Bundesgerichtshof Urteil, 31. Mai 2002 - 2 StR 73/02

bei uns veröffentlicht am31.05.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 73/02
vom
31. Mai 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
29. Mai 2002 in der Sitzung vom 31. Mai 2002, an denen teilgenommen haben:
Vizepräsident des Bundesgerichtshofes
Dr. Jähnke
als Vorsitzender,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Otten,
die Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
Prof. Dr. Fischer,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt in der Verhandlung,
Staatsanwalt bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin in der Verhandlung
und Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Köln vom 30. Oktober 2001 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts; die unterbliebene Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat er von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362). Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der Angeklagte, der regelmäßig in erheblichen Mengen Alkohol konsumierte, am Tattag nach dem Abendessen ab 19.00 Uhr 1,5 l Kölsch getrunken, als er sich um etwa 21.00 Uhr mit seinem Freund H. traf. Die beiden begegneten dem späteren Tatopfer Sch. und ihrer Freundin; sie versuchten, die beiden Mädchen zu überreden, sich ihnen anzuschließen. Im Gegensatz zu ihrer
Freundin entschloû sich Sch. , die früher einmal mit H. befreundet gewesen war, den jungen Männern Gesellschaft zu leisten, da der Angeklagte ihr einredete, sein Freund wolle sich wieder mit ihr versöhnen. Während man sich unterhielt, teilten die beiden Männer sich eine halbe Flasche Wodka. Als der Angeklagte seine Hoffnung auf ein sexuelles Abenteuer schwinden sah, wollte er von seinem Freund nach Hause gefahren werden. In der Hoffnung auf Versöhnung mit H. begleitete Sch. die beiden. Vor dem Haus des Angeklagten ging die Unterhaltung auf dem Parkplatz weiter, und der Angeklagte holte aus seiner Wohnung eine Flasche Wein. Diese leerte er gemeinsam mit Sch. , welche zwei Gläser trank. Nachdem der Angeklagte noch eine Flasche Sekt herbeigebracht hatte, von der die junge Frau ein Glas und er den Rest konsumierte, wollte Sch. nach Hause. Der Angeklagte hatte sein Interesse an ihr noch nicht aufgegeben und erklärte, sie zu begleiten. Trotz seiner Alkoholisierung steuerte der Angeklagte den Pkw selbst. An einer Grünfläche hielt er auf einem Parkplatz an und faûte den Entschluû , mit Sch. an Ort und Stelle notfalls auch gegen deren Willen den Geschlechtsverkehr auszuüben. Er zog die Frau, die sich widersetzte und vergeblich nach ihrem früheren Freund rief, in das nahegelegene Waldstück. Um sie zum Schweigen zu bringen, schlug der Angeklagte sie so heftig in das Gesicht, daû sie einen Schneidezahn verlor. Im Wald stieû er Sch. zu Boden, so daû sie mit dem Rücken über einem Holzbalken lag, und entkleidete sie teilweise. Als sie wiederum um Hilfe schrie, würgte er sie mit beiden Händen so stark, daû sie kaum noch atmen konnte, und drehte ihr Gesicht auf die Erde, wodurch sie noch weniger Luft bekam. Dabei drohte er ihr, sie zu erwürgen , wenn sie sich nicht ruhig verhalte. Sch. gab schlieûlich aus Furcht jeden weiteren Widerstand auf, und der Angeklagte führte gegen ihren
Willen ungeschützten Geschlechtsverkehr und Oralverkehr aus. Nachdem er in die Hand der Zeugin ejakuliert hatte, gingen beide zurück zum Auto. Der Angeklagte forderte seinen Freund auf, zu fahren und zunächst Sch. nach Hause zu bringen, was diese aber nicht wollte. Als der Angeklagte sich von Sch. verabschiedete, kündigte er an, sie von nun an noch oft zu besuchen. Zu Hause wusch er sich, machte sich für seine Arbeit als Müllsortierer fertig und ging dieser Tätigkeit, ohne geschlafen zu haben, von 5.30 Uhr bis 10.00 Uhr nach. Übermüdet brach er dann die Arbeit ab. Sch. erlitt u.a. Würgemale am Hals und leidet seit der Tat unter Angstzuständen. Sie stimmte einer als "Täter-Opfer-Ausgleich" bezeichneten Vereinbarung vom 25./26. Oktober 2001 zu, die der Verteidiger des Angeklagten und ihr Rechtsanwalt unterzeichneten. Darin verpflichtete sich der Angeklagte, an die Geschädigte ein Schmerzensgeld in Höhe von 15.000 DM zu zahlen, die Kosten für das notwendig werdende Zahnimplantat zu übernehmen sowie die Kosten der Vereinbarung nebst den entstandenen Anwaltskosten zu tragen. Die Vereinbarung enthält ferner einen Passus, wonach der Angeklagte die Geschädigte um Verzeihung bittet und sie seine Entschuldigung annimmt. Vor der Hauptverhandlung leistete der Angeklagte eine erste Zahlung von 10.000 DM, die er durch den Verkauf seines Autos und über Familienangehörige finanzierte. Von diesem Betrag behielt der Rechtsanwalt der Geschädigten 2.000 DM für Anwaltskosten ein. Für weitere 5.000 DM und die Zahnarztkosten bestehen Zahlungsfrist zum 1. Juli und 31. Dezember 2002. Die Geschädigte, die ihre Nebenklage vereinbarungsgemäû zurücknahm , war zum Abschluû des Vergleichs nur deshalb bereit, weil sie befürchtete , ansonsten keinerlei Ersatzleistungen von dem Angeklagten zu erhalten,
und weil sie - was der Angeklagte wuûte - dringend Geld zur Finanzierung des Zahnimplantats benötigte. 2. Das Landgericht hat angenommen, daû der Angeklagte bei Begehung der Tat eine Blutalkoholkonzentration von maximal 3,6 %o aufwies und sich - bei im übrigen voll vorhandener Einsichtsfähigkeit in das Unrecht seines Tuns - im Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) befand. Die Strafe hat die Kammer dem gemäû §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 177 Abs. 2 StGB entnommen; eine weitere Strafmilderung nach §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB hat sie abgelehnt.

