Bundesgerichtshof Urteil, 27. Juni 2012 - 2 StR 103/12

bei uns veröffentlicht am27.06.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 103/12
vom
27. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 27. Juni 2012,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann,
die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Dr. Appl,
Prof. Dr. Schmitt,
Dr. Eschelbach,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 22. September 2011 - mit Ausnahme der Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen - aufgehoben, soweit die besondere Schwere der Schuld verneint worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in zwei Fällen sowie eines jeweils tateinheitlich begangenen Verstoßes gegen das Waffengesetz (Führen einer halbautomatischen Kurzwaffe ohne Erlaubnis) zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Mit ihrer zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten, auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision, erstrebt die Staatsanwaltschaft die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2
1. Das Landgericht hat folgendes festgestellt:
3
Der 1969 im Osten der Türkei geborene Angeklagte ist kurdischer Herkunft und lebt seit etwa 1991 in Deutschland. Er ist seit 1989 mit einer Cousine verheiratet und hat vier Kinder. Seit dem Jahr 2002 führte er mit der 1981 in Litauen geborenen L. V. , einem der Opfer der Tat, eine Liebesbeziehung. Die Beziehung war mit zunehmender Zeit von unterschiedlichen Auffassungen über die gemeinsame Zukunft geprägt. Die Geschädigte wollte, dass sich der Angeklagte von seiner Frau trennt und mit ihr eine Familie gründet. Dagegen wollte der Angeklagte, dass alles so blieb, wie es war. Ab Mitte 2005 versuchte die Geschädigte zunehmend, die Beziehung zu beenden. Der Angeklagte beantwortete die Trennungsversuche mit gewalttätigen Übergriffen, teilweise schloss er L. V. in der Wohnung ein, nahm ihr das Mobiltelefon weg und manipulierte ihren Internetanschluss, damit sie auch auf diesem Wege keinen Kontakt zur Außenwelt herstellen konnte. Im Nachgang entschuldigte er sich regelmäßig und beteuerte Besserung, was ihm die Geschädigte bis zum nächsten Gewaltausbruch glaubte. Noch im Jahr 2010 verlängerte sie ein bereits zuvor mehrfach dem Angeklagten gestelltes Ultimatum, sich von seiner Ehefrau zu trennen, bis zum Jahresende.
4
Im Oktober 2010 schlug der Angeklagte die Geschädigte am ganzen Körper mit einem Stock, trat sie und schlug sie mit der Faust, nachdem sie geäußert hatte, dass sie sich von ihm trennen wollte. Ab November 2010 erhielt sie eine Festanstellung bei der Firma S. + M. AG. Dort arbeitete sie als Projekt-Assistentin des späteren Geschädigten A. O. O. , zu dem ein rein kollegiales Verhältnis bestand. Nach einem weiteren Übergriff des Angeklagten entschloss sich L. V. endgültig, sich von dem Ange- klagten zu trennen und kündigte ihre Wohnung. A. O. O. erzählte sie, dass sie seit fünf Jahren unter häuslicher Gewalt durch den Angeklagten leide. Dieser bot ihr daraufhin an, dass sie bei ihm und dem Zeugen S. in die Wohngemeinschaft einziehen könne, bis sie eine neue Wohnung gefunden habe. Am 25. November 2010 erstattete L. V. wegen des Vorfalls im Oktober Strafanzeige und erwirkte eine einstweilige Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz gegen den Angeklagten