Bundesgerichtshof Urteil, 07. März 2012 - 2 StR 640/11

bei uns veröffentlicht am07.03.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 640/11
vom
7. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. März 2012,
an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Berger,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Oberstaatsanwältin beim Bundesgerichtshof ,
Staatsanwältin
als Vertreterinnen der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Kassel vom 11. Mai 2011 werden verworfen. Die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft sowie die dem Angeklagten hierdurch und durch die Revision der Nebenklägerin entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die Nebenklägerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenklägerin je zur Hälfte.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der sexuellen Nötigung in zwei Fällen freigesprochen. Gegen diesen Freispruch wenden sich die Revisionen der Staatsanwaltschaft, deren Rechtsmittel vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, und der Nebenklägerin R. jeweils mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts.
2
Die Revisionen bleiben ohne Erfolg.

I.

3
Dem Angeklagten wird vorgeworfen, im Oktober und Dezember 1999 die Nebenklägerin sexuell genötigt zu haben.
4
1. Das Landgericht hat hierzu folgende Feststellungen getroffen:
5
a) Der Angeklagte betrieb im Jahr 1999 gemeinsam mit seiner Ehefrau einen Reiterhof, auf dem die Nebenklägerin, die mit der Ehefrau des Angeklagten befreundet war, ihr Pferd untergestellt hatte. Die verheiratete Nebenklägerin litt aufgrund traumatischer Erlebnisse in ihrer Jugend unter Ängsten vor körperlichen Kontakten mit anderen Menschen. Wenn jemand sie anfasste, war sie zunächst zu einer Äußerung eines entgegenstehenden Willens nicht in der Lage. Sie verfiel in eine innere Starre, die es ihr für eine gewisse Zeit unmöglich machte, ihren Widerwillen gegen die körperliche Berührung verbal zu artikulieren oder durch Gegenwehr auszudrücken. Für einen Außenstehenden war dabei nicht zu erkennen, worauf die Passivität der Nebenklägerin beruhte.
6
Am 29. August 1999 kam es zwischen dem Angeklagten und der Nebenklägerin zu einer ersten körperlichen Annährung, die nicht Gegenstand der An- klage ist: Der Angeklagte und die Nebenklägerin brachten auf dem Reiterhof gemeinsam Pferde zurück in den Stall. Bei dieser Gelegenheit hielt der Angeklagte die Nebenklägerin fest, fasste ihr unter den Pullover und küsste sie. Die Nebenklägerin war aufgrund ihrer Ängste vor körperlichen Kontakten zunächst nicht in der Lage, auf das ihr unerwünschte Verhalten des Angeklagten zu reagieren. Nachdem sie sich gefangen hatte, teilte sie ihm mit, dass er sie in Ruhe lassen solle. Daraufhin ließ der Angeklagte von ihr ab.
7
b) (Zu Fall 1 der Anklage:) An einem Tag im Oktober 1999 erklärte sich der Angeklagte auf Bitten seiner Ehefrau bereit, die Nebenklägerin abends mit seinem Pkw zu deren Wohnung zu fahren. Unterwegs wich er von der vorgesehenen Fahrstrecke ab. Als die Nebenklägerin dies bemerkte, verfiel sie in eine innere Starre, die es ihr schon unmöglich machte, auch nur auf die Abweichung von der Fahrstrecke zu reagieren. Ihre Ängste vor dem, was der Angeklagte beabsichtigen könnte, setzten sie außerstande, sich ihm gegenüber zu artikulieren. Der Angeklagte bemerkte davon nichts und hielt das Fahrzeug so vor Büschen an, dass es von der Straße aus nicht