Bundesgerichtshof Urteil, 17. Okt. 2019 - 3 StR 170/19

bei uns veröffentlicht am17.10.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 170/19
vom
17. Oktober 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Einschleusens von Ausländern u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:171019U3STR170.19.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17.Oktober 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer,
Richter am Bundesgerichtshof Gericke, Richterin am Bundesgerichtshof Wimmer, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Tiemann, Hoch als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt als Verteidiger,
Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 13. November 2018 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einschleusens von Ausländern in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat, ihn - nach Einstellung dreier weiterer Fälle nach § 154 Abs. 2 StPO - von einem weiteren Tatvorwurf freigesprochen und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen richtet sich die nicht beschränkte zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts verließ der Angeklagte im Jahr 2009 sein Heimatland Eritrea und begab sich über den Sudan nach Libyen , von wo er mit Hilfe von Schleusern per Boot nach Italien gelangte. Dort lebte er zunächst 18 Monate lang, bevor er 2011 nach Deutschland kam und hier Asyl beantragte. Im Jahr 2013 fragte ein im Sudan lebender Verwandter des Angeklagten (im Folgenden: Auftraggeber), ob er ihn bei seinen HawalaBankgeschäften - das Hawala-Finanzsystem ist ein im Zahlungsverkehr weltweit eingesetztes informelles Überweisungssystem, das seine Wurzeln in der frühmittelalterlichen Handelsgesellschaft des Vorderen und Mittleren Orients hat - dadurch unterstützen wolle, dass er als sein Vertreter Gelder in Deutschland in Empfang nehme und bis zu ihrer Abholung verwahre. Zudem könne er eritreischen Landsleuten helfen, die nach Deutschland reisen wollten und sich in Libyen in Schwierigkeiten befänden, weil ihnen ihre Verwandten dorthin nicht das für die weitere Schleusung nach Europa benötigte Geld schicken könnten; dies könnten die Angehörigen der zu schleusenden Eritreer indes mit Hilfe des Angeklagten über dessen Auftraggeber erledigen. Der Angeklagte erklärte sich - auch mit Blick auf die zugesicherte Provision in Höhe von 5% des jeweils zu transferierenden Geldbetrags, mit der er seinen Lebensunterhalt aufbessern wollte - damit einverstanden, seinen Auftraggeber nach dessen Anweisungen zu unterstützen.
3
1. In der Folgezeit erhielten Angehörige von in Libyen aufhältigen Eritreern , die nach Europa geschleust werden wollten, Anrufe von deren Schleusern, in denen sie aufgefordert wurden, den Schleuserlohn über den Angeklagten zu zahlen, dessen Telefonnummer den Angehörigen von den Schleusern mitgeteilt wurde. Diese riefen daraufhin beim Angeklagten an und nannten ihm die Namen der zu schleusenden Personen, ihre eigenen Namen und Rufnummern sowie die für die Schleusung zu entrichtenden Beträge; der Angeklagte nannte im Gegenzug seine Kontoverbindung. Nach Eingang des Geldes informierte er seinen Auftraggeber darüber und machte die zur Schleusung erforderlichen Angaben; ferner hob er den erhaltenen Schleuserlohn von seinem Konto ab und übergab ihn - abzüglich seiner Provision - bei nächster Gelegenheit an Mit- telsmänner seines Auftraggebers. Dem Angeklagten war dabei bewusst, dass die libyschen Schleusergruppen, die das Geld letztlich erlangten, die zu Schleusenden nach Italien bringen würden, wo sie ohne Aufenthaltstitel in den Schengen-Raum ein- und später nach Deutschland weiterreisten.
4
So verfuhr der Angeklagte in den vier zur Verurteilung gelangten Fällen, in denen die zu schleusenden Eritreer jeweils von libyschen Schleusern gefangen genommen worden waren und erst nach Zahlung der geforderten Beträge weiterreisen durften. In einem Fall zwangen die Schleuser den zu schleusenden Mann dazu, seiner Verwandten am Telefon zu sagen, dass man ihn töten werde , wenn sie das geforderte Geld nicht bezahle. Das Landgericht hat indes nicht festgestellt, dass der Angeklagte Kenntnis von solchen Drohungen oder auch nur den Umständen hatte, unter denen sich die zu schleusenden Personen in Libyen aufhielten.
5
2. Von einem weiteren Tatvorwurf hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen. Insoweit war dem Angeklagten zur Last gelegt worden, er habe den Anruf einer in Deutschland aufhältigen Eritreerin entgegengenommen, deren Mann in Libyen von Schleusern gefangen gehalten und mit seiner Enthauptung bedroht worden sei. Von dieser habe der Angeklagte für die Weiterleitung des geforderten Schleuserlohns in Höhe von 1.000 € eine Provision von 13,4% gefordert und gedroht, ihren Mann nicht freizulassen, bevor das Geld vollständig gezahlt worden sei. Das Geld habe die Frau am Hauptbahnhof auf Anweisung des Angeklagten einem nicht identifizierten Mann übergeben. Danach sei ihr Mann auf ein Boot und damit nach Italien gebracht worden.
6
Die Strafkammer hat sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte die angerufene Person war, weil die Zeugin in der Hauptverhand- lung die Telefonnummer nicht mehr hat erinnern können und nach ihren Angaben und weiteren Erkenntnissen im Ermittlungsverfahren - insbesondere einer durchgeführten Wahllichtbildvorlage - nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Angeklagte die - von der angerufenen unterschiedliche - Person war, die das Geld am Hauptbahnhof in Empfang nahm. Wegen der Empfangnahme des Geldes könne der Angeklagte indes nicht verurteilt werden, weil es sich insoweit nicht um die in der Anklage bezeichnete Tat im Sinne von § 264 Abs. 1 StPO handele.

