Bundesgerichtshof Urteil, 16. Mai 2002 - 1 StR 40/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs eines Kindes in 159 Fällen aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet. I. Die zugelassene Anklage legt dem Angeklagten zur Last, seine am 15. Juni 1974 geborene leibliche Tochter K. Kö. vornehmlich im elterlichen Haus inP. zwischen dem 30. Juni 1984, als K. 10 Jahre alt war, und dem 13. Geburtstag am 15. Juni 1987 wiederkehrend sexuell mißbraucht zu haben (Vergehen, strafbar nach § 176 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB aF). Zu den ersten sexuellen Übergriffen soll es bereits in K. Kö. s drittem oder viertem Lebensjahr und damit in verjährter Zeit im Saunabereich des Hauses beim samstäglichen gemeinsamen Duschen gekommen sein;
K. Kö. muûte der Anklage zufolge dort dem Angeklagten den Penis bis zum Samenerguû mit dem Waschlappen abreiben. Ab dem sechsten Lebensjahr des Mädchens soll es schlieûlich einmal wöchentlich zum Oralverkehr gekommen sein. Im Alter von etwa sieben Jahren habe erstmals und in der Folgezeit dann regelmäûig Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten und seiner Tochter stattgefunden. Die sexuellen Übergriffe hätten geendet, als K. Kö. ihre erste Regelblutung hatte. Der letzte Vorfall habe sich im August 1988 während eines Urlaubs in Jugoslawien ereignet. Die Anklage geht weiter davon aus, daû K. Kö. aufgrund des Miûbrauchs später an einer erheblichen posttraumatischen Belastungsstörung litt, die sie veranlaûte, sich über Jahre hinweg psychotherapeutisch behandeln zu lassen. K. Kö. tötete sich am 20. Dezember 1999 im Alter von 25 Jahren selbst. Sie stand deshalb schon im Ermittlungsverfahren nicht als Zeugin zur Verfügung. Die Anklage stützt sich im wesentlichen auf ihre Äuûerungen gegenüber Freunden, Ärzten und Therapeuten sowie auf handschriftliche Abschiedszeilen , die sie hinterlieû. Der Angeklagte hat die Taten bestritten. Die Strafkammer hat sich von seiner Täterschaft nicht zu überzeugen vermocht. Sie konnte nicht ausschlieûen , daû die Äuûerungen K. Kö. s auf eine Gedächtnistäuschung zurückzuführen sind, derzufolge sie nur der Meinung war, miûbraucht worden zu sein. Die Äuûerungen K. Kö. s können nach der Bewertung des Landgerichts ihre Erklärung u.a. auch in intensiver gedanklicher Befassung mit fiktiven Ereignissen und in bestätigenden Gesprächen finden; sie können sich nach dem Gutachten des aussagepsychologischen Sachverständigen, dem die Strafkammer unter weiterer Beratung durch einen jugendpsychiatrischen Sachverständigen folgt, auch "narziûtisches Mittel der Selbstdarstellung" und eine "the-
rapieinduzierte Suggestion" gewesen sein. Im wesentlichen hebt die Strafkammer bei ihren Zweifeln an der Täterschaft des Angeklagten darauf ab, daû K. Kö. erstmals sieben Jahre nach dem Ende des behaupteten sexuellen Miûbrauchs ihrer Freundin davon erzählte, dies etwa ein weiteres Jahr später wiederholte und dann auch gegenüber ihrer Hausärztin, ihrer Frauenärztin und während zweier Klinikaufenthalte davon berichtete. Die Schilderungen hätten kaum Einzelheiten enthalten. Während der Tatzeitspanne seien weder in der Schule noch im Freundes- und Familienkreis Verhaltensauffälligkeiten beobachtet worden, wie sie bei miûbrauchten Kindern häufig vorlägen. Ihre Mutter und der im gemeinsamen Haushalt wohnende Bruder hätten trotz der Hellhörigkeit des Hauses und der Vielzahl der in Rede stehenden Fälle nie Verdacht geschöpft. K. Kö. habe weiter schon früh sexuelle Beziehungen zu Männern unterhalten. Probleme wie Abneigung, Ekel oder Frigidität seien dabei nicht aufgetreten. Einer ihrer als Zeugen vernommenen Liebhaber habe gar berichtet, daû sie mit Gewalt verbundene Sexualität als anregend empfunden habe. Schlieûlich habe sie trotz jahrelanger Psychotherapie bei der Diplompsychologin Dr. B. nie von sexuellem Miûbrauch in der Kindheit berichtet. Auch bei einer Exploration in der Abteilung für Psychotherapie und Psychosomatik der psychiatrischen Klinik der Universität München durch Dr. Bu. Ende 1997 habe sie einen Miûbrauch nicht erwähnt. Im übrigen sei es gerade der Angeklagte gewesen, der im November 1997 darauf gedrungen habe, daû sie sich wegen ihrer ständigen Kopfschmerzen in der Universitätsklinik untersuchen lasse. Im Falle der Täterschaft habe dem Angeklagten als Arzt bewuût sein müssen, daû die Taten auf diese Weise offenbar werden könnten. Die Zweifel der Kammer am objektiven Wahrheitsgehalt der Erzählungen K. Kö. s wurden verstärkt durch Gutachten zweier Sachverständiger. Der Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. T. hat ausgeführt, die bei K.