mehr zu sehen war. Sodann begann er, der Nebenklägerin, die äußerlich weiterhin keine Reaktion auf das Verhalten des Angeklagten zeigte, unter den Pullover zu fassen. Er küsste sie und streichelte sie an der Brust. Nach einiger Zeit gelang es der Nebenklägerin, ihre innere Starre zu überwinden und dem Angeklagten verbal und durch körperliches Wegstemmen zu verdeutlichen, dass sie sein Verhalten nicht wünsche. Dieser ließ daraufhin von der Nebenklägerin ab und fuhr sie nach Hause. Obwohl ihr das Handeln des Angeklagten unangenehm war, hielt die Nebenklägerin weiterhin Kontakt zu ihm und seiner Ehefrau, deren Freundschaft ihr wichtig war.
8
c) Ein weiterer nicht angeklagter sexueller Übergriff des Angeklagten auf die Nebenklägerin ereignete sich am 30. November 1999. Dabei trat der Ange- klagte auf dem Reiterhof von hinten an die Nebenklägerin heran und fasste ihr unter dem Pullover oberhalb des Büstenhalters an die Brust. Dann drehte er die Nebenklägerin zu sich herum, küsste sie und forderte sie auf, seinen Kuss zu erwidern, was sie nicht tat. Die Nebenklägerin war wiederum in eine innere Erstarrung verfallen, die sie außerstande setzte, dem Angeklagten Widerstand entgegen zu bringen. Der Angeklagte ließ die Nebenklägerin los, nachdem sie sich aus ihrer Erstarrung befreit und ihm gesagt hatte, dass im Stall ihre Tochter auf sie warten würde. Am Folgetag, dem 1. Dezember 1999, kam es wegen dieses Vorfalls zu einem gemeinsamen Gespräch zwischen beiden Ehepaaren, in dessen Verlauf der Angeklagte erklärte, dass ihm alles sehr leid tue und er durch sein Verhalten die Freundschaft der beiden Frauen nicht zerstören wolle. Er versprach, sich zukünftig der Nebenklägerin nicht mehr zu nähern. Dass dem Angeklagten bei diesem Gespräch die psychische Befindlichkeit der Nebenklägerin erläutert worden wäre, hat das Landgericht nicht feststellen können.
9
d) (Zu Fall 2 der Anklage:) Mitte Dezember 1999 kam es erneut zu einer gemeinsamen Autofahrt des Angeklagten mit der Nebenklägerin. Unter dem Vorwand einer Bauplatzbesichtigung fuhr der Angeklagte zu einer einsam gelegenen Stelle in einem Feld, wo er sein Fahrzeug abstellte. Die an einer Bauplatzbesichtigung nicht interessierte Nebenklägerin war wieder in eine innere Starre gefallen, die ihr jegliches Handeln unmöglich machte. Der Angeklagte fasste die Nebenklägerin im Bereich ihres Oberkörpers an. Gleichzeitig forderte er sie auf, ihre Hand auf sein Geschlechtsteil oberhalb der Kleidung zu legen und führte ihre Hand dort hin, während er mit seiner anderen Hand an ihr Geschlechtsteil oberhalb der Kleidung fasste. Nach Überwindung ihrer inneren Erstarrung schaffte es die Nebenklägerin, eine Abwehrhaltung zum Ausdruck zu bringen und mit ihrem Aussteigen zu drohen. Daraufhin ließ der Angeklagte von ihr ab und fuhr sie nach Hause.
10
2. Das Landgericht hat zwar die in der Anklage beschriebenen sexuellen Handlungen, die der Angeklagte bestritten hat, festgestellt. Es hat sich jedoch nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte den psychischen Zustand der Nebenklägerin gekannt und jeweils gewusst oder für möglich gehalten habe, auf welcher psychischen Disposition das anfänglich passive Verhalten der Nebenklägerin bei seinen körperlichen Annäherungen beruhte. Der Anklagte habe seine Annäherungsversuche jeweils sofort beendet, wenn die Nebenklägerin ihm Ablehnung signalisiert oder Widerstand geleistet habe (UA S. 13 f., 18).