II.


7
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet.
8
a) Dies gilt zunächst, soweit sie sich gegen den Teilfreispruch des Angeklagten wendet.
9
aa) Insoweit erweist es sich bereits als rechtsfehlerhaft, dass die Strafkammer zu diesem Fall nicht deutlich gemacht hat, von welchem Sachverhalt sie ausgegangen ist, so dass das Urteil den Anforderungen an ein freisprechendes Urteil aus § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO nicht genügt.
10
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss die Begründung des Urteils so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht überprüfen kann, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Deshalb hat es im Urteil in der Regel nach dem Tatvorwurf zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen zum objektiven Tatgeschehen festzustellen, die es für erwiesen hält, bevor es in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite nicht getroffen werden konnten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 2019 - 5 StR 36/19, NStZ-RR 2019, 254 mwN). Dem genügt das angefochtene Urteil nicht, das zunächst lediglich den Anklagevorwurf wiedergegeben hat, um sodann beweiswürdigend auszuführen, warum sich die Strafkammer von dessen Vorliegen nicht hat überzeugen können.
11
Soweit einem Satz in der rechtlichen Würdigung der Strafkammer entnommen werden kann, dass sie davon ausgegangen ist, der Angeklagte sei die Person gewesen, die das Geld am Hauptbahnhof inEmpfang nahm, führt dies zu keiner anderen Beurteilung: Da das Landgericht im rechtlichen Ausgangpunkt - unzutreffend, dazu siehe sogleich unter bb) - davon ausgegangen ist, der Angeklagte könne wegen der Entgegennahme des Geldes aus rechtlichen Gründen nicht verurteilt werden, sind ihre diesbezüglichen Feststellungen erkennbar nur rudimentär ausgefallen und erlauben dem Senat die nach den oben ausgeführten Grundsätzen gebotene Überprüfung der Beweiswürdigung nicht; insbesondere fehlen sämtliche Feststellungen zur inneren Tatseite des Angeklagten und seinen Kenntnissen von der telefonisch ausgesprochenen Bedrohung. Diese wären nicht zuletzt auch deshalb erforderlich gewesen, weil solche Feststellungen auch für die Fälle 1. bis 4. der Urteilsgründe von Bedeutung sein könnten, in denen die Strafkammer eine Kenntnis des Angeklagten von den Gefangennahmen und Bedrohungen durch die libyschen Schleuser - freilich auch, ohne diesbezüglich ausdrückliche Feststellungen zum Kenntnisstand des Angeklagten getroffen zu haben - verneint hat.
12
bb) Dessen ungeachtet kann der Teilfreispruch auch deshalb keinen Bestand haben, weil - wie die Staatsanwaltschaft zu Recht rügt - das Landgericht das von der Anklage umfasste Tatgeschehen nicht unter allen tatsächlichen und strafrechtlichen Gesichtspunkten gewürdigt und damit seiner Kognitionspflicht aus § 264 StPO nicht genügt hat. Insoweit ist die Strafkammer zu Unrecht davon ausgegangen, sie habe den Angeklagten nicht als denjenigen verurteilen können, der am Hauptbahnhof in das Geld entgegengenommen habe, weil es sich bei diesem Verhalten des Angeklagten nicht um das ihm mit der Anklage zur Last gelegte Geschehen und damit nicht mehr um die Tat im verfahrensrechtlichen Sinne handele.
13
Der Begriff der Tat im verfahrensrechtlichen Sinne umfasst den von der zugelassenen Anklage betroffenen geschichtlichen Vorgang, innerhalb dessen der Angeklagte einen Straftatbestand verwirklicht haben soll; zur Tat als Prozessgegenstand gehört dabei nicht nur der Geschehensablauf, der dem Angeklagten in der Anklage zur Last gelegt worden ist, sondern darüber hinaus dessen gesamtes festgestelltes Verhalten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet. Die Frage der Einheitlichkeit des Vorgangs beurteilt sich dabei nach den Umständen des Einzelfalles auf der Grundlage des Ergebnisses der Hauptverhandlung und der darin durchgeführten Beweisaufnahme (BGH, Urteil vom 20. Dezember 1995 - 2 StR 113/95, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 28). In tatsächlicher Hinsicht hat das Gericht danach seine Untersuchung mithin auch auf diejenigen Tatumstände zu erstrecken, die erst in der Hauptverhandlung zu Tage getreten sind (§ 264 Abs. 1 StPO); die Grenze dieser Verpflichtung ist erst erreicht, wenn das zugrundeliegende Geschehen vollständig verlassen und durch ein anderes ersetzt wird, mithin die Identität der von der Anklage bezeichneten Tat nicht mehr gewahrt ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 264 Rn. 9 mwN). Ohne Bedeutung ist insoweit allerdings, ob abweichende Umstände aus den Akten ersichtlich waren oder erst nach Eröff- nung des Hauptverfahrens bekannt geworden oder eingetreten sind, welche