Kö. während zweier Klinikaufenthalte in den Jahren 1998 und 1999 gestellte Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung sei offensichtlich falsch. Ein Rückschluû von den bei ihr festgestellten Symptomen auf einen sexuellen Miûbrauch in der Kindheit sei nicht möglich. Man könne daran denken, daû K. Kö. der Eindruck, sie sei sexuell miûbraucht worden, "antherapiert" worden sei. Der aussagepsychologische Sachverständige Prof. Dr. F. vermochte auf der Grundlage des Aktenstudiums und der Teilnahme an der Hauptverhandlung die These, daû die Vorwürfe objektiv falsch seien, nicht auszuschlieûen. Die Möglichkeit einer falschen Beschuldigung existiere nicht nur, sondern müsse als substantiell angesehen werden. Unstimmigkeiten in den Aussagen, der Mangel an Details, jegliches Fehlen "unabhängiger Evidenz" und die Erkenntnisse der Gedächtnispsychologie erzeugten erhebliche Zweifel. Die Strafkammer hat die Ausführungen der Sachverständigen für überzeugend und nachvollziehbar erachtet. Sie hatte aufgrund der Angaben der vernommenen Zeugen und der Gutachten der Sachverständigen so erhebliche Zweifel an der Schuld des Angeklagten, daû sie diesen freigesprochen hat. II. Die vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Revision der Staatsanwaltschaft , die eine Verurteilung des Angeklagten erstrebt, bleibt ohne Erfolg. 1. Die Aufklärungsrüge ist schon nicht in zulässiger Weise erhoben, überdies auch unbegründet. Die Beschwerdeführerin meint, das Landgericht habe sich gedrängt sehen müssen, die Ärzte der Kliniken zu vernehmen, die bei K. Kö. die Eingangsuntersuchungen vorgenommen haben, als diese sich im Sommer 1998 zur stationären Behandlung in der klinik in Bad W. (Indikationsgruppe für traumatisierte Frauen) und im Spätsommer 1999 in der psy-
chosomatischen Abteilung der klinik in Ka. (frauenspezifische Abteilung für posttraumatische Belastungsstörungen) befunden habe. Deren Vernehmung hätte ergeben, daû K. Kö. sehr wohl an einer posttraumatischen Belastungsstörung gelitten habe. Die Strafkammer habe sich nicht mit der Vernehmung der behandelnden Therapeuten begnügen dürfen. Sie hätte sich zu der weiteren Beweiserhebung gedrängt sehen müssen, weil in den Strafakten die Befunde der Ärzte enthalten seien, welche die Eingangsuntersuchungen in den genannten Spezialkliniken für Opfer sexuellen Miûbrauchs vorgenommen hätten. Die Rüge scheitert bereits daran, daû die Beschwerdeführerin die betreffenden Ärzte nicht namentlich benennt und vor allem die konkreten Befunde , die diese hätten bestätigen sollen, nicht mitteilt. Die Beschwerdeführerin geht überdies daran vorbei, daû das Landgericht in den Urteilsgründen die in den Kliniken gestellte Diagnose einer "posttraumatischen Belastungsstörung" ausdrücklich feststellt, sie indessen - wie der Zusammenhang der Beweiswürdigung ergibt - mit dem dazu gehörten kinder- und jugendpsychiatrischen Sachverständigen als "falsch" verwirft. Über die im einzelnen dazu getroffenen Feststellungen hinausgehende Einzelheiten, die geeignet wären, dieses Ergebnis konkret in Frage zu stellen, trägt die Revision nicht vor. Bei dieser Sachlage liegt auf der Hand, daû sich der Strafkammer die von der Revision vermiûte Vernehmung der Ärzte der Kliniken nicht aufdrängen muûte, nachdem sie die dort tätigen Therapeuten als Zeugen gehört hatte. Dem entspricht, daû auch in der Hauptverhandlung weder die Beschwerdeführerin noch ein anderer Verfahrensbeteiligter einen Grund gesehen haben, einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen.