II.

11
Der Freispruch hält sachlich-rechtlicher Prüfung stand.
12
1. Die Ausführungen des Landgerichts werden den gemäß § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO an ein freisprechendes Urteil zu stellenden Darstellungsanforderungen gerecht.
13
a) Soweit die Staatsanwaltschaft rügt, das angefochtene Urteil enthalte nur unzureichende Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, liegt darin kein Rechtsfehler. Zwar ist der Tatrichter auch bei freisprechenden Urteilen verpflichtet, Feststellungen zu Werdegang, Vorleben und Persönlichkeit des Angeklagten zu treffen und im Urteil mitzuteilen, wenn diese für die Beurteilung des Tatvorwurfs eine Rolle spielen können und deshalb zur Überprüfung des Freispruchs durch das Revisionsgericht erforderlich sind (BGHSt 52, 314, 315; BGH, NStZ 2010, 529, 530). Hier bestand jedoch keine Notwendigkeit, etwa die wirtschaftlichen Verhältnisse oder den beruflichen Werdegang des Angeklagten in den Blick zu nehmen, da der Tatvorwurf ein Verhalten in dessen privatem Lebensbereich betrifft. Soweit für einen Tatnachweis der Gestaltung sonstiger außerehelicher sexueller Annäherungen an Frauen Bedeutung zukommen konnte, hat sich die Strafkammer mit diesem Aspekt seiner Persönlichkeit unter Bezugnahme auf die Angaben mehrerer hierzu gehörter Zeuginnen auseinandergesetzt (UA S. 16).
14
b) Entgegen dem Revisionsvorbringen weisen die Urteilsgründe auch im Hinblick auf den psychischen Zustand der Nebenklägerin und auf die Auswirkungen ihrer Kontaktängste keinen Darstellungsmangel auf. Hierzu hat die Kammer festgestellt, dass die Nebenklägerin aufgrund traumatischer Ereignisse in ihrer Jugend an einer neurotischen Depression, einer Persönlichkeitsstörung und einer sozialen Phobie litt. Diese Erkrankung hatte zur Folge, dass die Nebenklägerin bei ihr unerwünschten körperlichen Annäherungen zunächst nichts sagte, sich nicht bewegte und auch nicht auf andere Weise zum Ausdruck brachte, dass sie die Berührung ablehnte (UA S. 6 f., 14). Dass eine noch eingehendere Beschreibung ihres Zustands in Situationen, in denen die Nebenklägerin in eine innere Starre verfiel, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme überhaupt möglich gewesen wäre, ist fernliegend. Die Urteilsgründe geben neben der Erörterung der gutachterlichen Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen und neben den zusammengefassten Angaben der langjährigen Therapeutin der Nebenklägerin jedenfalls deren eigene Darstellung zu ihrem inneren Abschalten in noch hinreichendem Umfang wieder.
15
c) Die weitere Beanstandung, der Inhalt eines zwischen dem Angeklagten und seiner Ehefrau sowie der Nebenklägerin und ihrem Ehemann geführten "Vierergesprächs" sei nicht ausführlich dargestellt worden, greift ebenfalls nicht durch. Nach den Feststellungen fand am 1. Dezember 1999 zwar ein Gespräch zwischen beiden Ehepaaren statt, nachdem es am Vortag zu dem weiteren - nicht von der Anklage erfassten - körperlichen Übergriff des Angeklagten ge- genüber der Nebenklägerin gekommen war. In dieser Unterredung erklärte der Angeklagte, "dass ihm alles sehr leid tue", und er versprach, sich künftig der Nebenklägerin nicht mehr zu nähern (UA S. 10). Dass dem Angeklagten bei diesem Gespräch näher erläutert worden wäre, was es mit der psychischen Befindlichkeit und den Ängsten der Nebenklägerin vor Berührungen auf sich hatte, hat das Landgericht jedoch ebenso wenig festzustellen vermocht wie eine sonstige Kenntnisnahme des Angeklagten von einer seelischen Störung der Nebenklägerin. Diese und ihr Ehemann unterrichteten - ihren eigenen vom Landgericht zusammenfassend wiedergegebenen Angaben in der Hauptverhandlung zufolge - den Angeklagten hierüber nicht (UA S. 11, 14 f.). Daher war die Strafkammer zu einer umfänglicheren inhaltlichen Wiedergabe der Unterredung nicht gehalten.
16
2. Auch die Beweiswürdigung als solche ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
17
a) Gemäß § 261 StPO entscheidet über das Ergebnis der Beweisaufnahme das Gericht. Spricht es einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes, wenn sie lückenhaft, widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr., vgl. Senat, NStZ 2010, 102, 103 mwN).
18
b) Solche Rechtsfehler liegen hier nicht vor. Das Landgericht hat alle relevanten Umstände berücksichtigt und jedenfalls mögliche Schlussfolgerungen gezogen.