II.

Die Revision des Angeklagten war zu verwerfen. 1. Die Verfahrensrügen sind unbegründet.
a) Das Landgericht hat seine Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) nicht dadurch verletzt, daû es von weiteren Beweiserhebungen zur Alkoholisierung des Angeklagten abgesehen hat. Eine Vernehmung der Ehefrau des Angeklagten sowie seines Freundes H. dazu, daû der Angeklagte nicht 1,5 l, sondern 3 l Kölsch konsumierte und die halbvolle Flasche Wodka allein leerte, drängte sich nicht auf. Denn diese von dem Angeklagten behaupteten Trinkmengen hätten im Zusammenwirken mit dem weiteren Konsum von Wein und Sekt, wie er vom Landgericht festgestellt wurde, zu einer unglaubhaft hohen Blutalkoholkonzentration von weit über 4 %o zur Tatzeit geführt. Eine solche war mit dem Leistungsverhalten des Angeklagten unmittelbar vor, während und nach der Tat nicht vereinbar. Die sachverständig beratene Strafkammer hat vielmehr - worauf im folgenden noch einzugehen sein wird - in nicht zu bean-
standender Weise aus diversen Kriterien im Verhalten des Angeklagten den Schluû gezogen, daû seine Schuldfähigkeit nicht aufgehoben war.
b) Auch ein Verstoû gegen § 261 StPO liegt nicht vor. Durch die nur zum überwiegenden Teil und nicht in vollem Wortlaut erfolgte Wiedergabe der als Täter-Opfer-Ausgleich bezeichneten Vereinbarung stellt sich die Beweiswürdigung nicht als lückenhaft oder widersprüchlich dar. Die in der Vereinbarung enthaltene Erklärung der Geschädigten, sie habe an der Verhängung einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe gegen den Angeklagten kein Interesse mehr, wird im Urteil zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Dies läût aber nicht besorgen, die Strafkammer habe den Inhalt der Abrede unvollständig oder unrichtig gewürdigt. Eine wörtliche Wiedergabe dieses Gesichtspunkts war nicht zwingend; es kann vielmehr ausgeschlossen werden, daû das Landgericht sich damit nicht auseinandergesetzt hat. So wird unter anderem die Tatsache, daû die Geschädigte ihre Anschluûerklärung zurückgenommen hat, vom Tatgericht ausdrücklich gewürdigt; dieses Verhalten dokumentiert den Verzicht auf eine aktive eigene Beteiligung am Prozeû und läût bereits auf geringeres Strafverfolgungsinteresse schlieûen. 2. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
a) Der Schuldspruch hält materiellrechtlicher Überprüfung stand. aa) Das Landgericht ist im Ergebnis zu Recht von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten ausgegangen und hat eine Schuldunfähigkeit rechtsfehlerfrei verneint. Es kann dahinstehen, ob das Landgericht - sachverständig beraten - bei dem 65 kg schweren Angeklagten zu Recht einen Reduktionsfaktor von 0,8
angenommen hat. Ein derartiges Abweichen von dem im Regelfall bei Männern anzusetzenden Faktor von 0,7 kann bei mageren, schmalwüchsigen Personen in Betracht kommen, da der Reduktionsfaktor von der individuellen körperlichen Konstitution, insbesondere vom Fettgewebsanteil, abhängt (vgl. BGHR StGB § 20 Blutalkoholkonzentration 2; BGH NStZ 1992, 277; Beschl. v. 25. Mai 1993 - 2 StR 153/93; Forster, Praxis der Rechtsmedizin (1986), S. 451; Schütz, Alkohol im Blut (1983), S. 59). Mangels näherer Angaben zum Körperbau des Angeklagten, auch seiner Gröûe, kann der Senat jedoch nicht überprüfen, ob die zu Ungunsten des Angeklagten erfolgte Abweichung vom Durchschnittswert berechtigt war. Dies gefährdet den Bestand des Urteils jedoch letztlich ebensowenig wie die Tatsache, daû das Landgericht die gebotene Kontrollrechnung zur Überprüfung der Trinkmengenangaben (vgl. BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 1, 7, 18; § 20 Blutalkoholkonzentration 19; BGH NStZ-RR 1997, 226; 1998, 359) nicht vorgenommen hat. Denn der Senat schlieût aus, daû das Landgericht bei rechnerischer Ermittlung anderer Blutalkoholwerte Schuldunfähigkeit des Angeklagten angenommen hätte. Die Strafkammer hat das Verhalten des Angeklagten vor, während und nach der Tat einer Gesamtwürdigung unterzogen und im Rahmen der tatrichterlichen Beweiswürdigung in nicht zu beanstandender Weise den Schluû gezogen, daû die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten nicht aufgehoben und seine Einsichtsfähigkeit nicht beeinträchtigt war. Rechtsfehlerfrei stellt das Landgericht im wesentlichen darauf ab, daû der Angeklagte ein zielgerichtetes und durchdachtes Leistungsverhalten (Autofahren, situationsadäquate Reaktionen und Gespräche, diverse Sexualpraktiken, anschlieûendes Arbeiten ) zeigte und - auch nach seinen eigenen Angaben - keine Ausfallerschei-