beim Amtsgericht Köln. Als die Geschädigten am Abend des 25. November 2010 das Firmengebäude verließen , packte der Angeklagte, der die spätere Tatwaffe, eine Walther PPK 7,65 mm bei sich trug, L. V. am Arm, um sie gewaltsam zum Mitgehen zu zwingen. A. O. O. befreite sie aus dem Griff des Angeklagten. Der Angeklagte äußerte daraufhin, dass L. V. sein Besitz sei und bedrohte die Geschädigten mit dem Tode. Nachdem ein Einsatzwagen der Polizei eingetroffen war, erklärte er auch den Polizeibeamten, dass L. V. ihm gehöre und er mit ihr machen könne, was er wolle. Der Zeuge PK B. wies den Angeklagten daraufhin hin, dass Frauen in der Bundesrepublik Deutschland kein Eigentum seien, erteilte ihm einen Platzverweis und machte ihm deutlich, dass er sich aufgrund der einstweiligen Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz der Geschädigten nicht mehr nähern dürfe.
5
Am 29. November 2010 wollte der Angeklagte erneut zur Arbeitsstelle der Geschädigten fahren, um mit ihr über den Fortgang der Liebesbeziehung zu sprechen. Als Ergebnis der Unterredung war er allein bereit, die Fortsetzung der Beziehung zu akzeptieren. Da er befürchtete, dass L. V. beim Anblick seines Wagens ihre Arbeitsstelle nicht verlassen würde, mietete er einen PKW an. Zwischen 18.30 Uhr und 18.40 Uhr verließen die Geschädigten das Gebäude der Firma S. + M. AG. Der Angeklagte stieg aus dem PKW und kam ihnen zu Fuß entgegen. Als A. O. O. ihn sah, rief er ihm lautstark zu, dass er sich L. V. nicht nähern dürfe. Er solle verschwinden , sonst werde er die Polizei rufen. Der Angeklagte fühlte sich wie ein kleines Kind behandelt und wollte sich das nicht gefallen lassen. Auch erkannte er im Gesichtsausdruck von L. V. nur noch Ablehnung für seine Person und merkte, dass sie nur noch von ihm weg wollte. Er wollte nicht zulassen , dass sie sich von ihm trennt. Er zog seine Pistole aus der Jackentasche und gab in ungefähr 10 Sekunden sechs Schüsse ab. Dabei schoss er in Tötungsabsicht zunächst drei Mal auf L. V. . Mit den Schüssen beabsichtigte der Angeklagte in erster Linie vermeintliche "Eigentumsrechte" an ihr durchzusetzen. Er sprach ihr das Lebensrecht ab, da sie sich gegen seinen Willen von ihm getrennt hatte und die Trennung dieses Mal auch als endgültige Entscheidung betrachtete. Der Angeklagte schoss dann mindestens ein Mal mit Tötungsabsicht auf den Oberkörper des A. O. O. . Das leitende Motiv des Angeklagten war, dass dieser ihn nicht als Täter der Tötung von L. V. benennen können sollte und somit die Ermittlungen zu seiner Person als Täter erschwert oder vereitelt werden sollten. Ihm passte es zudem nicht, dass der Geschädigte als fremder Mann mit L. V. zusammen unterwegs war und sie beschützen wollte.
6
L. V. verstarb noch am Tatort, A. O. O. wenige Stunden nach der Tat im Krankenhaus.
7
Der Angeklagte konnte zunächst fliehen und sich mit Hilfe von Familienangehörigen und Bekannten verborgen halten. Am 4. Januar 2011 wurde er in Frankreich festgenommen und am 12. Januar 2011 nach Deutschland überstellt.
8
2. Das Landgericht hat die Tötung von L. V. als Mord aus niedrigen Beweggründen, die Tötung von A. O. O. als Mord zur Verdeckung der Tötung von L. V. gewertet. Die besondere Schwere der Schuld im Sinne des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB hat die Strafkammer verneint.