19
aa) Dies gilt insbesondere, soweit es vorsätzliches Handeln des Angeklagten hinsichtlich des Tatbestandes des sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person gemäß § 179 Abs. 1 StGB nicht festzustellen vermochte. Aufgrund der psychischen Disposition der Nebenklägerin und ihres Zustandes einer inneren Erstarrung bei der Anbahnung ihr unerwünschter körperlicher Kontakte ist die Schlussfolgerung des Landgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass es für Außenstehende und somit auch für den Angeklagten nicht zu erkennen war, worauf die Passivität der Nebenklägerin beruhte. Bei Prüfung des Vorsatzes des Angeklagten in Bezug auf eine Widerstandsunfähigkeit der Nebenklägerin konnte das Landgericht auch den Umstand berücksichtigen , dass die Nebenklägerin während der sexuellen Annäherungen des Angeklagten aus ihrem Zustand der Starre jeweils wieder zu sich kam und sodann die Übergriffe verbal und körperlich abwehrte. Der Angeklagte hätte daher erkannt haben müssen, dass die Nebenklägerin nur bei der Anbahnung und in den ersten Momenten seiner sexuellen Annäherung ihre von ihm im weiteren Verlauf erfahrene grundsätzliche Abwehrbereitschaft nicht umsetzen konnte. Hierfür bieten die Urteilsgründe keine Anhaltspunkte.
20
bb) Entgegen dem Revisionsvorbringen enthält das angefochtene Urteil keine Lücke in der Beweiswürdigung, soweit es sich mit den Angaben der Zeuginnen H. , He. , G. , Ro. , B. und F. befasst. Nach den knapp zusammengefassten Aussagen dieser Zeuginnen hat der Angeklagte außereheliche sexuelle Annäherungsversuche nicht gewaltsam durchgeführt und von solchen Abstand genommen, soweit sie nicht erwidert wurden, bzw., wenn ihm deren Unerwünschtheit signalisiert wurde. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, inwiefern sich dem Tatrichter bei einer detaillierten Würdigung der Aussagen dieser Zeuginnen relevante, dem Angeklagten nachteilige Schlüsse hätten aufdrängen müssen.
21
Soweit die Staatsanwaltschaft bemängelt, das Landgericht habe die Aussage der Zeugin Re. nicht in ihre Beweiswürdigung eingestellt, zeigt sie mit ihrer allein auf die Sachbeschwerde gestützten Revision keinen Rechtsfehler auf. Denn für die sachlich-rechtliche Nachprüfung steht dem Revisionsgericht allein die Urteilsurkunde zur Verfügung (BGHSt 35, 238, 241; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 337 Rn. 22). Aus den Urteilsgründen, die diese Zeugin nicht erwähnen, ergibt sich eine Lückenhaftigkeit der Beweiswürdigung indes nicht.
22
cc) Im Übrigen wird zu den weiteren Beanstandungen der Revisionen auf die auch insoweit zutreffenden Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts verwiesen.
23
3. Schließlich ist auch die rechtliche Würdigung der Strafkammer nicht zu beanstanden.
24
Aufgrund der getroffenen Feststellungen hat das Landgericht in beiden Anklagefällen zutreffend bereits den objektiven Tatbestand des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB verneint, da die Nebenklägerin jeweils nicht erst unter dem Eindruck eines schutzlosen Ausgeliefertseins auf einen ihr grundsätzlich möglichen Widerstand verzichtet hat, sondern schon aufgrund ihrer psychischen Disposition vor Beginn der sexuellen Handlungen des Angeklagten vorübergehend widerstandsunfähig war. Damit fehlte es an dem für den objektiven Tatbestand des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB erforderlichen funktionalen und finalen Zusammenhang zwischen objektivem Nötigungselement, Opferverhalten und Täterhandlung (zu dieser Voraussetzung vgl. BGHSt 50, 359, 368; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2011 - 4 StR 404/11 Rn. 15 mwN).
25
Eine Versuchsstrafbarkeit war entgegen der Auffassung beider Beschwerdeführerinnen nicht in Betracht zu ziehen. Der subjektive Tatbestand des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB setzt zumindest bedingten Vorsatz dahingehend voraus , dass das Tatopfer in die sexuelle Handlung nicht einwilligt und es gerade im Hinblick auf seine Schutzlosigkeit auf möglichen Widerstand verzichtet (vgl. BGHSt 50, 359, 368). Gegen ein solches Ausnutzungsbewusstsein spricht entscheidend , dass der Angeklagte mit der Vornahme sexueller Handlungen sofort aufhörte, sobald die Nebenklägerin ihre Ablehnung zum Ausdruck gebracht hatte.

