Bundesgerichtshof Beschluss, 22. März 2018 - 1 StR 641/17
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts – zu 3. auf dessen Antrag – am 22. März 2018 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt (§ 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB). Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel hat nur zum Ausspruch über die besondere Schuldschwere Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
- 2
- 1. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen tötete der Angeklagte seine von ihm getrennt lebende Ehefrau, indem er sie im Schlafzimmer des vormals gemeinsam genutzten Hauses bis zur Bewusstlosigkeit würg- te, sie vom Bett herunter zog und anschließend unter Zuhilfenahme eines Bettbezugs in den Heizungskeller im Erdgeschoss verbrachte. Dort schlang er ihr einen sogenannten Kälberstrick um den Hals, den er zuvor an zwei an der Decke befindlichen Heizungsrohren angebracht hatte, und ließ seine Ehefrau, der er spätestens jetzt das von ihr getragene Nachthemd ausgezogen hatte, sodass sie nur noch mit einem Slip bekleidet war, rückwärts in die Schlaufe des Kälberstricks fallen. Hierdurch sollte der Anschein erweckt werden, dass seine Ehefrau einen Suizid begangen und sich selbst im Heizungsraum erhängt habe. Der Tod trat nach dem Transport in den Heizungskeller entweder aufgrund des vorangegangenen Würgens oder durch das dortige Erhängen ein.
- 3
- Nach den Feststellungen des Landgerichts fasste der Angeklagte den Tatentschluss nach der Trennung von seiner Ehefrau und dem Auszug aus dem gemeinsam genutzten Haus. Hintergrund für die Tat war die schwierige persönliche und güterrechtliche Situation des Angeklagten. Der Angeklagte litt nach den Feststellungen seit mehreren Jahren an einer paranoiden Persönlichkeitsstörung , die sich spätestens ab September 2014 insbesondere in einem gesteigerten Misstrauen gegen die sexuelle Treue seiner Ehefrau sowie einem sehr starken Beharren auf der – nicht wahnhaften – Überzeugung auswirkte, dass seit Beginn der 1990er Jahre eine inzestuöse Beziehung zwischen seiner Ehefrau und ihrem Vater bestanden habe. Aufgrund dieser Persönlichkeitsstörung verschlechterte sich die Beziehung endgültig. Belastet wurde die Ehe zudem durch den Umstand, dass lediglich die Ehefrau des Angeklagten als Eigentümerin des gemeinsam genutzten Hausgrundstücks im Grundbuch eingetragen war und der Angeklagte auf der Grundlage eines formnichtigen schuldrechtlichen Vertrages zuletzt vehement die anteilsmäßige Eigentumsübertragung verlangte, was seine Ehefrau jedoch ablehnte. Nach den Feststellungen wollte der Angeklagte seine Ehefrau beseitigen, da er sie nach der Trennung als Hindernis zwischen ihm und einem Zusammenleben mit seinen drei Kindern in dem ihm zustehenden Wohnhaus sah.
- 4
- 2. Das Landgericht ist von der Verwirklichung der Mordmerkmale der Heimtücke sowie der Habgier und der niedrigen Beweggründe ausgegangen. Neben der Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe gemäß § 211 StGB hat es nach zusammenfassender Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit die besondere Schuldschwere nach § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB festgestellt.
II.
- 5
- 1. Die Begründung, mit der das Landgericht die besondere Schuldschwere im Sinne des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB bejaht hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar obliegt es dem Tatrichter, unter Würdigung aller hierfür erheblichen Umstände die Schuld des Angeklagten im Sinne der §§ 46, 57a StGB zu gewichten; das Revisionsgericht darf seine Wertung nicht an die Stelle derjenigen des Tatrichters setzen (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 20. August 1996 – 4 StR 361/96, BGHSt 42, 226, 227; Urteil vom 27. Juni 2012 – 2 StR 103/12, NStZ-RR 2012, 339 jeweils mwN). Doch auch nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab erweist sich die tatrichterliche Entscheidung als rechtsfehlerhaft.
- 6
- Das Landgericht hat schulderschwerend gewertet, dass der Angeklagte seine von ihm getötete Ehefrau – durch das nahezu vollständige Entkleiden – noch im Tod und darüber hinaus weiter herabgewürdigt habe (UA S. 170). Diese Wertung wird von den Feststellungen nicht getragen. Das Landgericht hat festgestellt, der Angeklagte habe seiner Ehefrau das Nachthemd ausgezogen und es zusammen mit anderen Textilien in die Waschmaschine gegeben, um die Spuren seiner Tat wie beispielsweise Blut, Urin, Kot oder Speichel des Opfers zu beseitigen (UA S. 108, 110). Damit nicht vereinbar ist aber die Wertung, es habe ein weiteres Herabwürdigen des Opfers durch das Ausziehen des Nachthemds stattgefunden oder sei von dem Angeklagten gar intendiert gewesen.
- 7
- Überdies begegnet die Relativierung des Gewichts der – zugunsten des Angeklagten gewerteten – paranoiden Persönlichkeitsstörung bei der Bemessung der Schuldschwere rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat insoweit darauf abgehoben, dass die paranoide Persönlichkeitsstörung – welche die Strafkammer gestützt auf die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen rechtsfehlerfrei festgestellt hat – gerade nicht ursächlich für die Tatbegehung gewesen sei (UA S. 170). Diese Wertung berücksichtigt jedoch nicht ausreichend die weitere Feststellung, dass sich das Verhältnis der Eheleute aufgrund der bei dem Angeklagten bestehenden paranoiden Persönlichkeitsstörung massiv verschlechtert und letztlich zur Trennung der Eheleute geführt habe ; unter anderem vor dem Hintergrund dieser schwierigen persönlichen Situation habe der Angeklagte den Entschluss gefasst, seine Ehefrau zu töten (UA S. 3 f.; 24). Danach stellt sich die paranoide Persönlichkeitsstörung des Angeklagten als ursächlich für die Schwierigkeiten in und das Scheitern der Ehe dar, die in der weiteren Entwicklung zu der Tat des Angeklagten geführt haben. Dieser Umstand wäre bei der Gesamtwürdigung ebenfalls zu berücksichtigen gewesen.
- 8
- Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld auf den aufgezeigten Rechtsfehlern beruht. Die Sache bedarf daher insoweit erneuter Entscheidung. Die tatsächlichen Feststellungen können bestehen bleiben, da es sich um reine Wertungsfehler handelt. Das neue Tatgericht kann ergänzende, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen treffen.
- 9
- 2. Im Übrigen erweist sich die Revision des Angeklagten als unbegründet , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben hat. Jäger Bellay Fischer Bär Hohoff
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn
- 1.
fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind, - 2.
nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und - 3.
die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.
(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g, 57 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend.
(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn
- 1.
fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind, - 2.
nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und - 3.
die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.
(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g, 57 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend.
(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn
- 1.
fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind, - 2.
nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und - 3.
die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.
(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g, 57 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend.
(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.