nungen aufwies. Gegenüber diesen aussagekräftigen psychodiagnostischen Kriterien, einhergehend mit Alkoholgewöhnung und weitgehend erhaltenem Erinnerungsvermögen des Angeklagten, hat das Landgericht dem Blutalkoholwert , der hier lediglich anhand der Trinkmengen über einen Zeitraum von 7 1/2 Stunden ermittelt werden konnte, zu Recht keine ausschlaggebende Beweisbedeutung beigemessen (vgl. BGHSt 43, 66; BGH NStZ 1998, 457; Beschl. v. 23. November 2000 - 3 StR 413/00). bb) Ohne Rechtsfehler hat der Tatrichter eine Strafbarkeit wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung angenommen. Das Würgen des Tatopfers durch den Angeklagten ist als eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu werten. Festes Würgen am Hals kann geeignet sein, eine Lebensgefährdung herbeizuführen (vgl. BGH GA 1961, 241). Zwar reicht insoweit nicht jeder Griff aus, der zu Würgemalen führt, ebensowenig bloûe Atemnot (vgl. BGH StV 1993, 26; BGH, Urt. v. 11. April 2000 - 1 StR 55/00); andererseits kann Würgen bis zur Bewuûtlosigkeit oder bis zum Eintritt von Sehstörungen beim Opfer dessen Leben gefährden (vgl. BGH, Urt. v. 27. September 1995 - 3 StR 324/95; BGH JZ 1986, 963). Von maûgeblicher Bedeutung sind demnach Dauer und Stärke der Einwirkung, die abstrakt geeignet sein muû, das Leben des Opfers zu gefährden. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB setzt nicht voraus, daû das Opfer tatsächlich in Lebensgefahr geraten ist. Nach den vom Landgericht festgestellten Gesamtumständen gingen die von dem Angeklagten vorgenommenen Würgegriffe über ein nur kurzzeitiges Zudrücken mit vorübergehender Luftnot weit hinaus und waren nach Art und Umfang abstrakt geeignet, bei der Geschädigten eine Lebensgefährdung herbeizuführen. Daû der Angeklagte in subjektiver Hinsicht die Umstände erkannt hatte, aus denen sich die Lebensgefährlichkeit
seines Tuns ergab (vgl. BGH NJW 1990, 3156), wird durch seine Äuûerung belegt, er werde sein Opfer erwürgen, wenn es nicht still sei.
b) Auch der Strafausspruch hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Vergeblich wendet sich die Revision gegen die Ablehnung einer weiteren Strafmilderung gemäû §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB. Auf der Grundlage der landgerichtlichen Feststellungen waren die Voraussetzungen des § 46 a Nr. 1 StGB hier im Ergebnis zu verneinen. Nach § 46 Abs. 2 StGB ist das Nachtatverhalten des Täters, insbesondere sein Bemühen um Wiedergutmachung und das Erstreben eines Ausgleichs mit dem Verletzten, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund ist aus gesetzessystematischer Sicht davon auszugehen, daû der vertypte Strafmilderungsgrund des § 46 a StGB an weitergehende Voraussetzungen geknüpft sein muû (vgl. auch Tröndle/Fischer StGB 50. Aufl. § 46 a Rdn. 4; Schöch in 50 Jahre Bundesgerichtshof - Festgabe aus der Wissenschaft , S. 309, 323). Die Vorschrift des § 46 a Nr. 1 StGB setzt nach ständiger Rechtsprechung und nach der gesetzgeberischen Intention einen kommunikativen Prozeû zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muû (vgl. BGHR StGB § 46 a Wiedergutmachung 1; BT-Drs. 12/6853, S. 21). Dafür ist weder zwingend die Vermittlung durch einen neutralen Dritten erforderlich (obwohl die Gesetzesinitiative von einer solchen ausging, vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 22), noch ein - nicht immer ratsamer - persönlicher Kontakt zwischen Täter und Opfer (vgl. BGH StV 1999, 89, 2001, 448). Unverzichtbar ist jedoch nach dem Grundgedanken des Täter-Opfer-Ausgleichs eine von beiden Seiten akzeptierte , ernsthaft mitgetragene Regelung. An einer solchen fehlt es hier, obwohl