III.

26
Da sowohl die Revision der Staatsanwaltschaft als auch die der Nebenklägerin erfolglos geblieben sind, hat die Nebenklägerin außer der Revisionsgebühr auch die Hälfte der gerichtlichen Auslagen zu tragen. Die durch die Rechtsmittel verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten hat allein die Staatskasse zu tragen (§ 473 Abs. 1 und 2 StPO; vgl. Senat, Urteil vom 9. März 2011 - 2 StR 467/10; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 285/10).

Appl Berger Krehl Eschelbach Ott

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Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

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(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafgesetzbuch - StGB | § 177 Sexueller Übergriff; sexuelle Nötigung; Vergewaltigung


(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freihei

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(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

15
a) Nach der – entgegen der Auffassung des Landgerichts auch vom 1. Strafsenat mit Beschluss vom 12. Januar 2011 (1 StR 580/10, NStZ 2011, 455 f.) nicht in Frage gestellten – neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert die Verwirklichung des Tatbestandes des § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB unter anderem, dass sich das Opfer in einer Lage befindet, in der es möglichen nötigenden Gewalteinwirkungen des Täters schutzlos ausgeliefert ist. Diese Schutzlosigkeit muss eine Zwangswirkung auf das Opfer in der Weise entfalten, dass es aus Angst vor einer Gewalteinwirkung des Täters in Gestalt von Körperverletzungs- oder gar Tötungshandlungen einen – ihm grundsätzlich möglichen – Widerstand unterlässt und entgegen seinem eigenen Willen sexuelle Handlungen vornimmt oder duldet (vgl. dazu BGH, Urteile vom 27. März 2003 – 3 StR 446/02, NStZ 2003, 533, 534; vom 25. Januar 2006 – 2 StR 345/05, BGHSt 50, 359, 366; Beschlüsse vom 4. April 2007 – 4 StR 345/06, BGHSt 51, 280, 284; vom 11. Juni 2008 – 5 StR 193/08, NStZ 2009, 263; vom 10. Mai 2011 – 3 StR 78/11, NStZ-RR 2011, 311, 312; vom 20. Oktober 2011 – 4StR 396/11, jew. m.w.N.; anders noch BGH, Urteil vom 20. Oktober 1999 – 2 StR 248/99, BGHSt 45, 253, 255 ff.).

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.
das Opfer
a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 285/10
vom
28. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Oktober
2010, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanovic,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger gegen das Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 20. Oktober 2009 werden verworfen.
Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft sowie die dem Angeklagten dadurch und durch die Revisionen der Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Die Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenkläger je zur Hälfte.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Nach der Anklage lag ihm zur Last, seine damalige Lebensgefährtin während einer Auseinandersetzung aus Eifersucht durch Schläge auf den Gesichtsbereich körperlich so schwer misshandelt zu haben, dass diese nach hinten mit dem Kopf auf ein Möbelstück oder auf den Boden fiel und wenige Tage später an den Folgen des dabei erlittenen beidseitigen subduralen Hämatoms verstarb. Die Staatsanwaltschaft beanstandet den Freispruch mit ihrer auf die Sachrüge gestützten und vom Generalbundesanwalt vertretenen Revision. Auch die Nebenkläger rügen die Verletzung materiellen Rechts; sie erheben ferner Verfahrensrügen. Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.


