbemerkt versteckte sie vorsorglich den mitgeführten Schlüssel für den im Büro stehenden Tresor. Die Angeklagten forderten die Nebenklägerin zunächst auf, ihnen beim Ablösen der Aufkleber zu helfen, entschlossen sich dann jedoch, auch die Tageseinnahmen an sich zu bringen. Hierzu verlangten sie die Herausgabe des Tresorschlüssels. Die Nebenklägerin gab vor, diesen habe ein Kollege mitgenommen. Darauf versuchte S. , mit einem im Keller abgelegten Schlüsselbund den Tresor zu öffnen. Da dies erfolglos blieb und auch im Büro kein passender Schlüssel zu finden war, gab er sein Vorhaben auf und kehrte in den Keller zurück.
5
In der Folge schlug einer der Angeklagten der Nebenklägerin dort mit einer vorgefundenen Gasflaschenkappe aus massivem Metall mindestens viermal auf den Kopf und ins Gesicht. Sie fiel zu Boden, worauf der Täter ihr noch einen Tritt in den Rücken versetzte. Neben mehreren Platzwunden erlitt die Nebenklägerin Frakturen des Orbitabodens und dreier Lendenwirbel. Um eine Verständigung der Polizei zu verhindern, nahm S. das Mobiltelefon der blutüberströmt und bewusstlos daliegenden Nebenklägerin an sich. Damit und mit den zuvor abgelösten Aufklebern verließen die beiden die Filiale. Das Mobiltelefon warf S. sogleich weg. Die Nebenklägerin wurde gegen 04.40 Uhr in weiterhin bewusstlosem Zustand von einer Reinigungskraft im Keller aufgefunden.
6
2. Das Landgericht hat weder klären können, welcher der Angeklagten die Nebenklägerin misshandelte, noch hat es sich davon überzeugen können, dass dies auf einem gemeinsamen Tatplan beruhte. Es hat den Exzess eines der Angeklagten aus Wut über die gescheiterte Öffnung des Tresors oder aus Angst vor einer Entdeckung für möglich gehalten.
7
a) H. , der sich erstmals in der Hauptverhandlung eingelassen habe, habe den Angriff bestritten. Er habe sich auf ein Geräusch hin umgedreht und die Nebenklägerin blutend auf dem Boden liegen gesehen. Demgegenüber habe S. in der Hauptverhandlung ebenso wie bereits im Ermittlungsverfahren ausgesagt, H. habe für ihn überraschend die Metallkappe ergriffen , die Nebenklägerin damit niedergeschlagen und ihr anschließend einen Fußtritt versetzt. Dabei habe H. geäußert, die Nebenklägerin habe ihre Gesichter gesehen.
8
b) Die Nebenklägerin habe wegen verletzungsbedingter Einschränkungen ihres Erinnerungsvermögens nicht zur Klärung beitragen können. Zunächst habe sie weder bei der ärztlichen Untersuchung am 28. November 2014 noch bei Vernehmungen am 29. November und am 1. Dezember 2014 den Tather- gang schildern können. Erst am 2. Dezember 2014 habe sie gegenüber ihren beiden Töchtern geäußert, sie habe im Keller zwei Personen angetroffen, eine mit hellen Haaren (S. ), die andere mit schulterlangen dunklen Haaren (H. ); die mit den dunklen Haaren sei die ganze Zeit bei ihr geblieben. Geschlagen habe nur eine Person; diese habe sie aber nicht eindeutig bezeichnen können. So habe eine der Töchter bekundet, nach ihrem Eindruck sei ihrer Mutter nicht wirklich klar gewesen, welcher der Täter sie geschlagen habe. Bei einer weiteren polizeilichen Vernehmung am 3. Dezember 2014 habe die Nebenklägerin die langhaarige Person als wahrscheinlichen Angreifer benannt; am 29. Dezember 2014 erneut vernommen, habe sie sich zunächst nicht mehr daran erinnern können, überhaupt geschlagen worden zu sein. In der Hauptverhandlung habe sie erklärt, sie wisse nicht, wo ihre Verletzungen herrühren; auch der Vorhalt ihrer früheren Aussagen habe ihre Erinnerung nicht geweckt.
9
c) Die Spurenlage bleibe unklar. Aus Blutspuren an den Schuhen des Angeklagten H. könne in Übereinstimmung mit dem rechtsmedizinischen Sachverständigen wegen der durch die Schläge verursachten Blutspritzer und einer sich ausbreitenden Blutlache nicht auf dessen Täterschaft geschlossen werden. Soweit am Ärmel einer S. gehörenden Lederjacke Blut der Nebenklägerin gesichert worden sei, lasse sich nicht sicher feststellen, welcher der Angeklagten diese zur Zeit des Angriffs getragen habe. Wie sich aus den Aufzeichnungen einer Videokamera im Büro ergebe, habe der Täter, der sich mit dem Tresor befasste, die H. gehörende Kapuzenjacke aus Stoff getragen. Dies decke sich mit der Einlassung von H. , er habe S. auf dessen Bitte hin die Jacke überlassen, weil dieser sich vor dem Gang in das Büro wegen der ihm bekannten Videoüberwachung habe vermummen wollen. Ob S. die Jacke lediglich über seine Lederjacke gezogen und sich ihrer nach Verlassen des Büros wieder entledigt habe, sei nicht zu klären. Selbst habe er angegeben, man habe bereits vor der Tat die Jacken getauscht, weil ihm wegen des - auch festgestellten - defekten Reißverschlusses der Lederjacke und zu leichter Unterbekleidung kalt gewesen sei. Sich hierzu weiter zu erklären, seien die Angeklagten nicht bereit gewesen.
10
3. Das Landgericht hat sich auch nicht davon überzeugen können, dass die Angeklagten den Tresorschlüssel dadurch zu erlangen versuchten, dass sie gegen die Nebenklägerin Gewalt ausübten oder diese bedrohten (§ 249 Abs. 1, § 22 StGB).
11
Die brutalen, zur sofortiger Bewusstlosigkeit führenden Schläge gegen die körperlich sehr kleine, den Angeklagten weit unterlegene Nebenklägerin seien erkennbar kein geeignetes Mittel gewesen, eine Übergabe des Tresorschlüssels oder eine Preisgabe des Aufbewahrungsorts zu bewirken. Im Übrigen habe die Nebenklägerin, unabhängig davon, dass sie sich an konkrete Abläufe nicht habe erinnern können, Gewalt oder Drohungen der Angeklagten zu diesem Zweck schon deshalb ausgeschlossen, weil sie dann entsprechend der betriebsinternen Anweisung den Schlüssel sogleich übergeben hätte.
12
4. Was die mitgenommenen Aufkleber betrifft, hat das Landgericht das Verfahren in der Hauptverhandlung gemäß §§ 154, 154a StPO eingestellt.

II.


13
1. Die Revision der Nebenklägerin ist zulässig (§ 400 Abs. 1, § 395 Abs. 3 StPO). Der Begründungsschrift ist dadurch, dass sie auch den Wortlaut der Begründung der zwischenzeitlich zurückgenommenen Revision der Staats- anwaltschaft einbezieht, jedenfalls zu entnehmen, dass die Nebenklägerin in Bezug auf die Tageseinnahmen eine Verurteilung der Angeklagten wegen versuchten Raubes erstrebt.
14
2. Die Verfahrensrüge, das Landgericht habe seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt, dass es von der Einholung eines Sachverständigengutachtens zu Faserspuren "der zur Tatzeit vom Angeklagten H. getragenen Kleidung" im Inneren der Lederjacke abgesehen habe, ist nicht in zulässiger Weise erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), denn es mangelt an vollständigem Vortrag dazu, welche Vergleichsuntersuchungen die Beschwerdeführerin vermisst und aufgrund welcher Umstände sich das Landgericht dazu hätte gedrängt sehen müssen. Auch bei Heranziehung der schriftlichen Urteilsgründe bleibt offen, welche Kleidungsstücke im Einzelnen der Angeklagte H. zur Tatzeit trug und ob diese, etwa aufgrund fortdauernder Sicherstellung, für eine Vergleichsuntersuchung (noch) zur Verfügung standen.
15
3. Die Beweiswürdigung des Landgerichts weist keinen Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten auf.
16
a) Kann das Tatgericht Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten nicht überwinden, so ist dies vom Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters, dem allein es obliegt, sich unter dem Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsgericht kann demgegenüber nur prüfen, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 6. August 2015 - 3 StR 226/15 juris Rn. 5). Lückenhaft ist die Würdigung der Beweise insbesondere dann, wenn das Urteil nicht erkennen lässt, dass der Tatrichter alle Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, in seine Überlegungen einbezogen und dabei nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt hat (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 2015 - 3 StR 635/14 juris Rn. 3). Liegt ein solcher Rechtsfehler nicht vor, ist die tatrichterliche Würdigung auch dann hinzunehmen , wenn ein anderes Ergebnis ebenso möglich gewesen wäre oder gar näher gelegen hätte (BGH, Urteil vom 17. April 2014 - 3 StR 27/14, NStZ-RR 2014, 279, 280).
17
b) Nach diesen Maßstäben hält die Beweiswürdigung des Landgerichts revisionsgerichtlicher Überprüfung stand.
18
aa) Ohne Rechtsfehler ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, es sei weder zu ermitteln, welcher der Angeklagten die Nebenklägerin misshandelt habe, noch sei festzustellen, dass dies auf einem gemeinsamen Tatplan beruht habe.
19
(1) Soweit es die Revision für nahe liegend hält, dass die Angeklagten ihre Jacken schon vor dem Tatgeschehen tauschten, und die Annahme, S. könne die Kapuzenjacke über seine Lederjacke gezogen haben, als Spekulation bezeichnet, erschöpft sie sich in einer abweichenden Würdigung der Beweise. Dass S. beide Jacken übereinander trug, hat das Landgericht auch deshalb nicht ausschließen können, weil die auf der Videoaufnahme erkennbare Kapuzenjacke "gepolstert" wirkte. Nichts anderes gilt, soweit die Revision vorträgt, das Landgericht hätte die an den Schuhen des Angeklagten H. gesicherten Blutspuren als gewichtige Beweisanzeichen für dessen Täterschaft werten müssen.
20
(2) Dass die Verdeckung des Tatgeschehens (übereinstimmendes) Motiv beider Angeklagter gewesen sein könnte, hat das Landgericht, anders als der Generalbundesanwalt meint, ersichtlich im Blick gehabt. Wenn es sich mangels weiterer Anhaltspunkte gleichwohl nicht von einem auf gemeinsamen Willensentschluss beruhenden Vorgehen gegen die Nebenklägerin hat überzeugen können, so ist dies revisionsrechtlich hinzunehmen.
21
bb) Auch soweit das Landgericht nicht hat feststellen können, dass die Angeklagten den Tresorschlüssel mittels Gewalt oder Drohungen zu erlangen versuchten, weist die dem zu Grunde liegende Würdigung der Beweise entgegen der Ansicht der Revision keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu deren Vorteil auf.
22
Zwar haben sich beide Angeklagte dahin eingelassen, der jeweils andere habe die Nebenklägerin, als sie im Lagerraum erschienen sei, von hinten festgehalten , bis sie aufgehört habe, zu schreien, bzw. ihr den Mund zugehalten. Ein solches Tatgeschehen hat auch die Nebenklägerin beschrieben, wenngleich sich dieses nach ihrer Erinnerung erst im Anschluss an die Frage der Täter nach dem Tresorschlüssel ereignet haben soll. Jedoch drängten diese Aussagen entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht zu weitergehenden Erörterungen, ob die Angeklagten ihrer Aufforderung an die Nebenklägerin , den Tresorschlüssel herauszugeben (oder ihrer Veranlassung, die Wegnahme der Aufkleber zu dulden), durch konkludente Drohung mit weiterer körperlicher Gewalt Nachdruck verliehen. Vielmehr machen die Gesamtumstände hinreichend deutlich, dass die Angeklagten mit ihrem Vorgehen lediglich bezweckten, die Nebenklägerin ruhig zu stellen, und dass sie nach Erreichen dieses Ziels im Gegenteil auch der Nebenklägerin gegenüber zum Ausdruck bringen wollten, von weiterer körperlicher Gewalt gegen sie Abstand zu nehmen. So hat sich S. weiter dahin eingelassen, H. habe die Nebenklägerin (nur) festgehalten, bis sie aufgehört habe, zu schreien. H. hat nach seiner Einlassung der von S. umklammerten Nebenklägerin versichert, man wolle ihr nichts tun, worauf dieser sie losgelassen habe. Erst danach habe S. plötzlich nach dem Tresorschlüssel gefragt; die Nebenklägerin habe geantwortet wie festgestellt. Vor diesem Hintergrund ist es von Rechts wegen nicht zu beanstanden, dass das Landgericht die entscheidende Bedeutung der Aussage der Nebenklägerin beigemessen hat, sie hätte den Schlüssel sogleich herausgegeben, wenn sie sich bedroht gefühlt hätte.
23
4. Der Senat folgt dem Generalbundesanwalt auch nicht dahin, dass beide Angeklagte statt wegen unterlassener Hilfeleistung wegen eines Körperverletzungsdelikts begangen durch Unterlassen (§ 13 Abs. 1 StGB) zu verurteilen gewesen wären. Die rechtsfehlerfreien Feststellungen bieten schon keine Grundlage für die Annahme einer Garantenstellung jedes Angeklagten kraft Ingerenz deshalb, weil er durch sein Vorverhalten die nahe Gefahr eines Gewaltexzesses des jeweils anderen gegenüber der Nebenklägerin geschaffen hätte (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 26. Februar 2009 - 5 StR 572/08, NStZ 2009, 381, 382 mwN). Im Übrigen werden weitergehende gesundheitliche Beeinträchtigungen der nicht lebensgefährlich verletzten Nebenklägerin dadurch, dass sie erst gegen 04.40 Uhr aufgefunden wurde, nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist festgestellt, dass die Angeklagten solche für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hätten. Davon, dass jeder Angeklagte bereits einen solchen Gewaltexzess des jeweils anderen hätte abwenden können, geht auch der Generalbundesanwalt nicht aus.
Becker Hubert Schäfer Mayer Ri'inBGH Dr. Spaniol befindet im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker

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Strafprozeßordnung - StPO | § 395 Befugnis zum Anschluss als Nebenkläger


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Tenor Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Kleve vom 8. Dezember 2016 wird verworfen.

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(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

Eine Straftat versucht, wer nach seiner Vorstellung von der Tat zur Verwirklichung des Tatbestandes unmittelbar ansetzt.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

(1) Der Nebenkläger kann das Urteil nicht mit dem Ziel anfechten, daß eine andere Rechtsfolge der Tat verhängt wird oder daß der Angeklagte wegen einer Gesetzesverletzung verurteilt wird, die nicht zum Anschluß des Nebenklägers berechtigt.

(2) Dem Nebenkläger steht die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß zu, durch den die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt oder das Verfahren nach den §§ 206a und 206b eingestellt wird, soweit er die Tat betrifft, auf Grund deren der Nebenkläger zum Anschluß befugt ist. Im übrigen ist der Beschluß, durch den das Verfahren eingestellt wird, für den Nebenkläger unanfechtbar.

(1) Der erhobenen öffentlichen Klage oder dem Antrag im Sicherungsverfahren kann sich mit der Nebenklage anschließen, wer verletzt ist durch eine rechtswidrige Tat nach

1.
den §§ 174 bis 182, 184i bis 184k des Strafgesetzbuches,
2.
den §§ 211 und 212 des Strafgesetzbuches, die versucht wurde,
3.
den §§ 221, 223 bis 226a und 340 des Strafgesetzbuches,
4.
den §§ 232 bis 238, 239 Absatz 3, §§ 239a, 239b und 240 Absatz 4 des Strafgesetzbuches,
5.
§ 4 des Gewaltschutzgesetzes,
6.
§ 142 des Patentgesetzes, § 25 des Gebrauchsmustergesetzes, § 10 des Halbleiterschutzgesetzes, § 39 des Sortenschutzgesetzes, den §§ 143 bis 144 des Markengesetzes, den §§ 51 und 65 des Designgesetzes, den §§ 106 bis 108b des Urheberrechtsgesetzes, § 33 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie, § 16 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und § 23 des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen.

(2) Die gleiche Befugnis steht Personen zu,

1.
deren Kinder, Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner durch eine rechtswidrige Tat getötet wurden oder
2.
die durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172) die Erhebung der öffentlichen Klage herbeigeführt haben.

(3) Wer durch eine andere rechtswidrige Tat, insbesondere nach den §§ 185 bis 189, 229, 244 Absatz 1 Nummer 3, Absatz 4, §§ 249 bis 255 und 316a des Strafgesetzbuches, verletzt ist, kann sich der erhobenen öffentlichen Klage mit der Nebenklage anschließen, wenn dies aus besonderen Gründen, insbesondere wegen der schweren Folgen der Tat, zur Wahrnehmung seiner Interessen geboten erscheint.

(4) Der Anschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zulässig. Er kann nach ergangenem Urteil auch zur Einlegung von Rechtsmitteln geschehen.