II.

9
1. Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft ist, auch wenn die Bejahung weiterer Mordmerkmale in Betracht kommt, zulässig auf die Frage der Schuldschwere beschränkt (BGHSt 41, 57, 61).
10
2. Die Ablehnung der besonderen Schuldschwere im Sinne des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
11
Die Feststellung besonderer Schwere der Schuld setzt voraus, dass das gesamte Tatbild einschließlich der Täterpersönlichkeit von den erfahrungsgemäß vorkommenden Fällen des Mordes so sehr abweicht, dass eine Strafaussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe nach 15 Jahren auch bei dann günstiger Täterprognose unangemessen wäre (BGHSt 39, 121; 40, 360, 370). Das kann insbesondere der Fall sein, wenn mehrere Mordmerkmale verwirklicht oder mehrere Menschen ermordet wurden oder die Tatausführung durch besonders verwerfliche Umstände gekennzeichnet ist (BGH NJW 1993, 1999, 2000; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 57a Rn. 11a). Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schwere der Schuld zu bejahen ist, hat der Tatrichter unter Abwägung der im Einzelfall für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände zu treffen (vgl. BGHSt 40, 360, 370). Zwar ist dem Revisionsgericht bei der Nachprüfung der tatrichterlichen Wertung eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt; insbesondere ist es gehindert, seine eigene Wertung an die Stelle derjenigen des Tatrichters zu setzen (BGH aaO; BGH, Urteile vom 26. Mai 2004 - 2 StR 386/03, vom 8. September 2005 - 1 StR 159/05 und vom 30. März 2006 - 4 StR 567/05). Es hat jedoch zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat (BGH, Urteil vom 1. Juli 2004 - 3 StR 494/03). Daran fehlt es in mehrfacher Hinsicht.
12
a) Das Landgericht hat u.a. zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass es sich um einen spontanen Tatentschluss gehandelt habe. Die Beweiswürdigung hierzu ist jedoch lückenhaft, da die Strafkammer festgestellte Umstände , die gegen diese Wertung sprechen, nicht erkennbar in ihre Überlegungen einbezogen hat. Der Angeklagte hatte schon am 25. November 2010 gegenüber den Geschädigten sowie den herbeigerufenen Polizeibeamten deutlich gemacht, dass er eine Trennung von L. V. unter keinen Umständen akzeptieren werde. Außerdem hatte er die Geschädigten bereits zu diesem Zeitpunkt mit dem Tode bedroht. Bei der von ihm geplanten Unterredung am Tattag war er allein bereit, die Fortsetzung der Beziehung zu akzeptieren. Mit den tödlichen Schüssen beabsichtigte er vor allem, vermeintliche "Eigentumsrechte" an der Geschädigten durchzusetzen, nachdem er - ohne zuvor den Versuch einer Aussprache unternommen zu haben - erkennen musste, dass sich L. V. endgültig von ihm abgewandt hatte. Diese vom Landgericht nicht erkennbar erwogenen Umstände sprechen gegen die Annahme einer Spontantat und legen es nahe, dass der Angeklagte für den Fall zur Tötung der Geschädigten fest entschlossen war, dass diese nicht bereit war, die Beziehung mit ihm fortzusetzen.
13
b) Weiterhin begegnet es durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht die besondere Schuldschwere "entscheidend" mit der Erwägung verneint hat, dass "es sich bei dem Mord an L. V. um eine Beziehungstat handelte, ohne die es zu dem örtlich und zeitlich nah begangenen Mord an A. O. O. nicht gekommen wäre" (UA S. 64). Das Bestehen der früheren Intimbeziehung zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten , die von Herrschaftsansprüchen des Angeklagten sowie von massiven Misshandlungen und Bedrohungen der Geschädigten geprägt war, entfaltet unter Berücksichtigung der dazu vom Landgericht festgestellten Umstände keine schuldmindernde Wirkung. Außerdem waren bei der Ausführung der Tat für den Angeklagten nicht Motive wie Verzweiflung und Ausweglosigkeit (vgl. BGH NStZ 2004, 34; NStZ-RR 2004, 44; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 211 Rn. 28 mwN) über das Ende der Beziehung handlungsleitend, sondern er wollte vermeintliche Besitzrechte an der Geschädigten nicht aufgeben und sprach ihr ohne eine Beziehung mit ihm das Lebensrecht ab. Diese Erwägungen bilden auch den Kern der Argumentation, mit der das Landgericht ohne Rechtsfehler hinsichtlich der Tötung von L. V. niedrige Beweggründe angenommen hat. Dazu steht aber im Widerspruch, die frühere Beziehung zwischen dem Angeklagten und der Geschädigten bei der Verneinung der besonderen Schuldschwere entscheidend schuldmindernd zu berücksichtigen.
14
Vor diesem Hintergrund kann der Gesichtspunkt einer "Beziehungstat" auch hinsichtlich der Tötung von A. O. O. keine den Angeklagten entlastende Wirkung entfalten, zumal sie vor allem zur Verdeckung der Tötung von L. V. erfolgte und nicht festgestellt werden konnte, dass der Angeklagte davon ausging, bei dem Geschädigten handele es sich um ihren neuen Intimpartner (UA S. 27).
15
c) Dagegen begegnet die Ablehnung weiterer Mordmerkmale entgegen der Auffassung der Revision keinen rechtlichen Bedenken.
16
Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht Heimtücke bezüglich beider Tatopfer verneint. Die Erwägungen, mit denen die Strafkammer begründet, dass L. V. in der Tatsituation nicht arglos war, werden von den Feststel- lungen getragen. Dies gilt in Übereinstimmung mit den Ausführungen des GBA in der mündlichen Verhandlung letztlich auch für die Annahme des Landgerichts , der Angeklagte habe eine etwaige Arglosigkeit von A. O. O. nicht bewusst ausgenutzt.
17
Die Ablehnung niedriger Beweggründe hinsichtlich der Tötung des Geschädigten O. begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Zwar hat sich der Angeklagte durch dessen Äußerungen vor der Tat wie ein kleines Kind behandelt gefühlt, und er wollte sich dies nicht gefallen lassen (UA S. 26). Es liegt jedoch nach den Feststellungen nahe, dass für den Angeklagten bei der Tötung des Geschädigten O. nicht diese Motivation, sondern - wie vom Landgericht ohne Rechtsfehler angenommen - die Verdeckung der Tötung von L. V. bestimmend war.
18
3. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht zur Annahme der besonderen Schwere der Schuld gelangt wäre, wenn es die genannten Umstände erörtert und bedacht hätte. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen können bestehen bleiben, da sie rechtsfehlerfrei getroffen wurden. Der neue Tatrichter kann ergänzende, dazu nicht im Widerspruch stehende Feststellungen treffen. Im Urteilstenor wird er den Anrechnungsmaßstab für die in Frankreich vom 4. Januar bis 12. Januar 2011 erlittene Auslieferungshaft anzugeben haben.
Ernemann Fischer Appl Schmitt Eschelbach

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Bundesgerichtshof Urteil, 27. Juni 2012 - 2 StR 103/12 zitiert 3 §§.

Strafgesetzbuch - StGB | § 57a Aussetzung des Strafrestes bei lebenslanger Freiheitsstrafe


(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn 1. fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,2. nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und3

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 S t R 4 2 2 / 1 4 vom 3. Juni 2015 in der Strafsache gegen wegen Mordes u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Juni 2015, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Ric

Referenzen

(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn

1.
fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind,
2.
nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und
3.
die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
§ 57 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 6 gilt entsprechend.

(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.

(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g, 57 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend.

(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 159/05
vom
8. September 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. September
2005, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
Hebenstreit,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Hof vom 21. Dezember 2004 wird verworfen. Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels sowie die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen eines heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen begangenen Mordes in Tateinheit mit Freiheitsberaubung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einem anderen Urteil zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Dagegen richtet sich die vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft mit der Sachrüge. Sie erstrebt die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und das Bejahen des weiteren Mordmerkmals "grausam". Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.

Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen: 1. Die Mitangeklagten G. , D. G. der und Angeklagte kamenüberein, K. , von dem sie wussten, dass er an Diabetes litt, durch eine Überdosis Insulin zu töten. Die Initiative ging von der damals
17-jährigen Go. aus. K. hatte sich um sie als Partnerin bemüht und sie daher finanziell unterstützt. Als er die finanziellen Zuwendungen sperrte, wollte sie sich des für sie nutzlos und lästig gewordenen K. entledigen. Der 25-Jährige, mit einem IQ von 78 unterdurchschnittlich intelligente Angeklagte stimmte dem Tötungsvorschlag der intellektuell weit überlegenen Go. zu, um einen Nebenbuhler auszuschalten, sie durch das Geheimnis um eine schwere Straftat an sich zu binden und den Kontakt zu dem vermeintlich gemeinsamen Sohn zu sichern. Der 18-jährigeD. G. der , Neffe des Angeklagten, der sich dem Müßiggang hingab, bei seinem Onkel wohnte und von diesem ernährt wurde, sagte seine Mitwirkung an einer gemeinsamen Tötung zu, weil er im Falle der Weigerung fürchtete, seinen bequemen Lebensstil zu verlieren. 2. Am 8. Juli 2003 zwischen 18.00 und 19.00 Uhr überfielen die männlichen Angeklagten in der Wohnung der auch anwesenden Go. den völlig ahnungslosen K. hinterrücks und brachten ihn zu Boden. Go. versetzte ihm mindestens eine Insulin-Injektion, danach D. G. mindestens eine weitere. K. verfiel in einen Zustand des Unterzuckers. Er verlor seine Kräfte und begann zu schwitzen. Da K. nach einer gewissen Zeit noch lebte, waren sich die Angeklagten unsicher, ob die Injektionen für den Tod ausreichend waren. Der Angeklagte holte aus der Wohnung des Opfers weiteres Insulin, womit ihm mindestens eine weitere Injektion gewaltsam gesetzt wurde. Nach den Injektionen äußerte K. , er brauche dringend Zuckerwasser, sonst werde er sterben (UA S. 63, 64). Die Angeklagten warteten nun auf den Tod ihres Opfers. Nachdem sie sich drei Portionen Pizza beschafft und verzehrt hatten, sorgten sie dafür, dass das zwar stark geschwächte, aber noch handlungsfähige Opfer nicht entkom-
men konnte.K. wäre im Laufe der Nacht in der Lage gewesen, aus eigener Kraft das Haus zu verlassen. Sie versperrten daher die Wohnungstüre. In der Nacht schliefen Go. und einer der männlichen Angeklagten mit K. im Wohnzimmer, der andere lag vor der Zimmertüre, so dass K. den Raum nicht unbemerkt verlassen konnte. 3. Am nächsten Morgen, dem 9. Juli 2003, war K. leicht benommen, geschwächt und schwitzte, lebte aber noch. Den Angeklagten war klar, dass die bei dem zuckerkranken Opfer kaum nachweisbare Tötung durch Insulinvergiftung fehlgeschlagen war. Sie entschlossen sich auf ihren ursprünglichen Plan, der Tötung durch Erschlagen, zurückzugreifen. Zu diesem Zweck hatte Go. "K. s Todeslatte" gebaut und auch so beschriftet. Dabei handelte es sich um eine 1,16 m lange Holzlatte, an deren einem Ende ein sackartiger Gegenstand, gefüllt mit Kieselsteinen, Nägeln, Nadeln, Schrauben und einer 2,1 kg schweren Eisenkugel befestigt war. Die Angeklagten führten ihr Opfer in einen Pkw und verstauten die "Todeslatte". Bei einem notwendigen Zwischenstopp an einer Tankstelle verließ K. unbemerkt das Fahrzeug und begab sich in ein nahe gelegenes Wirtshaus. Als D. G. sein Fehlen bemerkte, ging er hinterher und fuhr ihn in den Gasträumen an, er wolle doch nicht etwa telefonieren. K. erwiderte "Nein, nein, passt schon" und ging mit ihm zum Auto zurück. Nach anschließender Weiterfahrt in ein Waldstück töteten die Angeklagten ihr Opfer dort gemeinsam. D. G. zerrte K. hierzu aus dem Pkw. Go. schlug mindestens zweimal mit der "Todeslatte" auf seinen Kopf, bis das sackartige Gebilde abriss. Dann schlug D. G. mit der Eisenkugel aus dem Sack mindestens dreimal gegen den Kopf des nun am Boden liegenden Opfers und T. G. zog schließlich den Gürtel des Opfers um dessen Hals so lange zu, bis K. kein Lebenszeichen mehr von sich gab.
Das sachverständig beratene Landgericht konnte nicht ausschließen, dass das Opfer bereits durch den ersten Schlag mit der "Todeslatte" das Bewusstsein verloren hatte. Infolge der Schädelzertrümmerung wäre der Tod in jedem Fall binnen maximal einer halben Stunde eingetreten. Welche der Handlungen den Tod herbeigeführt hat, konnte nicht festgestellt werden.

II.

1. Das Landgericht hat das Mordmerkmal "grausam" verneint, weil der Wille der Angeklagten nicht darauf gerichtet gewesen sei, K. bewusst und geplant außergewöhnliche körperliche und seelische Qualen zuzufügen. Die Länge des gesamten Tötungsgeschehens sei nicht beabsichtigt gewesen. Beim Transport in den Wald habeK. selbst nicht definitiv gewusst, dass er auf jeden Fall getötet werden sollte, was sich aus seiner Rückkehr aus dem Gasthaus zum Auto ergebe. Durch die mögliche Bewusstlosigkeit beim ersten Schlag scheide auch objektiv die Zufügung besonders starker Schmerzen aus. 2. Der Tatrichter hat unter Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände eine besondere Schwere der Schuld nicht festgestellt.

III.

Die Revision ist nach deren Begründung zulässig darauf beschränkt, das Landgericht habe zu Unrecht die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und ein weiteres Mordmerkmal verneint (BGHSt 41, 57). Die Verneinung der besonderen Schuldschwere begegnet im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken (§§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 57b StGB).
1. Zum Mordmerkmal der Grausamkeit: "Grausam" tötet, wer dem Opfer aus gefühlloser, unbarmherziger Gesinnung , Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art zufügt, die nach Stärke oder Dauer über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen (st. Rspr., vgl. BGHR StGB § 211 Abs. 2 Grausam 1 m.w.N.). Die Grausamkeit muss nicht notwendig in der eigentlichen Ausführungshandlung im engeren Sinne und den durch diese verursachten Leiden liegen; sie kann sich auch aus den Umständen ergeben, unter denen die Tötung eingeleitet und vollzogen wird. Das grausame Verhalten muss vor Abschluss der den tödlichen Erfolg herbeiführenden Handlung auftreten und vom Tötungsvorsatz umfasst sein (vgl. BGHSt 37, 40 m.w.N.). Das Landgericht hat bei seinen Erwägungen zur Grausamkeit auf die Dauer des gesamten zweiaktigen Tötungsgeschehens abgestellt. Diese war durch den Wechsel der Tatmittel bedingt und - wie das Landgericht zutreffend ausführt - von den Angeklagten nicht beabsichtigt. Die Schlussfolgerung der Kammer aus der Rückkehr des Opfers vom Gasthaus zum Auto, dieses habe beim Transport nicht definitiv gewusst, dass es auf jeden Fall getötet werden sollte, ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Zum Zustand des K. während der Nacht, als die Angeklagten auf dessen Tod infolge Insulinvergiftung warteten, stellt das Urteil jedoch lediglich fest, dass ihr Opfer stark geschwächt, aber noch handlungsfähig war und aus eigener Kraft hätte entkommen können. Weitere Feststellungen zum körperlichen und seelischen Zustand des K. während des Verlaufs der Nacht finden sich nicht. Dass er einschlief, ist dem Urteil nicht mit hinreichender Klarheit zu entnehmen. Durch die Äußerung, er brauche dringend Zuckerwasser, sonst werde er sterben, war den Angeklagten seine Todesangst
bekannt. Dass diese während der Nacht andauerte, liegt nahe, konnte indes vom Landgericht nicht näher aufgeklärt werden. In dem Verhalten der Angeklagten während dieser ersten Tatphase, die von abends 18.00 bzw. 19.00 Uhr bis zum nächsten Morgen andauerte, könnte ein bewusstes Zufügen seelischer und körperlicher Qualen liegen, welches wegen dieses langen Zuwartens als grausam zu bewerten wäre. 2. Das Bejahen des Mordmerkmals der Grausamkeit wäre hier jedoch nicht geeignet, die Schwere der Schuld zu erhöhen. Die Entscheidung über die Frage, ob die besondere Schuldschwere im Sinne von § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB zu bejahen ist, hat der Tatrichter ohne Bindung an begriffliche Vorgaben im Wege einer zusammenfassenden Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit zu treffen, wobei ein Bejahen nur möglich ist, wenn Umstände von Gewicht vorliegen. Dem Revisionsgericht ist bei der Nachprüfung der Entscheidung eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt; es hat lediglich zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und abgewogen hat, ist aber gehindert, seine eigene Wertung an die Stelle der tatrichterlichen Wertung zu setzen (BGHSt 40, 360, 370). Eine an diesen Maßstäben orientierte Gesamtwürdigung enthält das angefochtene Urteil. Der Tatrichter hat dabei keine gegen den Angeklagten sprechenden Umstände von Gewicht übersehen. Er hat die Verwirklichung von zwei Mordmerkmalen ausdrücklich hervorgehoben. Die Tatausführung hat er außerdem als verwerfliches Handeln mit einem hohen Maß an Brutalität bewertet. Der Senat kann daher ausschließen, dass er das lange Zuwarten in der Nacht nicht bedacht und in seine Überlegungen einbezogen hat, selbst wenn er die
nahe liegende Subsumtion unter das Mordmerkmal der Grausamkeit nicht vorgenommen hat. Auf ein bloßes Zusammenzählen von Mordmerkmalen kommt es im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung nicht an (vgl. BGHSt 41, 57, 63). Gegen eine schematische Bewertung von einzelnen Umständen spricht hier gerade die Täterpersönlichkeit. Insoweit hebt der Tatrichter hervor, dass der unterdurchschnittlich intelligente Angeklagte seinen jugendlichen bzw. heranwachsenden Mittätern intellektuell unterlegen, nicht der Motor und Verursacher des Mordkomplotts war und von selbst nicht auf die Idee der Tötung gekommen wäre. Diese Abwägung ist rechtlich nicht zu beanstanden, auch wenn eine andere Bewertung möglich gewesen wäre. Nack Wahl Kolz Hebenstreit Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 567/05
vom
30. März 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 30. März
2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Kuckein,
Athing,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 28. Juli 2005 werden verworfen.
2. Die Kosten der Revision der Staatsanwaltschaft und die hierdurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision insoweit, als das Landgericht eine besondere Schuldschwere (§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB) verneint hat. Der Angeklagte greift das Urteil mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend macht, insgesamt an. Beide Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte im Jahre 1988 in einer Kaserne in S. stationiert. Als er am Morgen des 21. Juni 1988 in Bundeswehruniform, auf der sein Namensschild aufgenäht war, mit seinem privaten Pkw eine Landstraße befuhr, bemerkte er in der Ferne auf dem rechts parallel zur Straße verlaufenden Wirtschaftsweg die 16jährige Schülerin Annette K. , die ihm mit ihrem Fahrrad entgegenkam. Er entschloss sich, die junge Frau zu überfallen und sich in ihrer Gegenwart sexuell zu befriedigen. Er hielt sein Fahrzeug an, stieß die Schülerin vom Fahrrad, verfolgte sie in ein Kornfeld, unterband ihre Abwehrversuche, zog ihr Hose und Slip herunter , kniete sich zwischen ihre gewaltsam gespreizten Beine und onanierte bis zum Samenerguss, wobei das Ejakulat auf die Joggingjacke der sich wehrenden Geschädigten tropfte. Weil er befürchtete, dass das Schreien des Mädchens andere alarmieren könnte und er verhindern wollte, anhand einer von der Geschädigten abgegebenen Täterbeschreibung - insbesondere wegen seiner Uniform und des daran befindlichen Namensschildes - identifiziert zu werden, entschloss er sich, Annette K. zu töten. Er würgte sie und tötete die Schülerin schließlich mit seinem Bundeswehr-Klappmesser, das er in seiner Uniform mit sich führte. Sodann floh er.
3
Der Angeklagte wurde erst im Jahre 2004 auf Grund eines DNAGutachtens als Täter ermittelt. Nach seiner Festnahme am 27. Oktober 2004 legte er sowohl bei der Polizei als auch bei der Ermittlungsrichterin ein Geständnis ab. In der Hauptverhandlung hat er die Geständnisse widerrufen.
4
Der Angeklagte war zum Tatzeitpunkt strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten. Im Jahre 1990 wurde gegen ihn wegen fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung eine zwischenzeitlich erledigte Geldstrafe verhängt. 1993 wurde er wegen in den Jahren 1991/1992 begangenen sexuellen Missbrauchs seiner Stieftochter zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt; im selben Jahr wurde gegen ihn außerdem wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr auf eine weitere Frei- heitsstrafe mit Bewährung erkannt. Beide Strafen wurden - in den Jahren 1995/1996 - erlassen.
5
2. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Verdeckungsmordes (§ 211 Abs. 2 letzte Alt. StGB) zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die besondere Schwere der Schuld des Angeklagten vermochte es aus folgenden Gründen nicht festzustellen:
6
Es lägen keine Umstände von erheblichem Gewicht im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB vor, die einer Strafrestaussetzung nach Verbüßung von 15 Jahren Freiheitsstrafe von vornherein entgegenstünden. Zwar liege dem Verdeckungsmord eine schwerwiegende Anlasstat, nämlich eine sexuelle Nötigung , zugrunde; zu berücksichtigen sei aber, dass die Ermittlungs- und Verfahrensdauer mit 17 Jahren ungewöhnlich lang gewesen sei, dass hinsichtlich der Anlasstat bereits Strafverfolgungsverjährung eingetreten sei, dass das - nach der Tat - im Jahre 1993 abgeurteilte Sexualdelikt nicht zu Lasten des Angeklagten in die Schuldabwägung einzubeziehen sei und der Angeklagte nur ein Mordmerkmal verwirklicht habe. Auch der in der Tat zum Ausdruck gekommene "Vernichtungswille" könne nicht zum Nachteil des Angeklagten Berücksichtigung finden, weil die der Geschädigten beigebrachten Verletzungen unmittelbar auf eine rasche und sichere Tötung abgezielt und - ohne erhebliche Qualen zu verursachen - binnen kürzester Frist zu deren Tod geführt hätten. Ohne schuldsteigernde Wirkung sei auch, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung seine zuvor abgelegten Geständnisse widerrufen habe, weil es sich insoweit um ein zulässiges Verteidigungsverhalten gehandelt habe. In diesem Zusammenhang könnten auch die Beweisanträge des Angeklagten, die auf eine Untermauerung seiner Behauptung abgezielt hätten, Annette K. habe sich ihm freiwillig hingegeben und auch im Übrigen Männerbekanntschaften unterhalten, sowie sein scheinbar emotional unbeteiligtes Auftreten in der Hauptverhandlung nicht schulderhöhend gewertet werden.

II.


7
Revision der Staatsanwaltschaft
8
Die - vom Generalbundesanwalt vertretene - zulässig (vgl. BGHSt 41, 57) auf die Ablehnung der Schuldschwerefeststellung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet. Die Verneinung der besonderen Schuldschwere ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
9
Die Entscheidung der Frage, ob die besondere Schwere der Schuld zu bejahen ist, obliegt dem Tatrichter. Er hat unter Würdigung aller hierfür erheblichen Umstände die Schuld des Angeklagten im Sinne des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB abzuwägen; dem Revisionsgericht ist insoweit eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle versagt. Es hat die tatrichterliche Entscheidung grundsätzlich hinzunehmen und nur zu prüfen, ob der Tatrichter alle maßgeblichen Umstände bedacht und rechtsfehlerfrei abgewogen hat (vgl. BGHSt 40, 360, 370; 41, 57, 62; 42, 226, 227; BGH NStZ 2005, 88; BGH, Urteile vom 26. Mai 2004 - 2 StR 386/03 - und vom 8. September 2005 - 1 StR 159/05).
10
Unter Berücksichtigung dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs weist die tatrichterliche Entscheidung keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat die wesentlichen erschwerenden und mildernden Umstände der Tat, die der Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe zugrunde liegen, in seine Gesamtwürdigung einbezogen, wenn auch - was der Revision zuzugeben ist - einzelne Formulierungen im Urteil die Besorgnis begründen könnten, dass es seiner Entscheidung nicht den richtigen Maßstab zugrunde gelegt hat; davon bliebe aber – selbst wenn dies der Fall wäre – das Ergebnis der Abwägung unberührt (vgl. BGHSt 41, 57, 63): Die schuldrelevanten Umstände des abgeurteilten Geschehens sind einerseits dadurch geprägt, dass die dem Verdeckungsmord zugrunde liegende Anlasstat (sexueller Übergriff auf offener Straße auf eine zufällig vorbeikommende junge Frau) schwerwiegend war, dass andererseits aber seit der Tat mehr als 17 Jahre vergangen sind. Beide Gesichtspunkte hat das Landgericht gesehen und - mit weiteren Umständen - erörtert und gegeneinander abgewogen. Hinzu kommt - mildernd -, was das Landgericht nicht ausdrücklich erwähnt hat, dass der Angeklagte nach seiner Festnahme sofort geständig war und sich die Beweiswürdigung maßgeblich auf die Geständnisse stützt, auch wenn der Angeklagte sie später widerrufen hat.
11
Soweit die Staatsanwaltschaft ihre eigenen Schuldschwereerwägungen an die Stelle derer des Tatgerichts setzt, kann sie damit im Revisionsverfahren nicht gehört werden.

III.


12
Revision des Angeklagten
13
1. Die Verfahrensrügen haben - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift im Einzelnen ausgeführt hat - keinen Erfolg. Ergänzend ist lediglich zu bemerken, dass die Verfahrensrüge Nr. 6 (Ablehnung des Antrags auf DNA-Abgleich des sichergestellten Haares mit dem DNA-Muster des Angeklagten ) nicht nur unbegründet, sondern auch unzulässig erhoben ist, weil das Gut- achten des Bundeskriminalamts vom 2. Mai 2002 (Bd. III Bl. 737 ff. d.A.) nicht mitgeteilt wurde.
14
2. Im Hinblick auf die Sachrüge hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Auch insoweit verweist der Senat auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 3. Januar 2006.
Tepperwien Kuckein Athing
Solin-Stojanović Ernemann