2
1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:
3
Nach einem überwiegend gemeinsam mit dem Angeklagten und seiner Lebensgefährtin, der später verstorbenen Petra K. , verbrachten Wochenende , in dessen Verlauf es auch zur Teilnahme an verschiedenen Feierlichkeiten gekommen war, wurde der inzwischen stark alkoholisierte Zeuge J. in den Abendstunden des 24. Juni 2007 von der Geschädigten mit dem Pkw nach Hause gefahren. Da diese länger als vom Angeklagten erwartet wegblieb , versuchte er, sie beim Zeugen J. telefonisch zu erreichen, was jedoch nicht gelang, da der Zeuge das Gespräch nicht annahm. Nach ihrer verspäteten Rückkehr in die gemeinsame Wohnung nahm die Geschädigte, die zu diesem Zeitpunkt weder unter Alkohol- noch unter Drogeneinfluss stand, zunächst eine Dusche. Das Landgericht hält es für möglich, dass sie während des Duschens auf dem nassen Untergrund der Duschbadewanne ausrutschte. Jedenfalls hörte der Angeklagte vom Schlafzimmer aus, wie die Geschädigte im Badezimmer „Aua“ oder „Scheiße“ rief. Nach Verlassen des Badezimmers teilte die Geschädigte dem Angeklagten mit, es sei „etwas passiert“, was der Angeklagte , ohne einer weiteren Erklärung zu bedürfen, dahin verstand, die Geschädigte habe ihn während ihres Aufenthaltes in der Wohnung des Zeugen J. mit diesem betrogen. In drei kurz aufeinander folgenden, seitens des Angeklagten äußerst erregt geführten Telefonaten mit dem Zeugen J. räumte dieser den Geschlechtsverkehr mit der Geschädigten letztlich ein. Die Geschädigte ihrerseits suchte nunmehr eine Aussprache mit dem Angeklagten und hielt ihn deshalb auf dem Weg ins Schlafzimmer im Flur fest. Der Angeklagte machte eine abschüttelnde Handbewegung mit dem rechten Arm, da er nicht reden, sondern allein sein wollte. Die Geschädigte erklärte daraufhin, ihr werde schlecht, was der Angeklagte mit der Bemerkung „Mir auch“ beantwortete. Daraufhin fiel die Geschädigte rückwärts um und krampfte; sie war nicht ansprechbar und verdrehte die Augen. Der Angeklagte begab sich zu dem mit ihm befreundeten Nachbarn, dem Zeugen P. , der den Rettungswagen und den Notarzt alarmierte. Die Geschädigte verstarb am 27. Juni 2007 im Krankenhaus.
4
2. Den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen folgend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Geschädigte die zum Tode führenden Verletzungen im Schädel-Hirn-Bereich bei einem Sturz mit Anprall auf das Hinterhaupt erlitt. Es hat sich jedoch letztlich nicht davon überzeugen können , dass ein Handeln des Angeklagten, etwa ein Faustschlag auf die Kopfregion der Geschädigten, zu diesem Sturz führte. Trotz starker Indizien für eine Täterschaft des Angeklagten gebe es tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass sich die Geschädigte die Verletzungen während ihres Aufenthaltes bei dem Zeugen J. , später auf dem Heimweg oder nach Rückkehr in die Wohnung bei einem Sturz im Badezimmer während des Duschens ohne Fremdeinwirkung zugezogen habe. Eine körperliche Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten nach deren Rückkehr vom Zeugen J. habe nicht stattgefunden. Soweit am Körper der Geschädigten weitere, nur durch Fremdeinwirkung erklärbare Verletzungen im Gesichtsbereich festgestellt worden seien (Bluterguss an der rechten Wange, Hautrötung am Mundboden), sei eine zeitliche Verknüpfung mit einer Gewalteinwirkung auf den Schädel-Hirnbereich nicht möglich. Die anderen festgestellten Verletzungen könnten auch durch einen Sturz und außerdem zeitlich deutlich vor der todesursächlichen Verletzung im Schädel-Hirnbereich entstanden sein.

II.


5
Die von den Nebenklägern erhobenen Verfahrensrügen haben aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 23. Juli 2010 dargelegten Gründen keinen Erfolg.

III.