(5) Wird die Verfolgung nach § 154a beschränkt, so berührt dies nicht das Recht, sich der erhobenen öffentlichen Klage als Nebenkläger anzuschließen. Wird der Nebenkläger zum Verfahren zugelassen, entfällt eine Beschränkung nach § 154a Absatz 1 oder 2, soweit sie die Nebenklage betrifft.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

5
2. Gegen diesen Teilfreispruch wenden sich die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger mit ihren Rechtsmitteln. Den in den Revisionsbegründungen vorgetragenen Angriffen gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts bleibt der Erfolg versagt: Spricht das Tatgericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht überwinden kann, so ist dies vom Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Die Würdigung der Beweise ist Sache des Tatrichters, dem allein es obliegt, sich unter dem Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsgericht kann demgegenüber nur prüfen, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist, mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326). Liegt ein solcher Rechtsfehler nicht vor, ist die vom Tatgericht vorgenommene Würdigung auch dann hinzunehmen, wenn ein anderes Ergebnis ebenso möglich gewesen wäre oder gar näher gelegen hätte (BGH, Urteil vom 17. April 2014 - 3 StR 27/14, NStZRR 2014, 279, 280).
3
Der Freispruch des Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung hat keinen Bestand, denn die Beweiswürdigung des Landgerichts erweist sich als lückenhaft. Das Urteil lässt nicht erkennen, dass die Strafkammer alle Umstände , die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, in seine Überlegungen einbezogen und dabei nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt hat (zu diesen Erfordernissen etwa BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 StR 371/13, juris Rn. 8).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 S t R 2 7 / 1 4
vom
17. April 2014
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1.: Bandenhandels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
zu 2.: Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. April
2014, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Pfister,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten L.
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten C.
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 21. August 2013 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die den Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten L. wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und den Angeklagten C. wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge als Mitglied einer Bande schuldig gesprochen, Freiheitsstrafen von acht Jahren (Angeklagter L. ) bzw. drei Jahren und sechs Monaten (Angeklagter C. ) verhängt und einen sichergestellten LKW-Auflieger eingezogen. Im Übrigen hat es die Angeklagten freigesprochen und von der Einziehung eines weiteren LKW-Aufliegers abgesehen. Gegen den Teilfreispruch und die unterbliebene Einziehungsentscheidung wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie Verfahrensbeanstandungen und die Sachrüge erhebt. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtmittel hat keinen Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte L. spätestens seit Ende des Jahres 2011 Mitglied einer Gruppierung von Personen, die sich entschloss, in wechselnder Beteiligung und in arbeitsteiligem Zusammenwirken für eine gewisse Dauer mehrfach Marihuana in großen Mengen aus Südeuropa nach Hannover zu bringen, um es von dort aus gewinnbringend weiter zu veräußern. Ab Februar 2012 begann der Angeklagte in Absprache mit seinen Hintermännern mit den logistischen Vorbereitungen für die Transporte, indem er eine Halle und ab dem 15. Juni 2012 eine weitere Halle mit größerer Tordurchfahrt anmietete sowie Ende Juni 2012 einen Mercedes Sprinter als Auslieferungsfahrzeug für die Betäubungsmittel erwarb. Ende September 2012 kaufte er zudem 1.000 Faltkartons, in die das Marihuana verpackt werden sollte, und holte eine Teilmenge von 300 Stück ab. Mitte Oktober 2012 mietete er schließlich ein weiteres Fahrzeug an, einen VW Golf Kombi. Insgesamt wendete er für diese Maßnahmen 41.000 € auf; das Geld hatte er von der Gruppierung erhalten.
3
Die Hintermänner aus Südeuropa versteckten insgesamt 394 kg Marihuana im Dach eines Kühl-Sattelaufliegers, nachdem sie das dort befindliche Dämmmaterial entfernt und so ausreichend Hohlräume für die Drogen geschaffen hatten. Der Angeklagte L. nahm den Sattelauflieger am 14. November 2012 in der von ihm angemieteten Halle mit der größeren Tordurchfahrt in Empfang. Bereits am 12. November 2012 war der Angeklagte C. aus Albanien nach Deutschland gekommen, um dem Angeklagten L. bei der Öffnung des von den Hintermännern wieder verschlossenen Dachs des Aufliegers sowie bei der Auslieferung der Drogen zu helfen. Nachdem sie ca. 135 kg Marihuana umgeladen hatten, fuhren die Angeklagten - jeder in einem anderen Fahrzeug - in Richtung der Innenstadt von Hannover, wo sie vereinbarungsgemäß den von dem Angeklagten C. gesteuerten, mit den Betäubungsmitteln beladenen Mercedes-Sprinter für die Abnehmer abstellen sollten. Sie wurden aber bereits nach kurzer Zeit von zwei Polizeibeamten kontrolliert, die die stark riechenden Betäubungsmittel entdeckten. Bei der anschließenden Kontrolle der Lagerhalle wurden in dem Sattelauflieger weitere ca. 259 kg Marihuana gefunden und sichergestellt.