die von den Anwälten beider Seiten unterzeichnete schriftliche Vereinbarung rein formal gesehen die Anwendung des § 46 a Nr. 1 StGB indiziert. Das Tatgericht , das durch die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung der Vereinbarung als "Täter-Opfer-Ausgleich" in keiner Weise gebunden war, hat zu Recht die Gesamtumstände in seine Beurteilung mit einbezogen. Aus diesen ergibt sich, daû im vorliegenden Fall - wie er sich in der maûgeblichen Hauptverhandlung darstellte - ein Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne dieser Vorschrift nicht stattgefunden hat. Mit Einführung des § 46 a StGB durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz sollten die Belange des Opfers in den Mittelpunkt des Interesses gerückt werden (vgl. Gesetzentwurf zum VerbrBekG, BT-Drs. 12/6853, S. 21; Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 12/8588, S. 4). Bei der Verankerung des Täter -Opfer-Ausgleichs in Nr. 1 dieser Vorschrift hat sich der Gesetzgeber inhaltlich an die Definition des § 10 Abs. 1 Nr. 7 JGG angelehnt und somit den förmlichen , tatsächlich praktizierten Täter-Opfer-Ausgleich vor Augen gehabt (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 21; ebenso König/Seitz NStZ 1995, 1, 2; Kilchling NStZ 1996, 309, 312). Ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46 a Nr. 1 StGB setzt grundsätzlich voraus, daû das Opfer die Leistungen des Täters als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert. Das ergibt sich aus ratio und Entstehungsgeschichte dieser Norm. Ob der von § 46 a Nr. 1 StGB angestrebte kommunikative Prozeû zu bejahen ist, ist im Einzelfall anhand deliktsspezifischer Gesichtspunkte zu prüfen. Bei einem schwerwiegenden Sexualdelikt , wie es hier vorliegt, wird eine entsprechende, zumindest annähernd gelungene Konfliktlösung in der Regel aus tatsächlichen Gründen schwerer erreichbar sein (vgl. auch BGH NStZ 1995, 492; StV 2000, 129).
Hier hat die Geschädigte nach den Feststellungen des Landgerichts die Vereinbarung nicht als friedensstiftende Konfliktregelung innerlich akzeptiert. Sie stimmte der Abrede vielmehr nur zu, weil sie befürchtete, ansonsten keinerlei Ersatzleistungen von dem Angeklagten zu erhalten, und weil sie - was der Angeklagte wuûte - dringend Geld benötigte, um das Zahnimplantat finanzieren zu können. Da das Tatopfer sich demnach allein aus faktischen Zwängen heraus notgedrungen mit der schriftlichen Vereinbarung einverstanden erklärte, liegt im Ergebnis ein umfassender Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen im Sinne des § 46 a Nr. 1 StGB nicht vor. Allerdings kann die fehlende Einwilligung des Opfers im Rahmen des § 46 a Nr. 1 StGB dann unerheblich sein, wenn der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, die Wiedergutmachung der Tat ernsthaft erstrebt hat. Die Anwendbarkeit des Strafmilderungsgrundes soll demnach nicht ausschlieûlich vom Willen des Opfers abhängen; nach der Vorstellung des Gesetzgebers sollte dem Täter in den Fällen, in denen eine vollständige Wiedergutmachung nicht möglich wäre, eine realistische Chance eingeräumt werden, in den Genuû der Strafmilderung zu gelangen, etwa bei Verweigerung der Mitwirkung durch das Opfer oder bei Eintritt eines hohen Schadens durch relativ geringes Verschulden. Als einschränkendes Kriterium fordert die Vorschrift aber das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, als Rahmenbedingung (vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 21). Das bedeutet , daû das Bemühen des Täters gerade darauf gerichtet sein muû, zu e inem friedensstiftenden Ausgleich mit dem Verletzten zu gelangen; der Täter muû demnach in dem ernsthaften Bestreben handeln, das Opfer "zufriedenzustellen". Dies war bei dem Angeklagten nach den Urteilsfeststellungen nicht der Fall. Er kannte die finanzielle Situation der Geschädigten; ihm war bewuût, daû sie die schriftliche Vereinbarung nur aus der Not heraus annahm, ohne
darin tatsächlich eine Konfliktregelung zu sehen. Daû es dem Angeklagten aber selbst gerade um einen friedensstiftenden Ausgleich ging, ist nicht ersichtlich. Nach alledem muûte bei dieser Sachlage eine Strafmilderung gemäû § 46 a Nr. 1 StGB ausscheiden. Die - auch - auf diese Überlegungen gestützte Ablehnung der §§ 46 a, 49 Abs. 1 StGB erfolgte demnach ohne Rechtsfehler. Auf den teilweise rechtlich bedenklichen weiteren Erwägungen des Landgerichts zur Nichtanwendung des § 46 a StGB beruht der Strafausspruch daher nicht. Rechtsfehlerfrei und der Gesetzessystematik entsprechend hat das Landgericht nach Verneinung der Strafmilderung gemäû § 46 a StGB das Verhalten des Angeklagten strafmildernd gemäû § 46 Abs. 2 StGB berücksichtigt. Vizepräsident des Bundes- Otten Rothfuû gerichtshofs Dr. Jähnke ist infolge Eintritts in den Ruhestand an der Unterschrift gehindert. Otten Fischer Elf

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Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

Strafgesetzbuch - StGB | § 49 Besondere gesetzliche Milderungsgründe


(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes: 1. An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.2. Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf hö

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Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


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Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 10 Weisungen


(1) Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Der R

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Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:

1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze.
3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sichim Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre,im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate,im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate,im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.

(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 413/00
vom
23. November 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
23. November 2000 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 19. Mai 2000 im Maßregelausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags und wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet sowie bestimmt, daß der Angeklagte vor dem Vollzug der Maßregel vier Jahre Freiheitsstrafe zu verbüßen hat. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision.
1. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Insoweit verweist der Senat auf die
zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in dessen Antragsschrift vom 14. September 2000. Ergänzend bemerkt der Senat:
Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift unter Hinweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zutreffend dargestellt hat, gefährdet der Rechtsfehler bei der Berechnung der höchstmöglichen Blutalkoholkonzentration des Angeklagten zur Tatzeit den Bestand des Urteils nicht. Der Senat schließt aus, daß das sachverständig beratene Landgericht bei einer fehlerfreien Alkoholberechnung eine Schuldunfähigkeit angenommen hätte. Die Indizwirkung einer errechneten Blutalkoholkonzentration verliert wegen der unklaren Trinkmengenangaben und insbesondere der langen Dauer der Rückrechnung von über neun Stunden gegenüber einem aussagekräftigen Leistungsverhalten an Gewicht (BGH NStZ 1998, 457 f.). Das Leistungsverhalten des alkoholgewöhnten Angeklagten, der sich selbst als nicht volltrunken bezeichnet hat, zeigt bei und nach der Tat in sich logische und schlüssige Handlungskonsequenzen mit motorischen Kombinationsleistungen, die deutlich gegen einen alkoholbedingten Ausschluß der Schuldfähigkeit sprechen (vgl. BGHSt 43, 66 ff.; BGHR StGB § 20 Blutalkoholkonzentration 6, 9, 12, 16), zumal bei schwerwiegenden Straftaten gegen Leib und Leben - wie hier - wegen der höheren Hemmschwelle ein strenger Maßstab für die Annahme des Ausschlusses der Steuerungsfähigkeit anzulegen ist (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 20 Rdn. 9 m.w.Nachw.). Der Angeklagte hat die Tat mit mehrfachem Richtungswechsel durch sinnvolles Verhalten beherrscht. Nachdem er auf den Zeugen S. eingeschlagen hatte, flüchtete er. Er entnahm aus seiner Hosentasche das Klappmesser, öffnete es und stach nacheinander je zweimal auf Herrn Sch. , der dadurch tödliche Verletzungen erlitt, und den Zeugen S. ein. Anschließend durchschnitt er mit dem Messer die Hundeleine, die
sich um seine Beine gewickelt hatte. Nach der Tat säuberte er sich, wechselte seine Kleidung und besprach mit seiner Schwester und seiner Freundin ein falsches Alibi.
2. Die Revision hat mit der Sachrüge hinsichtlich des Maßregelausspruchs Erfolg. Gegen die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken, weil auf Grund der sehr knappen Begründung nicht feststeht, daß die vom Angeklagten begangenen Straftaten auf seinen seit Jahren bestehenden Hang, Alkohol im Übermaß zu trinken, sicher zurückgehen und deshalb für seine Alkoholsucht symptomatisch sind (vgl. BGH NJW 1990, 3282). Das Urteil läßt insoweit eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Hang an Hand des Vorlebens des Angeklagten, seiner Persönlichkeit, die dissoziale und narzißtische Züge aufweist, sowie mit dem Einfluß der Alkoholsucht auf die den Vorstrafen zugrunde liegenden Taten vermissen. Die Feststellungen im Urteil sprechen eher für eine Augenblickstat in einer sich schnell eskalierenden Situation. Aus diesem Grunde fehlt es auch an einer tragfähigen Grundlage für die Annahme einer konkreten Gefahr, daß der Angeklagte infolge seiner Alkoholsucht erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Der Senat hat im Umfang der Aufhebung von einer Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung abgesehen, da mit sicheren Feststellungen, die eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt rechtfertigen könnten, nicht zu rechnen ist.
Kutzer Rissing-van Saan RiBGH Pfister ist durch Urlaub verhindert zu unterschreiben. Kutzer von Lienen Becker

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 55/00
vom
11. April 2000
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
11. April 2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Granderath,
Nack,
Dr. Boetticher,
Schluckebier,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 4. August 1999 im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der Körperverletzung in fünf Fällen, der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung sowie der Sachbeschädigung in Tateinheit mit Beleidigung schuldig ist. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen. 2. Die Staatskasse trägt die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die dem Angeklagten durch dieses Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen; die Nebenklägerin trägt die Kosten ihrer Revision.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung in fünf Fällen, wegen gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Sachbeschädigung und Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Vom Vorwurf der Vergewaltigung zum Nachteil der Nebenklägerin in zwei Fällen hat es den Angeklagten freigesprochen. Gegen dieses Urteil richten sich die zuungunsten des Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft und
der Nebenklägerin, die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützt sind. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg. I. Die Revision der Staatsanwaltschaft
1. Die Staatsanwaltschaft beantragt, das Urteil "im Rechtsfolgenausspruch" aufzuheben. Sie wendet sich jedoch im einzelnen dagegen, daß der Angeklagte in den Fällen II. 1 bis 4 der Urteilsgründe nicht wegen gefährlicher Körperverletzung und im Fall II. 5 nicht wegen versuchter Nötigung verurteilt worden ist. Sie rügt auch im vollen Umfang den Freispruch vom Vorwurf der Vergewaltigung in zwei Fällen. Das Revisionsvorbringen ist damit in sich widersprüchlich ; es ist mit Rücksicht auf das ersichtlich erstrebte Ziel dahin auszulegen , daß über den gestellten Antrag hinaus auch der Schuldspruch in den Fällen II. 1 bis 5 der Urteilsgründe und der Freispruch angegriffen ist (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1997 - 4 StR 226/97; Hanack in LR, StPO 25. Aufl. § 344 Rdn. 10).
2. Die Verfahrensrüge, die Strafkammer habe zwei am 26. Juli 1999 "hilfsweise und schriftlich" gestellte Beweisanträge der Nebenklägerin weder in der Hauptverhandlung noch in den Urteilsgründen beschieden, hat keinen Erfolg. Wie sich aus dem Hauptverhandlungsprotokoll ergibt, ist die Behauptung unzutreffend. Die Beweisanträge sind in der Hauptverhandlung durch verkündeten Beschluß beschieden worden.
3. Soweit die Staatsanwaltschaft mit der Sachbeschwerde rügt, das Landgericht habe den Angeklagten in den Fällen II. 1 bis 4 und 6 der Urteilsgründe zu Unrecht nur wegen einfacher und nicht wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, läßt die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zugunsten des
Angeklagten erkennen. Die Strafkammer hat nicht sicher feststellen können, wie lange und intensiv der Angeklagte jeweils ein Kissen oder eine Decke auf das Gesicht der Geschädigten gedrückt hat. Sie hat – sachverständig beraten – die vom Tatopfer geschilderte Atemnot für sich allein zur Annahme einer lebensgefährdenden Behandlung nicht als ausreichend angesehen. Die Wertung , Atemnot bedrohe ohne nähere Feststellungen zur Dauer nicht in jedem Fall das Leben des Opfers einer Körperverletzung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden (vgl. BGHR StGB § 223a Abs. 1 Lebensgefährdung 1, 7 und 8). Das ergänzende Vorbringen der Beschwerdeführerin zu den Verletzungen am Körper des Tatopfers und zu möglichen Gründen, die den Angeklagten veranlaßt haben könnten, das Kissen oder die Decke wieder vom Gesicht der Geschädigten zu entfernen, zeigt nicht auf, weshalb die Strafkammer zu einem anderen Beweisergebnis hätte kommen müssen.
4. Im Fall II. 5 der Urteilsgründe liegt nach dem festgestellten Sachverhalt nicht nur eine gefährliche Körperverletzung, sondern auch eine versuchte Nötigung vor. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht hätte anders verteidigen können. Der Strafausspruch kann jedoch bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, daß das Landgericht auf eine höhere Strafe erkannt hätte.
5. Soweit das Landgericht den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung in zwei Fällen freigesprochen hat, hält die Beweiswürdigung rechtlicher Überprüfung stand. Die Beschwerdeführerin rügt ohne Erfolg, das Landgericht habe sich trotz der vergleichbaren Tatbilder nicht näher mit der "Teilglaubwürdigkeit der Zeugin" auseinandergesetzt.


a) Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer zunächst im einzelnen dargelegt hat, weshalb sie die Aussagen der Geschädigten zu den angeklagten Vergewaltigungen nicht in gleichem Maße wie bei den Körperverletzungen als glaubhaft angesehen hat. Da objektive Beweisanzeichen zu diesen Taten fehlen und der Angeklagte die Vergewaltigungen bestreitet, hat das Landgericht die Entstehung und die Entwicklung der Aussage der Geschädigten einer kritischen Prüfung unterzogen. Die Aussagegenese zu den beiden Fällen hat der Strafkammer Anlaß zu Zweifeln gegeben, weil die Geschädigte sämtliche vom Angeklagten an ihr verübten Gewalttaten erst eineinhalb Jahre später angezeigt und – nach anwaltlicher Beratung - erstmals in einer noch späteren Vernehmung vor der Staatsanwaltschaft angegeben hat, auch zweimal vergewaltigt worden zu sein. Indes hat sie als Zeugin in der Hauptverhandlung trotz detaillierten Erinnerungsvermögens im übrigen auch nach mehrfachem Nachfragen keine genauen Angaben über die Tatzeitpunkte machen können. In diesem Zusammenhang war für die Zweifel der Strafkammer maßgeblich, daß die Geschädigte trotz der wiederholten Übergriffe und massiven Verletzungen die Beziehung zum Angeklagten aufrecht erhalten hat und daß sie erst nach der endgültigen Trennung "nur noch die für den Angeklagten negativen Aspekte schildert und hervorhebt". Was die Beschwerdeführerin gegen diese Urteilsfeststellungen vorbringt, läuft im wesentlichen darauf hinaus, die Umstände abweichend zu werten. Dies ist im Revisionsverfahren nicht zulässig.

b) Rechtsfehlerfrei hat die Strafkammer bei der Prüfung des Vorwurfs der Vergewaltigung eine Gesamtschau der Aussage der Geschädigten vorgenommen. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für den
Fall Aussage gegen Aussage sogar geboten (BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 1, 13; § 267 Abs. 1 Satz 1 Beweisergebnis 8; ausführlich Sander StV 2000, 45 ff.). Daß das Landgericht den Angeklagten wegen der Körperverletzungsdelikte verurteilt hat und sich im übrigen von der Schuld des Angeklagten letztlich nicht hat überzeugen können, ist daher hinzunehmen.
6. Die nach § 301 StPO veranlaßte Überprüfung des Urteils zugunsten des Angeklagten hat Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.
II. Die Revision der Nebenklägerin
1. Die Nebenklägerin rügt ohne Erfolg einen Verstoß gegen § 244 Abs. 3 StPO. Das Landgericht hat die am 26. Juli 1999 gestellten Beweisanträge vor der Urteilsberatung rechtsfehlerfrei wegen tatsächlicher Bedeutungslosigkeit abgelehnt. Aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos sind Indiztatsachen, wenn zwischen ihnen und dem Gegenstand der Urteilsfindung keinerlei Sachzusammenhang besteht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung nicht beeinflussen könnten (BGH StV 1997, 567, 568; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 244 Rdn. 56). So war es hier. Gegenstand der Aussagen von Zeugen aus dem persönlichen Umfeld sollte sein, der Angeklagte habe die Geschädigte nach Trennungen immer wieder zur Rückkehr gedrängt. Das Landgericht hat den Ablehnungsbeschluß damit begründet, es sei nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gelangt, zwischen dem Angeklagten und dem Tatopfer hätten ”kaum nachvollziehbare, sehr ambivalente Verhältnisse” bestanden. Entgegen der Auffassung der Nebenklägerin stellt es keine unzuläs-
sige Beweisantizipation dar, daß die Strafkammer aus den Aussagen dieser Zeugen keine Schlüsse über die generelle Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin hätte ziehen wollen.
2. Unbegründet ist deshalb auch die mit demselben Beweisziel erhobene Aufklärungsrüge nach § 244 Abs. 2 StPO. Die Strafkammer war nicht gedrängt , die Zeugen unter Aufklärungsgesichtspunkten zu hören. Sie hat in dem Ablehnungsbeschluß auch ausgeführt, es habe nicht zuletzt nach den Aussagen des Angeklagten und der Nebenklägerin festgestanden, daß es nach heftigen Auseinandersetzungen immer wieder zu Kontaktaufnahmen zwischen beiden gekommen sei.
3. Auch die Nebenklägerin greift die Beweiswürdigung des Landgerichts ohne Erfolg an:

a) Sie rügt, die den Freispruch tragenden Urteilsgründe verstießen gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Zögerliches Anzeigeverhalten dürfe nicht als Indiz gegen das Vorliegen einer Vergewaltigung gewertet werden; die Strafkammer habe nicht berücksichtigt, daß es sich bei diesem Verhalten um eine typische Schamreaktion eines Vergewaltigungsopfers handele. Ungenaue und wechselnde Angaben seien ein typisches Indiz für Vergewaltigungen in einer längeren Beziehung. Dem Verhalten dürfe daher kein Indizwert beigemessen werden; es müsse vielmehr als Bestätigung erheblicher Traumatisierung und Destabilisierung nach erheblichen Körperverletzungen gewertet werden. Dies trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Es gibt keine empirisch abgesicherten Erfahrungssätze über das Anzeigeverhalten von Vergewaltigungsopfern in Fällen der vorliegenden Art, die es verbieten, die feststellbaren Umstän-
de zur Aussagegenese und –entwicklung zu bewerten und im Einzelfall Schlüsse zu ziehen. Steht bei diesen Delikten nach Durchführung der oft schwierigen Beweisaufnahme Aussage gegen Aussage, so muß sich das Gericht bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der widersprechenden Angaben vielmehr in besonderem Maße mit der Entstehung und der Entwicklung einer Aussage auseinandersetzen. Dies hat das Landgericht ohne Rechtsfehler getan.

b) Schließlich rügt die Nebenklägerin auch vergeblich, die Beurteilung von Aussagen und Indizien, aufgrund derer das Landgericht ihre Aussagen zu den Vergewaltigungen als nicht glaubhaft angesehen habe, beruhe auf widersprüchlichen und lückenhaften Tatsachenfeststellungen. Mit ihrem Vorbringen setzt die Nebenklägerin aber nur ihre eigene Wertung der festgestellten Tatsachen an die Stelle der Auffassung des Landgerichts.
Schäfer Granderath Nack Boetticher Schluckebier

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Dabei dürfen an die Lebensführung des Jugendlichen keine unzumutbaren Anforderungen gestellt werden. Der Richter kann dem Jugendlichen insbesondere auferlegen,

1.
Weisungen zu befolgen, die sich auf den Aufenthaltsort beziehen,
2.
bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen,
3.
eine Ausbildungs- oder Arbeitsstelle anzunehmen,
4.
Arbeitsleistungen zu erbringen,
5.
sich der Betreuung und Aufsicht einer bestimmten Person (Betreuungshelfer) zu unterstellen,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen,
7.
sich zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich),
8.
den Verkehr mit bestimmten Personen oder den Besuch von Gast- oder Vergnügungsstätten zu unterlassen oder
9.
an einem Verkehrsunterricht teilzunehmen.

(2) Der Richter kann dem Jugendlichen auch mit Zustimmung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters auferlegen, sich einer heilerzieherischen Behandlung durch einen Sachverständigen oder einer Entziehungskur zu unterziehen. Hat der Jugendliche das sechzehnte Lebensjahr vollendet, so soll dies nur mit seinem Einverständnis geschehen.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.