6
Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge hat einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten nicht ergeben. Die von der Staatsanwaltschaft und den Nebenklägern gleichermaßen beanstandete Beweiswürdigung hält rechtlicher Nachprüfung stand.
7
1. Das Revisionsgericht muss es grundsätzlich hinnehmen, wenn der Tatrichter einen Angeklagten freispricht, weil er Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen (BGHSt 21, 149, 151). Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (BGHSt 29, 18, 20). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 m.w.N.). Bei einem Freispruch unterliegt der Überprüfung auch, ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat. Schließlich kann ein Rechtsfehler in einem solchen Fall auch darin liegen, dass das Tatgericht nach den Feststellungen nicht nahe lie- gende Schlussfolgerungen gezogen hat, ohne tragfähige Gründe anzuführen, die dieses Ergebnis stützen können. Denn es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten eines Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte vorhanden sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 – 5 StR 253/07, NStZ 2008, 575 m.w.N.). Erkennt der Tatrichter auf Freispruch, obwohl nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung gegen den Angeklagten ein ganz erheblicher Tatverdacht besteht, muss er in seine Beweiswürdigung und deren Darlegung die ersichtlich möglicherweise wesentlichen gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und Erwägungen einbeziehen und in einer Gesamtwürdigung betrachten (BGHSt 25, 285, 286; BGH, Urteil vom 24. Januar 2008 aaO).
8
2. Dem wird die Beweiswürdigung im vorliegenden Fall noch gerecht.
9
a) Vor dem Hintergrund der bestreitenden Angaben des Angeklagten sowie der Aussage des Zeugen J. und mangels unmittelbarer Tatzeugen hat das Landgericht im Rahmen der Beweiswürdigung folgerichtig zunächst die Ausführungen der medizinischen Sachverständigen zu dem für eine Verletzungshandlung in Betracht kommenden Zeitpunkt in den Vordergrund gestellt. Dass die Strafkammer auf der Grundlage der in den Urteilsgründen eingehend wiedergegebenen Darlegungen dreier erfahrener medizinischer Sachverständiger angenommen hat, das neuropathologische Verletzungsbild lasse den Schluss auf ein Schlag-Sturz-Geschehen bzw. ein Stoß-Sturz-Geschehen unter Fremdeinwirkung nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu, stellt eine mögliche und deshalb vom Revisionsgericht hinzunehmende Schlussfolgerung dar. Die Angriffe der Beschwerdeführer dagegen verkennen, dass alle drei Sachverständigen ein Unfallgeschehen für nicht ausschließbar gehalten haben. Das Landgericht hat ferner rechtsfehlerfrei in diese Erwägungen einbezogen, dass die Sachverständigen auf Grund der erhobenen Befunde und nach medizinischer Erfahrung, wenngleich unter Angabe unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsgrade , eine ein- bis zweistündige Handlungsfähigkeit der Geschädigten nach der todesursächlichen Einwirkung auf ihre Schädel-Hirn-Region nicht auszuschließen vermochten. Danach durfte die Strafkammer aus Rechtsgründen begründete Zweifel an einem Tatgeschehen in der Wohnung nach Rückkehr der Geschädigten unter Mitwirkung des Angeklagten haben. Soweit die Staatsanwaltschaft in ihrer Revisionsbegründung meint, das in den Urteilsgründen dargelegte Verletzungsbild lege es bei zusammenfassender Würdigung nahe, von einem einheitlichen, durch den Angeklagten verursachten Verletzungsbild auszugehen, ersetzt sie die vom Gericht vorgenommene Bewertung der Indiztatsachen durch eine eigene. Einen Rechtsfehler vermag sie damit nicht aufzuzeigen ; es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn vom Tatrichter getroffene Feststellungen „lebensfremd“ erscheinen mögen, wie die Beschwerdeführer hier im Einzelnen darlegen. Es gibt im Strafprozess keinen Beweis des ersten Anscheins, der nicht auf der Gewissheit des Tatrichters, sondern auf der Wahrscheinlichkeit eines Geschehensablaufs beruht (BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 – 1 StR 231/08). Auch die Beanstandung der Staatsanwaltschaft, die sich an die Bewertung der bei der Geschädigten diagnostizierten axonalen Zerreißungen von Nervenfortsätzen im Gehirn für die Frage eines sofortigen Eintritts von Bewusstlosigkeit knüpft, geht fehl. Abgesehen davon, dass der in den Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. zunächst aufgetretene Widerspruch ausweislich der Urteilsgründe in der Hauptverhandlung geklärt werden konnte, hat das Landgericht den Umstand, dass sich allein aus dem Vorhandensein derartiger Zerreißungen keine sicheren Schlüsse auf eine sofortige Bewusstlosigkeit zie- hen lassen, rechtsfehlerfrei in die zusammenfassende Bewertung weiterer erheblicher Indiztatsachen einbezogen.