rechtliche Beurteilung die Tat in der zugelassenen Anklage gefunden hatte oder dass der Anklagevorwurf aufgrund der neuen Umstände in eine andere Richtung weist (KK-Kuckein/Ott, StPO, 8. Aufl., § 264 Rn. 39 mwN). Bedeutsam ist vielmehr, ob bestimmte Merkmale die Tat als ein einmaliges unverwechselbares Geschehen kennzeichnen, wobei insbesondere Ort und Zeit des Vorgangs, das Täterverhalten, die ihm innewohnende Richtung und das Objekt, auf das sich der Vorgang bezieht, in den Blick zu nehmen sind, ohne dass ein Kriterium allein ausschlaggebend ist. Maßgeblich ist zur Abgrenzung darauf abzustellen, ob die gleich gebliebenen Umstände den betreffenden Vorgang noch hinreichend individualisieren, folglich Zweifel an der Tatidentität und eine Verwechslungsgefahr mit anderen ähnlichen Taten ausschließen (LR/Stuckenberg, StPO, 26. Aufl., § 264 Rn. 95 f. mwN). Nach diesen Grundsätzen kann sich auch ein Geschehnis, das in der zugelassenen Anklage noch einem anderen Täter zugeordnet worden war, als Bestandteil der Tat des Angeklagten darstellen, über die das Gericht zu urteilen hat, jedenfalls, wenn es sich um ineinander übergehende , sich überschneidende Geschehensabläufe handelt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 1995 - 2 StR 113/95, BGHR StPO § 264 Abs. 1 Tatidentität 28 mwN; vgl. auch LR/Stuckenberg, aaO Rn. 95).
14
So verhält es sich hier: Die Entgegennahme des Geldes ist bereits im Anklagesatz der zugelassenen Anklage beschrieben, dort aber einem nicht identifizierten Mittäter namens "H. " zugeordnet worden, wohingegen der Angeklagte derjenige gewesen sei, der diesen beauftragt habe. Aus der rechtlichen Würdigung der Strafkammer, mit der sie die Verurteilung des Angeklagten insoweit abgelehnt hat, lässt sich entnehmen, dass sie nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon ausgegangen ist, dass der Angeklagte jedenfalls der- jenige gewesen sei, der das Geld am Hauptbahnhof in Empfang nahm.
15
Dann hätte sie nach den oben genannten Maßgaben dieses Tatgeschehen aber auch zur Grundlage ihrer strafrechtlichen Beurteilung machen müssen. Die Auffassung, dieses Verhalten unterscheide sich von dem mit der Anklage vorgeworfenen in einem Maße, dass es sich dabei nicht mehr um dieselbe Tat im verfahrensrechtlichen Sinne handele, erweist sich als unzutreffend: Ort und Zeit des zu beurteilenden Verhaltens sind unverändert geblieben; gleiches gilt für die Richtung und das Objekt des Täterverhaltens, weil beide Handlungen auf die Unterstützung der Schleusung des in der Gewalt der libyschen Schleuser befindlichen Ehemanns der in Deutschland lebenden Zeugin gerichtet waren. Die beiden Handlungen - die telefonische Drohung, die Forderung des Schleuserlohns und die Beauftragung des "H. " mit der Entgegennahme des Geldes einerseits und die tatsächliche Entgegennahme andererseits - gingen auch ineinander über, so dass es unschädlich ist, dass dem Angeklagten in der Anklageschrift das zeitlich früher liegende Telefonat zur Last gelegt worden war, nicht aber die spätere Entgegennahme des Geldes.
16
b) Die Aufhebung des Teilfreispruchs bedingt darüber hinaus die Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Das neue Tatgericht muss zu dem genannten Fall insgesamt neue Feststellungen treffen. Es ist nicht auszuschließen, dass es dabei zu der Überzeugung gelangt, der Angeklagte habe tatsächlich mit dem Tod des in der Gewalt der libyschen Schleuser befindlichen Eritreers gedroht oder jedenfalls von dieser Drohung Kenntnis gehabt. Wie bereits oben unter II. 1. a) aa) dargelegt, könnten solche Feststellungen für die Frage von Bedeutung sein, ob sich der Vorsatz des Angeklagten in den vier zur Verurteilung gelangten Fällen auch auf Gefangennahmen der zu schleusenden Personen erstreckte, was sowohl bei der Prüfung einer Beteiligung am erpresserischen Menschenraub als auch einer bandenmäßigen Beteiligung an den Schleusungsdelikten zu berücksichtigen sein könnte.
17
2. Der Senat hebt die Feststellungen des angefochtenen Urteils insgesamt auf, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen. Hinsichtlich einer neu zu treffenden Einziehungsentscheidung wird die neue Strafkammer - entsprechend den Ausführungen des Generalbundesanwalts - in den Blick zu nehmen haben, dass von den auf dem Konto des Angeklagten eingegangenen Geldbeträgen ein Teilbetrag in Höhe von 100 € zur Beschaffung neuer Bekleidung für eine zu schleusende Person bestimmt war und deshalb fraglich sein könnte, ob der Angeklagte dieses Geld durch oder für die rechtswidrige Tat erlangte, weil nicht ersichtlich ist, dass die unerlaubte Einreise dieses Geschleusten dadurch gefördert wurde.
Schäfer Gericke Wimmer
Tiemann Hoch

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Strafprozeßordnung - StPO | § 154 Teileinstellung bei mehreren Taten


(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafprozeßordnung - StPO | § 264 Gegenstand des Urteils


(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. (2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde l

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Bundesgerichtshof Urteil, 22. Mai 2019 - 5 StR 36/19

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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR 36/19
vom
22. Mai 2019
in der Strafsache
gegen
wegen des Verdachts der Vergewaltigung
ECLI:DE:BGH:2019:220519U5STR36.19.0

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 22. Mai 2019, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. Mutzbauer,
Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Sander, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Schneider, die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Mosbacher, Köhler
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 10. September 2018 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte freigesprochen worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt und vom Vorwurf zweier Vergewaltigungen zum Nachteil der Nebenklägerin freigesprochen. Gegen diesen Freispruch richtet sich die Revision der Nebenklägerin, die mit der Sachrüge Erfolg hat.

I.


2
1. Dem Angeklagten liegt nach der insoweit unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage zur Last, an einem nicht näher bestimmbaren Freitag im Januar oder Februar 2016 und am 21. Oktober 2016 die Nebenklägerin jeweils gegen deren erklärten Willen und gegen geleisteten Widerstand mit Gewalt zur Duldung des Geschlechtsverkehrs gezwungen zu haben.
3
2. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren der Angeklagte und die Nebenklägerin seit 2013 ein Paar. Im Sommer 2015 erwarb die Nebenklägerin ein Haus, das sie gemeinsam mit dem Angeklagten bezog. Ab September 2016 geriet die Beziehung in die Krise. Im Oktober 2016 lernte die Nebenklägerin den unter anderem mehrfach wegen Betruges vorbestraften Zeugen

L.

kennen, der mit ihr eine Beziehung eingehen wollte. Ihm gegenüber beschrieb sie den Angeklagten als groben und rücksichtlosen Liebhaber. Sie habe „nachdem Sex“ wiederholt blaue Flecken und Blutungen aus der Scheide gehabt und mehrfach sei es gegen ihren Willen zum Geschlechtsverkehr gekommen. Der Zeuge L. erklärte ihr, dass es sich bei „Sex gegen ihren Willen“ um Vergewaltigung handele und riet ihr – zu diesem Zeitpunkt erfolglos –, den Angeklagten anzuzeigen.
4
Als der Angeklagte im November 2016 den Verdacht hegte, dass die Nebenklägerin eine andere Beziehung haben könnte, installierte er am 16. November 2016 auf einem im Wohnbereich aufgestellten Tablet eine Überwachungssoftware , die unter anderem auch Bilder von der Kamera des Tablets zu seinem Mobiltelefon übertrug. An diesem Tag traf sich die Nebenklägerin mit dem Zeugen L. . Beide lagen am frühen Abend gemeinsam auf dem Schlafsofa, umarmten und küssten sich. Als der Angeklagte diese Bilder auf seinem Mobiltelefon sah, eilte er nach Hause, wo es zum Streit mit der Nebenklägerin und L. kam. Die Nebenklägerin verwies ihn schließlich der Wohnung und fuhr zu ihren Eltern, denen sie von der Trennung und davon erzählte, dass der Angeklagte während der Beziehung mehrfach ihren Willen missachtet habe, keinen Geschlechtsverkehr haben zu wollen.


5
In den folgenden Tagen kam es zu Auseinandersetzungen über die Modalitäten der Trennung. Insbesondere wollte der Angeklagte nach seinem Auszug den von ihm erworbenen Hund mitnehmen und verlangte Zahlungen für geleistete Arbeiten und ein von ihm angeschafftes Gartenhaus. Am Mittag des 19. November 2016 stritten beide am Haus der Nebenklägerin, als diese gerade die Hunde ausführen wollte. Dabei trat oder schlug der Angeklagte gegen die Haustür, welche die Nebenklägerin an der Stirn traf und ein Hämatom verursachte , ohne dass er diese Verletzung billigend in Kauf genommen hätte. Die Nebenklägerin nahm diesen Vorfall zum Anlass, den Angeklagten nunmehr doch wegen Vergewaltigung anzuzeigen. Hierzu rieten ihr auch ihre Eltern und der Zeuge L. .
6
In der Folgezeit verfestigte sich die Beziehung der Nebenklägerin zum Zeugen L. , beide heirateten schließlich im Mai 2017. Anfang 2017 zeigte L. den Angeklagten bei der Polizei an. Zum einen warf er ihm vor, er habe im Februar 2017 zusammen mit seinem Bruder vor dem Anwesen der Nebenklägerin randaliert und diese bedroht; zum anderen habe er Anfang März 2017 absichtlich das Fahrzeug der Nebenklägerin beschädigt. Die Nebenklägerin gab gegenüber der Polizei an, den ersten Vorfall selbst mitbekommen zu haben, während sie in der hiesigen Hauptverhandlung erklärte, dass dies bei keinem der Vorfälle der Fall gewesen sei. Die beiden Strafverfahren gegen den Angeklagten wurden mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt, L. vielmehr wegen falscher Verdächtigung zum Nachteil des Angeklagten zu einer fünfmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Seit Dezember 2017 leben die Nebenklägerin und der Zeuge L. voneinander getrennt.


7
3. Das Landgericht hat sich nicht davon überzeugen können, dass für den Angeklagten ein den sexuellen Handlungen entgegenstehender Wille der Nebenklägerin erkennbar gewesen sei, und hat den Angeklagten deshalb aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
8
Die Nebenklägerin habe die Taten zwar wie angeklagt geschildert, wobei ihre Angaben vollständig konstant zu ihrer zweiten polizeilichen Vernehmung seien und für sich genommen zahlreiche Realkennzeichen (Schilderung wörtlicher Rede und eigener Gefühle sowie origineller Details) aufwiesen. Für sich gesehen seien die Angaben der Nebenklägerin glaubhafter als die jedenfalls bei der Beschreibung der Vorgeschichte teils deutlich beschönigenden und unschlüssigen Angaben des Angeklagten. Es gebe aber keine objektiven oder sonstigen Beweismittel, die die Angaben der Nebenklägerin stützten, vielmehr deutliche Hinweise darauf, dass sie vom Zeugen L. beeinflusst worden sei.
9
Bezüglich der belastenden Angaben des Zeugen L. in seiner polizeilichen Vernehmung – in der Hauptverhandlung hat er unter Berufung auf § 55 StPO geschwiegen – geht die Kammer davon aus, dass diese den Angaben der Nebenklägerin in zentralen Punkten widersprechen und entweder die Nebenklägerin gegenüber L. oder dieser gegenüber der Polizei erheblich übertrieben habe. Wie seine Vorstrafen und die Verurteilung wegen falscher Verdächtigung zum Nachteil des Angeklagten belegten, sei es L. alles andere als lebensfremd, seine Ziele durch wahrheitswidrige Behauptungen zu erreichen. Er habe auch ein Motiv gehabt, dem Angeklagten möglichst schwer- wiegende Straftaten vorzuwerfen, um mit der Nebenklägerin eine Beziehung eingehen zu können. Auch der Nebenklägerin sei die Äußerung von Unwahrheiten nicht lebensfremd, wie ihre widersprüchlichen Angaben vor Polizei und Gericht zu der Frage belegten, ob sie einen der von L. angezeigten Vorfälle selbst wahrgenommen habe.

II.


10
Das Rechtsmittel der Nebenklägerin hat mit der Sachrüge Erfolg, so dass es auf die erhobenen Verfahrensrügen nicht mehr ankommt.
11
1. Das Urteil des Landgerichts entspricht bereits nicht den Anforderungen , die gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellen sind.
12
Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen muss die Begründung des Urteils so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht überprüfen kann, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Deshalb hat es im Urteil in der Regel nach dem Tatvorwurf zunächst in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen zum objektiven Tatgeschehen festzustellen, die es für erwiesen hält, bevor es in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen – zusätzlichen – Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite nicht getroffen werden konnten (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Oktober 2011 – 1 StR 134/11 mwN).
13
Diese Mindestanforderungen an die Darstellung eines freisprechenden Urteils sind hier nicht erfüllt. Lediglich ganz knapp und nur mit einem Satz im Rahmen der Beweiswürdigung teilt das Landgericht mit, dass am Stattfinden der sexuellen Handlungen ebensowenig Zweifel bestünden wie an den inneren Vorbehalten der Nebenklägerin dagegen (UA S. 13); es habe lediglich keine eindeutige Kundgabe ihres entgegenstehenden Willens gegeben. Wie sich der Angeklagte und die Nebenklägerin ganz konkret in den jeweiligen Tatsituationen nach Auffassung der Strafkammer verhalten haben, bleibt demgegenüber offen.
14
2. Auch die Beweiswürdigung weist Rechtsfehler auf.
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a) Diese ist zwar Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Spricht es einen Angeklagten frei, weil es Zweifel nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Insbesondere ist es ihm verwehrt , die Beweiswürdigung des Tatgerichts durch seine eigene zu ersetzen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich somit darauf, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie Lücken aufweist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden. Ferner ist die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 11. April 2013 – 5 StR 261/12 und vom 21. Dezember 2016 – 1 StR 253/16, je mwN).
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b) Lückenhaft ist die Beweiswürdigung zur Feststellung möglicher Falschangaben der Nebenklägerin gegenüber der Polizei bezüglich eines angeblichen Übergriffs zu Lasten des Zeugen L. . Die Nebenklägerin hat hierzu angegeben, sie könne sich nicht daran erinnern, gegenüber der Polizei behauptet zu haben, bei einem solchen Übergriff anwesend gewesen zu sein. Es bleibt unklar, aufgrund welcher Beweismittel sich die Strafkammer davon überzeugt hat, dass die Nebenklägerin entgegen ihrer Aussage in der Hauptverhandlung diese Angaben vor der Polizei doch wie festgestellt getätigt und damit im Ergebnis gelogen hat.
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Schließlich fehlt es auch an der erforderlichen Gesamtwürdigung aller für und gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin sprechenden Aspekte. Unberücksichtigt bleibt etwa, dass die Nebenklägerin auch ihren Eltern gegenüber angegeben hat, der Angeklagte habe während ihrer Beziehung mehrfach ihren Willen missachtet, keinen Geschlechtsverkehr zu haben.
Mutzbauer Sander Schneider
Mosbacher Köhler

(1) Gegenstand der Urteilsfindung ist die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt.

(2) Das Gericht ist an die Beurteilung der Tat, die dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zugrunde liegt, nicht gebunden.