4
In der Lagerhalle befand sich zudem ein weiterer Kühl-Sattelauflieger mit bulgarischem Kennzeichen, dessen Dach in ähnlicher Weise für versteckte Transporte vorbereitet war und den der Angeklagte L. spätestens am 17. Oktober 2012 in der Halle hatte unterstellen lassen. Die Verstecke und die Ladefläche waren leer, die Bremsen des Anhängers defekt.
5
2. Das Landgericht hat die Angeklagten aufgrund dieser Feststellungen wie dargelegt verurteilt; es hat sich hingegen nicht von einer weiteren von der Anklageschrift umfassten Tat zu überzeugen vermocht. Nach dem Anklagevorwurf habe der Angeklagte L. zu einem unbekannten Zeitpunkt nach dem 15. Juni 2012 bis zum 11. November 2012, wahrscheinlich im September 2012, eine weitere Marihuanalieferung von mindestens 394 kg erhalten, die in dem Dach des leeren und defekten, bei der Durchsuchung der Halle sichergestellten Sattelaufliegers versteckt gewesen sei. Diese Betäubungsmittel habe er in der Folgezeit verteilt und verkauft, wobei ihm der Angeklagte C. zwischen dem 8. und 28. September 2012 behilflich gewesen sei.
6
Die Revision macht gegen den Teilfreispruch mit der Verfahrensrüge geltend , die Strafkammer habe Beweisanträge der Staatsanwaltschaft, die zur weiteren Aufklärung des Tatvorwurfs hätten führen können, zu Unrecht abgelehnt. Mit der Sachrüge beanstandet die Staatsanwaltschaft die Beweiswürdigung sowie die fehlerhafte Anwendung des § 74 StGB.
7
3. Die von der Revision erhobenen Beanstandungen dringen nicht durch. Die auf die Sachrüge veranlasste materiellrechtliche Überprüfung des Urteils hat im freisprechenden bzw. die Einziehung des defekten Kühl-Sattelaufliegers ablehnenden Teil - auf den allein sich die Revision der Staatsanwaltschaft bezieht - auch im Übrigen einen Rechtsfehler zu Gunsten der Angeklagten nicht ergeben.
8
a) Die Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ist unbegründet. Ergänzend zu den im Übrigen zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bedarf nur Folgendes weiterer Erörterung:
9
Die Verfahrensbeanstandung der Staatsanwaltschaft zeigt im Ansatz zutreffend auf, dass die Strafkammer Indiztatsachen, die sie in den Ablehnungsbeschlüssen als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos behandelt hatte, in den Urteilsgründen als erwiesen festgestellt hat. Ein solches Vorgehen kann die Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO indes nur begründen, wenn sich das Tatgericht im Urteil in Widerspruch zu den Gründen der ablehnenden Beschlüsse setzt (LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 227 mwN; BGH, Beschlüsse vom 14. Mai 2013 - 5 StR 143/13, NStZ 2013, 611; vom 20. Juli 2010 - 3 StR 250/10, StraFo 2010, 466), wofür es gegebenenfalls ausreicht, dass das Urteil Tatsachen, die zuvor als bedeutungslos behandelt worden waren, nunmehr Bedeutung beimisst (LR/Becker aaO; BGH, Urteil vom 18. September 1987 - 2 StR 350/87, BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Hinweispflicht 1). Das hat die Strafkammer aber nicht getan; sie hat vielmehr die als bedeutungslos erachteten Indizien, die sie - zutreffend - für die vorläufige Beweiswürdigung in den Ablehnungsbeschlüssen so, als seien sie erwiesen, in das bisherige Beweisergebnis eingestellt hatte (vgl. insoweit LR/Becker aaO, Rn. 220; BGH, Beschluss vom 14. Mai 2013 - 5 StR 143/13, NStZ 2013, 611), in den Urteils- gründen als erwiesen behandelt, und sie gleichermaßen im Einklang mit den Ablehnungsbeschlüssen in die nunmehr endgültige Beweiswürdigung eingestellt. Dabei hat das Landgericht die Indiztatsachen im Ergebnis weiterhin als bedeutungslos gewürdigt, weil es die von der Beschwerdeführerin intendierten Schlüsse auch in den Urteilsgründen nicht gezogen hat.
10
Soweit die Staatsanwaltschaft mit der Verfahrensrüge geltend macht, in einem der Beschlüsse sei die von der Strafkammer vorgenommene Gesamtabwägung mit dem bisherigen Beweisergebnis nicht ausreichend, zeigt sie damit einen Rechtsfehler nicht auf. Die Strafkammer hat bei der Ablehnung des Beweisantrages auf Vernehmung zweier Zeugen nicht nur die in deren Wissen gestellten Tatsachen als zutreffend in die von ihr vorzunehmende vorläufige Beweiswürdigung eingestellt, sondern zahlreiche weitere gegen die Angeklagten sprechende Indizien und dabei insbesondere auch die Angaben des Angeklagten L. gegenüber einem Polizeibeamten gewürdigt. Dass sie dabei lediglich einen Teil der Einlassung berücksichtigt, einen anderen - wie von der Staatsanwaltschaft geltend gemacht - aber aus dem Blick verloren habe, schließt der Senat nicht zuletzt mit Blick auf die weiteren, am gleichen Tag verkündeten Ablehnungsbeschlüsse aus, die ebenfalls eine umfassende Gesamtwürdigung enthalten. Soweit die Revision offenbar die Auffassung vertritt, die von dem Angeklagten L. eingeräumte Übergabe einer Geldzählmaschine an ihn hätte zu einer anderen Bewertung der weiteren Indizien führen müssen, ersetzt sie die allein dem Tatgericht obliegende - vorläufige - Beweiswürdigung durch ihre eigene, die sie für plausibler hält. Eine solche Plausibilitätskontrolle, insbesondere dahin, ob nicht etwa eine gegenteilige Überzeugungsbildung näher gelegen hätte, findet im Revisionsverfahren indes nicht statt, denn die Annahme tatsächlicher Bedeutungslosigkeit stellt ein Element der freien tatrichter- lichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) dar, die in der Revisionsinstanz allein auf das Vorliegen von Rechtsfehlern geprüft wird (LR/Becker aaO, Rn. 221 mwN).
11
b) Den mit der Sachrüge vorgebrachten Angriffen gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts bleibt ebenfalls der Erfolg versagt: Spricht der Tatrichter einen Angeklagten frei, weil er Zweifel an dessen Täterschaft nicht überwinden kann, so ist dies vom Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Die Würdigung der Beweise ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO), dem allein es obliegt, sich unter dem Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Das Revisionsgericht kann demgegenüber nur prüfen, ob die Beweiswürdigung des Tatrichters mit Rechtsfehlern behaftet ist, etwa weil sie Lücken oder Widersprüche aufweist , mit den Denkgesetzen oder gesichertem Erfahrungswissen nicht in Einklang steht oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überzogene Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326). Liegt ein solcher Rechtsfehler nicht vor, ist die vom Tatgericht vorgenommene Würdigung hinzunehmen, auch wenn ein anderes Ergebnis ebenso möglich gewesen wäre oder gar näher gelegen hätte (BGH, Urteil vom 4. April 2013 - 3 StR 521/12, juris Rn. 15).
12
Nach diesen Maßstäben beachtliche Rechtsfehler zeigt die Revision der Staatsanwaltschaft - worauf auch der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen hat - nicht auf. Insbesondere erweist sich die Beweiswürdigung nicht deshalb als lückenhaft, weil nicht zu jeder einzelnen Feststellung dargelegt wird, auf welches Beweismittel diese gründet; die Darstellung der Beweiswürdigung im Urteil dient nicht dazu, für alle Feststellungen einen Beleg zu erbringen (KK-Ott, StPO, 7. Aufl., § 261 Rn. 82 mwN). Soweit eine vermeintlich fehlende Erörterung von einzelnen Indizien mit urteilsfremden Umständen begründet wird, etwa damit, welche - im Urteil nicht wiedergegebenen - Angaben ein Zeuge gemacht habe, sind diese im Rahmen der Prüfung der Sachrüge unbeachtlich (BGH aaO, Rn. 16). Mit Blick auf die geltend gemachte unzureichende Erörterung einzelner Indiztatsachen bei der Gesamtabwägung der Strafkammer in den Urteilsgründen (Übergabe einer Geldzählmaschine , zeitlicher Ablauf der Handlungen des Angeklagten L. , Vornahme einer Schätzung) erschöpfen sich die Angriffe der Staatsanwaltschaft darin, ihre eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Tatgerichts zu setzen. Auch damit kann die Revision keinen Erfolg haben (BGH aaO).
13
Soweit die Beschwerdeführerin schließlich rügt, die Strafkammer habe die Einlassungen der Angeklagten ihrer Entscheidung nicht zu Grunde legen dürfen, geht auch dieser Angriff gegen die Beweiswürdigung fehl. Das Landgericht hat zwar ausgeführt, es habe die Einlassung der Angeklagten im Ergebnis nicht zu widerlegen vermocht. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, die Strafkammer habe - ohne von der Richtigkeit der Einlassungen aufgrund einer Gesamtschau der Beweiswürdigung überzeugt zu sein (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18. Januar 2011 - 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302) - diese bei ihrer Entscheidung ohne Weiteres berücksichtigt; aus den Feststellungen des Urteils, die insoweit ersichtlich nicht den Inhalt der Einlassungen der Angeklagten als erwiesen darstellen, ergibt sich ein solches Vorgehen gerade nicht. Der Sache nach hat die Strafkammer offen gelassen, ob die Einlassungen, der Angeklagte L. habe dem Angeklagten C. im September 2012 lediglich beim Erwerb eines Gebrauchtwagens behilflich sein wollen, zutreffend waren; sie hat sich indes ungeachtet der Einlassungen außer Stande gesehen, sich von dem Sachverhalt zu überzeugen, der nach Auffassung der Staatsanwaltschaft den weiteren Anklagevorwurf begründete. Rechtsfehler in der Beweiswürdigung sind danach auch insoweit nicht ersichtlich, zumal zu berücksichti- gen ist, dass aus der etwaigen Unwahrheit der Einlassungen ohnehin nicht ohne Weiteres tragfähige Rückschlüsse darauf gezogen werden könnten, was sich in Wirklichkeit ereignet hat (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 17. Dezember 1993 - 2 StR 666/93, BGHR StPO § 261 Beweiskraft 3 mwN).
14
c) Die Rüge der Verletzung des § 74 StGB bleibt aus den zutreffenden Erwägungen, die der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift dargelegt hat, ohne Erfolg.
Schäfer Pfister Mayer Gericke Spaniol

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

5 StR 572/08

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 26. Februar 2009
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 26. Februar
2009, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König
alsbeisitzendeRichter,
Staatsanwalt beim Bundesgerichtshof
alsVertreterderBundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin B.
alsVerteidigerindesAngekla gten G. ,
Rechtsanwältin H.
alsVerteidigerindesAngek lagten H. S. ,
Justizangestellte
alsUrkundsbeamtinderGeschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 5. Mai 2008 aufgehoben,
a) soweit die Angeklagten G. und H. S. wegen der in der Wohnung des Nebenklägers begangenen Straftaten verurteilt worden sind, nämlich der Angeklagte G. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit unterlassener Hilfeleistung, der Angeklagte H. S. wegen gefährlicher Körperverletzung (in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen), mit den insoweit getroffenen Feststellungen zum Tatvorsatz,
b) in den Aussprüchen über die Höhe der gegen diese beiden Angeklagten verhängten Jugendstrafen.
Sämtliche Feststellungen zum äußeren Tathergang, zur (erheblich eingeschränkten) Schuldfähigkeit der Angeklagten und zu ihren persönlichen Verhältnissen bleiben aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
– Von Rechts wegen – G r ü n d e

I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen versuchten Raubes und gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit unterlassener Hilfeleistung, zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten, den Angeklagten H. S. wegen gefährlicher Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung (in zwei rechtlich zusammentreffenden Fällen) und Unterschlagung – unter Freisprechung im Übrigen – ebenfalls zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt.
2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
In der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember 2007 tranken die Angeklagten , die u. a. wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung rechtskräftig verurteilten bisherigen Mitangeklagten I. (verurteilt zu fünf Jahren und sechs Monaten Jugendstrafe) und M. S. (verurteilt zu sieben Jahren und vier Monaten Freiheitsstrafe und Unterbringung nach § 64 StGB) sowie der Nebenkläger K. im Übermaß Alkohol. Während die Angeklagten und die Mitverurteilten in ihrer Steuerungsfähigkeit deshalb erheblich eingeschränkt waren, war der Nebenkläger stark betrunken und weitgehend hilflos. Auf dem Nachhauseweg versuchten G. und I. , den Nebenkläger zu berauben. Anschließend schlugen und traten sie gemeinsam mit H. S. den Nebenkläger gegen Kopf und Oberkörper. H. S. eignete sich dem erheblich verletzten, blutenden Opfer zur weiteren Demütigung ausgezogene Sportschuhe an. G. , der erkannte, dass dem Nebenkläger trotz seines Zustandes gegenwärtig war, wer ihm die Verletzungen beigebracht hatte, sagte zu den anderen sinngemäß: „Der hat alles mitgekriegt, der muss weg, ich habe keine Lust, ins Gefängnis zu gehen!“ (UA S. 25).
4
Die vier jungen Männer brachten den Nebenkläger zu seiner Wohnung. H. S. zog den vor seiner Wohnungstür fallen gelassenen Nebenkläger in das Wohnzimmer, „wo dieser in die Ecke kroch, in der er völlig apathisch liegen blieb“ (UA S. 25). M. S. , der sich zur Tötung des Nebenklägers entschlossen hatte, um ihn als Zeugen vorangegangener Straftaten auszuschließen, äußerte daraufhin gegenüber den anderen: „Nun fangt mal an, ihr habt doch so eine große Klappe gehabt“ (UA S. 25). Mit ihm waren G. und auch I. spätestens jetzt zur Tötung entschlossen, um den Nebenkläger als Zeugen auszuschalten. H. S. war nach Feststellung der Jugendkammer einverstanden, den Nebenkläger durch weitere Körperverletzungen zu erniedrigen und zu quälen, „jedoch ging er nicht davon aus, dass K. nunmehr zu Tode gebracht werden sollte, und war damit auch nicht einverstanden“ (UA S. 25).
5
Durch seine vorangegangene Äußerung in „Zugzwang“ gesetzt, bildete G. mit seinem Ledergürtel eine Schlaufe. Als er dennoch den Gürtel nicht um den Hals des Nebenklägers legte, nahm M. S. den Gürtel und strangulierte den Nebenkläger im Einverständnis mit G. und I. mit Tötungsvorsatz. Als der Gürtel riss, nahm M. S. einen Schal, drosselte den Nebenkläger wiederum und zerrte diesen auf dem Fußboden einige Meter durch die Wohnung, bis der Nebenkläger im Gesicht rot anzulaufen begann und erkennbar keine Luft mehr bekam.
6
I. war mit dem Geschehen nun nicht mehr einverstanden. Auf seine Aufforderung ließ M. S. zunächst von einer weiteren Strangulation ab, H. S. lockerte den Schal, „um dem Opfer ein unbedrängtes Atmen zu ermöglichen“ (UA S. 26), und G. nahm den Schal ganz ab.
7
Nach einer Pause, während deren Dauer von mindestens fünf Minuten die jungen Männer rauchend um ihr am Boden liegendes Opfer herumstanden , versuchte G. , aus der Wohnung zu flüchten, was ihm aber wegen einer Verkantung des Schlosses der Wohnungseingangstür nicht gelang.
I. entschloss sich nunmehr, die Tötung des Nebenklägers doch zu vollenden , um ihn als Zeugen auszuschalten, strangulierte ihn mit aller Kraft mit dem Schal, bis er ihn für tot hielt, und versetzte ihm dann noch wenigstens zwei massive Fußtritte gegen den Kehlkopf. M. S. brachte dem Opfer sodann, als er noch Lebenszeichen bei ihm bemerkte, mit einem Küchenmesser mit einer 20 cm langen Klinge zwei tiefe Schnittwunden an der Kehle bei, um dessen Tod sicher herbeizuführen.
8
G. hatte vom Flur aus die Angriffe des I. gesehen, aber nichts unternommen, um ihn davon abzuhalten, obgleich er erkannte, dass der Nebenkläger Hilfe benötigte. H. S. beobachtete das gesamte Vorgehen von I. und M. S. , war dabei aber nach Auffassung der Jugendkammer lediglich mit Körperverletzungen einverstanden, nicht aber mit der Tötung des Nebenklägers. Dieser überlebte trotz der ihm zugefügten lebensgefährlichen Verletzungen.
9
2. Mit ihren auf die Sachrüge gestützten Revisionen greift die Staatsanwaltschaft lediglich die Beurteilung des Tatgeschehens in der Wohnung des Nebenklägers bei den Angeklagten G. und H. S. an. Sie erstrebt insoweit auch deren Verurteilung wegen versuchten Mordes. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg.

II.


10
Das angefochtene Urteil leidet an einem unauflöslichen Widerspruch. Die Jugendkammer sieht einerseits aufgrund der mindestens fünf Minuten währenden Pause zwischen dem abgebrochenen Drosselvorgang und dem unmittelbar durch die beiden rechtskräftig Verurteilten ausgeführten Tötungsversuch eine Zäsur, vor der sie einen Rücktritt vom unbeendeten Tötungsversuch und nach der sie einen neuen Tötungsentschluss annimmt. Andererseits beurteilt sie die Tathergänge in der Wohnung des Nebenklägers ohne ersichtliche Einschränkung als tateinheitlich.
11
1. Dies hat sich jedenfalls unmittelbar zum Vorteil des Angeklagten G. ausgewirkt. Angesichts des durchgängigen Tötungsmotivs und des engen zeitlichen Zusammenhanges liegt die Annahme einer einheitlichen Tötung deutlich näher. Jedenfalls bei dieser Betrachtungsweise scheidet ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten G. aus, der den gemeinschaftlichen Tötungsentschluss bei den Mittätern sogar initiiert hatte. Denn die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 StGB liegen schon mangels jeglichen Versuchs der Verhinderung der Vollendung der gemeinschaftlichen Tötung offensichtlich nicht vor. G. wäre demnach – im Ergebnis nicht anders als die rechtskräftig Verurteilten – wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu verurteilen gewesen.
12
2. Bei abweichender Beurteilung und Zubilligung eines Rücktritts vom Versuch hätte das Landgericht das Vorliegen eines anschließend verübten – tatmehrheitlich – versuchten Tötungsdelikts durch Unterlassen bei dem Angeklagten G. nicht verneinen dürfen.
13
a) Zu Unrecht geht das Landgericht davon aus, dass dieser Angeklagte keine Garantenstellung hatte. Beteiligen sich nämlich mehrere an noch nicht einmal lebensgefährlichen Misshandlungen eines Opfers und zielen die weiteren Tathandlungen eines Tatgenossen auf die Tötung des Opfers ab, so kann ein lediglich zuvor an den Gewalttätigkeiten Beteiligter nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtlich als Garant mit der Folge der Verpflichtung zur Abwendung des drohenden Tötungserfolges anzusehen sein (BGH NStZ 1985, 24; NJW 1999, 69, 71 f.; BGHR StGB § 13 Abs. 1 Garantenstellung 7), wenn durch sein Vorverhalten die nahe Gefahr des Eintritts des tatbestandsmäßigen Erfolges besteht (BGH NStZ 1998, 83, 84; 2004, 89, 91; NStZ-RR 1997, 292, 293). Dies kann dadurch bewirkt werden, dass der zur Tötung des Opfers bereite Tatgenosse durch die übrigen Tatbeteiligten in seinen, die Misshandlung des Opfers übersteigenden und nunmehr auf dessen Tötung gerichteten Handlungen bestärkt wird (BGH NStZ 1992, 31; NJW 1999 aaO; NStZ 2000, 583).
14
b) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe liegt nach den Feststellungen des Landgerichts – auch hinsichtlich aller subjektiven Voraussetzungen – eine Garantenstellung des Angeklagten G. auf der Hand: Dieser sah vom Flur aus die Angriffe des I. gegen den Hals des Nebenklägers. Er hielt es für möglich, dass der Nebenkläger noch lebte, unternahm aber nichts, um I. von seinem Tun abzuhalten, obwohl es ihm möglich war. Zuvor hatte er wesentlich zur Eskalierung des Tatgeschehens beigetragen, da er sich schon im Laufe der Nacht an verschiedenen Orten an den Misshandlungen des Nebenklägers beteiligt, den ersten Ansatz zu dessen Tötung in der Wohnung initiiert und daran aktiv mitgewirkt hatte. I. s Bestärkung hierdurch wird durch seine vom Landgericht festgestellte Äußerung zu Beginn des erneuten Strangulierens: „Gebt her, ihr kriegt das ja nicht hin“ (UA S. 27), hinreichend deutlich belegt. Dass G. nach seiner Vorstellung keine Möglichkeit zu wirksamer Einflussnahme auf seine bisherigen Mittäter gehabt hätte, hat das Landgericht – wie dessen Schuldspruch wegen unterlassener Hilfeleistung beweist – nicht angenommen und liegt auch sonst gänzlich fern.
15
3. Hinsichtlich der Verantwortung als Unterlassungstäter gälte für den Angeklagten H. S. nichts anderes. Auch er war an den Gewalthandlungen gegenüber dem Nebenkläger im Vorfeld beteiligt. Während des ersten Tötungsanlaufs war er mit weiteren Gewalthandlungen einverstanden gewesen.
16
Abgesehen davon liegt – weitergehend – in der Sache gänzlich fern, dass der Angeklagte H. S. , der das gesamte Geschehen verfolgte und eingestandenermaßen mit weiteren gemeinsamen Gewalthandlungen zum Nachteil des Nebenklägers einverstanden war, hierbei ungeachtet der von den Mittätern offen ausgesprochenen Tötungsmotivation und der bemerkten konkreten gegen das Opfer angewendeten Gewalt dessen Tötung nicht mindestens billigend in Kauf genommen hat. Da es insoweit an jeglicher nachvollziehbarer Begründung fehlt, ist die Verneinung des Tötungsvorsat- zes bei H. S. nur auf eine nicht tragfähige Unterstellung von dessen eingeschränkten Vorstellungen zurückzuführen; sie kann daher keinen Bestand haben.

III.


17
Die Aufhebung der von der widersprüchlichen und lückenhaften Beurteilung betroffenen Schuldsprüche zu den Taten in der Wohnung des Nebenklägers gegen die beiden Angeklagten, gegen die sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft richten, berührt nicht die rechtsfehlerfrei weitgehend aufgrund der Geständnisse der Angeklagten getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatablauf; sie bleiben aufrechterhalten. Das neue Tatgericht wird lediglich die bislang widersprüchlich beurteilte Frage einer relevanten Zäsur zwischen den Tatabschnitten neu bewerten und bei dem Angeklagten H. S. insgesamt sowie bei dem Angeklagten G. für den Fall der Annahme einer Zäsur für den zweiten Tatabschnitt Feststellungen zu Tötungsvorsatz und -motiv zu treffen haben.
18
Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen der Angeklagten und zu ihrer Schuldfähigkeit sind ebenfalls rechtsfehlerfrei getroffen und bleiben aufrechterhalten. Danach erweisen sich für beide Angeklagte die Annahme erheblich verminderter Schuldfähigkeit einschließlich der Verneinung der Voraussetzungen des § 64 StGB und die Anwendung von Jugendstrafrecht als nicht beanstandenswert; dies ist für das neue Tatgericht, das folgerichtig nunmehr keinen Sachverständigen mehr hinzuzuziehen haben wird, verbindlich. Da eine maßgeblich mildere Beurteilung als die bisherige bei beiden Angeklagten aus Rechtsgründen ausscheidet, hat es bei der Verhängung von Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld, bei H. S. auch wegen schädlicher Neigungen zu verbleiben. Das neue Tatgericht hat lediglich über deren Höhe nach Maßgabe des von ihm gefundenen Schuldspruchs neu zu befinden. Selbst bei Annahme gemeinschaftlich versuchten Mordes werden mildere Sanktionen als bei den rechtskräftig abgeurteilten, insoweit deutlich aktiver an dem Tatgeschehen beteiligten Mitangeklagten nahe liegen. Neben den notwendigen wenigen neuen Feststellungen zum Schuldspruch dürfen dem erneuten Urteil neue Feststellungen allenfalls zugrunde gelegt werden, wenn sie den bisher getroffenen aufrechterhaltenen Feststellungen nicht widersprechen.
Basdorf Brause Schaal Dölp König