10
b) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts hat das Landgericht die Bekundungen der Sachverständigen hinsichtlich der nicht todesursächlichen Verletzungen zu den Ausführungen hinsichtlich der tödlichen Schädel-HirnVerletzung ausreichend in Beziehung gesetzt und auch insoweit die Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung nicht überspannt. Es hat auch die diesbezüglichen Gutachtenergebnisse in den Urteilsgründen ausführlich mitgeteilt und – als Indiz für eine Täterschaft des Angeklagten – nicht verkannt, dass als Ursache der Verletzungen im Wangen- bzw. Mundbereich schlüssig nur ein Stoß- oder Schlaggeschehen in Frage kam. Andererseits vermochten die Sachverständigen Dr. Pf. und Dr. Z. übereinstimmend eine zeitliche Verknüpfung zwischen der todesverursachenden Verletzung und derjenigen im Wangen- bzw. Mundbodenbereich gerade nicht herzustellen; vielmehr war eine deutliche zeitliche Zäsur nicht auszuschließen.
11
c) Bei der Würdigung der bestreitenden Angaben des Angeklagten, die in den Urteilsgründen eingehend mitgeteilt werden, hat sich die Strafkammer ersichtlich von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab leiten lassen und diese ihren Feststellungen nicht vorschnell als unwiderlegbar zu Grunde gelegt. Sie hat vielmehr die – im Wesentlichen konstanten – Angaben, die der Angeklagte im Anschluss an den Abtransport der Geschädigten ins Krankenhaus Dritten gegenüber gemacht hat, durch Vernehmung einer Vielzahl von Zeugen ermittelt und ebenfalls ausführlich dargelegt. Die Ansicht der Beschwerdeführer, insbesondere im Hinblick auf einen möglichen Streit zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten seien die Erwägungen im Urteil widersprüchlich und deshalb rechtsfehlerhaft, greift zu kurz. Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass das Landgericht die Einlassung des Angeklagten, es sei nach Rückkehr der Geschädigten zu keinerlei Streit zwischen ihnen gekommen, mangels unmittelbar anwesender Zeugen nicht zu widerlegen vermochte. Soweit es eine mögliche körperliche Auseinandersetzung betrifft, erweist sich diese Erwägung als tragfähig. Soweit der Zeuge P. bekundet hat, der Angeklagte habe ihm berichtet, die Geschädigte habe ihn getreten, kommt die Strafkammer zu dem möglichen Schluss, es habe sich um ein Treten im Zusammenhang mit dem Krampfanfall der Geschädigten gehandelt. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnimmt der Senat ferner, dass das Landgericht aus einer auch von ihm als naheliegend in Betracht gezogenen verbalen Auseinandersetzung nach dem Eingeständnis der "Untreue" weiter gehende, für den Angeklagten nachteilige Schlussfolgerungen vor dem Hintergrund des übrigen Beweisergebnisses nicht ziehen wollte.
12
Ferner hat die Strafkammer das nicht in jeder Hinsicht widerspruchsfreie Aussageverhalten des Zeugen J. nachgezeichnet und auch dessen Motivlage vor dem Hintergrund eines nicht mit hinreichender Sicherheit feststellbaren beginnenden Liebesverhältnisses zwischen ihm und der Geschädigten erwogen. Dass die Strafkammer den Angaben dieses Zeugen in wesentlichen Teilen nicht gefolgt ist, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
13
d) Schließlich fehlt es auch nicht an einer zusammenfassenden Bewertung des Beweisergebnisses und der Indizien unter dem Gesichtspunkt einer Gesamtwürdigung. Die dem Landgericht verbliebenen Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten sind jedenfalls nachvollziehbar und nicht nur abstrakttheoretisch. Den Beschwerdeführern ist zwar zuzugeben, dass die Strafkammer weitere Beweisanzeichen zusätzlich, weiter gehend oder noch detailierter hätte erörtern können. Indes kann eine Beweiswürdigung ihrer Natur nach nicht er- schöpfend in dem Sinne sein, dass alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten in den Urteilsgründen ausdrücklich abgehandelt werden. Dies ist von Rechts wegen nicht zu verlangen. Aus einzelnen denkbaren oder tatsächlichen Lücken in der ausdrücklichen Erörterung kann nicht abgeleitet werden, der Tatrichter habe nach den sonstigen Urteilsfeststellungen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht (BGH, Urteil vom 23. Juni 2010 – 2 StR 35/10).
14
3. Da sowohl die Revision der Staatsanwaltschaft als auch die der Nebenkläger erfolglos geblieben sind, haben die Nebenkläger außer der Revisionsgebühr auch die Hälfte der gerichtlichen Auslagen zu tragen. Die durch die Rechtsmittel verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten hat allein die Staatskasse zu tragen (BGH, Urteil vom 6. Dezember 2007 – 3 StR 342/07, NStZ-RR 2008, 146; Urteil vom 30. November 2005 – 2 StR 402/05, NStZ-RR 2006, 128; vgl. aber BGH, Urteil vom 16. September 2010 – 3 StR 280/10).
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer