Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2018 - 2 StR 428/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2018:250418U2STR428.17.0
bei uns veröffentlicht am25.04.2018

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 428/17
vom
25. April 2018
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2018:250418U2STR428.17.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in der Sitzung vom 25. April 2018, an der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Appl als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl, Dr. Eschelbach, Zeng, Richterin am Bundesgerichtshof Wimmer,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt , als Verteidiger,
Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 29. März 2017 wird verworfen. 2. Die Staatskasse hat die Kosten des Verfahrens und die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schusswaffe und unerlaubtem Besitz von Munition zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt, die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bei Vorwegvollzug von zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts begab sich der Angeklagte am 29. Februar 2016 in das türkische Café „ “ in F. , um dort die als Bedienung tätige Zeugin Fa. , mit der er kurz zuvor eine Beziehung begonnen hatte, zu besuchen. Er beabsichtigte, ihr dort bis zum Schließen des Lokals Gesellschaft zu leisten, um anschließend mit ihr in seiner Wohnung zu übernachten. Im Café hielt sich seit dem Nachmittag auch das spätere Tatopfer, der Zeuge Ö. , auf. Er spielte im Laufe des Tages mit anderen Gästen Karten und unterhielt sich mit ihnen. Bis gegen Mitternacht, als die meisten Gäste das Café verlassen hatten, konsumierte der Angeklagte Kokain und trank in erheblichem Umfang Bier und Schnaps. Er setzte sichschließlich zu Ö. an dessen Tisch, an dem auch noch die Zeugen Y. und Öz. saßen und ein Gespräch über die gegenwärtigen politischen Gegebenheiten in der Türkei führten. Auch nach dem Hinzukommen des Angeklagten setzten diese ihr Gespräch fort. Es kam in der Folge zu einer kontroversen politischen Diskussion , die vor allem zwischen dem Angeklagten und Ö. leidenschaftlich und lautstark geführt wurde. Ö. beklagte ein Demokratiedefizit in derTürkei sowie die Unterdrückung und Entrechtung der Kurden. Dabei äußerte er ein gewisses Verständnis für die (verbotene) kurdische Arbeiterpartei PKK, ohne allerdings die von ihr veranlassten gewalttätigen Anschläge auf türkische Einrichtungen zu rechtfertigen, und kritisierte das Vorgehen des türkischen Staates gegen die Kurden. Der Angeklagte, der sich als Anhänger Atatürks bezeichnete , warf Ö. vor, die PKK „gut zu reden“ und durch das vehemente Eintreten für die Rechte der Kurden dazu beizutragen, dass das Land gespalten werde.
3
Dabei blieb die Atmosphäre während der mehrstündigen Diskussion zwar „freundschaftlich“, allerdings kam beim Angeklagten im Laufe der Zeit eine sich stetig steigernde Wut auf Ö. auf, dem er mangelnden Patriotismus vorwarf. Dessen ständige Kritik an der türkischen Regierung empfand er als Beleidung des türkischen Staates, durch die er sich in seiner persönlichen Ehre als Türke verletzt fühlte. Deshalb verspürte er schließlich das dringende Bedürfnis, Ö. für die „Beleidigung seines Heimatlandes“ abzustrafen.
4
Gegen 4.00 Uhr morgens, als das Café schließen sollte, bemerkte Ö. , dass ihm die Zigaretten ausgegangen waren. Da anderweitig keine zu besorgen waren, bot der Angeklagte Ö. an, mit ihm kurz nach Hause zu kommen und ihm dort welche zu geben. Tatsächlich beabsichtigte er, ihn mit einer Schusswaffe anzugreifen und zu verletzen. Ö. ging, ohne etwas zu ahnen, auf den Vorschlag ein und versuchte noch vergeblich, den Zeugen Y. zum Mitkommen zu überreden. Schließlich folgte er dem Angeklagten und derZeugin Fa. , die schon ein Stück voraus gelaufen waren. Nach wenigen Minuten erreichten sie den Innenhof vor dem Gebäude in der A. straße, in dem der Angeklagte zusammen mit seinen Eltern eine Wohnung teilte. Der Angeklagte bat Ö. und die Zeugin Fa. zu warten, bis er die Zigaretten geholt habe. Nach ca. fünf Minuten kehrte er ohne Zigaretten, aber mit einem Revolver, Kaliber 38, den er unauffällig in seiner rechten Hand hielt, zurück. Diesen hatte er aus einem Versteck vom Dachboden des Hauses geholt.
5
Unmittelbar nachdem der Angeklagte die beiden Zurückgebliebenen erreicht hatte, zog er die Zeugin Fa. schnell mit der linken Hand zur Seite und gab aus einer Entfernung von ca. 3 Metern kurz hintereinander zwei gezielte Schüsse mit der ausgestreckten rechten Hand auf die unteren Gliedmaßen des durch den Angriff überraschten Ö. ab. Dabei beabsichtigte er, ihn im Bereich der Beine zu verletzen. Seinen Tod nahm er nicht billigend in Kauf. Während des Schusses rief er „Ich ficke Dich, Du Kurde“ bzw. „Du verfickter Kurde“. Ö. brach nach dem zweiten Schuss, der ihn im linken Oberschenkel getroffen und zu einem Trümmerbruch geführt hatte, zusammen. Der Angeklagte kümmerte sich nicht um ihn und verließ zunächst mit der Zeugin Fa. den Innenhof. Sie kamen jedoch alsbald zurück und sahen das Tatopfer noch immer regungslos auf dem Boden liegen. Der Angeklagte brachte zunächst die Tatwaffe zurück auf den Dachboden und ging anschließend mit der Zeugin Fa. in seine Wohnung. Dort forderte er die Zeugin Fa. auf, mit ihrem Handy einen Rettungswagen herbeizurufen, da er befürchtete, den Geschädigten schwer verletzt zu haben. Dies tat sie um 4.25 Uhr, unter einem falschen Namen und ohne auf die Schussverletzung des Geschädigten hinzuweisen. Zu diesem Zeitpunkt war die Polizei, die um 4.26 Uhr einen Streifenwagen mit Sondersignal zum Tatort entsandt hatte, allerdings bereits knapp vier Minuten zuvor von dem Geschädigten Ö. informiert worden. Bei der anschließenden Durchsuchungder Wohnung des Angeklagten wurde in einem Kleiderschrank diesem gehörende erlaubnispflichtige Munition aufgefunden.
6
Der Angeklagte wies zur Tatzeit eine errechnete Maximalblutalkoholkonzentration von 3,10 Promille auf; gleichwohl ist das Landgericht nicht von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit des Angeklagten ausgegangen.
7
Der Geschädigte Ö. hielt sich in der Folge zu mehreren Operationen des zertrümmerten Oberschenkels stationär im Krankenhaus auf; er kann sich nur noch mühsam mit Krücken und unter Schmerzen fortbewegen. Es ist nicht abzusehen, dass er körperlich wieder vollständig hergestellt werden kann. Er leidet auch seelisch unter der Tat und befindet sich in psychologischer Behandlung. Seine Lebensverhältnisse haben sich grundlegend verändert. Er konnte seine Tätigkeit als Sozialarbeiter nicht fortsetzen. Auch eine Tätigkeit in der Gastronomie, in der er zuvor tätig gewesen war, ist ihm infolge der bestehenden körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen auf absehbare Zeit nicht möglich.
8
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubtem Führen einer Schusswaffe und unerlaubtem Besitz von Munition zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Eine Strafbarkeit wegen eines Tötungsdelikts hat es verneint, weil es einen Tötungsvorsatz nicht feststellen konnte.

II.


9
Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg. Die Erwägungen, mit denen das Schwurgericht einen (bedingten) Tötungsvorsatz abgelehnt hat, halten rechtlicher Nachprüfung stand.
10
1. Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (Senat, Urteil vom 16. September 2015 – 2 StR 483/14, NStZ 2016, 25, 26; BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702). Die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ist dabei ein wesentlicher Indikator für das Vorliegen beider Elemente des bedingten Tötungsvorsatzes (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 – 5 StR 435/14, NStZ 2015, 216). Hinsichtlich des Willenselements sind neben der konkreten Angriffsweise regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die erforderliche umfassende Gesamtbetrachtung einzubeziehen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2000 – 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51).
11
Bei einer äußerst gefährlichen Gewalthandlung, die insbesondere anzunehmen ist, wenn – wie hier – der Täter auf das Tatopfer mit einer scharfen Schusswaffe schießt (BGH, Beschluss vom 28. November 1995 – 4 StR 642/95, StV 1997, 7; Urteil vom 8. Juni 1993 – 5 StR 88/93, NStZ 1993, 488 f.), liegt es zwar nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne dabei zu Tode kommen, und dass er, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt oder fortsetzt, einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (Senat, Beschluss vom 27. August 2013 – 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35). Dies enthebt den Tatrichter indes nicht von der Verpflichtung, die subjektive Tatseite unter Berücksichtigung aller für und gegen sie sprechenden Umstände sorgfältig zu prüfen (Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2015 – 2 StR 312/15, NJW 2016, 1970, 1971 f.).
12
2. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht.
13
Das Landgericht hat sich insbesondere aufgrund des festgestellten absteigenden Schusskanals und des Umstands, dass der Angeklagte ein geübter Schütze ist, ohne Rechtsfehler die Überzeugung verschafft, dass er gezielt auf die Beine des Tatopfers geschossen und dabei darauf vertraut hat, dass er keine anderen Körperbereiche treffen werde. Es hat – ausgehend von einem zutreffenden Maßstab, der die Gefährlichkeit des Schusswaffeneinsatzes als einen wesentlichen, für die Annahme von bedingtem Tötungsvorsatz sprechenden Umstand ansieht – eine umfassende Gesamtabwägung vorgenommen, in der es alle für die konkrete Tat maßgeblichen Umstände aufgegriffen hat. Insbesondere hat es berücksichtigt, dass ein Schuss in den Oberschenkel eines Menschen wegen der Gefahr, dort die Oberschenkelschlagader zu treffen, eine gefährliche Handlung darstellt.
14
Im Ergebnis kann hier dahinstehen, ob die Erwägung des Schwurgerichts rechtlichen Bedenken ausgesetzt ist, der Angeklagte habe bereits die durch einen Schuss in den Oberschenkel begründete Lebensgefahr nicht erkannt , weil es sich um Spezialwissen handele, über das der Angeklagte nicht verfügt habe. Für die daraus sich ergebende Schlussfolgerung der Strafkammer , es fehle deshalb bereits am kognitiven Element des Tötungsvorsatzes, könnte immerhin sprechen, dass der Angeklagte, unmittelbar nach der Tat auf den Vorwurf eines versuchten Tötungsdelikts angesprochen, darauf hingewiesen hat, nur auf die Beine seines Opfers geschossen zu haben.
15
Jedenfalls aber hat das Landgericht mit insgesamt tragfähigen Erwägungen das voluntative Element des bedingten Tötungsvorsatzes verneint. Es hat dabei alle maßgeblichen Umstände in seine Gesamtabwägung eingestellt, ohne damit überspannte Anforderungen an die Feststellung des Tötungsvorsatzes zu stellen. Demgegenüber erweist sich das Vorbringen der Revision, das Landgericht habe den Beweiswert offensichtlicher Lebensgefährlichkeit einer Handlungsweise zu gering veranschlagt, oder auch deren Bewertung der Motivation und des Nachtatverhaltens des Angeklagten weitgehend als eine eigene Würdigung der Umstände, ohne dass damit der Sache nach ein Rechtsfehler aufgezeigt wird. Dies gilt auch für den Gesichtspunkt der alkoholbedingten Enthemmung des Angeklagten. Dass das Landgericht insoweit von einem „vor- satzkritischen“ Umstand ausgegangen ist, ist entgegen der Ansicht der Revisionsführerin nicht zu beanstanden. Zwar kann eine Alkoholisierung geeignet sein, die Hemmschwelle für besonders gravierende Gewalthandlungen herabzusetzen , und damit zu einem Umstand werden, der für die billigende Inkaufnahme eines Todeserfolgs spricht. Eine alkoholische Beeinflussung des Täters zur Tatzeit kann aber durchaus auch dazu führen, dass dieser das in seinem Tun enthaltene Risiko einer Tötung falsch einschätzt (vgl. Senat, Urteil vom 17. Juli 2013 – 2 StR 176/13, NStZ-RR 2013, 341 f.). Erweist sich damit ein Beweisanzeichen – wie hier die alkoholbedingte Enthemmung des Täters (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 – 3 StR 172/17, NStZ 2018, 37, 38 f.) – als ambivalent , ist eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet , vom Revisionsgericht hinzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2012 – 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89, 90). Das Landgericht ist – wie sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen lässt – davon ausgegangen , dass die Tatbegehung durch den Alkoholgenuss zumindest begünstigt worden ist und der Angeklagte sein Tatopfer ansonsten lediglich geohrfeigt hätte. Dass es daraus nicht den Schluss gezogen hat, er habe in Folge des Alkoholgenusses den möglicherweise tödlichen Ausgang billigend in Kauf genommen, sondern der alkoholbedingten Enthemmung stattdessen eine gegen den Vorsatz sprechende Bedeutung zugemessen hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Appl Krehl Eschelbach
Zeng Wimmer

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Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

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URTEIL
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die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Prof. Dr. Krehl,
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Richterin am Bundesgerichtshof
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Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof in der Verhandlung,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 30. Juli 2014 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Seine auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision hat Erfolg.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts bewohnte der später getötete V. , der Alkoholprobleme hatte, ab August 2013 ein Zimmer in der Wohnung des Angeklagten. Das Zusammenleben gestaltete sich anfangs harmonisch , später kam es zu Differenzen. So leistete V. keine Zahlung für die Nutzung der Wohnung, er beteiligte sich nicht an der Reinigung.
Während er im Zimmer des Angeklagten Fernsehen schaute, trank er Schnaps und rauchte, ohne zu lüften, was dem Angeklagten missfiel.
3
Weihnachten 2013 war der Besuch der Mutter des Angeklagten angekündigt. Aus diesem Grund forderte der Angeklagte V. auf, ihm beim Aufräumen der Wohnung zu helfen. Nach Rückkehr von der Arbeit am 23. Dezember 2013 gegen 12.15 Uhr stellte der Angeklagte fest, dass sein Mitbewohner noch keine Anstalten unternommen hatte aufzuräumen. Aus Ärger trank er zwei oder drei Bier. Daraufhin beschloss er zwischen 15.00 und 16.00 Uhr, zu einem ca. 800 m entfernten Imbiss zu fahren, um dort etwas zu essen. Auf der Fahrt dorthin ging sein Roller kaputt; aus Frust hierüber trank er weiter Bier oder Apfelwein. Gegen 18.00 Uhr verließ der Angeklagte, der zwar nicht volltrunken war, aber "einen über den Durst" getrunken hatte, den Imbiss und schob seinen Roller zunächst, bis er ihn stehen ließ, weil er sich nicht mehr in der Lage sah, ihn weiter zu schieben. Er lief nach Hause und stellte dort fest, dass V. , der betrunken war und sich eingenässt hatte, in seinem Zimmer fernsah und rauchte. Zu Aufräumarbeiten war es nicht gekommen. Auf eine Strafpredigt des Angeklagten hin verteidigte sich V. damit, es gehe ihm nicht gut. Anschließend tranken der Angeklagte und V. ein weiteres Bier, bevor der Angeklagte eine von V. versteckt gehaltene Flasche Kräuterschnaps entdeckte. Aus Verärgerung trank der Angeklagte hiervon einige Schlucke und schüttete den Rest fort.
4
Auf Aufforderung des Angeklagten verließ V. das Zimmer des Angeklagten, der sich mit Kleidung und seinen Arbeitsschuhen mit Stahlkappen in sein Bett legte und sogleich einschlief. Gegen 19.00 Uhr betrat V. mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,7 Promille das Zimmer des Angeklagten, kam zu Fall und stürzte in das Bett des Angeklagten. Er traf dabei mit seinem Kopf direkt auf das Gesicht des Angeklagten, bei dem sich infolge dessen ein Schneidezahn lockerte. Der Angeklagte, der einen Blutalkoholwert von 2,57 Promille aufwies, schreckte hoch, trat nach V. und "donnerte" ihn vom Bett hinunter. Anschließend übergab er sich. V. rappelte sich auf und stürzte noch einmal auf das Bett des Angeklagten, der sich nunmehr enthemmt durch den Alkoholeinfluss entschloss, seinem Frust und Ärger über V. freien Lauf zu lassen. Enthemmt durch den Alkohol schlug er ihn mehrfach mit der Faust ins Gesicht und gegen den Kopf. Anschließend trat er V. mit voller Wucht von einem Stuhl hinunter, auf den sich dieser gesetzt hatte. Dem am Boden liegenden Geschädigten trat er sodann mehrfach, mindestens sechs Mal, mit seinen Arbeitsschuhen gegen Kopf, Hals und Oberkörper. Auch nahm der Angeklagte den Kopf des V. und schlug ihn mehrfach wuchtig auf den Boden. Dabei war ihm trotz seiner Alkoholisierung bewusst, dass V. durch die zahlreichen wuchtigen Schläge und Tritte zu Tode kommen konnte. Dies nahm er bei Ausführung der Tat billigend in Kauf.
5
V. erlitt zahlreiche Hämatome und Einblutungen, außerdem acht Rippenbrüche auf der rechten und zwei auf der linken Seite. Zudem kam es zu einer Zertrümmerung des Mittelgesichts sowie zu einem Bruch des Zungenbeins. Infolge weiter eingetretener Einblutungen in die Schädelhöhle sowie der Erschwerung der Atmung verstarb V. in der Nacht, spätestens einige Stunden nach der Tat.
6
Zum Zeitpunkt der Tat war der Angeklagte in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt.
7
Der Angeklagte, der seinen Frust und Ärger nunmehr abreagiert hatte, legte sich nach der Tat wieder schlafen und fand am nächsten Morgen den Leichnam seines Mitbewohners vor seinem Bett. Er schaffte ihn in dessen Zimmer und reinigte die Wohnung. Zunächst war er bemüht, die Tat zu verdecken , bevor er sich am 5. Januar 2014 entschloss, sich der Polizei zu stellen.

II.

8
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt , hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
9
1. Das Landgericht hat festgestellt, dem Angeklagten sei trotz seiner Alkoholisierung bewusst gewesen, dass V. durch die zahlreichen wuchtigen Schläge und Tritte gegen Kopf, Hals und Oberkörper zu Tode kommen konnte. Dies habe er bei Ausführung der Tat zumindest billigend in Kauf genommen.
10
2. Eine Beweiswürdigung hierzu fehlt in den Urteilsgründen. Dies erweist sich aus zwei Gründen als fehlerhaft.
11
a) Das Landgericht hat nicht mitgeteilt, wie sich der Angeklagte hinsichtlich der subjektiven Tatseite eingelassen hat. Aus den Ausführungen der Strafkammer ergibt sich zwar, dass die Feststellungen zur Sache auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere auf dem glaubhaften Geständnis des Angeklagten , beruhen. Die im Folgenden wiedergegebenen Angaben des Angeklagten beziehen sich aber lediglich auf den äußeren Geschehensablauf und enthalten keinerlei Hinweise, ob und in welcher Weise der Angeklagte sich hinsichtlich des Tatvorsatzes eingelassen hat.
12
Aus § 267 StPO, der den Inhalt der Urteilsgründe festlegt, ergibt sich zwar nicht, dass das Gericht verpflichtet ist, eine Beweiswürdigung im Urteil vorzunehmen, in der die Einlassung des Angeklagten mitgeteilt und diese Einlassung unter Bewertung der sonstigen Beweismittel gewürdigt wird. Doch ist unter sachlich-rechtlichem Blickwinkel regelmäßig eine Wiedergabe der Einlassung des Angeklagten erforderlich, damit das Revisionsgericht nachprüfen kann, ob sich der Tatrichter unter Berücksichtigung der erhobenen Beweise eine tragfähige Grundlage für seine Überzeugungsbildung verschafft und das materielle Recht richtig angewendet hat (vgl. BGH NStZ 2015, 299; NStZ-RR 2013, 134, 135 m.w.N.; NStZ-RR 1999, 45; siehe auch: OLG Hamm StraFO 2003, 133; OLG Köln StraFO 2003, 313). Es bedarf somit einer geschlossenen und zusammenhängenden Wiedergabe wenigstens der wesentlichen Grundzüge der Einlassung des Angeklagten, regelmäßig auch mit Blick auf die subjektive Tatseite, um die Beweiswürdigung des Tatrichters auf sachlichrechtliche Fehler hin überprüfen zu können. In den Urteilsgründen fehlt dies ebenso wie eine Auseinandersetzung mit der Einlassung des Angeklagten. Schon deshalb ist das Urteil aufzuheben.
13
b) Die Strafkammer hat auch nicht dargelegt, wie sie zu den Feststellungen zur subjektiven Tatseite gelangt ist. Darauf konnte im vorliegenden Fall auch nicht deshalb verzichtet werden, weil die Annahme bedingten Tötungsvorsatzes auf der Hand gelegen hätte. Vielmehr machten die Umstände des Falles eine eingehende Darlegung der Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite erforderlich.
14
Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH NStZ 2011, 699). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter be- kannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator (vgl. BGH NStZ 2012, 443, 444). Bei der Würdigung des Willenselements sind neben der konkreten Angriffsweise regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die Betrachtung einzubeziehen (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51; BGH NStZ-RR 2007, 267, 268; NStZ-RR 2009,

372).

15
Es kann bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen zwar nahe liegen, dass der Täter damit rechnet, dass sein Opfer zu Tode kommen könnte, und er dies billigend in Kauf nimmt, wenn er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt oder fortsetzt. Aber immer ist auch die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass der Täter die Gefahr der Tötung nicht erkannt oder jedenfalls darauf vertraut hat, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten. Liegen - wie hier - Umstände vor, die auf diese Möglichkeit hinweisen, muss sich der Tatrichter damit auseinander setzen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz bedingter 41 m.w.N.).
16
Trotz der gefährlichen Schläge und Tritte des Angeklagten, die zu den massiven Verletzungen des Tatopfers und schließlich zu seinem Tod geführt haben, kann schon zweifelhaft sein, ob dem Angeklagten tatsächlich bewusst war, dass V. zu Tode kommen könne. Er war hochgradig alkoholisiert und wurde von V. , als dieser auf das Gesicht des Angeklagten stürzte, schmerzhaft aus dem Schlaf gerissen und erschreckt; gleich danach musste er sich übergeben. Ob dem durch die Vorgeschehnisse ohnehin affektiv aufgeladenen Angeklagten angesichts des überraschenden Sturzes des Tatopfers in sein Bett und der vorhandenen, zu erheblich eingeschränkter Steuerungsfähigkeit führenden Alkoholisierung im Zeitpunkt des Übergriffs wirklich die möglichen Folgen seines spontanen Tuns bewusst waren und er auch einen tödlichen Ausgang in seine Überlegungen einbezogen hatte, hätte jeden- falls über die bloße Feststellung hinaus auch deshalb eingehenderer Würdigung bedurft, weil der Angeklagte sich nach seinen Gewalthandlungen ohne Weiteres wieder schlafen legte und das Tatopfer vor seinem Bett liegen ließ. Insoweit wäre zumindest zu erörtern gewesen, ob dies nicht ein gravierender Beleg für einen womöglich wenig orientierten Zustand des Angeklagten sein könnte, der (lediglich) seinen Ärger abreagiert und die Auswirkungen seiner Handlungen nicht realistisch abgeschätzt haben könnte. Dies gilt um so mehr, als der Tod des Opfers nicht unmittelbar nach den Übergriffen des Angeklagten, sondern erst im weiteren Verlauf der Nacht eingetreten ist.
17
Es versteht sich auch angesichts der erheblichen Verletzungen, die V. erlitten hat, nicht von sich selbst, dass sich der Angeklagte, selbst wenn davon auszugehen wäre, dass er die mögliche Tödlichkeit der dem Opfer beigefügten Verletzungen erkannt haben sollte, mit dessen Tod abgefunden hat. Schon der Umstand, dass der Angeklagte in einer affektaufgeladenen und von der Alkoholisierung der beiden Beteiligten geprägten Situation seinen Frust und Ärger abreagiert hat, ist ein Umstand, der gegen die Schlussfolgerung sprechen könnte, der Angeklagte habe im Zeitpunkt der Schläge und Tritte den Tod des Opfers billigend in Kauf genommen, und deshalb vom Landgericht hätte erörtert werden müssen. Gleiches gilt für die vom Landgericht getroffene Feststellung, dass der Angeklagte am nächsten Morgen, als er den Tod von V. feststellte, über die Tat erschrocken und von Angst und Schuldgefühlen geplagt war. Auch dies hätte - trotz begrenzter Aussagekraft dieser zeitlich nach der Tat liegenden Umstände - jedenfalls erörtert werden müssen, weil es unter Umständen Rückschlüsse auf die innere Verfassung des Angeklagten zu dem ihm vorgeworfenen Taterfolg im Tatzeitpunkt zulässt. Nicht zuletzt hätte sich das Landgericht auch im Rahmen des voluntativen Vorsatzelements mit der Alkoholisierung des Angeklagten und der dadurch bedingten erheblich eingeschränkten Steuerungsfähigkeit auseinander setzen müssen. Fischer Appl Krehl Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 502/10
vom
27. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Körperverletzung mit Todesfolge u.a. zu Ziff. 1
wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge u.a. zu Ziff. 2
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Januar
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
die Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Franke,
Dr. Mutzbauer
als beisitzende Richter,
Bundesanwältin beim Bundesgerichtshof
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger des Angeklagten S. ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger für den Angeklagten A. ,
Rechtsanwälte
als Nebenkläger-Vertreter für Roswitha und Gerhard O. ,
Rechtsanwalt
als Nebenkläger-Vertreterin für Ronja A. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 4. Mai 2010 bezüglich des Angeklagten A. dahin abgeändert, dass die von diesem in Portugal erlittene Auslieferungshaft im Maßstab 1:1 auf die gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe anzurechnen ist. 2. Die weiter gehende Revision der Staatsanwaltschaft bezüglich des Angeklagten A. , ihr Rechtsmittel bezüglich des Angeklagten S. sowie die Revisionen der Nebenkläger und der Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil werden verworfen. 3. Die Kosten der Revisionen der Staatsanwaltschaft sowie die den Angeklagten hierdurch und durch die Rechtsmittel der Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Die Nebenkläger tragen die Kosten ihrer Rechtsmittel. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und die Nebenkläger je zur Hälfte. Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die den Nebenklägern hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten A. wegen Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Nötigung und mit Beteiligung an einer Schlägerei zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten S. hat es wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge in Tateinheit mit Beihilfe zur Beteiligung an einer Schlägerei und mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Zudem hat es gegen beide Angeklagte Maßregeln nach §§ 69, 69a StGB angeordnet und bestimmt, dass die vom Angeklagten A. in dieser Sache in Portugal erlittene Freiheitsentziehung auf die verhängte Freiheitsstrafe in der Weise angerechnet wird, dass ein Tag Auslieferungshaft zwei Tagen inländischer Haft entspricht.
2
Gegen das Urteil richten sich die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, der Nebenkläger und der Angeklagten. Die Staatsanwaltschaft und die Nebenkläger beanstanden das Verfahren und erheben die Sachrüge. Die Staatsanwaltschaft wendet sich insbesondere gegen die Feststellungen und die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite; zudem bemängelt sie die fehlende Prüfung der Unterbringung des Angeklagten A. in der Sicherungsverwahrung. Die Nebenkläger begehren unter anderem eine Verurteilung der Angeklagten auch wegen (schweren) Raubes mit Todesfolge. Die Angeklagten rügen ebenfalls die Anwendung des sachlichen Rechts. Der Angeklagte A. beanstandet insbesondere den Schuldspruch wegen Körperverletzung mit Todesfolge sowie die Bewertung der Nötigung als besonders schweren Fall. Der Angeklagte S. meint, der Tatbestand des § 231 StGB sei nicht gegeben, weil es sich nicht um eine Schlägerei im Sinne dieser Vorschrift gehandelt habe; ferner beanstandet auch er die Annahme eines besonders schweren Falls der Nötigung.
3
Erfolg hat in geringem - aus dem Tenor ersichtlichem - Umfang lediglich das zum Nachteil des Angeklagten A. eingelegte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft. Im Übrigen sind die Revisionen unbegründet.

I.


4
Das Schwurgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen :
5
Die beiden Angeklagten waren Mitglieder der "Hells Angels", der Angeklagte A. als Vollmitglied ("full member"), der Angeklagte S. als Unterstützer ("supporter"). Dirk O. - das Tatopfer - war Vollmitglied der "Outlaws" und Präsident des "Chapters" Donnersbergkreis.
6
Am 24. Juni 2009 hatte der Angeklagte S. in Bad Kreuznach aus ungeklärten Gründen eine körperliche Auseinandersetzung mit Tobias L. , einem Mitglied des dortigen neu gegründeten Outlaws-Chapters, an deren Ende er von Tobias L. darauf hingewiesen wurde, dass Bad Kreuznach "OutlawGebiet" sei.
7
Am Nachmittag des 26. Juni 2009 trafen sich die Angeklagten in Landstuhl unter anderem mit Björn Sch. , der ebenfalls - als Anwärter ("prospect") - den Hells Angels angehörte. Sie beschlossen, nach Bad Kreuznach zu fahren, um dort "Präsenz zu zeigen"; gegebenenfalls wollten sie auch einem Mitglied der Outlaws wegen des Vorfalls vom 24. Juni 2009 eine "Abreibung verpassen". Gegen 20.00 Uhr brachen die Angeklagten und Björn Sch. in einem angemieteten Pkw nach Bad Kreuznach auf. Dort sahen sie zwar einen Motorradfahrer in "Rockerkluft", konnten ihm aber nicht folgen. Sie beschlossen daher, nach Marnheim zur Gaststätte "I. " zu fahren, dem Treffpunkt der Outlaws in deren neu gegründetem Chapter im Donnersbergkreis , um diese auszukundschaften und - so das Vorhaben des Angeklagten A. und von Björn Sch. - eine nicht näher bestimmte "Aktion" gegen dieses Chapter durchzuführen.
8
Etwa um 23.00 Uhr verließen mehrere Mitglieder der Outlaws, unter anderem Dirk O. , das "I. " und fuhren nach Kirchheimbolanden. Die Angeklagten und Björn Sch. folgten ihnen. Während sich die Mitglieder der Outlaws in einer Gaststätte aufhielten, fassten der Angeklagte A. und Björn Sch. den Entschluss, dem - von ihnen als solchem erkannten - Vollmitglied der Outlaws bei sich bietender Gelegenheit die "Kutte", also die mit Aufnähern versehene Lederweste, abzunehmen, um hierdurch "ein Zeichen gegen die Outlaws zu setzen" sowie "Präsenz zu zeigen" und den Outlaws deutlich zu machen, dass deren Gebietsanspruch nicht akzeptiert werde. Den Angeklagten und Björn Sch. war dabei klar, dass es zu einer "harten körperlichen Auseinandersetzung" auch mit Waffen und Werkzeugen kommen kann. Ihnen war bewusst, dass ihr Handeln "auch den Tod des anzugreifenden Rockers nach sich ziehen könnte", sie vertrauten aber darauf, dass insbesondere wegen ihrer körperlichen und zahlenmäßigen Überlegenheit "ein lebensgefährliches Ausmaß der Gewaltanwendung nicht notwendig sein werde". Ein solcher tödlicher Ausgang war den Angeklagten unerwünscht; der Angeklagte A. fürchtete bei einem "tödlichen Zwischenfall" clubinterne Sanktionen, der Angeklagte S. , der als einziges Mitglied der Hells Angels im Donnersbergkreis wohnte, befürchtete eine "Retourkutsche" der Outlaws.
9
Nachdem die Outlaws die Gaststätte verlassen hatten, folgten die Angeklagten - der Angeklagte S. als Fahrer - und Björn Sch. mit ihrem Pkw zwei Motorrädern der Outlaws, wobei sie die Stellung deren Fahrer als "full member" bzw. "prospect" erkannten, das Vollmitglied aber nicht als Dirk O. und den dortigen Chapter-Präsidenten identifizierten. Nachdem der zweite Motorradfahrer abgebogen war, fuhren Dirk O. und hinter ihm die Angeklagten und Björn Sch. gegen 23.50 Uhr auf der Landstraße 386 in Richtung Stetten. Der Angeklagte A. und Björn Sch. beschlossen nunmehr, Dirk O. zu überholen und zum Anhalten zu bringen, um ihm die Kutte abnehmen zu können. Auf Weisung des Angeklagten A. überholte der Angeklagte S. das Motorrad und bremste den Pkw anschließend bis zum Stillstand stark ab, wobei er darauf achtete und darauf vertraute, dass es nicht zu einer Kollision kam und Dirk O. nicht stürzte. Dirk O. gelang es wenige Meter hinter dem Pkw anzuhalten, wobei die Strafkammer ungeachtet einer Blockierspur von 13,3 Metern Länge nicht festzustellen vermochte, dass dabei tatsächlich die Gefahr bestand, er werde mit dem Pkw kollidieren oder stürzen.
10
Während der Angeklagte S. - auch in der Folgezeit - in dem Pkw verblieb, sprangen der Angeklagte A. und Björn Sch. aus dem Fahrzeug , liefen auf Dirk O. zu und zogen diesen von seinem Motorrad herunter. Sodann schnitten sie mit einem Messer die rechte Hosentasche des Dirk O. auf, in der er - erkennbar - ein Messer mitführte, und warfen dieses Messer weg. Nachdem ein entgegenkommender Pkw vorbeigefahren war und Dirk O. das umgefallene Motorrad aufgerichtet hatte, um mit diesem zu fliehen, versetzte Björn Sch. Dirk O. sechs Stiche kurz unterhalb des Arms in die rechte Seite. Er handelte dabei aus Verärgerung darüber, dass "das gesamte Vorhaben" durch das zufällige Erscheinen des Pkws zu scheitern gedroht hatte, und wollte der "Aktion" endgültig und sicher zum Erfolg verhelfen. "Dass der Dirk O. dabei sterben könnte, war ihm klar, jedoch auch egal". Der Angeklagte A. sah diese nicht abgesprochene Messerattacke, konnte allerdings nicht mehr eingreifen; er ging - wie auch der Angeklagte S. - davon aus, dass das Opfer bereits tödlich verletzt sei und jede, auch eine sofort herbeigerufene Hilfe zu spät kommen werde. Er und Björn Sch. zogen Dirk O. die Kutte aus, um diese mitzunehmen. Welche Motivation dieser Wegnahme zugrunde lag, vermochte die Strafkammer nicht festzustellen, insbesondere konnte sie nicht ausschließen, dass der Tatplan von vorneherein vorsah, die Kutte "zu vernichten" bzw. "verschwinden" zu lassen, damit sie nicht in die Hände der Outlaws gelangt. Sodann versetzte Björn Sch. ebenfalls ohne Absprache mit dem Angeklagten A. Dirk O. einen weiteren Messerstich in den Rücken, der zu einer Querschnittlähmung führte.
11
Infolge der Stiche in die Seite und des dadurch eingetretenen Blutverlustes verstarb Dirk O. am 27. Juni 2009 um 2.17 Uhr.

II.


12
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger haben keinen (Rechtsmittel der Nebenkläger) bzw. nur in geringem Umfang Erfolg (Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft).
13
1. Die von Staatsanwaltschaft und den Nebenklägern erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
14
Die Rügen, das Landgericht habe seine Aufklärungspflicht dadurch verletzt , dass es keinen "in so genannten Motorradclubs … szenekundigen, erfahrenen Ermittlungsbeamten eines Landeskriminalamts oder einer sonst überörtlich zuständigen Polizeidienststelle oder einen Kriminalwissenschaftler" zu deren "Herrschaftsgefüge, Befehlsstrukturen, Riten und Verhaltenskodizes" ange- hört hat, sind unzulässig. Denn die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger teilen nicht in einer § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Weise mit, warum sich eine solche Beweiserhebung entgegen und trotz der Ausführungen des Schwurgerichts zu einem nicht zu erwartenden weiteren Erkenntnisgewinn durch eine solche Beweisaufnahme (UA 80) aufgedrängt haben soll, nachdem das Gericht - neben einer Vielzahl weiterer Polizeibeamter sowie mehrerer Zeugen aus "Rockerkreisen" - auch die dem Polizeipräsidium Mainz angehörende Sachbearbeiterin vernommen und diese über die Informationen berichtet hat, die ihr "im Bereich der organisierten Kriminalität erfahrene Kollegen" unter anderem zum "Trophäenkult mit Kutten" gegeben hatten. So wird insbesondere die in den Revisionsbegründungen der Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger angesprochene polizeiliche Vernehmung des Angeklagten S. nicht vollständig mitgeteilt; die Staatsanwaltschaft hat es zudem unterlassen , den von ihr zitierten polizeilichen Abschlussbericht vollständig vorzutragen.
15
Soweit die Staatsanwaltschaft ferner einen Verstoß gegen § 261 StPO beanstandet und geltend macht, das Gericht habe in Zusammenhang mit dem Fluchtversuch des Dirk O. Feststellungen zu "inneren Vorgängen (Überlegungen )" beim Tatopfer getroffen, ohne hierfür über eine "äußere Grundlage" zu verfügen, fehlt es jedenfalls am Beruhen des Urteils auf einer etwaigen Gesetzesverletzung.
16
Erfolglos ist auch die von zwei Nebenklägern in Zusammenhang mit der Zurückweisung einer Frage an den Zeugen G. erhobene Aufklärungsrüge. Insofern verweist der Generalbundesanwalt zutreffend darauf, dass dem Zeugen G. das von ihm geltend gemachte Auskunftsverweigerungsrecht zustand.
17
2. Auch die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin hat - abgesehen von der Entscheidung bezüglich des Angeklagten A. nach § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 StGB aufgrund des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft - keinen Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten ergeben.
18
a) Das Schwurgericht hat die Angeklagten auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen zu Recht nicht wegen besonders schweren Raubes (mit Todesfolge) oder besonders schwerer räuberischer Erpressung (mit Todesfolge) verurteilt.
19
aa) Ein besonders schwerer Raub (mit Todesfolge) liegt - wie ersichtlich auch der Generalbundesanwalt meint - nicht vor.
20
(1) Täter - auch Mittäter - kann beim Raub nur sein, wer bei der Wegnahme die Absicht hat, sich oder einem Dritten die fremde Sache rechtswidrig zuzueignen. Hierfür genügt, dass der Täter die fremde Sache unter Ausschließung des Eigentümers oder bisherigen Gewahrsamsinhabers körperlich oder wirtschaftlich für sich oder den Dritten haben und sie der Substanz oder dem Sachwert nach seinem Vermögen oder dem des Dritten “einverleiben” oder zuführen will. Dagegen ist nicht erforderlich, dass der Täter oder der Dritte die Sache auf Dauer behalten soll oder will (BGH, Urteil vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812 mwN).
21
An der Voraussetzung, dass der Wille des Täters auf eine Änderung des Bestandes seines Vermögens oder das des Dritten gerichtet sein muss, fehlt es in Fällen, in denen er die fremde Sache nur wegnimmt, um sie „zu zerstören”, „zu vernichten”, „preiszugeben”, „wegzuwerfen”, „beiseitezuschaffen” oder „zu beschädigen” (BGH, Urteile vom 10. Mai 1977 - 1 StR 167/77, NJW 1977, 1460; vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812 jeweils mwN). Der etwa auf Hass- und Rachegefühlen beruhende Schädigungswille ist zur Begründung der Zueignungsabsicht ebenso wenig geeignet wie der Wille, den Eigentümer durch bloßen Sachentzug zu ärgern (BGH, Urteil vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812, 813 mwN; Beschluss vom 15. Juli 2010 - 4 StR 164/10). In solchen Fällen genügt es auch nicht, dass der Täter - was grundsätzlich ausreichen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1980 - 2 StR 224/80, NStZ 1981, 63) - für eine kurze Zeit den Besitz an der Sache erlangt.
22
(2) Hiervon ausgehend handelten die Angeklagten und Björn Sch. nach den vom Schwurgericht getroffenen Feststellungen in Bezug sowohl auf die Kutte von Dirk O. als auch dessen Messer ohne die für eine Verurteilung wegen Raubes erforderliche Zueignungsabsicht.
23
Zwar diente die Wegnahme der Kutte nach dem Tatplan "dem Ziel, diesem Outlaw im speziellen und den sich neuangesiedelten Outlaws im Allgemeinen gegenüber 'Präsenz zu zeigen' und ihnen klarzumachen, dass mit den in der Nähe angesiedelten Hells Angels stets zu rechnen ist". Eine über die Enteignung hinausgehende Zueignungsabsicht konnte die Strafkammer jedoch nicht feststellen (UA 17: "Ein weiteres Interesse an der zu erlangenden Kutte, etwa als Tauschobjekt, Arbeitsnachweis oder zum 'Angeben', war nicht feststellbar" ). Vielmehr vermochte sie nicht auszuschließen, "dass der Tatplan von vornherein vorsah, die Kutte zu vernichten." (UA 79). Entsprechendes gilt für das Dirk O. abgenommene Messer, das der Angeklagte A. und Björn Sch. sofort nach der Entwaffnung ihres Opfers wegwarfen (UA 20, 55).
24
Die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung ist - wie auch im Übrigen - aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen zu verschaffen, obliegt grundsätzlich allein dem Tatrichter. Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen, es ist ihm verwehrt, sie durch eine eigene zu ersetzen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 20. Juni 2007 - 2 StR 161/07). Nach der durch § 261 und § 337 StPO vorgegebenen Aufgabenverteilung zwischen Tat- und Revisionsgericht kommt es nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte. Daran ändert sich nicht einmal dann etwas, wenn vom Tatrichter getroffene Feststellungen „lebensfremd“ erscheinen mögen (BGH, Urteile vom 27. Oktober 2010 - 5 StR 319/10; vom 28. Oktober 2010 - 4 StR 285/10 mwN). Denn der vom Gesetz verwendete "Begriff der Überzeugung schließt die Möglichkeit eines anderen, auch gegenteiligen Sachverhalts nicht aus; vielmehr gehört es gerade zu ihrem Wesen, dass sie sehr häufig dem objektiv möglichen Zweifel ausgesetzt bleibt. Denn im Bereich der vom Tatrichter zu würdigenden Tatsachen ist der menschlichen Erkenntnis bei ihrer Unvollkommenheit ein absolut sicheres Wissen über den Tathergang, demgegenüber andere Möglichkeiten seines Ablaufs unter allen Umständen ausscheiden müssten, verschlossen. Es ist also die für die Schuldfrage entscheidende , ihm allein übertragene Aufgabe des Tatrichters, ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen, ob er die an sich möglichen Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht“ (so bereits BGH, Urteil vom 9. Februar 1957 - 2 StR 508/56, BGHSt 10, 208, 209; zuletzt BGH, Urteil vom 9. November 2010 - 5 StR 297/10). Ist das Tatgericht – wie vorliegend – ausgehend von einer lückenlosen Tatsachengrundlage im Rahmen einer Bewertung der erhobenen Beweise im Einzelnen (UA 79 ff.) sowie in einer Gesamtschau (UA 82) zu der möglichen - hier sogar plausiblen - Schlussfolgerung gelangt, die erhobenen Beweise seien mangels nachgewiesener Zueignungsabsicht nicht geeignet, eine Verurteilung der Angeklagten wegen (schweren) Raubes mit Todesfolge zu tragen, hat dies – nicht anders als in gegenteiligen Verurteilungsfällen – als möglicher Schluss des Tatgerichts in der Revisionsinstanz Bestand. Die vom Revisionsgericht nicht mehr hinzunehmende, einen Rechtsfehler zugunsten des Angeklagten begründende Grenze der Denkfehlerhaftigkeit wird vom Schwurgericht nirgendwo überschritten (zu diesen Maßstäben: BGH, Urteil vom 27. Oktober 2010 - 5 StR 319/10).
25
bb) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts liegt nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen aber auch eine besonders schwere räuberische Erpressung (mit Todesfolge) nicht vor.
26
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine (besonders schwere) räuberische Erpressung zwar auch derjenige begehen, der das Opfer mit Gewalt dazu zwingt, die Wegnahme einer Sache zu dulden (BGH, Urteil vom 30. August 1973 - 4 StR 410/73, BGHSt 25, 224, 228 mwN), eine Verurteilung wegen Raubes aber daran scheitert, dass die dafür erforderliche Zueignungsabsicht nicht vorliegt bzw. nicht nachweisbar ist (BGH, Urteile vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 388, 390 f.; vom 6. August 1991 - 1 StR 430/91, BGHR StGB § 255 Konkurrenzen 2; Beschluss vom 12. Januar 1999 - 4 StR 685/98, NStZ-RR 1999, 103).
27
Eine Verurteilung wegen räuberischer Erpressung erfordert jedoch die Absicht, sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern. Diese Tatbestandsvoraussetzung des § 253 StGB deckt sich inhaltlich mit der beim Betrug vorausgesetzten Bereicherungsabsicht (BGH, Urteile vom 3. Mai 1988 - 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; vom 3. März 1999 - 2 StR 598/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 9). Sie setzt nach dem in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertretenen wirtschaftlichen Vermögensbegriff deshalb voraus, dass der erstrebte Vorteil zu einer objektiv günstigeren Gestaltung der Vermögenslage für den Täter oder den Dritten führen soll (BGH, Urteil vom 3. März 1999 - 2 StR 598/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 9 mwN; ähnlich: BGH, Urteil vom 4. April 1995 - 1 StR 772/94, NStZ 1996, 39; Beschluss vom 2. Mai 2001 - 2 StR 128/01, NStZ 2001, 534), also eine Erhöhung des wirtschaftlichen Wertes des Vermögens angestrebt wird (BGH, Urteile vom 3. Mai 1988 - 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; vom 3. März 1999 - 2 StR 598/99, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 9 mwN).
28
Als ein solcher Vermögenszuwachs kann auch die Erlangung des Besitzes an einer Sache bewertet werden und zwar selbst bei einem nur vorübergehenden Besitzwechsel (BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 388 f.). Jedoch ist der bloße Besitz in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in den Fällen als Vermögensvorteil anerkannt, in denen ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt (BGH, Urteil vom 17. August 2001 - 2 StR 159/01, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 2), was regelmäßig lediglich dann zu bejahen ist, wenn mit dem Besitz wirtschaftlich messbare Gebrauchsvorteile verbunden sind, die der Täter oder der Dritte nutzen will (vgl. BGH, Urteil vom 16. August 1995 - 2 StR 303/95, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 1 mwN; SSW-StGB/Satzger, § 263 Rdn. 98; zum Besitz an einem Kraftfahrzeug: BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386, 388 f.; Beschluss vom 24. April 1990 - 5 StR 111/90, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögensschaden 7; Urteil vom 4. April 1995 - 1 StR 772/94, NStZ 1996, 39; Beschluss vom 12. Januar 1999 - 4 StR 685/98, NStZ-RR 1999, 103; ähnlich für den Betrug: BGH, Beschluss vom 27. Mai 2008 - 4 StR 58/08, NStZ 2008, 627).
29
Dagegen genügt - wie beim Raub - nicht, wenn der Täter zwar kurzzeitigen Besitz begründen will, die Sache aber unmittelbar nach der Erlangung vernichtet werden soll (BGH, Beschluss vom 27. Juli 2004 - 3 StR 71/04, NStZ 2005, 155 mwN; Vogel in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 253 Rn. 29; Eser/Bosch in Schönke/Schröder, 28. Aufl., § 253 Rn. 17). Ebenso wenig reicht es aus, wenn der Täter den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt (BGH, Urteil vom 3. Mai 1988 - 1 StR 148/88, NJW 1988, 2623; ähnlich BGH, Beschluss vom 19. August 1987 - 2 StR 394/87, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 1) und allein einen anderen als einen wirtschaftlichen Vorteil erstrebt (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 1971 - 4 StR 397/71).
30
Auf dieser Grundlage fehlt es an einer Bereicherungsabsicht der Angeklagten bzw. des Björn Sch. in Bezug auf die Kutte des Dirk O. und dessen Messer. Denn das Landgericht vermochte - wie oben ausgeführt - nicht auszuschließen, dass der Tatplan von vornherein vorsah, die Kutte zu vernichten und das Messer sofort wegzuwerfen.
31
b) Da die Angeklagten sowie Björn Sch. weder einen Raub noch eine räuberische Erpressung beabsichtigt haben, kommt auch eine Verurteilung wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer gemäß § 316a StGB nicht in Betracht.
32
c) Das Schwurgericht hat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen die Angeklagten zu Recht nicht wegen Täterschaft oder Teilnahme an der vorsätzlichen Tötung des Dirk O. verurteilt.
33
aa) Einen Tötungsvorsatz der Angeklagten hat es rechtsfehlerfrei als nicht erwiesen erachtet.
34
(1) Das Willenselement des bedingten Vorsatzes ist bei Tötungsdelikten nur gegeben, wenn der Täter den von ihm als möglich erkannten Eintritt des Todes billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen damit abfindet. Bewusste Fahrlässigkeit liegt hingegen dann vor, wenn er mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft - nicht nur vage - darauf vertraut, der Tod werde nicht eintreten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 mwN). Dabei genügt für eine vorsätzliche Tatbegehung, dass der Täter den konkreten Erfolgseintritt akzeptiert und er sich innerlich mit ihm abgefunden hat (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - 2 StR 50/08, NStZ 2008, 451 mwN), mag er auch seinen Wünschen nicht entsprochen haben (vgl. BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372, 373; ähnlich zum unerwünschten Erfolg bereits BGH, Urteil vom 22. April 1955 - 5 StR 35/55, BGHSt 7, 363, 369). Hatte der Täter dagegen begründeten Anlass darauf zu vertrauen und vertraute er darauf, es werde nicht zum Erfolgseintritt kommen, kann bedingter Vorsatz nicht angenommen werden (BGH, Beschluss vom 5. März 2008 - 2 StR 50/08, NStZ 2008, 451).
35
Da beide Schuldformen im Grenzbereich eng beieinander liegen, ist bei der Prüfung, ob der Täter vorsätzlich gehandelt hat, eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände geboten (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 mwN); sowohl das Wissens - als auch das Willenselement muss grundsätzlich in jedem Einzelfall geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 340/06, NStZ 2007, 150, 151; Beschluss vom 8. Mai 2008 - 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91 jeweils mwN). Insbesondere bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements ist es regelmäßig erforderlich, dass sich der Tatrichter mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung sowie seine Motivation und die zum Tatgeschehen bedeutsamen Umstände - insbesondere die konkrete Angriffsweise - mit in Betracht zieht (BGH, Beschluss vom 1. Juni 2007 - 2 StR 133/07, NStZ-RR 2007, 267; Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZRR 2009, 372 jeweils mwN). Dabei liegt zwar die Annahme einer Billigung des Todes des Opfers nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz erkannter Lebensgefährlichkeit durchführt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 340/06, NStZ 2007, 150, 151; vom 18. Oktober 2007 - 3 StR 226/07, NStZ 2008, 93 f.; vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372 jeweils mwN). Allein aus dem Wissen um den möglichen Erfolgseintritt oder die Gefährlichkeit des Verhaltens kann aber nicht ohne Berücksichtigung etwaiger sich aus der Tat und der Persönlichkeit des Täters ergebender Besonderheiten geschlossen werden, dass auch das Willenselement des Vorsatzes gegeben ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2008 - 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91 mwN).
36
(2) Den sich hieraus ergebenden Anforderungen wird das landgerichtliche Urteil gerecht. Die Strafkammer hat die rechtlichen Grundlagen für die Ab- grenzung des bedingten Tötungsvorsatzes von bewusster Fahrlässigkeit zutreffend gesehen und beachtet. Ihre Bewertung, Tötungsvorsatz bei den Angeklagten sei nicht erwiesen, weist keinen Rechtsfehler auf.
37
Nach den Feststellungen des Schwurgerichts wussten die Angeklagten, "dass es zur Erlangung der symbolträchtigen Kutte zu einer möglicherweise auch harten körperlichen Auseinandersetzung mit dem gegnerischen Rocker" und "auch zum Einsatz von Waffen und Werkzeugen - wie etwa Schlaghölzern, Reizgas, Schlagstöcken, Motocrosshandschuhen und evtl. auch Messern - kommen könnte". Ihnen war "bewusst …, dass derartige Aktionen … ein hohes, unter Umständen auch tödliches, Gewaltpotential in sich tragen" und ihr Handeln "aufgrund der Art der ggf. einzusetzenden Tatmittel auch den Tod des anzugreifenden Rockers nach sich ziehen könnte". Gleichwohl vermochte sich das Landgericht - rechtsfehlerfrei - nicht davon zu überzeugen, dass das Willenselement des bedingten Tötungsvorsatzes gegeben ist. Denn die Angeklagten vertrauten - wie das Schwurgericht ausführlich belegt - "im Hinblick auf ihre körperliche und auch zahlenmäßige Überlegenheit … darauf, dass ein lebensgefährliches Ausmaß der Gewaltanwendung nicht notwendig sein werde"; auch war ihnen aus unterschiedlichen Gründen ein tödlicher Ausgang unerwünscht.
38
bb) Der Generalbundesanwalt meint auf der Grundlage seiner rechtlichen Bewertung des Tatgeschehens als besonders schwere räuberische Erpressung mit Todesfolge unter Hinweis auf das Urteil des 1. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 18. Dezember 2007 (1 StR 301/07, NStZ 2008, 280, 281 und Walter, NStZ 2008, 548), der Angeklagte A. sei Gehilfe des vorsätzlichen Tötungsdelikts, weil sich "durch das gemeinsame Ausziehen und Ansichnehmen der Kutte des dann zurückgelassenen tödlich Verletzten … sein Vorsatz sukzessive auf die zum Tod führende Gewalthandlung des Mittäters Sch. erstreckt" habe. Der Senat lässt offen, ob dem bei Vorliegen einer räuberischen Erpressung zu folgen wäre. Ein solcher Fall ist vorliegend nicht gegeben, da weder der Angeklagte A. noch Björn Sch. den Tatbestand des Raubes bzw. der räuberischen Erpressung (mit Todesfolge) verwirklicht haben. Kann bei mehreren nacheinander aktiv werdenden Tätern der Hinzutretende die weitere Tatausführung nicht mehr fördern, weil für die Herbeiführung des tatbestandsmäßigen Erfolges schon alles getan ist und bleibt deshalb sein eigenes Handeln ohne Einfluss auf den späteren Tod des Geschädigten, kommt eine Zurechnung nach den Grundsätzen der (sukzessiven) Mittäterschaft trotz Kenntnis, Billigung und Ausnutzung der durch einen anderen geschaffenen Lage nicht in Betracht (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 4 StR 164/09, NStZ 2009, 631, 632). Allein eine nachträgliche Billigung der tödlichen Gewalt kann deshalb jedenfalls im vorliegenden Fall eine strafbare Verantwortlichkeit des Angeklagten A. für die bereits abgeschlossene Tötungshandlung nicht begründen (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1984 - 4 StR 526/84 mwN). Dies gilt auch für die vom Generalbundesanwalt bejahte Beihilfe zum Mord und bezieht sich in gleicher Weise auf den Angeklagten S. .
39
d) Nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen ist den Angeklagten auch der zur Querschnittlähmung des Opfers führende (letzte) Messerstich des Björn Sch. nicht zuzurechnen.
40
Eine solche Zurechnung scheidet aus, wenn der unmittelbare Täter dem Opfer den weiteren Stich nicht mehr im Rahmen verabredeter Gewaltanwendung beibrachte, der Dritte die (weitere) Gewaltanwendung weder gebilligt noch zu ihr gefahrerhöhend beigetragen hat und er deren Folgen auch nicht dazu ausnutzen wollte, den Besitz von durch die Tat erlangten Vermögenswerten zu erhalten (vgl. BGH, Beschluss vom 16. September 2009 - 2 StR 259/09, NStZ 2010, 33, 34). So verhält es sich hier. Der Messerstich erfolgte nach der Wegnahme der Kutte, er entsprach nicht dem Tatplan, sondern wurde "ohne weitere Absprache" mit dem Angeklagten A. von Björn Sch. ausgeführt, um (nicht ausschließbar) "ganz sicher zu gehen, dass dieser [also Dirk O. ] versterbe" (UA 63).
41
e) Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts haben sich die Angeklagten auch nicht der Täterschaft oder Teilnahme an einem versuchten vorsätzlichen Tötungsverbrechen durch Unterlassen schuldig gemacht.
42
Denn eine Handlungspflicht des Garanten für das Leben eines anderen entfällt, wenn die gebotenen Rettungsbemühungen sicher erfolglos geblieben wären (BGH, Urteil vom 16. Februar 2000 - 2 StR 582/99, NStZ 2000, 414, 415; Weigend in Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 13 Rdn. 63). Das ist nach den von der Strafkammer rechtsfehlerfrei getroffenen und tragfähig begründeten Feststellungen der Fall. Danach ging der Angeklagte A. - der objektiven Lage entsprechend (UA 78 f.) - nach der ersten Messerattacke des Björn Sch. davon aus, "dass der Outlaw durch die Messerstiche bereits tödlich verletzt sei" und selbst "bei sofort herbeigerufener Hilfe sterben" werde. Dasselbe hat das Landgericht bezüglich des Angeklagten S. festgestellt.
43
Da es durch das Sichentfernen der Angeklagten nicht zu einer Steigerung der für Dirk O. bestehenden Gefahr kam, haben sich die Angeklagten auch nicht nach § 221 StGB strafbar gemacht (vgl. SSW-StGB/Momsen, § 221 Rn. 10, 11).
44
f) Nach den getroffenen Feststellungen hat das Schwurgericht die Angeklagten zu Recht auch nicht des (versuchten) gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b StGB schuldig gesprochen.
45
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats erfasst § 315b StGB ein vorschriftswidriges Verkehrsverhalten eines Fahrzeugführers nur dann, wenn dieser das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewusst zweckwidrig einsetzt, er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu "pervertieren" und er dabei mit zumindest bedingtem Schädigungsvorsatz handelt (Beschluss vom 16. März 2010 - 4 StR 82/10 mwN; vgl. auch SSW-StGB/Ernemann, § 315b StGB Rn. 18). Einen solchen, mit dem Eingriff in den Straßenverkehr verbundenen Schädigungsvorsatz vermochte das Landgericht jedoch nicht festzustellen. Es kam vielmehr - rechtsfehlerfrei - zu der Erkenntnis, dass der Angeklagte S. darauf vertraute, dass Dirk O. weder zu Fall kommt, noch auf den Pkw auffährt und dass eine solche Gefahr auch objektiv nicht bestand. Eine versuchte Anstiftung durch den Angeklagten A. (§ 30 Abs. 1, § 315b Abs. 1, 3, § 315 Abs. 3 StGB) liegt nach den getroffenen Feststellungen nicht vor.
46
g) Soweit eine Verurteilung der Angeklagten nach § 323c StGB in Betracht kam (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2000 - 2 StR 582/99, NStZ 2000, 414, 415; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 323c Rn. 18), hat der Senat das Verfahren in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt.
47
h) Auch die Rechtsfolgenaussprüche weisen - abgesehen von der den Angeklagten A. betreffenden Entscheidung nach § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 StGB - keinen die Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler auf.
48
aa) Dies gilt auch, soweit der Generalbundesanwalt und die revisionsführende Staatsanwaltschaft beim Angeklagten A. die Prüfung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vermissen.
49
Denn es fehlt nach der vom Senat gemäß Art. 316e Abs. 2 EGStGB, § 354a StPO zu beachtenden, am 1. Januar 2011 in Kraft getretenen Neufassung des § 66 StGB an Vorstrafen, die die dort geforderten Voraussetzungen erfüllen (vgl. BT-Drucks. 17/3403 S. 50). Insbesondere die im Jahr 2005 erfolgte Verurteilung wegen Wohnungseinbruchdiebstahls und anderem ist nicht mehr geeignet, die Anordnung der Sicherungsverwahrung zu begründen.
50
bb) Die Revision der Staatsanwaltschaft führt jedoch zur Abänderung des Maßstabs für die Anrechung der in Portugal beim Angeklagten A. vollzogenen Auslieferungshaft, den das Landgericht mit 2:1 bestimmt hat.
51
Besondere Erschwernisse, die diesen Anrechnungsmaßstab rechtfertigen könnten, hat die Strafkammer - ersichtlich aufgrund des Schweigens des Angeklagten A. zur Person und zur Sache (UA 25) - nicht festgestellt. Im Hinblick darauf, dass in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union - auch in Portugal (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Juli 2010 - 5 StR 251/10) - grundsätzlich Anhaltspunkte für eine andere Anrechnung als im Verhältnis 1:1 nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen sind, hat der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO den Anrechnungsmaßstab selbst entsprechend bestimmt (BGH, Beschlüsse vom 4. Juni 2003 - 5 StR 124/03, BGHR StGB § 51 Abs. 4 Anrechnung 3; vom 4. Juli 2007 - 1 StR 298/07; vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 2005 - 2 BvR 1593/03).

III.


52
Die Revisionen der Angeklagten haben keinen Erfolg.
53
1. Das Rechtsmittel des Angeklagten A. ist unbegründet.
54
a) Seine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
55
Zwar kann einem Mittäter das Handeln eines anderen Mittäters, das über das gemeinsam Gewollte hinausgeht, grundsätzlich nicht zugerechnet werden (BGH, Urteil vom 5. August 2010 - 3 StR 210/10 Rn. 15 mwN). Handelt ein Mittäter aber mit zumindest bedingtem Tötungsvorsatz, ein anderer dagegen nur mit Verletzungsvorsatz, so ist letzterer - wenn er den tödlichen Ausgang für das Opfer vorhersehen konnte - zwar nicht wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts , aber wegen Körperverletzung mit Todesfolge strafbar (BGH, Urteil vom 19. August 2004 - 5 StR 218/04, NStZ 2005, 93 m. Anm. Heinrich). Wegen gemeinschaftlicher Körperverletzung kann für deren Todesfolge, die ein anderer unmittelbar herbeigeführt hat, mithin auch derjenige bestraft werden, der die Verletzung nicht mit eigener Hand ausgeführt, jedoch aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses mit dem Willen zur Tatherrschaft zum Verletzungserfolg beigetragen hat, sofern die Handlung des anderen im Rahmen des beiderseitigen ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnisses lag und dem Täter hinsichtlich des Erfolges Fahrlässigkeit zur Last fällt (BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 - 4 StR 164/09, NStZ 2009, 631, 632). Dies gilt jedenfalls dann, wenn bei dem Mittäter das Wissenselement des Tötungsvorsatzes vorlag und dieser allein deshalb fehlte, weil es am Willenselement mangelte (vgl. auch BGH, Urteile vom 15. September 2004 - 2 StR 242/04, NStZ 2005, 261, 262; vom 5. August 2010 - 3 StR 210/10 mwN).
56
So verhält es sich hier. Beide Angeklagten rechneten - wie ausgeführt - mit Körperverletzungen unter Einsatz von Waffen und Werkzeugen, auch eines Messers, und billigten diese. Ihnen war ferner bewusst, dass "die Aktion aufgrund der Art der ggf. einzusetzenden Tatmittel auch den Tod des anzugreifenden Rockers nach sich ziehen könnte". Die damit gegebene Vorhersehbarkeit des Todes von Dirk O. reicht für die Erfüllung der subjektiven Fahrlässigkeitskomponente des § 227 StGB aus; einer Voraussehbarkeit aller Einzelheiten des zum Tode führenden Geschehensablaufs bedarf es nicht (BGH, Urteil vom 10. Juni 2009 - 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 309, 310 mwN).
57
b) Auch die Verurteilung des Angeklagten A. wegen mit der Körperverletzung mit Todesfolge und der Nötigung in Tateinheit stehenden Beteiligung an einer Schlägerei begegnet keinen Bedenken. Sie entspricht sowohl hinsichtlich der Bejahung des Tatbestandes des § 231 StGB als auch bezüglich der Konkurrenzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2008 - 3 StR 236/08; Urteil vom 10. Juni 2009 - 2 StR 103/09, NStZ-RR 2009, 309, 310 mwN)
58
c) Entsprechendes gilt für den Schuldspruch wegen Nötigung. Diese wird hinsichtlich des Ausbremsens vom Verteidiger des Angeklagten A. nicht in Frage gestellt. Sie liegt aber auch hinsichtlich der Wegnahme der Kutte vor, bezüglich derer der Einsatz des Messers von Anfang an vom Vorsatz des Angeklagten A. umfasst war (vgl. auch UA 79).
59
d) Die Strafzumessung weist ebenfalls keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Dies gilt insbesondere für die Bewertung des Schwurgerichts, bei der vom Angeklagten A. begangenen Nötigung handle es sich um einen (unbenannten) besonders schweren Fall im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz 1 StGB. Sie wird vom Tatgericht zutreffend auf das "besonders grobe" Missverhältnis zwischen Mittel und Zweck gestützt.
60
e) Auch der Maßregelausspruch hält der Überprüfung stand. Zwar war der Angeklagte A. "nur" Beifahrer in dem vom Angeklagten S. gesteuerten Pkw. Indes hat der Angeklagte A. an der ihm zu Recht angelasteten Nötigung des Dirk O. durch das Ausbremsen nicht nur dadurch mitgewirkt, dass er den Angeklagten S. hierzu "verbal gedrängt" hat, sondern auch dadurch, dass er die "Weisung" für den Beginn des Überholmanövers gab. Dies rechtfertigt die Maßregel nach §§ 69, 69a StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Februar 2004 - 4 StR 585/03, NStZ 2004, 617; Tepperwien in Festschrift Nehm, 2006, S. 427, 430).
61
2. Die Revision des Angeklagten S. ist ebenfalls unbegründet.
62
a) Die Verurteilung wegen Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge und zur Beteiligung an einer Schlägerei sowie wegen Nötigung ist nicht zu beanstanden. Rechtsfehlerfrei ist - wie ausgeführt - auch die Annahme von Tateinheit zwischen diesen Straftatbeständen.
63
b) Der Strafausspruch hält im Ergebnis ebenfalls der Überprüfung stand.
64
Zwar hat es das Schwurgericht unterlassen, beim Angeklagten S. trotz Vorliegens zweier vertypter Milderungsgründe (§ 27 Abs. 2, § 46b StGB) zu prüfen, ob ein minder schwerer Fall der Körperverletzung mit Todesfolge vorliegt. Der Senat schließt aufgrund der Besonderheiten des Falles jedoch aus, dass der Strafausspruch hierauf beruht. Denn es lag im Hinblick auf die vom Landgericht zutreffend dargelegten Strafschärfungsgründe (u.a. Bewährungsversagen ) fern, einen minder schweren Fall gemäß § 227 Abs. 2 StGB ohne "Verbrauch" mindestens eines der vertypten Milderungsgründe anzunehmen. Wäre aber der Strafrahmen des § 227 Abs. 2 StGB einmal nach § 49 Abs. 1 StGB gemindert worden, so wäre - bei nur geringfügig niedrigerer Strafrahmenobergrenze - die Strafrahmenuntergrenze höher gewesen als nach der vom Schwurgericht vorgenommenen doppelten Minderung des Strafrahmens des § 227 Abs. 1 StGB.
65
Die Annahme eines besonders schweren Falls der Nötigung begegnet beim Angeklagten S. auch angesichts der nur eingeschränkten Überprüfbarkeit dieser Bewertung in der Revision (vgl. Fischer aaO § 46 Rn. 85 mwN) keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

IV.


66
Das nur geringfügige Obsiegen der Staatsanwaltschaft rechtfertigt keine Kostenteilung. Da mithin sowohl die Revisionen der Staatsanwaltschaft als auch die der Nebenkläger erfolglos geblieben bzw. entsprechend zu behandeln sind, haben die Nebenkläger außer der Revisionsgebühr auch die Hälfte der gerichtlichen Auslagen zu tragen. Die durch diese Revisionen verursachten notwendigen Auslagen des Angeklagten hat allein die Staatskasse zu tragen (§ 473 Abs. 2 Satz 1 StPO); eine Auferlegung der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf den Nebenkläger erfolgt nur dann, wenn dieser allein erfolglos Revision eingelegt hat, nicht dagegen, wenn auch die Staatsanwaltschaft Rechtsmittelführe- rin ist (§ 473 Abs. 1 Satz 3 StPO; vgl. aber BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 - 5 StR 405/10). Die Kosten- und Auslagenentscheidung hinsichtlich der Revisionen der Angeklagten beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 und 2 StPO. Zwar sind auch die Revision der Nebenkläger erfolglos geblieben, dies rechtfertigt es jedoch nicht, von einer Auslagenerstattung zu ihren Gunsten abzusehen (§ 473 Abs. 1 Satz 2 StPO; zum Ganzen: BGH, Urteil vom 30. November 2005 - 2 StR 402/05).
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 StR435/14
vom
13. Januar 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchten Mordes
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 13. Januar
2015, an der teilgenommen haben:
Richter Prof. Dr. Sander
als Vorsitzender,
Richterin Dr. Schneider,
Richter Dölp,
Richter Dr. Berger,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin F.
als Verteidigerin des Angeklagten K. ,
Rechtsanwalt R.
als Verteidiger des Angeklagten L. ,
Rechtsanwältin G.
als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revisionen des Nebenklägers wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 18. März 2014 mit den Feststellungen, mit Ausnahme derjenigen zum äußeren Tatgeschehen, aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Mit seinen auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revisionen beanstandet der Nebenkläger, dass das Landgericht bedingten Tötungsvorsatz der Angeklagten nicht festgestellt hat. Die Rechtsmittel haben Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hielten sich die aus Polen stammenden, alkoholisierten und unter dem Einfluss von Cannabis stehenden, zur Tatzeit 23 Jahre (K. ) und 33 Jahre (L. ) alten Angeklagten am Nachmittag des 9. Juli 2013 auf dem Platz am Neptunbrunnen nahe dem Berliner Alexanderplatz auf und baten andere Personen um Zigaretten. Dabei trat der Angeklagte L. bedrohlich dicht an einen Zeugen heran. Der Angeklagte K. zog L. beiseite.
3
Wenig später ging der muskulöse K. – bewusst in einem bedrohlich geringen Abstand – an dem auf einer Parkbank sitzenden schmächtigen , dunkelhäutigen Nebenkläger vorbei, dem er körperlich deutlich überlegen war. Dabei strahlte K. eine solche Aggressivität aus, dass er einem Zeugen auffiel, der eine Bank vom Nebenkläger entfernt saß und den Angeklagten als „potentielle Gefahr“ im Auge behielt. K. , der nach eigener Aussage „keine Neger mag“, störte sich an der dunklen Hautfarbe des Neben- klägers. Im Vorbeigehen beleidigte er ihn mit einem dem deutschen Wort „Ne- ger“ vergleichbaren Wort in polnischer Sprache. Der Nebenkläger, der der russischen Sprache mächtig ist, verstand dieses Wort. Er reagierte, indem er K. auf Russisch fragte, was er getan habe. K. blieb ruckartig stehen und wandte sich dem Nebenkläger zu; er ergriff ihn, zog ihn von der Parkbank hoch und begann, ihn zu schubsen. Auf erfolglose Versuche des Nebenklägers , den Angeklagten K. abzuwehren, schlug dieser den Nebenkläger mit drei wuchtigen Faustschlägen ins Gesicht zu Boden. K. versuchte, den benommen am Boden liegenden – sehr leichten – Nebenkläger an dessen Gürtel in die Luft zu heben und zu Boden fallen zu lassen. Dies verhinderte der Nebenkläger zunächst, indem er sich an der Hose des Angeklagten festkrallte. Als er jedoch das Bewusstsein verlor, nutzte K. dies aus, um den Nebenkläger an seinem Gürtel aufzuheben, sein Knie in das Gesicht des Nebenklägers zu stoßen und ihn schließlich mit dem Gesicht voran auf den Steinboden des Platzes fallen zu lassen. K. versetzte dem bewusstlos auf dem Boden liegenden Nebenkläger noch mindestens einen Faustschlag ins Gesicht, ließ dann aber von ihm ab, als L. eingriff und gegen den Kopf des Nebenklägers trat. L. erkannte, dass der Nebenklä- ger nicht unerheblich verletzt, ohne Bewusstsein und deshalb wehrlos war, trat aber aus fremdenfeindlicher Verachtung ein zweites Mal gegen dessen Kopf. Bevor er dem Nebenkläger einen weiteren Tritt versetzen konnte, näherten sich von verschiedenen Seiten Passanten und forderten die Angeklagten lautstark auf, vom Nebenkläger abzulassen. Daraufhin entfernten sich die Angeklagten vom Tatort.
4
Passanten kümmerten sich um den verletzten Nebenkläger und sorgten dafür, dass er in eine Klinik gebracht wurde, in der er bis zum 23. Juli 2013 stationär behandelt wurde. Er hatte unter anderem einen Bruch der rechten Augenhöhlenwand und des Nasenbeins, ein Schädelhirntrauma sowie eine dünne Blutung unter die weiche Hirnhaut (Subarachnoidalblutung) und eine minimale Einblutung ins Hirngewebe (Kontusionsblutung) erlitten. Seine Verletzungen waren potentiell, nicht aber konkret lebensgefährlich.
5
2. Das Landgericht hat die Tat als gefährliche Körperverletzung – mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung sowie gemeinschaftlich begangen – gewürdigt und ausgeführt, es habe sich nicht die Überzeugung verschaffen können, dass die Angeklagten den Tod des Nebenklägers billigend in Kauf nahmen. Dagegen spreche, dass es sich um eine „spontane, unüberlegte und sehr kurz andauernde Tat“ gehandelt habe. Die Angeklagten hätten aufgrund einer mehrjährigen Erfahrung als Kickboxer (K. ) beziehungsweise aufgrund verschiedener Schlägereien als Fußballfan (L. ) möglicherweise ihre Kräfte besser als andere Täter einschätzen können, so dass der Nebenkläger nicht noch schwerer verletzt worden sei. Zudem hätten die Angeklagten in einer „(gruppen-)dynamischen Situation“ gestanden sowie unter erheblichem Einfluss von Alkohol und Cannabis, deren Wirkung sie möglicherweise leichtfertig darauf vertrauen ließ, ein tödlicher Erfolg werde nicht eintreten. Die Gewalthandlungen der Angeklagten hätten „keine schwersten Kopfverletzungen, insbesondere keinen Bruch des Schädels,“ herbeigeführt. Der Umstand, dass die Tat auf öffent- lichem Straßenland vor zahlreichen Zeugen stattgefunden habe, weise darauf hin, „dass eine Schlägerei – auffür den Geschädigten schreckliche Art – ‚aus dem Ruder lief', die Angeklagten aber den Tod des Nebenklägers jedenfalls nicht billigend in Kauf nahmen“ (UA S. 25). Dass ihre tatmotivierende Fremden- feindlichkeit so weit gegangen sei, auch den Tod eines Menschen billigend in Kauf zu nehmen, lasse sich nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen. Die Strafkammer hat nicht ausschließen können, dass sich die Angeklagten bei Tatbegehung in einem Zustand erheblich verminderter Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) befanden.
6
3. Die Beweiswürdigung des Landgerichts zum Tötungsvorsatz hält – auch eingedenk des beschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2008 – 5 StR 224/08, NStZ 2009, 401) – sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand, da sie lückenhaft ist.
7
a) Das Landgericht hat im Ausgangspunkt nicht verkannt, dass die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator für das Vorliegen eines bedingten Vorsatzes ist (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443). Bei dessen Prüfung ist es aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven, für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten. Dem genügt die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht, da mehrere wesentlich für einen bedingten Tötungsvorsatz der Angeklagten sprechende tatsächliche Umstände nicht bedacht werden.
8
b) Soweit die Strafkammer gegen das Vorliegen des voluntativen Ele- ments eines Tötungsvorsatzes ausführt, es habe sich um eine „spontane, unüberlegte und sehr kurz andauernde“ Tat gehandelt, berücksichtigt sie nicht, dass beide Angeklagte gegen den bereits bewusstlosen Nebenkläger mehrere gefährliche Gewalthandlungen ausführten und mit diesen erst aufhörten, als sich Passanten näherten und sie lautstark aufforderten, vom Nebenkläger abzulassen. Der Tatsache, dass die Angeklagten nicht freiwillig mit der Misshandlung des Nebenklägers aufhörten, kann ein hoher Indizwert für ihre innere Einstellung gegenüber einer möglichen Tötung des Nebenklägers zukommen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2007 – 1 StR 126/07, NStZ 2007, 639, 640). Das gewollte weitere Tun kann den Schluss nahelegen, dass ihnen die Folgen ihrer Tat bis hin zum möglichen Tod des Nebenklägers gleichgültig waren. Dies würde für die Annahme von bedingtem Tötungsvorsatz genügen und war mithin erörterungsbedürftig.
9
Zudem sprechen die Urteilsfeststellungen zum Verhalten der – berauschten – Angeklagten vor der Tat gegen ein spontanes und unüberlegtes Handeln, sondern eher dafür, dass sie bewusst Streit suchten. Dass es sich bei der Misshandlung des Nebenklägers um eine aus dem Ruder gelaufene „Schlägerei“ (UA S. 25)gehandelt haben könnte, wird durch die Feststellungen widerlegt. Danach beschränkte sich der zunächst vom Angeklagten K. – grundlos – körperlich angegriffene Nebenkläger auf Schutzwehr, zu der er wegen eintretender Bewusstlosigkeit alsbald schon nicht mehr in der Lage war. Er hatte in keiner Weise zu einer Eskalation des Geschehens über ein von den Angeklagten möglicherweise ursprünglich gewolltes begrenztes Maß hinaus beigetragen. Es ist auch nicht belegt oder sonst ersichtlich, dass eine von der Schwurgerichtskammer angenommene „gruppendynamische Situation“ vorlag, bei der sich die Entstehung oder zumindest das Ausmaß der Gewalttätigkeit der Angeklagten ausschließlich aus ihrer Interaktion untereinander oder mit dem Nebenkläger oder den Umstehenden ergab. Abgesehen davon stünden stattgehabte gruppendynamische Prozesse der Entwicklung eines – anfangs nicht vorhandenen – bedingten Tötungsvorsatzes in ihrem Verlauf auch keineswegs entgegen, sondern könnten sie im Gegenteil gerade gefördert haben.
10
c) Soweit die Strafkammer meint, aus der – rechtsfehlerfrei festgestellten – fremdenfeindlichen Motivation der Angeklagten keinen Tötungsvorsatz schlussfolgern zu können, berücksichtigt sie nicht, dass die Angeklagten noch in der Hauptverhandlung ihre anhaltende Missachtung für den anwesenden Nebenkläger durch höhnisches Lachen über ein Foto des schwer im Gesicht Verletzten sowie „demonstratives Gähnen, Lümmeln und Lachen“ während der Beweisaufnahme (UA S. 14) zum Ausdruck gebracht haben. Dieses Verhalten kann darauf schließen lassen, dass sie das Leiden des – in ihren Augen „min- derwertigen“ (UA S. 11) – Nebenklägers und die ihm zugefügtenerheblichen Verletzungen bagatellisierten. Dieses auf einer „tief dissozialen Prägung“ beru- hende Verhalten (UA S. 14) der Angeklagten kann ein Indiz dafür sein, dass sie auch weitergehende Verletzungen des Nebenklägers bis hin zu seinem Tod billigend in Kauf genommen hätten, und wäre mithin zu erörtern gewesen.
11
d) Wenn die Strafkammer eine gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung bejaht, so geht sie davon aus, dass die Tat in der Vorstellung der Angeklagten auf eine Lebensgefährdung „angelegt” war (vgl. BGH, Urteil vom 12. Oktober 1989 – 4 StR 318/89, BGHSt 36, 262, 265). Demnach erkannten die Angeklagten trotz ihrer Beeinflussung durch Alkohol und Cannabis die Lebensgefährlichkeit ihrer Gewalthandlungen. Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass sie dennoch darauf vertraut haben könnten, der Nebenkläger werde nicht zu Tode kommen, hat das Landgericht nicht festge- stellt. Soweit es zugunsten der Angeklagten davon ausgeht, dass sie aufgrund ihrer Gewalterfahrenheit die Wirkung ihrer Verletzungshandlungen möglicherweise besser als andere Täter einschätzen konnten, weist die Revision zu Recht darauf hin, dass es nach Vornahme einer potentiell lebensgefährlichen Handlung grundsätzlich dem Zufall anheim gegeben bleibt, ob die Lebensgefahr sich konkretisiert und letztlich zum Tod führt.
12
4. Der aufgezeigte Rechtsmangel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit den Feststellungen; jedoch können die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bestehen bleiben. Ergänzende, ihnen nicht widersprechende Feststellungen durch das neue Tatgericht sind zulässig.
Sander Schneider Dölp
Berger Bellay

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 321/00
vom
11. Oktober 2000
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 11. Oktober
2000, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Kutzer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Miebach,
Winkler,
Pfister,
von Lienen
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers K. ,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kiel vom 7. Januar 2000 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben,
a) soweit der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen verurteilt worden ist,
b) im Ausspruch über die Jugendstrafe. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen bleiben aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen und wegen vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung des Urteils des Jugendschöffengerichts Stade vom 5. Juni 1998 (Jugendstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung wegen vorsätzlicher Körperverletzung in drei Fällen in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung ) zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Sie beanstandet, daß das
Landgericht in den zwei Fällen, in denen der Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden ist, den bedingten Tötungsvorsatz mit fehlerhafter Begründung verneint hat. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen schlug der bereits mehrmals wegen vorsätzlicher Körperverletzung verurteilte Angeklagte in einer Diskothek dem Auszubildenden M. mit der Faust in das Gesicht, nachdem es zuvor zwischen einem Freund des Angeklagten und dem Geschädigten zu einer Rempelei auf der Tanzfläche gekommen war. Daraufhin schlug ein Ordner so heftig in das Gesicht des Angeklagten, daß dieser einen stark blutetenden Nasenbeinbruch davontrug, und entfernte ihn aus der Diskothek.
Der alkoholisierte Angeklagte, der benommen und wütend über die Behandlung durch den Ordner war sowie erhebliche Schmerzen verspürte, bewaffnete sich mit einem Baseballschläger. Als kurze Zeit später M. und seineBekannten Ma. , B. und K. die Diskothek friedlich verließen, wurden sie von dem Angeklagten und weiteren mit einer Eisenstange und einer Flasche bewaffneten Personen angegriffen. Der Angeklagte holte beidhändig mit dem Baseballschläger aus und schlug nacheinander gezielt und wuchtig auf die Köpfe des Ma. und des K. ein, um diese auszuschalten. Obwohl Ma. beide Hände zum Schutz über seinen Kopf gehalten hatte, fiel er nach dem Schlag bewußtlos zu Boden. Er erlitt u.a. eine starke Schwellung an der rechten Hand, einen Splitterbruch am kleinen Finger, eine Gehirnerschütterung und Prellungen. K. wurde durch den Schlag sofort bewußtlos, fiel "um wie ein Baum" und erlitt eine lebensbedrohende beiderseitige Schädelkalottenfraktur mit Blutergüssen innerhalb des Schädels. Er mußte dreieinhalb Wochen lang stationär
behandelt werden und leidet noch heute an Konzentrationsstörungen und gelegentlichen Kopfschmerzen. Es besteht die Gefahr von Spätfolgen in Form epileptischer Anfälle.
2. Gegen die Begründung, mit der das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz abgelehnt hat, bestehen durchgreifende rechtliche Bedenken.

a) Rechtsfehlerfrei hat das Tatgericht das Wissen des Angeklagten um die möglicherweise tödliche Wirkung der Schläge als erwiesen angesehen. Gleichwohl hat es sich nicht davon überzeugen können, daß der Angeklagte den Tod der Nebenkläger billigend in Kauf genommen hat. Dazu hat es im wesentlichen ausgeführt:
Zwar sei die objektive Gefährlichkeit der mit großer Kraft ausgeführten Schläge ein Indiz für einen Tötungsvorsatz. Wegen der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung sei jedoch auf Grund einer Gesamtabwägung aller objektiven und subjektiven Umstände zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen , daß er auf das Ausbleiben eines tödlichen Ausgangs vertraut habe. Gegen einen Tötungsvorsatz spreche, daß der Angeklagte jeweils nur einen Schlag ausgeführt und auf die am Boden liegenden Nebenkläger nicht weiter eingeschlagen habe; weiterhin, daß er zwar den Baseballschläger vom Parkplatz geholt, diesen aber wohl nicht geplant, sondern eher spontan und impulsiv eingesetzt habe. Zur Kompensation seiner Wut über die üble Behandlung durch den Ordner - dem in Betracht kommenden Tatmotiv - hätte es ausgereicht , die Geschädigten niederzuschlagen; deren Tod sei hierzu nicht erforderlich gewesen. Auch die Würdigung der Persönlichkeit des Angeklagten, sein psychischer und körperlicher Zustand zum Tatzeitpunkt sowie der gruppendynamische Einfluß ließen an der Billigung des Todes zweifeln.

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist angesichts der hohen Hemmschwelle gegenüber einer Tötung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sorgfältig zu prüfen, ob der Täter, der sein gefährliches Handeln durchführt, obwohl er mit der Möglichkeit tödlicher Verletzungen rechnet, den Tod des Opfers billigend in Kauf nimmt, wobei dies bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe liegt (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 3, 5, 33, 35 und 38 jeweils m.w.Nachw.). Ferner sind vor allem die konkrete Angriffsweise, die psychische Verfassung des Täters bei der Tatbegehung sowie seine Motivation in die Beweiswürdigung mit einzubeziehen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 39).

c) Die Jugendkammer geht bei ihren Erwägungen zwar im Ansatz von diesen Kriterien aus. Ihre Ausführungen lassen jedoch besorgen, daß sie dem äußeren Tatgeschehen nicht den ihm zukommenden hohen Indizwert für die Billigung des Todes eingeräumt hat. Das festgestellte gezielte, beidhändige und kraftvolle Schlagen mit dem schweren Baseballschläger auf den für schwerste und tödliche Verletzungen sehr anfälligen Kopf im Bewußtsein einer möglicherweise tödlichen Wirkung und die dadurch verursachten - in einem Fall lebensbedrohenden - Verletzungen legen die Billigung des Todes wegen der offensichtlichen Lebensgefährlichkeit (vgl. BGH NStE Nr. 27 zu § 212 StGB) sehr nahe. Dies gilt vor allem deshalb, weil das wuchtige Zuschlagen mit einem schweren Baseballschläger im einzelnen nicht mehr kontrollierbar ist und Abwehr- und Ausweichbewegungen eines Opfers wenig erfolgversprechend sind. In einem solchen Fall darf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur hohen Hemmschwelle bei Tötungsdelikten nicht dahin mißverstanden werden, daß durch sie die Wertung der hohen und offensichtlichen Lebensgefährlichkeit von Gewalthandlungen als einem gewichtigen, auf Tö-
tungsvorsatz hinweisenden Beweisanzeichen in der praktischen Rechtsanwendung in Frage gestellt werden soll und dieser Beweisgrund den Schluß auf Tötungsvorsatz in aller Regel nicht tragen kann (BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 35).

d) Rechtlich tragfähige Anhaltspunkte dafür, daß der Angeklagte trotz der - von ihm erkannten - Lebensgefährlichkeit der Schläge ernsthaft und nicht nur vage (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 3, 24) darauf vertraut haben könnte, es würden die angegriffenen Nebenkläger nicht zu Tode kommen, hat das Landgericht nicht festgestellt und liegen bei dem Tatgeschehen auch fern (vgl. BGH NStE Nr. 27 zu § 212 StGB).
Entgegen der Meinung des Landgerichts spricht das Unterlassen weiterer Schläge nicht gegen die Billigung des Todes. Da es dem Angeklagten jeweils mit einem Schlag gelungen ist, seine Gegner bewußtlos zu Boden stürzen zu lassen und dadurch - wie beabsichtigt - "auszuschalten" (UA S. 6, 17), hatte er sein Ziel erreicht. Somit waren weitere Schläge auf die am Boden liegenden Opfer zur Zweckerreichung nicht erforderlich. Das Unterlassen weiterer Schläge ist nur für die Frage des Rücktritts vom Versuch eines Tötungsdelikts von Bedeutung.
Der Schluß des Tatrichters, daß der Angeklagte eher spontan und impulsiv gehandelt hat, was eine realistische Einschätzung der Gefahrenlage beeinträchtigt haben könnte (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 38), findet in den Feststellungen keine ausreichende Stütze, abgesehen davon, daß dies eine Billigung des Todes nicht ausschließen würde. Die Einsichtsund Steuerungsfähigkeit des Angeklagten war weder durch die Alkoholisierung
noch seinen psychischen Zustand erheblich eingeschränkt (UA S. 18 f.). Der Angriff war nach seiner Entfernung aus der Diskothek geplant und vorbereitet, was sich aus der Bewaffnung der Angreifer und dem sofortigen Angriff auf die die Diskothek friedlich verlassenden Tatopfer ergibt.
Weiterhin hat die Jugendkammer die Persönlichkeit des Angeklagten, der nach ihrer Überzeugung "leicht aufbraust und bereits auf leichte Provokationen mit unangemessenen Aggressionen reagiert", unvollständig gewürdigt; er ist bereits zweimal wegen Körperverletzung in insgesamt fünf Fällen verurteilt worden. Nicht ausreichend berücksichtigt hat sie insbesondere die geringe Hemmschwelle des Angeklagten hinsichtlich besonders gefährlicher Gewalthandlungen , die sich auf Grund seines Vorlebens aufdrängte. So hatte der Angeklagte am 7. Dezember 1997 dem Freund seiner früheren Freundin aus Eifersucht mit einem Besteckmesser in den Nacken gestochen, wobei eine erhebliche Verletzung nur deshalb nicht entstand, weil sich das Messer verbog (UA S. 4).
Das Fehlen eines einsichtigen Beweggrundes für die Tötung eines Menschen braucht jedenfalls bei der gegebenen Sachlage nicht gegen die Billigung des Todes zu sprechen (vgl. BGH NStE Nr. 27 zu § 212 StGB). Die Verwirklichung des vom Angeklagten angestrebten Ziels, die Nebenkläger auszuschalten , ist angesichts der lebensgefährdenden Umstände, unter denen dies geschah , durchaus damit in Einklang zu bringen, daß ihm die als möglich erkannte Tötung gleichgültig war. Schon dies würde für die Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes ausreichen (BGHSt 40, 304, 306). Daß dem Angeklagten der Tod der Tatopfer möglicherweise unerwünscht war, stünde dem
nicht entgegen (vgl. BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 42 m.w.Nachw.).
3. Da somit der bedingte Tötungsvorsatz nicht rechtsfehlerfrei verneint worden ist, ist der Schuldspruch in den z wei Fällen der Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung aufzuheben. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Tathergang können bestehen bleiben; ergänzende Feststellungen sind zulässig. Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs führt auch zur Aufhebung der verhängten Jugendstrafe.
4. Der neue Tatrichter wird die Frage, ob der Angeklagte mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat, unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles erneut prüfen und gegebenenfalls das Vorliegen des Mordmerkmals eines niedrigen Beweggrundes in Betracht ziehen müssen. Sollte er zur Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes kommen, wird er auch die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch zu prüfen haben. Dabei könnten die vom Angeklagten vorsätzlich geführten lebensgefährdenden Schläge, die erkannte Bewußtlosigkeit der Opfer und die Schwere der Verletzungen der Annahme eines unbeendeten Versuchs entgegenstehen (vgl. BGHSt 31, 170, 177; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 24 Rdn. 4 ff.; Lackner/Kühl, StGB
23. Aufl. § 24 Rdn. 4). Für den Fall der Bejahung eines bedingten Tötungsvorsatzes weist der Senat darauf hin, daß das versuchte Tötungsdelikt in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung stünde (BGHSt 44, 196 ff.).
Kutzer Miebach RiBGH Winkler ist durch Urlaub v erhindert zu unterschreiben. Kutzer Pfister von Lienen

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 148/13
vom
27. August 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Totschlags u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 27. August 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten G. , H. und S. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2012, soweit es sie betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten B. gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. September 2012 wird verworfen. Der Angeklagte B. hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern im Revisionsverfahren insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten G. , H. und S. jeweils wegen Totschlags, den Angeklagten S. darüberhinaus tateinheitlich wegen Körperverletzung verurteilt. Gegen den Angeklagten G. hat es eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten und gegen den Angeklagten H. eine solche von neun Jahren verhängt. Den Angeklagten S. , der zum Tatzeitpunkt Heranwachsender war, hat es unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung zu einer (Einheits-)Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Den Angeklagten B. hat das Landgericht wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
2
Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit Verfahrensrügen und sachlich-rechtlichen Beanstandungen. Die Revisionen der Angeklagten G. , H. und S. haben mit der Sachrüge Erfolg. Die Revision des Angeklagten B. ist unbegründet.

I.

3
Nach den Feststellungen des Landgerichts hielt sich der später Geschädigte He. am frühen Morgen des 25. April 2011 in einer Discothek in F. auf, in der die Angeklagten als Türsteher arbeiteten. Als der Angeklagte G. versuchte, einen vermeintlich randalierenden Gast von der Theke wegzuziehen, gerieter ins Straucheln, fiel gegen den Geschädigten und schlug ihm sodann mit der Faust ins Gesicht. Als dieser zurückschlug, entwickelte sich ein Gerangel, in dem der Angeklagte G. den Geschädigten zu Boden riss. Anschließend versetzte er ihm mehrere nicht todesursächliche Faustschläge ins Gesicht. Der Geschädigte blieb am Boden liegen. Zwischenzeitlich waren die Angeklagten H. , S. und B. informiert worden und hatten sich zum Ort der Auseinandersetzung begeben. Der Angeklagte B. schirmte das Geschehen am Tatort ab. Der Angeklagte H. sprang von der Treppe zu dem am Boden liegenden Geschädigten und kniete über diesem. Ihm folgte der Angeklagte S. , der sich neben den Geschädigten stellte, um gegebenenfalls zu dessen Nachteil eingreifen zu können. Der Ange- klagte H. schlug dem Geschädigten mit der Faust mehrfach wuchtig gegen den Kopf, wobei er sich auf den Bauch des Geschädigten setzte, während der Angeklagte G. auf den Geschädigten im Bereich des Kopfes, des Oberkörpers und des Bauches eintrat. Einem Gast, der eingreifen wollte, versetzte der Angeklagte S. zwei Schläge in den Nacken.
4
Infolge der Gewalteinwirkungen erlitt der Geschädigte einen Leberriss, der entweder durch die Tritte des Angeklagten G. gegen den Bauchraum oder durch das Aufsitzen des Angeklagten H. verursacht wurde. Aufgrund der massiven inneren Blutungen verstarb der Geschädigte.
5
Im Zusammenhang mit den Feststellungen zur inneren Tatseite hat das Landgericht im Rahmen einer „umfassenden Würdigung aller maßgeblichen für und gegen einen Tötungsvorsatz“ der Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte einerseits berücksichtigt, dass „vor dem Entschluss zur Tötung eines Menschen eine viel höhere Hemmschwelle steht als vor dem Entschluss, einen Menschen zu gefährden oder zu verletzen“; andererseits hat es ausgeführt, „dasses bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen naheliegt, dass der Täter mit dem Tode des Opfers rechnet und einen solchen Erfolg auch billigend in Kauf nimmt“ (UA S. 38). Daran anknüpfend hat das Landgericht den Tötungsvorsatz der Angeklagten G. und H. aus deren Gewalthandlungen abgeleitet. Anzeichen, die das Wissens- oder Willenselement des Eventualvorsatzes in Frage stellen könnten, hat es nicht gesehen; auch das Nachtatverhalten des Angeklagten G. begründe keinen Zweifel am Vorsatz.Zur Begründung für die Feststellung, dass auch der Angeklagte S. den Tod des Geschädigten billigend in Kauf genommen habe, hat das Landgericht angeführt, der Angeklagte habe die Gewalthandlungen zum Nachteil des Geschädigten aus unmittelbarer Nähe wahrgenommen und sei sich daher der Möglichkeit bewusst ge- wesen, dass der Geschädigte an den Folgen der Gewalthandlungen habe sterben können.

II.

6
Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen der Angeklagten G. , H. und S. haben mit der Sachrüge Erfolg. Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es daher nicht an.
7
1. Die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz angenommen hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
8
a) Bedingt vorsätzlich handelt, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Bei der Prüfung, ob ein bedingter Tötungsvorsatz festzustellen ist, hat das Tatgericht eine umfassende Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände vorzunehmen (vgl. Senat, Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 176/13 mwN). Beide Vorsatzelemente müssen zudem durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 444).
9
b) Auch unter Berücksichtigung des bestehenden tatrichterlichen Bewertungsspielraums werden die Ausführungen des Landgerichts den Anforderungen an die Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes nicht gerecht.
10
aa) Hinsichtlich des Angeklagten S. , der selbst keine Gewalthandlungen vorgenommen hat, hat das Landgericht den bedingten Tötungsvorsatz allein aus dem Umstand abgeleitet, dass er die Gewaltanwendung der Angeklagten G. und H. wahrgenommen hat. Damit ist indes nur das Wissenselement des Vorsatzes belegt. Denn die Wahrnehmung von Gewalthandlungen allein rechtfertigt nicht ohne weiteres den Schluss auf die zumindest be- dingte Inkaufnahme des tödlichen Erfolgs (vgl. BGH, Beschluss vom 24. August 1993 - 4 StR 470/93, StV 1994, 13, 14; Beschluss vom 6. März 2002 - 4 StR 30/02, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 54).
11
bb) Bezüglich der Angeklagten G. und H. fehlt es an einer umfassenden Gesamtwürdigung der objektiven und subjektiven Tatumstände. Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen ein bedingter Tötungsvorsatz trotz der hohen Hemmschwelle hinsichtlich der Tötung eines Menschen nahe liegt (BGH, Urteil vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524, 1525; Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 139/13). Dies gilt insbesondere dann, wenn der Täter - wie hier der Angeklagte G. - seinen Gegner zu Boden gestreckt hat und anschließend auf das infolgedessen wehrlose Opfer mehrfach im Bereich des Kopfes und der Bauchgegend eintritt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2007 - 1 StR 126/07, NStZ 2007, 639, 640). Der Schluss aus einer besonders gefährlichen Gewalthandlung auf einen (bedingten) Tötungsvorsatz ist aber nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter auch die im Einzelfall in Betracht kommenden, den Vorsatz in Frage stellenden Umstände in seine Erwägungen einbezogen hat (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2007 - 3 StR 233/07, NStZ-RR 2007, 307). Hieran fehlt es.
12
Das Landgericht hat den Angeklagten G. und H. im Rahmender Strafzumessung zugutegehalten, dass es sich um eine Spontantat gehandelt hat. Dieser Umstand, der einem bedingten Tötungsvorsatz entgegenstehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2009 - 4 StR 424/09, NStZ 2010, 571, 572; Urteil vom 17. Juli 2013 - 2 StR 139/13), hätte aber nicht nur im Rahmen der Strafzumessung, sondern bereits bei der Prüfung des voluntativen Vorsatzelements erörtert werden müssen. Es kommt hinzu, dass es an einem einsichtigen Grund dafür fehlt, dass die Angeklagten in der konkreten Tatsituation den Tod des Geschädigten billigend in Kauf genommen haben (vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. August 1990 - 3 StR 311/90, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 22; Urteil vom 30. November 2005 - 3 StR 344/05, NStZRR 2006, 317, 318). Dies hat die Strafkammer ebenfalls nicht in ihre Gesamtwürdigung einbezogen, obwohl sie festgestellt hat, dass - zumindest aus Sicht des Angeklagten B. - die Gewalthandlungen der Angeklagten G. und H. letztlich den Zweck verfolgten, „den Geschädigten aus der Diskothek zu schaffen“ (UA S. 14).
13
Um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubewertung der Tatumstände zu ermöglichen, waren neben den Feststellungen zur inneren Tatseite auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufzuheben.
14
2. Die Revision des Angeklagten B. ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Fischer RiBGH Dr. Appl ist aus Krehl tatsächlichen Gründen an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer RinBGH Dr. Ott ist aus Zeng tatsächlichen Gründen an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 312/15
vom
27. Oktober 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u. a.
ECLI:DE:BGH:2015:271015B2STR312.15.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 27. Oktober 2015 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 17. März 2015 aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.

2
1. Das Schwurgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Zur Vorgeschichte hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte von dem späteren Tatopfer, dem Zeugen Özk. Ka. , mit dem Tode bedroht worden ist. Hintergrund dieser Todesdrohung war der Umstand, dass der Sohn des Angeklagten im November 2013 im Rahmen einer tätlichen Auseinandersetzung lebensgefährlich am Kopf verletzt worden war und nur durch eine sofortige Notoperation gerettet werden konnte. In den Verdacht des versuchten Totschlags waren unter anderem die Brüder Öz. und Özk. Ka. geraten. Öz. Ka. wurde in Untersuchungshaft genommen. Der Angeklagte war zu der auf den August 2014 anberaumten Hauptverhandlung als Zeuge geladen worden. Anfang Juni 2014 hatte der auf freiem Fuß befindliche Özk. Ka. den Angeklagten abgepasst und ihm erklärt, dass sein Bruder Öz. bereits in der Vergangenheit jemanden getötet habe und dass er, der Angeklagte , sterben werde, wenn er als Zeuge vor Gericht aussage und nicht dafür sorge , dass die Strafanzeige zurückgenommen werde. Der Angeklagte nahm die ausgesprochene Todesdrohung ernst.
4
b) Am Pfingstsonntag, dem 8. Juni 2014, nahm der Angeklagte auf seinem Weg in ein Cafe gegen 13.00 Uhr wahr, dass Özk. Ka. mit einem Bekannten, dem Zeugen S. , im Außenbereich einer in der Fußgängerzone von L. gelegenen Bäckerei saß. Er fühlte sich durch die Anwesenheit des Zeugen Ka. in seinem Wohnviertel bedroht und beschloss , ihm einen "Denkzettel" zu verpassen und ihm zu zeigen, dass er sich keine weiteren Bedrohungen gefallen lassen werde, sondern sich wehren könne ; er beschloss daher, Özk. Ka. mit einer Waffe anzugreifen. Er begab sich zurück zu seiner Wohnung, holte von dort eine halbautomatisches Faustfeuerwaffe der Marke FN, Modell 1910, Kaliber 7,65 mm Browning, die er mehrere Monate zuvor beschafft, aber noch nicht ausprobiert hatte, und begab sich auf einem Umweg zurück zum Cafe, um von Özk. Ka. nicht gesehen zu werden. Er richtete die mit scharfer Munition geladene Waffe auf den wenige Meter entfernt sitzenden, ahnungslosen Özk. Ka. und gab in unmittelbarer Abfolge zwei Schüsse auf ihn ab. Dabei war ihm bewusst, dass er den Zeugen Ka. tödlich treffen konnte; dies nahm er in Kauf. Zugleich war ihm klar, dass Özk. Ka. sich keines Angriffs versah und deshalb arg- und wehrlos war. Tatsächlich hatte Özk. Ka. den Angeklagten – anders als sein Freund S. - vor Abgabe der Schüsse nicht wahrgenommen, aus dem besorgten Gesichtsausdruck seines Freundes jedoch geschlossen, dass etwas nicht stimme. Er sprang daher im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit den beiden Schüssen auf, stieß den vor ihm stehenden Tisch um, floh in den Verkaufsraum der Bäckerei und suchte hinter einem Betonpfeiler Schutz. Der Angeklagte verfolgte ihn und zielte durch die Glasscheibe weiterhin auf ihn. Özk. Ka. floh schließlich über die Straße; der Angeklagte folgte ihm und gab einen weiteren Schuss auf den Fliehenden ab, ohne ihn zu treffen. Die weitere Verfolgung des Zeugen Ka. gab der auf einen Gehstock angewiesene Angeklagte in dem Bewusstsein auf, dass er ihn aufgrund seiner eingeschränkten Bewegungsfähigkeit nicht werde einholen können.
5
Einer der beiden ersten Schüsse verursachte eine Streifschussverletzung am rechten Handgelenk des Zeugen Ka. radialseitig und blieb im vorderen Querholm des Stuhls stecken, auf dem der Zeuge zuvor gesessen hatte. Das andere Projektil durchschlug etwa in Kniehöhe das rechte Hosenbein des Zeugen S. , ohne ihn zu verletzen.
6
2. Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung dahin eingelassen, dass er Ka. , der ihn kurz zuvor erneut mit dem Tode bedroht habe, nicht habe treffen wollen. Er habe beim türkischen Militär als "ausgezeichneter Schütze" gegolten und habe Ka. absichtlich verfehlt. Beim ersten der beiden Schüsse habe er "neben" den Zeugen Ka. gezielt; einen weiteren Schuss habe er in die Luft abgegeben, nachdem Ka. geflohen sei. Diese Einlassung hat das Schwurgericht als unwahre Schutzbehauptung bewertet und dabei unter anderem berücksichtigt, dass der Angeklagte im Rahmen der Exploration gegenüber der psychiatrischen Sachverständigen angegeben hatte, er habe den Zeugen Ka. nicht töten, sondern ihm einen "Denkzettel" verpassen wollen , weshalb er nicht auf Kopf oder Bauch, sondern "nur auf den Arm" des Zeugen gezielt habe.
7
3. Seine Überzeugung, dass der Angeklagte bei Abgabe der Schüsse die Möglichkeit des Todeseintritts erkannte und dies billigte, hat das Landgericht unter anderem damit begründet, dass "jeder auf einen Menschen gerichtete Schuss mit einer scharfen Waffe […] wegen der außergewöhnlich großen Le- bensgefährlichkeit den Schluss auf bedingten Tötungsvorsatz nahe" lege. Das Motiv des Angeklagten, dem Zeugen Ka. einen "Denkzettel" zu verpassen, spreche nicht gegen bedingten Tötungsvorsatz, weil es "in der Natur der Sache" liege, dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter in Verfolgung seines anders gelagerten Handlungsantriebs in der Regel über kein Tötungsmotiv verfüge.

II.


8
Die Revision des Angeklagten hat Erfolg. Die Erwägungen des Landgerichts zur subjektiven Tatseite halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Vorliegen des voluntativen Elements des bedingten Tötungsvorsatzes ist nicht tragfähig begründet.
9
1. Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (Senat, Urteil vom 16. September 2015 – 2 StR 483/14, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 702). Die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ist dabei ein wesentlicher Indikator für das Vorliegen beider Elemente des bedingten Tötungsvorsatzes (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 – 5 StR 435/14, NStZ 2015, 216). Hinsichtlich des Willenselements sind neben der konkreten Angriffsweise regelmäßig auch die Persönlichkeit des Täters, sein psychischer Zustand zum Tatzeitpunkt und seine Motivation mit in die erforderliche umfassende Gesamtbetrachtung einzubeziehen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2000 – 3 StR 321/00, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 51).
10
a) Zwar liegt es bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit rechnet, das Opfer könne dabei zu Tode kommen, und dass er, weil er gleichwohl sein gefährliches Handeln beginnt oder fortsetzt, einen solchen Erfolg billigend in Kauf nimmt (Senat, Beschluss vom 27. August 2013 – 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35). Der Schluss von einer besonders gefährlichen Gewalthandlung auf einen bedingten Tötungsvorsatz ist jedoch nur dann rechtsfehlerfrei, wenn der Tatrichter auch die im Einzelfall in Betracht kommenden Umstände in seine Erwägungen einbezogen hat, die den Vorsatz in Frage stellen können (Senat, Urteil vom 26. November 2014 – 2 StR 54/14, NStZ 2015, 516, 517; Urteil vom 27. August 2013 – 2 StR 148/13, NStZ 2014, 35). Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Täter die Gefahr des Eintritts eines tödlichen Erfolgs ausnahmsweise nicht erkannt oder jedenfalls darauf vertraut hat, ein solcher Erfolg werde nicht eintreten, ist der Tatrichter verpflichtet, sich hiermit auseinander zu setzen (Senat, Urteil vom 16. September 2015 – 2 StR 483/14, juris Rn. 15).
11
b) Diese Grundsätze gelten auch in Fallkonstellationen, in denen ein Angeklagter mit einer scharfen Schusswaffe auf sein Tatopfer schießt (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 1995 – 4 StR 642/95, StV 1997, 7; Urteil vom 8. Juni 1993 – 5 StR 88/93, NStZ 1993, 488 f.). Zwar handelt es sich in der Regel um eine besonders gefährliche Gewalthandlung, in der bedingter Tötungsvorsatz nahe liegt. Dies enthebt den Tatrichter indes nicht von der Verpflichtung , die subjektive Tatseite unter Berücksichtigung aller für und gegen sie sprechenden Umstände sorgfältig zu prüfen.
12
2. Diesen Anforderungen genügt die tatrichterliche Beweiswürdigung in mehrfacher Hinsicht nicht.
13
a) Bereits die tatrichterliche Erwägung, "jeder auf einen Menschen gerichtete Schuss mit einer scharfen Waffe" lege "wegen der außergewöhnlich großen Lebensgefährlichkeit den Schluss auf bedingten Tötungsvorsatz nahe" (UA S. 27), lässt besorgen, dass der Tatrichter das Erfordernis einer umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände nicht hinreichend beachtet hat. Zwar kann der auf einen Menschen abgegebene Schuss mit einer scharfen Waffe wegen der außergewöhnlich großen Lebensgefährlichkeit den Schluss auf bedingten Tötungsvorsatz nahe legen (BGH, a.a.O., StV 1997, 7). Jedoch verbietet sich auch in dieser Fallkonstellation jede schematische Lösung (Schneider, MüKo StGB 2. Aufl. § 212 Rn. 22). Dies gilt auch bei Abgabe von Schüssen aus kurzer Distanz (vgl. Senat, Beschluss vom 1. April 1998 – 2 StR 620/97; Altvater , NStZ 1999, 18).
14
b) Soweit das Landgericht dem Motiv des Angeklagten, dem Zeugen Ka.einen "Denkzettel" zu verpassen, jeden Indizwert für die subjektive Tatsei- te abgesprochen hat, begegnet auch dies Bedenken. Der tatrichterliche Hinweis , wonach es "in der Natur der Sache" liege, "dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter in Verfolgung seines anders gelagerten Handlungsantriebs in der Regel über kein Tötungsmotiv" verfüge (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318), greift zu kurz. Zwar trifft es zu, dass der mit bedingtem Tötungsvorsatz handelnde Täter kein Tötungsmotiv im engeren Sinne hat, weil er den tödlichen Erfolg nicht erstrebt , sondern seinen Eintritt lediglich in Kauf nimmt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dem von einem Tötungsmotiv zu unterscheidenden konkreten Handlungsantrieb keine Indizwirkung für die Frage zukommt, ob der Täter mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hat oder nicht (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443). Die Art des jeweiligen Handlungsantriebs kann Hinweise auf die Stärke des vom Täter empfundenen Tatanreizes und damit auch auf seine Bereitschaft geben, zur Erreichung seines Handlungsziels gegebenenfalls schwerste Folgen in Kauf zu nehmen (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 – 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443, 445).
15
Der hier festgestellte Handlungsantrieb des Angeklagten, seinem Tatopfer die eigene Wehrhaftigkeit vor Augen zu führen, es in seine Schranken zu verweisen und ihm für die ausgesprochene Todesdrohung einen "Denkzettel" zu verpassen, ist im Rahmen der gebotenen umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 30. November 2005 – 5 StR 344/05, NStZ-RR 2006, 317, 318; Urteil vom 22. Oktober 2002 – 5 StR 275/02, NStZ-RR 2003, 39, 40; Beschluss vom 16. Juli 1996 – 4 StR 326/96, StV 1997, 7, 8; Urteil vom 9. September 1986 – 5 StR 98/86, BGHR StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 4). Er könnte gegen das Vorliegen des voluntativen Elements des bedingten Tötungsvorsatzes sprechen, weil insbesondere das Motiv, dem Tatopfer einen „Denkzettel“ zu verpassen, einÜberleben des Tatopfers voraussetzt.
16
c) Das Landgericht hat darüber hinaus nicht erkennbar in seine Erwägungen eingestellt, dass der Angeklagte den Zeugen Ka. tatsächlich verfehlt hat, obwohl er aus einer geringen Entfernung von wenigen Metern zweimal auf den arglosen und ihm den Rücken zuwendenden Zeugen schoss. Schließlich hätte es im Rahmen der umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände auch eines Eingehens auf die Persönlichkeit des Angeklagten, sein Verhältnis zur Anwendung körperlicher Gewalt zur Durchsetzung seiner Handlungsziele sowie seiner Fähigkeit zur Kontrolle aggressiver Impulse bedurft. Hierzu hätte vorliegend Anlass bestanden, weil das Schwurgericht eine mit einer posttraumatischen Belastungsstörung einher gehende besondere Reizbarkeit und Aggressivität des Angeklagten festgestellt hat.
17
3. Um dem neuen Tatgericht eine umfassende Neubewertung aller Tatumstände zu ermöglichen, waren neben den Feststellungen zur inneren Tatseite auch die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufzuheben. Die für sich genommen rechtsfehlerfreie Verurteilung wegen tateinheitlicher gefährlicher Körperverletzung kann nicht bestehen bleiben (vgl. Gericke, in KK-StPO 7. Aufl. § 353 Rn. 12). Fischer Krehl Eschelbach Zeng Bartel

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 176/13
vom
17. Juli 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 17. Juli 2013,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Schmitt,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach,
Zeng,
Bundesanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15. November 2012 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verneinung des Tötungsvorsatzes durch die Schwurgerichtskammer beanstandet, hat Erfolg.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verbrachten der aus Litauen stammende Angeklagte und seine Verlobte mit weiteren Bekannten den Abend in einer russischen Bar unweit seiner Wohnung. Etwa eine Stunde nach Mitternacht besuchte auch der Geschädigte Z. mit drei litauischen Landsleuten , die im selben Mehrfamilienhaus wie der Angeklagte lebten, die Bar. In der Folgezeit unterhielt man sich und trank gemeinsam Bier, Wodka und Tequila. Als die Bar um 3.00 Uhr morgens schloss, verabredeten der Angeklagte , seine Verlobte und eine Bekannte mit den vier anderen Personen, in deren Appartement noch weiter zu feiern. Der Angeklagte, der mit seiner Verlobten zuvor noch in seine Wohnung ging, um etwas zu trinken zu holen, geriet mit ihr aus ungeklärten Gründen in Streit und ging sodann gegen 3.45 Uhr allein in das Appartement seiner vier Landsleute. Dort trank man - nachdem auch die Bekannte sich in die Wohnung des Angeklagten zurückgezogen hatte - weiter Bier und Wodka. Dabei erzählte der Angeklagte unter anderem, dass es im Lager seiner Möbelfirma Möglichkeiten gäbe, bei einmaliger Bezahlung mehrfach Waren aus dem Lager abzuholen. Dem trat das spätere Opfer Z. mit dem Hinweis entgegen, man sei in Deutschland zum Arbeiten und wolle mit solchen Dingen nichts zu tun haben.
3
Gegen 5.00 Uhr morgens schlief der Angeklagte ein. Z. weckte ihn und wollte ihn dazu bewegen, nach Hause zu gehen. Dabei wirkte der Angeklagte unzufrieden, ging dann aber doch in seine Wohnung, wobei der Grund seiner Missstimmung ungeklärt blieb. Dort stellte er fest, dass sich seine Verlobte nicht mehr in der Wohnung befand. Er kehrte darauf hin zum Appartement seiner Landsleute zurück und klingelte dort. Das Tatopfer Z. öffnete die Tür und sah den Angeklagten, wie er den Boden absuchte. Auf Nachfrage, was er dort mache, antwortete dieser wahrheitswidrig, dass er seinen Schlüssel vergessen haben müsse. Nachdem er den Geschädigten erkannt hatte, richtete er sich unvermittelt auf, bedeutete, er habe ihn gefunden, und rammte dem Opfer ein Messer in den Bauch. Z. , der eine 6-8 cm tiefe Stichverletzung im Bereich des rechten Oberbauches erlitt, stieß einen Seufzer aus und schloss die Tür. Der Geschädigte erlitt eine Perforation des Dickdarms sowie eine Verletzung des Dünndarmgekröses, die potentiell akut lebensgefährlich war und ohne sofortige, operative Versorgung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Tod des Opfers geführt hätte. Der Angeklagte flüchtete und wurde ge- gen 13.00 Uhr am Tattag festgenommen. Daraufhin entnommene Blutproben ergaben im Wege der Rückrechnung eine Blutalkoholkonzentration von mindes- tens 1,88‰ und maximal 2,97‰ zum Tatzeitpunkt.
4
2. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Von einer Bestrafung wegen eines Tötungsdeliktes hat es abgesehen, weil es einen Tötungsvorsatz nicht feststellen konnte. Die Kammer konnte sich schon nicht vom Vorliegen des Wissenselementes des Tötungsvorsatzes überzeugen. Trotz der äußerst gefährlichen Gewalthandlung, die der Angeklagte mit seinem Messerstich vorgenommen habe, sei angesichts der erheblichen Alkoholisierung des Angeklagten und eines fehlenden Motivs, das den Angriff auf das Tatopfer erklären könnte, nicht anzunehmen, dass der Angeklagte die Gefahr der Tötung des Geschädigten erkannt habe. Im Übrigen seien keine hinreichenden Feststellungen zu treffen gewesen, dass der Angeklagte einen als möglich und nicht ganz fernliegend erkannten Eintritt des Todes auch gebilligt habe.

II.

5
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg. Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer einen bedingten Tötungsvorsatz abgelehnt hat, begegnen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
6
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts. Ihm allein obliegt es, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, wenn sie möglich sind. Ein revisionsgerichtliches Eingreifen ist erst dann veranlasst, wenn dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen die Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.).
7
Bedingten Tötungsvorsatz hat, wer den Eintritt des Todes als mögliche Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und billigend in Kauf nimmt (Willenselement). Beide Elemente müssen durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Ihre Bejahung oder Verneinung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller objektiven und subjektiven Umstände erfolgen (vgl. BGH NStZ 2012, 443, 444). Dabei ist die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung ein wesentlicher Indikator. Bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen liegt die Annahme von zumindest bedingtem Tötungsvorsatz nahe (st. Rspr.; BGH NStZ 2011, 338 f.). Gleichwohl können das Wissens- oder Willenselement des Vorsatzes im Einzelfall fehlen, etwa wenn dem Täter, obwohl er alle Umstände kennt, die sein Vorgehen zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen , das Risiko einer Tötung infolge einer psychischen Beeinträchtigung oder alkoholischen Beeinflussung zur Tatzeit nicht bewusst ist (vgl. BGH NStZ 2012, 151). Im Rahmen der Prüfung, ob ein Tötungsvorsatz festzustellen ist, hat das Gericht eine umfassende Gesamtwürdigung von Täter und Tatumständen vorzunehmen und dabei in seine Erwägungen alle Umstände einzubeziehen, die für oder gegen einen Tötungsvorsatz sprechen könnten.
8
2. Eine solche umfassende Gesamtwürdigung hat das Landgericht schon bei der Verneinung des Wissenselementes nicht vorgenommen. Die Kammer führt lediglich aus, dass erhöhte Anforderungen an die Feststellungen zur inneren Tatseite gelten, wenn ein einsichtiger Grund für eine so schwere Tat wie die (versuchte) Tötung eines Menschen fehle, und begnügt sich sodann mit der Feststellung, dass das Motiv des Angeklagten nicht habe aufgeklärt werden können. Zudem verweist das Landgericht auf die erhebliche Alkoholisierung. Dabei lässt die Strafkammer einen maßgeblichen Umstand unberücksichtigt, der der Tat ihr wesentliches Gepräge gibt. Nach den Feststellungen ist der Angeklagte überlegt und zielgerichtet vorgegangen. Da er nicht wusste, wer von den vier Landsleuten nach dem Klingeln die Tür öffnen würde, gab er zunächst vor, am Boden nach seinen tatsächlich nicht verlorenen Schlüsseln zu suchen, um den Öffnenden identifizieren zu können. Anschließend stach er mit einem Messer zu und fügte dem Tatopfer dabei eine 3 cm lange und etwa 6-8 cm tiefe Stichverletzung im Bereich des rechten Oberbauchs zu. Ihm kam es dabei nach der ausdrücklichen Feststellung der Strafkammer darauf an, "konkret den Zeugen Z. " zu verletzen (UA S. 11). Wieso der Angeklagte bei diesem geplanten Vorgehen die Gefahr der Tötung des ausgewählten Tatopfers nicht erkannt haben soll, hätte das Landgericht trotz der Alkoholisierung des Angeklagten ausdrücklich erörtern müssen.
9
Hinzu kommt, dass - worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist - die Beweiswürdigung, mit der die Strafkammer das Vorliegen eines Tatmotivs verneint, nicht nachvollziehbar und damit widersprüchlich ist. Zum einen geht sie davon aus, dass der Angeklagte das Tatopfer verletzten wollte, weil dieser im Laufe des Abends als Wortführer aufgetreten war, der Angeklagte sich speziell von diesem nicht ernst genommen gefühlt hatte und in seinem Stolz verletzt war (UA S. 11). Zum anderen sehen sie in "allenfalls kleineren Unstimmigkeiten mit dem Tatopfer" keinen "Beweggrund" für die Tat (UA S. 17). Dies ist miteinander unvereinbar.
Fischer Schmitt Krehl Eschelbach Zeng

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 172/17
vom
27. Juli 2017
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
ECLI:DE:BGH:2017:270717U3STR172.17.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom 29. Juni 2017 in der Sitzung am 27. Juli 2017, an denen teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Becker,
Richter am Bundesgerichtshof Dr. Schäfer, Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Spaniol, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Berg, Hoch als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - in der Verhandlung -, Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof - bei der Verkündung - als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin - in der Verhandlung - als Vertreterin des Nebenklägers,
Justizhauptsekretärin - in der Verhandlung -, Justizamtsinspektor - bei der Verkündung - als Urkundsbeamte der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Nebenklägers gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 24. November 2016 werden verworfen.
Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft sowie die dem Angeklagten dadurch und durch die Revision des Nebenklägers entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt. Der Nebenkläger trägt die Kosten seines Rechtsmittels. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen tragen die Staatskasse und der Nebenkläger je zur Hälfte.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung und wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und ihn im Übrigen freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft und der Nebenkläger beanstanden mit ihren jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen die Ablehnung des Tötungsvorsatzes. Die Staatsanwaltschaft wendet sich darüber hinaus gegen den Teilfreispruch. Die Rechtsmittel sind nicht begründet.
2
Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen konsumiert der Angeklagte seit seiner Jugend in erheblichem Umfang Alkohol und Betäubungsmittel und leidet unter einer Alkohol- und einer Cannabisabhängigkeitserkrankung. Am Tattag, dem 11. Februar 2016, trank der Angeklagte mit dem mit ihm befreundeten Zeugen J. Bier sowie Wodka und rauchte mit ihm einen aus einer Kräutermischung bestehenden Joint. Ein weiterer Freund übergab dem Zeugen J. zur Begleichung von Schulden ein Paket, das zwei Macheten und zwei Wurfmesser enthielt. Am Abend begaben sich der Angeklagte und J. in ein Obdachlosenwohnheim in K. , das in unmittelbarer Nähe zu einem Asylbewerberheim gelegen ist. Dort öffnete J. das Paket und zeigte den Anwesenden den Inhalt. Der Angeklagte und J. riefen sodann sinngemäß, dass sie jetzt "rübergingen" und Asylanten bzw. Ausländer "abschlachten" , "umbringen", "fertig machen" oder "platt machen" würden. Sie verließen sodann jeweils mit einer Machete in der Hand das Obdachlosenwohnheim ; J. ließ sich jedoch zur Umkehr überreden. Der Angeklagte, bei dem keine Anhaltspunkte dafür bestanden, er gehöre der politisch rechts einzuordnenden Szene an, betrat das Asylbewerberheim und ging in das erste Obergeschoss. Dort rief er wiederholt: "Heil Hitler!", "Scheiß-Ausländer!", "Sieg Heil!", "Schaut's dass ihr euch aus unserem Land verpisst's!" und "Arschlöcher!". Er schlug mit der Machete und trat mit den Füßen mehrmals gegen eine von innen abgesperrte Wohnungseingangstür. Hierdurch wurde der Nebenkläger, der sich in der Wohnung aufhielt, aufmerksam und öffnete die Tür um etwa 30 Zentimeter. In diesem Moment schlug der Angeklagte, der mit einem Öffnen der Tür durch einen Bewohner rechnete und dessen gegebenenfalls lebensgefährdende Verletzungen billigend in Kauf nahm, erneut mit der Machete waagrecht auf Brust- bzw. Bauchhöhe in Richtung der Tür. Der Nebenkläger schloss diese jedoch, als er die Machete auf sich zukommen sah, so dass der Schlag nur die Tür traf. Nachdem der Nebenkläger sie mit Hilfe eines weiteren Bewohners ver- sperrt hatte, schrie der Angeklagte: "Mach die Tür auf! Scheiße!" und schlug erneut gegen diese. Spätestens jetzt hätte er erkennen können und müssen, dass er den Nebenkläger durch sein Verhalten in Angst und Schrecken versetzen sowie dazu veranlassen konnte, aus dem Fenster zu springen und sich dabei zu verletzen. Der Nebenkläger begab sich ins Badezimmer, beugte sich aus dem Fenster und warnte die Mitbewohner. Sodann kletterte er aus dem Fenster auf einen Mauervorsprung und sprang von dort auf die 2,80 Meter tiefer gelegene Straße. Hierdurch erlitt er Bauchbeschwerden und eine Kontusion im Bereich des rechten Kniegelenks.
3
Anschließend kehrte der Nebenkläger in das Asylbewerberheim zurück, um den Angeklagten aus dem Haus zu locken, und rief ihm zu, er solle kommen. Daraufhin begab sich der Angeklagte nach unten und folgte dem zurückweichenden Nebenkläger auf die Straße. Als der Nebenkläger ins Stolpern geriet , näherte sich der Angeklagte ihm bis auf einen Abstand von ungefähr einem Meter, holte mit der Machete etwa auf Schulterhöhe seitlich aus und schlug in Richtung des linken Oberkörpers des Nebenklägers. Dabei nahm er eine lebensgefährliche Verletzung zumindest billigend in Kauf. Der Nebenkläger konnte dem Schlag jedoch ausweichen und dem Angeklagten einen Stoß versetzen, so dass dieser stürzte und die Machete aus der Hand verlor. Anschließend fixierten zwei Zeugen den am Boden liegenden und "Ich bin Deutschland" rufenden Angeklagten bis zum Eintreffen der Polizei. Nach seiner Festnahme fiel der Angeklagte durch einen torkelnden Gang, eine verwaschene Aussprache und Unruhe auf. Seine Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit betrug etwa drei Promille; infolge der Alkoholisierung war seine Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert.
4
Der Angeklagte hat sich im Wesentlichen dahin eingelassen, sich an das konkrete Tatgeschehen nicht erinnern zu können. Das Landgericht hat aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht die Überzeugung davon gewonnen , dass der Angeklagte bei den Schlägen mit der Machete mit Tötungsvorsatz handelte.
5
Vom Vorwurf der Volksverhetzung (§ 130 StGB) in Tateinheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86a StGB) hat die Strafkammer den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Insoweit hat sie sich nicht davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte vor oder nach dem Geschehen in dem Asylbewerberwohnheim auf der Straße ausländerfeindliche Rufe tätigte. Hinsichtlich der vom Angeklagten in dem Wohnheim gerufenen Parolen hat sie nicht als erwiesen angesehen, dass der Angeklagte davon ausging, diese seien über den Bewohnerkreis der Unterkunft hinaus hörbar.
6
I. Revision der Staatsanwaltschaft
7
Die Revision der Staatsanwaltschaft hat keinen Erfolg. Die sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils ergibt keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu Gunsten oder zu Lasten (§ 301 StPO) des Angeklagten. Das Landgericht hat insbesondere die erhobenen Beweise in revisionsrechtlich hinzunehmender Weise gewürdigt; dies gilt sowohl für die Ablehnung des Tötungsvorsatzes als auch im Zusammenhang mit dem Teilfreispruch, der sich auch im Übrigen als im Ergebnis rechtsfehlerfrei erweist. Mit Blick auf das Revisionsvorbringen ist im Einzelnen Folgendes zu erörtern:
8
1. Soweit die Strafkammer den Tötungsvorsatz des Angeklagten abgelehnt hat, gilt:
9
a) Das Landgericht hat zunächst die Verneinung des direkten Tötungsvorsatzes des Angeklagten unter Würdigung der hierfür maßgeblichen objektiven Tatumstände tragfähig begründet und dabei ohne Rechtsfehler (vgl. zum allgemeinen revisionsrechtlichen Überprüfungsmaßstab BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326) darauf abgestellt, dass der Angeklagte in dem Asylbewerberheim die Machete nicht zum Stich in die sich durch das Öffnen der Tür ergebende Lücke benutzte, den Nebenkläger nicht am Schließen der Tür hinderte und auch nichts unternahm, um die Tür vor dem Abschließen erneut zu öffnen, er mithin insgesamt den in Rede stehenden Taterfolg in Form des Todes des Nebenklägers nicht in nachdrücklicher Weise anstrebte. Entsprechendes gilt für das anschließende Geschehen auf der Straße, hinsichtlich dessen das Landgericht zusätzlich gewertet hat, dass sich die Gelegenheit für den Angeklagten, erneut auf den Nebenkläger einzuschlagen, erst bedingt durch dessen Stolpern und damit unvorhersehbar ergab. Vor diesem Hintergrund begründet es keinen durchgreifenden Rechtsfehler, dass die Strafkammer in diesem Zusammenhang daneben auch für den Tötungsvorsatz unergiebige objektive Tatumstände, etwa das offene Vorgehen des Angeklagten, in seine Bewertung eingestellt hat. Soweit sie ausgeführt hat, sie habe bei dem Geschehen auf der Straße keine "zwingend" auf den direkten Tötungsvorsatz schließen lassende Umstände festgestellt, ist aufgrund der übrigen Ausführungen zur Beweiswürdigung nicht zu besorgen, sie habe ihre Überzeugungsbildung an einem falschen Maßstab ausgerichtet.
10
b) Gegen die Ausführungen des Landgerichts, mit denen es dargelegt hat, warum es nicht einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten angenommen hat, ist revisionsrechtlich im Ergebnis ebenfalls nichts zu erinnern.
11
aa) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt , und dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Da die Schuldformen des bedingten Vorsatzes und der bewussten Fahrlässigkeit im Grenzbereich eng beieinander liegen, müssen vor der Annahme bedingten Vorsatzes beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement, umfassend geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage mit einzubeziehen sind.
12
Kann das Tatgericht auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung aller Umstände Zweifel am Vorliegen des bedingten Tötungsvorsatzes nicht überwinden , so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeu- gung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatgerichtliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näherliegend gewesen wäre.
13
Gleichermaßen Sache des Tatgerichts ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- oder entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Ist diese Bewertung nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatgerichts eingreifen. Dies muss insbesondere auch dann gelten, wenn dieses im Rahmen der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes Gewalthandlungen des Täters festgestellt hat, die für das Opfer objektiv lebensbedrohlich sind. Zwar hat der Bundesgerichtshof die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung als wesentlichen Indikator sowohl für das Wissens - als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes angesehen und bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen das Vorliegen beider Elemente als naheliegend bezeichnet. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Tatrichter der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung bei der Prüfung der subjektiven Tatseite von Rechts wegen immer die ausschlaggebende indizielle Bedeutung beizumessen hätte. Darin läge vielmehr eine vom Einzelfall gelöste Festlegung des Beweiswerts und der Beweisrichtung eines im Zusammenhang mit derartigen Delikten immer wieder auftretenden Indizes, die einer unzulässigen Beweisregel nahekäme und deshalb dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) widerspräche.
14
Nach alledem ist es bei der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes - nicht anders als sonst bei der Würdigung der Beweise - aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven , für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten. Dies gilt auch für solche Beweisanzeichen, die sich auf den ersten Blick als ambivalent darstellen, die also dem Tatrichter, je nachdem, wie er sie im Einzelfall bewertet , rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen. Eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Das Tatgericht kann in einem solchen Falle nicht gehalten sein, denselben Umstand nochmals in dem anderen Beweiszusammenhang zu erwägen und damit Gefahr zu laufen, sich zu seinem anderweitig gewonnenen Ergebnis zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten in Widerspruch zu setzen (vgl. hierzu insgesamt BGH, Urteil vom 20. September 2012 - 3 StR 158/12, NStZ-RR 2013, 89, 90; Beschluss vom 9. Februar 2017 - 3 StR 415/16, NStZ 2017, 342, 344; jew. m. zahlr. w. N.).
15
bb) Unter Berücksichtigung dieses tatgerichtlichen Bewertungsspielraums werden die Ausführungen des Landgerichts den Anforderungen an die Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes gerecht.
16
(1) Die Strafkammer hat das objektive Tatgeschehen in die Beweiswürdigung eingestellt, dessen Gefährlichkeit erkannt und als für einen bedingten Tötungsvorsatz sprechend gewertet. Dabei durfte sie in gewisser Weise relati- vierend berücksichtigen, dass nicht festzustellen war, gegen welchen Teil des Oberkörpers die Hiebe mit der Machete gerichtet waren.
17
(2) Als gegenläufigen vorsatzkritischen Faktor hat sie zunächst bedacht, dass die Tat nicht nach längerer Vorplanung, sondern aus einem spontanen Entschluss heraus begangen wurde. Entgegen der Ansicht der Revision wird diese Erwägung von den Feststellungen getragen. Das Landgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf abgestellt, dass der Tatentschluss erst in dem Obdachlosenwohnheim anlässlich der Herausnahme der Macheten aus dem Paket gefasst und zeitlich unmittelbar danach umgesetzt wurde. Darüber hinaus durfte die Strafkammer diesem Gesichtspunkt auch in der Sache Gewicht beimessen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2006 - 2 StR 340/06, NStZ-RR 2007, 45; Urteile vom 23. Juni 2009 - 1 StR 191/09, NStZ 2009, 629, 630; vom 17. Dezember 2009 - 4 StR 424/09, NStZ 2010, 571, 572).
18
Entsprechendes gilt, soweit das Landgericht in die Bewertung einbezogen hat, dass der Angeklagte im Zustand deutlicher Alkoholisierung und deshalb erheblich verminderter Schuldfähigkeit handelte, wobei es nahelag, dass er aufgrund seiner alkoholbedingten Enthemmung besonders unüberlegt handelte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. November 2002 - 3 StR 216/02, NStZ 2004, 51, 52; vom 20. September 2005 - 3 StR 324/05, NStZ 2006, 169, 170; Urteile vom 25. Oktober 2005 - 4 StR 185/05, NStZ-RR 2006, 11, 12; vom 18. Januar 2007 - 4 StR 489/06, NStZ-RR 2007, 141, 142; Beschlüsse vom 8. Mai 2008 - 3 StR 142/08, NStZ 2009, 91; vom 22. April 2009 - 5 StR 88/09, NStZ 2009, 503 f.; vom 1. September 2010 - 2 StR 179/10, NStZ-RR 2011, 42). Soweit der Generalbundesanwalt unter Hinweis auf andere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Urteile vom 24. Februar 2010 - 2 StR 577/09, NStZ-RR 2010, 214, 215; vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, BGHSt 57, 183, 192) beanstandet, es habe nicht in Erwägung gezogen, dass diese Umstände nach sicherer Erfahrung gerade besonders geeignet seien, die Hemmschwelle auch für besonders gravierende Gewalthandlungen herabzusetzen , verkennt er, dass die alkoholbedingte Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit sich auf die subjektive Tatseite im Einzelfall unterschiedlich auswirken kann. Gemäß den dargelegten Grundsätzen ist es dem Tatgericht deshalb dem Grunde nach möglich, rechtlich zulässige Schlüsse zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten zu ziehen. Gemessen hieran sind die Erwägungen des Landgerichts frei von Rechtsfehlern.
19
Die Strafkammer durfte weiter als gegen einen dolus eventualis sprechenden Umstand werten, dass mit Blick auf die politische Gesinnung des Angeklagten sowie sein Vorleben und sein Wesen das Handeln mit Tötungsvorsatz einen radikalen Bruch in seiner Persönlichkeit bedeutet hätte. Hinsichtlich dieser besonderen Umstände des vorliegenden Falles begründet es keinen durchgreifenden Rechtsfehler, dass sie in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen hat, dass kein überzeugendes konkretes Tötungsmotiv erkennbar gewesen sei, selbst wenn man annehmen will, dass diesem Umstand für sich genommen nach der neueren Rechtsprechung für den bedingten Tötungsvorsatz keine wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372, 373). Die Äußerungen des Angeklagten, wie er mit den Asylbewerbern verfahren wolle, hat die Strafkammer ohne Rechtsfehler dahin gedeutet, sie könnten auch nur "verbale Kraftmeierei" darstellen oder nur einem Körperverletzungsvorsatz Ausdruck verleihen. Im Übrigen hat sie - erkennbar gerade mit Blick auf diese Äußerungen - aufgrund des sonstigen Ergebnisses der Beweisaufnahme rechtsfehlerfrei eine politisch rechte Gesinnung des Angeklagten, welche geeignet gewesen wäre, ein Tötungsmotiv zu begründen, nicht festzustellen vermocht.
20
Nicht im revisionsrechtlichen Sinne lückenhaft ist die Beweiswürdigung ebenfalls, soweit das Landgericht keine genauen Feststellungen zu den Äußerungen hat treffen können, die unmittelbar vor der Tat in dem Obdachlosenwohnheim getätigt wurden. Die Strafkammer hat die Aussagen der Zeugen, insbesondere diejenige des Zeugen B. , in ausreichender Weise gewürdigt. Weitergehende Darlegungen, warum es sich nicht eine detailliertere Überzeugung hat verschaffen können, waren nicht erforderlich.
21
Dasselbe gilt, soweit die Strafkammer nicht ausdrücklich in ihre Bewertung der subjektiven Tatseite eingestellt hat, dass der Angeklagte den Nebenkläger zunächst in dem Wohnheim und sodann erneut auf der Straße angriff. Grund für den Angriff auf der Straße war, dass der Nebenkläger den Angeklagten "gelockt" hatte und dann ins Stolpern gekommen war. Vor diesem Hintergrund belegen die Feststellungen die Annahme des Generalbundesanwalts nicht, der Angeklagte habe hartnäckig sein Ziel verfolgt, schwerste Gewalt gegen den Nebenkläger anzuwenden.
22
Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist schließlich nicht widersprüchlich. Insbesondere stehen die Erwägungen zum Tötungsvorsatz mit denjenigen zum Vorsatz bezüglich einer mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangenen gefährlichen Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB im Einklang. An beiden Stellen der Urteilsgründe hat die Strafkammer die große Gefährlichkeit der Tathandlung bedacht, ist mit Blick auf die sonstigen relevanten Umstände jedoch in nicht zu beanstandender Weise zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen. Dies ist hinzunehmen.
23
2. Hinsichtlich des Teilfreispruchs enthält das Urteil im Ergebnis ebenfalls keinen durchgreifenden Rechtsfehler.
24
a) Bei einem Freispruch aus tatsächlichen Gründen ist das Tatgericht zunächst gehalten, in einer geschlossenen Darstellung diejenigen Tatsachen festzustellen, die es für erwiesen hält, bevor es in der Beweiswürdigung darlegt, aus welchen Gründen die für einen Schuldspruch erforderlichen - zusätzlichen - Feststellungen nicht getroffen werden können. Die Begründung muss so abgefasst sein, dass das Revisionsgericht prüfen kann, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung ein Rechtsfehler unterlaufen ist (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. Mai 2014 - 1 StR 722/13, juris Rn. 6 mwN).
25
Diesen Anforderungen werden die Urteilsgründe gerecht. Ihnen ist zu entnehmen, dass der Angeklagte die ausländerfeindlichen Parolen lediglich in dem Asylbewerberwohnheim skandierte und das Landgericht nicht hat feststellen können, dass er die ihm zur Last gelegten Äußerungen auch zuvor oder danach auf der Straße tätigte. Mit rechtsfehlerfreier Begründung hat die Strafkammer sodann dargelegt, dass die von den Zeugen Kr. , H. und L. gehörten Äußerungen auch von dem Zeugen J. abgegeben worden sein konnten. Für eine mittäterschaftliche Zurechnung dieser Rufe bietet der festgestellte Sachverhalt, der sich wesentlich von demjenigen unterscheidet, welcher der vom Generalbundesanwalt in diesem Zusammenhang angeführten Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg (Urteil vom 28. November 2001 - 1 Ss 52/01, NJW 2002, 1440 f.) zugrunde liegt, keinen Anhalt. Vor diesem Hintergrund war es nicht erforderlich, im Einzelnen darzulegen, welchen genauen Inhalt die von den Zeugen vernommenen Rufe hatten.
26
b) Die auch insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen begründen keine Strafbarkeit nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 oder § 130 Abs. 1 StGB.
27
aa) Im Rahmen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB erfordert die allein in Betracht kommende Tatvariante des öffentlichen Verwendens von Kennzeichen von verfassungswidrigen Organisationen, dass die Art der Verwendung die Wahrnehmbarkeit für einen größeren, durch persönliche Beziehungen nicht zusammenhängenden Personenkreis begründet (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2010 - 3 StR 301/10, BGHR StGB § 86a Abs. 1 Öffentlich 1). Entscheidend ist somit nicht die Öffentlichkeit des Verwendungsortes an sich, sondern die vom Täter nicht überschaubare kommunikative Wirkung der Verwendung , mithin die Möglichkeit der Wahrnehmung durch einen größeren Personenkreis. Demgegenüber fehlt es an der Öffentlichkeit, wenn die Äußerung des Täters auf die Wahrnehmung durch eine einzelne Person oder einen engeren, untereinander verbundenen Personenkreis beschränkt ist oder beschränkt bleiben soll. Bei einer akustischen Äußerung kommt es deshalb darauf an, ob diese in einer Art und Weise abgegeben wurde, dass sie von einem größeren Personenkreis tatsächlich wahrgenommen wurde bzw. hätte wahrgenommen werden können (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. März 2003 - 5 St RR 20/2003, NStZ-RR 2003, 233, 233 f.).
28
Hier skandierte der Angeklagte die Parolen im Flur des 1. Stockes des Asylbewerberwohnheimes, in dem sich zum Zeitpunkt der Äußerung keine weiteren Personen aufhielten. Den Feststellungen ist weder zu entnehmen, dass sich eine ausreichend große Anzahl von Personen in den einzelnen Wohnungen befand und die Ausrufe dort wahrnahm, noch dass dies überhaupt möglich gewesen wäre, mithin die Rufe dort überhaupt verständlich waren. So wurde selbst der Nebenkläger nicht durch die Parolen, sondern erst durch die Schläge gegen die Tür auf den Angeklagten aufmerksam. Es ist deshalb bereits fraglich, ob hier ein größerer Personenkreis zur Wahrnehmung der Äußerungen in der Lage war und damit die Voraussetzungen des objektiven Tatbestands festge- stellt sind. Jedenfalls hat das Landgericht vor diesem Hintergrund ohne durchgreifenden Rechtsfehler den notwendigen Vorsatz des Angeklagten verneint.
29
c) § 130 Abs. 1 StGB setzt einen in besonderer Weise qualifizierten Angriff gegen unter anderem Teile der Bevölkerung, wozu auch die in Deutschland dauerhaft lebenden Ausländer gehören (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar 1988 - 3 StR 561/87, BGHR StGB § 130 Nr. 1 Bevölkerungsteil 2), mit einem im Vergleich zu den Beleidigungsdelikten gesteigerten Unrechtsgehalt voraus. Erfasst sind Taten, die von Feindseligkeit geprägt sind. Daneben erfasst die Norm schwerwiegende Formen der Missachtung, die durch ein besonderes Maß an Gehässigkeit und Rohheit geprägt sind und die Angegriffenen als insgesamt minderwertig und ohne Existenzrecht in der Gemeinschaft abqualifizieren (vgl. LK/Krauß, StGB, 12. Aufl., § 130 Rn. 34; MüKoStGB/Schäfer, 3. Aufl., § 130 Rn. 21).
30
Im Einzelnen ist im Sinne von § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB unter Aufstacheln zum Hass ein Verhalten zu verstehen, das auf die Gefühle oder den Intellekt eines anderen einwirkt und objektiv geeignet sowie subjektiv bestimmt ist, eine emotional gesteigerte, über die bloße Ablehnung oder Verachtung hinausgehende feindselige Haltung gegen den betroffenen Bevölkerungsteil zu erzeugen oder zu verstärken (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2008 - 3 StR 394/07, BGHR StGB § 130 Nr. 1 Aufstacheln 2). Das Auffordern zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen setzt ein über bloßes Befürworten hinausgehendes, ausdrückliches oder konkludentes Einwirken auf andere voraus mit dem Ziel, in ihnen den Entschluss zu diskriminierenden Handlungen hervorzurufen, die den elementaren Geboten der Menschlichkeit widersprechen (vgl. BGH, aaO, BGHR StGB § 130 Nr. 1 Auffordern 1).
31
Für die Tathandlungen nach § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB gilt: Beschimpfen ist eine nach Inhalt oder Form besonders verletzende Äußerung der Missachtung. Unter Verächtlichmachen ist jede auch bloß wertende Äußerung zu verstehen , durch die jemand als der Achtung der Staatsbürger unwert oder unwürdig hingestellt wird. Verleumden erfordert das wider besseres Wissen aufgestellte oder verbreitete Behaupten einer Tatsache, die geeignet ist, die betroffene Gruppe in ihrer Geltung und in ihrem Ansehen herabzuwürdigen. Ein Angriff gegen die Menschenwürde anderer, der sich durch eine dieser Handlungen ergeben muss, setzt voraus, dass sich die feindselige Handlung nicht nur gegen einzelne Persönlichkeitsrechte wie etwa die Ehre richtet, sondern den Menschen im Kern seiner Persönlichkeit trifft, indem er unter Missachtung des Gleichheitssatzes als minderwertig dargestellt und ihm das Lebensrecht in der Gemeinschaft bestritten wird (vgl. BGH, aaO, BGHR StGB § 130 Menschenwürde 5 mwN).
32
Insoweit kommen sowohl im Rahmen des § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB als auch bei § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB zwar grundsätzlich intensive ausländerfeindliche Parolen in Betracht (vgl. die Nachweise und Beispiele bei LK/Krauß, aaO, § 130 Rn. 56; MüKo/Schäfer, aaO, § 130 Rn. 44, 57 jew. mwN). Derart besonders qualifizierte Beeinträchtigungen liegen hier jedoch nicht vor. Der Gehalt der festgestellten Äußerungen "Scheiß-Ausländer!", "Arschlöcher" und "Schaut's dass ihr euch aus unserem Land verpisst's" zielt zwar auf eine - wenn auch nicht unerhebliche - Kundgabe der Missbilligung, erreicht indes den nach obigem Maßstab zu bestimmenden tatbestandsrelevanten Bereich noch nicht.
33
II. Revision des Nebenklägers
34
Die Revision des Nebenklägers, mit der dieser die Beweiswürdigung angreift und die Verurteilung des Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit fahrlässiger Körperverletzung sowie wegen eines weiteren versuchten Mordes erstrebt, hat aus den bereits bei der Revision der Staatsanwaltschaft ausgeführten Gründen in der Sache keinen Erfolg.
Becker Schäfer Spaniol
Berg Hoch

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 158/12
vom
20. September 2012
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlag u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom
20. September 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Schäfer,
Mayer,
Gericke,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Spaniol
als beisitzende Richter,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin des Angeklagten,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Nebenklägers R. wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 18. Oktober 2011 mit den zugehörigen Feststellungen ausgehoben 1. soweit der Angeklagte im Fall B. I. der Urteilsgründe wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil dieses Nebenklägers verurteilt worden ist; 2. im Ausspruch über die Jugendstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Totschlag, sowie wegen schweren Raubes zu der Jugendstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Während die Schuldsprüche wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchtem Totschlag sowie wegen schweren Raubes in Rechtskraft erwachsen sind, beanstandet der Nebenkläger R. mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision, dass das Landgericht bei der zu seinem Nachteil begangenen Tat einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten nicht festgestellt und diesen insoweit nur wegen gefährlicher Körperverletzung, nicht aber wegen tateinheitlich begangenen versuchten Totschlags verurteilt hat. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts befand sich der Angeklagte am 29. Mai 2010 am Rheinufer in Düsseldorf, um dort mit anderen den sogenannten Japan-Tag zu begehen. Ganz in der Nähe hatten sich andere junge Leute, unter ihnen der Nebenkläger, niedergelassen, die aus der Gruppe des Angeklagten heraus mit Steinchen beworfen wurden, was zu verbalen Reaktionen führte. Die dadurch hervorgerufene Unruhe bekam auch der Angeklagte mit, der unvermittelt ein mitgeführtes Springmesser hervorzog, mit ausgefahrener Klinge am ausgestreckten Arm vor sich hielt und schrie, wer hier Stress mache, den steche er ab. Als es in der Folge zu auch körperlichen Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedern beider Gruppen kam, griff der Angeklagte auf Seiten seiner Freunde ein, indem er mit dem Messer in der Faust auf den Nebenkläger, der von anderen zu Boden gebracht worden war und im Begriff stand, sich unter Abwehr seiner Gegner aufzurichten, zustürzte und "im Bewusstsein in der konkreten Art der jetzigen Anwendung Lebensgefährlichkeit des Messers" in schneller Folge vielfach auf diesen einstach. Dabei führte er möglicherweise zwanzig oder mehr unkontrollierte und unkoordinierte Stichbewegungen aus. Der Nebenkläger wurde im Bereich des Rückens, der Schulter und des linken Armes neun Mal vom Messer des Angeklagten getroffen, wobei die beiden tiefsten Einstiche einen vier bis fünf Zentimeter tiefen Stichkanal aufwiesen, von denen einer bis hinter das Bauchfell reichte. Die Stiche, die nicht lebensbedrohlich waren, führten zu keinen Organverletzungen. Während ein anderer beruhigend auf den Angeklagten einredete, nahm dieser wahr, wie der Nebenkläger sich aufrichtete, wandte sich aber ab und ging davon, wobei er in der Folge mit einem gezielten und wuchtigen Stich in den Rücken eines weiteren Geschädigten die von der Strafkammer rechtskräftig als versuchter Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung abgeurteilte Tat beging.
3
Das Landgericht hat die Tat zum Nachteil des Nebenklägers als gefährliche Körperverletzung - mittels eines gefährlichen Werkzeugs und einer das Leben gefährdenden Behandlung sowie gemeinschaftlich begangen - gewürdigt und ausgeführt, es habe sich nicht die Überzeugung verschaffen können, dass der Angeklagte beim Einstechen auf den Nebenkläger mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe. Zwar habe er kurze Zeit vor der Tat durch seine Äußerung eine hohe Gewaltbereitschaft und Kenntnis davon gezeigt, dass das geführte Messer zur Beibringung tödlicher Verletzungen geeignet sei. Doch habe er auf den Oberkörper des Nebenklägers nicht gezielt eingestochen, sondern im bewegten Geschehen des fortdauernden Kampfes in schneller Folge eine Vielzahl unkontrollierter und unkoordinierter Stichbewegungen ausgeführt, von denen viele das Opfer verfehlt oder nur gestreift hätten. Auch wenn es sich dabei um schwerwiegende Gewalthandlungen gehandelt habe, die die billigende Inkaufnahme des Todeseintritts nicht fernliegend erscheinen ließen, lasse sich aus dieser objektiven Gefährlichkeit wegen des wahllosen Einstechens auf den Nebenkläger, das ein bewusstes Zielen auf besonders empfindliche Körperregionen oder gar lebenswichtige Organe nicht habe erkennen lassen, ein hinreichend sicherer und vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietender Schluss auf eine billigende Inkaufnahme des Todes des Nebenklägers als mögliche Folge der Tathandlung nicht ziehen.
4
2. Die Beweiswürdigung zur subjektiven Tatseite hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
5
a) Bedingt vorsätzliches Handeln setzt voraus, dass der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt, weiter, dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbestandsverwirklichung zumindest abfindet. Da die Schuldformen des bedingten Vorsatzes und der bewussten Fahrlässigkeit im Grenzbereich eng beieinander liegen, müssen vor der Annahme bedingten Vorsatzes beide Elemente der inneren Tatseite, also sowohl das Wissens- als auch das Willenselement, umfassend geprüft und gegebenenfalls durch tatsächliche Feststellungen belegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 2010 - 3 StR 533/09, NStZRR 2010, 144). Hierzu bedarf es einer Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Tatumstände des Einzelfalles, in welche vor allem die objektive Gefährlichkeit der Tathandlung, die konkrete Angriffsweise des Täters, seine psychische Verfassung bei der Tatbegehung und seine Motivationslage mit einzubeziehen sind (BGH, Urteile vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524; vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443; vom 27. August2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372).
6
Kann der Tatrichter auf der Grundlage dieser Gesamtbewertung aller Umstände Zweifel an der subjektiven Tatseite nicht überwinden, so hat das Revisionsgericht dies regelmäßig hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist vom Gesetz dem Tatrichter übertragen (§ 261 StPO). Es obliegt allein ihm, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten zu bilden. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich allein darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder an die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten überhöhte Anforderungen stellt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näher liegend gewesen wäre (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 26. April 2012 - 4 StR 599/11 mwN).
7
Gleichermaßen Sache des Tatrichters ist es, die Bedeutung und das Gewicht der einzelnen be- oder entlastenden Indizien in der Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses zu bewerten. Ist diese Bewertung nach den dargestellten rechtlichen Maßstäben vertretbar, so kann das Revisionsgericht nicht auf der Grundlage einer abweichenden Beurteilung der Bedeutung einer Indiztatsache in die Überzeugungsbildung des Tatrichters eingreifen (BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326). Dies muss insbesondere auch dann gelten, wenn der Tatrichter im Rahmen der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes Gewalthandlungen des Täters festgestellt hat, die für das Opfer objektiv lebensbedrohlich sind. Zwar hat der Bundesgerichtshof die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung als wesentlichen Indikator sowohl für das Wissens - als auch für das Willenselement des bedingten Vorsatzes angesehen (BGH, Urteil vom 23. Februar 2012 - 4 StR 608/11, NStZ 2012, 443) und bei äußerst gefährlichen Gewalthandlungen das Vorliegen beider Elemente als naheliegend bezeichnet (BGH, Urteile vom 28. Januar 2010 - 3 StR 533/09, NStZRR 2010, 144; vom 22. März 2012 - 4 StR 558/11, NJW 2012, 1524; vom 27. August 2009 - 3 StR 246/09, NStZ-RR 2009, 372). Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Tatrichter der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung bei der Prüfung der subjektiven Tatseite von Rechts wegen immer die ausschlaggebende indizielle Bedeutung beizumessen hätte. Darin läge vielmehr eine vom Einzelfall gelöste Festlegung des Beweiswerts und der Beweisrichtung eines im Zusammenhang mit derartigen Delikten immer wieder auftretenden Indizes, die einer unzulässigen Beweisregel nahekäme und deshalb dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 261 StPO) widerspräche.
8
Nach alledem ist es bei der Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes - nicht anders als sonst bei der Würdigung der Beweise - aus revisionsrechtlicher Sicht erforderlich, aber auch ausreichend, sämtliche objektiven und subjektiven , für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände des Einzelfalles in eine individuelle Gesamtschau einzubeziehen und zu bewerten. Dies gilt auch für solche Beweisanzeichen, die sich auf den ersten Blick als ambivalent darstellen, die also dem Tatrichter, je nachdem, wie er sie im Einzelfall bewertet , rechtlich zulässige Schlüsse sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten des Angeklagten ermöglichen. Eine rechtlich vertretbare tatrichterliche Entscheidung darüber, in welchem der möglichen, zueinander in einem Gegensatz stehenden Beweiszusammenhänge ein solcher Umstand im konkreten Fall indizielle Bedeutung entfaltet, ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Der Tatrichter kann in einem solchen Falle nicht gehalten sein, denselben Umstand nochmals in dem anderen Beweiszusammenhang zu erwägen und damit Gefahr zu laufen , sich zu seinem anderweitig gewonnenen Ergebnis zu Gunsten oder zu Lasten des Angeklagten in Widerspruch zu setzen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 StR 269/04, NJW 2005, 2322, 2326).
9
b) Auch unter Berücksichtigung dieses tatrichterlichen Bewertungsspielraums werden die Ausführungen des Landgerichts den Anforderungen an die Prüfung des bedingten Tötungsvorsatzes nicht gerecht.
10
Zwar entzieht es sich revisionsgerichtlicher Kontrolle, mit welcher Bewertung und in welchem Beweiszusammenhang das Landgericht vorliegend das ambivalente Indiz, dass der Angeklagte nicht gezielt auf den Nebenkläger eingestochen , sondern eine Vielzahl unkontrollierter und unkoordinierter Stichbewegungen ausgeführt hat, in seine Gesamtwürdigung eingestellt hat. Doch erweisen sich die Urteilsgründe in der Frage, welche indizielle Bedeutung der den Tätlichkeiten vorangegangenen Ankündigung des Angeklagten, wer Stress mache , den steche er ab, beizumessen ist, als teilweise widersprüchlich und lückenhaft. Denn während das Landgericht aus dieser von einem Vorzeigen des Messers mit ausgefahrener Klinge am ausgestreckten Arm begleiteten Bemerkung im Zusammenhang mit der später zum Nachteil eines weiteren Geschädigten verübten Tat die sowohl für das kognitive als auch für das voluntative Vorsatzelement wesentliche Folgerung gezogen hat, dem Angeklagten sei die Möglichkeit, mit dem Messer nicht nur verletzende, sondern auch tödliche Stiche versetzen zu können, bewusst und er sei hierzu jedenfalls grundsätzlich auch bereit gewesen, hat es ihr für die Tat zum Nachteil des Nebenklägers die allein für das Wissenselement bedeutsame Kenntnis um die Eignung des Messers zur Beibringung tödlicher Verletzungen entnommen. Bestand aber bereits vor Beginn der Tätlichkeiten eine grundsätzliche Bereitschaft des Angeklagten, im Rahmen der erwarteten Auseinandersetzung gegebenenfalls auch tödliche Stiche zu versetzen, dann bedurfte es der Erörterung, warum der Angeklagte erst bei der Tat zum Nachteil des anderen Geschädigten, dagegen noch nicht schon bei der vorangegangenen Tat zum Nachteil des Nebenklägers die Gefahr eines möglichen Todeseintritts in Kauf nahm.
11
Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts kann den Feststellungen nicht entnommen werden, dass der Angeklagte von einem möglichen Tötungsversuch zurückgetreten wä- re. Zwar lässt sich den Urteilsgründen entnehmen, dass der Angeklagte wahrnahm , wie der Nebenkläger sich aufrichtete, sich aber gleichwohl abwandte und davonging. Doch wurden Feststellungen zu der Vorstellung des Angeklagten über die Folgen der von ihm gesetzten Stiche, die Schlüsse auf einen möglichen Rücktrittshorizont zuließen, nicht getroffen.
12
Die teilweise Aufhebung des Schuldspruchs entzieht der verhängten Einheitsjugendstrafe die Grundlage.
Becker Schäfer RiBGH Mayer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker Gericke Spaniol