2. Die sorgfältige Beweiswürdigung der Strafkammer hält sachlichrechtlicher Nachprüfung stand. Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwände gehen fehl.
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist auf das Vorliegen von Rechtsfehlern beschränkt (vgl. § 337 StPO). Deshalb hat es das Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen, wenn das Tatgericht einen Angeklagten freispricht, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag. Sachlich-rechtliche Fehler können indessen vorliegen, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lükkenhaft ist. Insbesondere muû die Beweiswürdigung erschöpfend sein: Der Tatrichter ist gehalten, sich mit den von ihm festgestellten Tatsachen unter allen für die Entscheidung wesentlichen Gesichtspunkten auseinanderzusetzen, wenn sie geeignet sind, das Beweisergebnis zu beeinflussen. Eine Beweiswürdigung , die über schwerwiegende Verdachtsmomente ohne Erörterung hinweggeht , ist fehlerhaft. Schlieûlich dürfen die Anforderungen an eine Verurteilung nicht überspannt werden. Dabei ist zu beachten, daû eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschlieûende und von niemandem anzweifelbare Gewiûheit nicht erforderlich ist, vielmehr ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maû an Sicherheit genügt, das vernünftige und nicht bloû auf denktheoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel nicht zuläût. Der Zweifelsatz darf schlieûlich erst nach einer solchen erschöpfenden Würdigung des gesamten Beweisergebnisses zur Anwendung kommen. Das Ergebnis eines Glaubwürdigkeitsgutachtens kann den Richter bei der gebotenen umfassenden Bewertung der Indiztatsachen lediglich unterstützen (vgl. zu alldem nur BGH NStZ 1999, 153; BGHR StPO § 261 Einlassung 5; Beweiswürdigung 16, jew. m.w.Nachw.; siehe auch Kleinknecht/Meyer-Goûner, StPO 45. Aufl. § 261 Rdn.
26).
Darüber hinaus hat der Bundesgerichtshof für unterschiedliche Fallgestaltungen , bei denen im Kern "Aussage gegen Aussage" steht, besondere Anforderungen an die Tragfähigkeit einer zur Verurteilung führenden Beweiswürdigung formuliert. So hat er etwa in Fällen, in denen die Aussage des einzigen Belastungszeugen in einem wesentlichen Detail als bewuût falsch anzusehen war, auf dessen Angaben jedoch die Verurteilung gestützt werden soll, verlangt, daû Indizien für deren Richtigkeit vorliegen müssen, die auûerhalb der Aussage selbst liegen (vgl. BGHSt 44, 256, 257). Steht "Aussage gegen Aussage" und hängt die Entscheidung im wesentlichen davon ab, welchen Angaben das Tatgericht folgt, sind gerade bei Sexualdelikten die Entstehung und die Entwicklung der belastenden Aussage aufzuklären. Das gilt vor allem dann, wenn ein Zusammenhang mit familiären Auseinandersetzungen nicht von vornherein auszuschlieûen ist (BGH NStZ 1999, 45; NStZ 2000, 496). Die Aussage eines "Zeugen vom Hörensagen" vermag für sich genommen ohne zusätzliche Indizien einen Schuldspruch nicht zu tragen (BGHSt 44, 153, 158).
b) Der vorliegende Fall weist die Besonderheit auf, daû eine Verurteilung des Angeklagten letztlich allein auf die Angaben K. Kö. s zu stützen gewesen wäre, die diese gegenüber Dritten gemacht und in ihren handschriftlichen Abschiedszeilen angesprochen hat. K. Kö. stand indessen weder im Ermittlungsverfahren noch im Hauptverfahren als Zeugin zur Verfügung. Objektive Tatspuren oder sonst unmittelbare Beweismittel fehlen. All dies schlieût zwar nicht von vornherein und von Rechts wegen aus, auch auf solcher Grundlage eine Überzeugung von der Täterschaft gewinnen zu können. Allerdings sind strenge Anforderungen an die Tragfähigkeit einer zur Verurteilung führenden Beweiswürdigung zu stellen. Das ergibt sich bereits daraus, daû der Tatrichter hier die Glaubwürdigkeit der unmittelbaren Beweisperson und die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben nicht originär, sondern nur vermittelt
über Berichte anderer beurteilen kann. Eine Befragung gezielt im Blick auf die Tatvorwürfe war ebensowenig möglich wie eine etwaige Glaubwürdigkeitsbegutachtung. Nicht einmal im Ermittlungsverfahren konnte eine Vernehmung der einzigen unmittelbaren Belastungszeugin konkret zu der gegen den Angeklagten erhobenen Beschuldigung erfolgen, deren Ziel es naheliegenderweise auch gewesen wäre, weitere Anhaltspunkte für eine Überprüfung des Wahrheitsgehalts der strafrechtlich erheblichen Vorwürfe zu gewinnen. Das Fehlen jeglicher strafverfahrensbezogenen, mit einer Belehrung verbundenen und unter Wahrheitspflicht (vgl. §§ 153, 164 StGB) erfolgten Vernehmung K. Kö. s berührt die Tragfähigkeit der Tatsachengrundlage für eine etwaige Verurteilung hier um so mehr, als die Sachverständigen, denen das Landgericht auch insoweit folgt, hervorgehoben haben, daû K. Kö. die Übernahme förmlicher Verantwortung für ihre Vorwürfe durch Erstattung einer Strafanzeige vermieden habe und daû die “Validität”, also der Wahrheitsgehalt ihrer Äuûerungen in den stationären Therapien nicht hinreichend geprüft worden sei; diese hätten in erster Linie die Minderung ihres subjektiven Leidensdrucks bezweckt. Die Strafkammer hat überdies festgestellt, daû es zwischen K. Kö. und dem Angeklagten auch nach dem angenommenen Tatzeitraum wiederholt zu heftigem Streit im häuslichen Bereich gekommen war. Darüber hinaus waren aus den genannten Gründen die Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten in hohem Maûe eingeschränkt; auch er und sein Verteidiger vermochten K. Kö. nicht zu befragen. Unter all diesen Umständen war der Beweiswert der Äuûerungen K. Kö. s von vornherein erheblich gemindert (vgl. dazu auch BGHSt 46, 93, 103).
c) Den danach an die Beweiswürdigung zu stellenden strengen Anforderungen ist das Landgericht gerecht geworden. Es hat die Anforderungen an seine Überzeugungsbildung indessen auch nicht überspannt. Seine Beweis-
würdigung leidet schlieûlich nicht unter einem durchgreifenden Erörterungsmangel. aa) Die Beschwerdeführerin meint, die Urteilsfeststellungen seien "unzureichend" ; die Strafkammer habe die Zeugenaussagen nur teilweise wiedergegeben. Belastende Bekundungen der Zeuginnen St. und I. Kö. fänden sich nicht im Urteil und die Strafkammer setze sich nicht mit ihnen auseinander. Die Beanstandung greift nicht durch. Die Strafkammer hat den für sie überzeugungskräftig feststellbaren Sachverhalt in den Urteilsgründen dargestellt (UA S. 6 bis 20 unter II.). Im Zusammenhang mit der folgenden Beweiswürdigung (UA S. 21 ff. unter III.) ergibt sich ohne weiteres, auf welche Beweismittel sich die Kammer dabei stützt. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin kann keine Rede davon sein, daû Feststellungen und die Wiedergabe der Zeugenaussagen "undurchschaubar ineinander übergingen". Eine vollständige Dokumentation aller Zeugenaussagen in den Urteilsgründen würde im übrigen deren Zweck verfehlen (vgl. nur BGH NStZ 1998, 51). Der Hinweis auf das Fehlen einer Auseinandersetzung mit im Urteil nicht erwähnten belastenden Angaben, die auch die Revision nicht näher darlegt, geht ins Leere. Der sachlich-rechtlichen Überprüfung ist allein das zugrundezulegen, was sich aus dem Urteil selbst ergibt. bb) Der Revision ist allerdings einzuräumen, daû eine ausdrückliche Erörterung der Bedeutung des Hinweises auf einen stattgefundenen sexuellen Miûbrauch, der sich aus den kurzen Abschiedszeilen ergibt, welche K. Kö. vor ihrer Selbsttötung geschrieben hat, in der Beweiswürdigung fehlt. Das erweist sich unter den im übrigen gegebenen Umständen jedoch nicht als Beweiswürdigungslücke.
Die in Rede stehenden Zeilen waren im Blick auf die Tatvorwürfe ersichtlich von geringem Aussagegehalt. Sie bleiben inhaltlich noch hinter dem zurück, was K. Kö. anderen erzählt hatte; sie lauten: “Ich fühle mich wie ein Zombie, wie eine lebendige Tote. Schon zu lange. Miûbrauch - es zerfriût mich von innen wie ein tödliches Krebsgeschwür. Es tut mir so leid. Ich habe euch so lieb. Ihr habt alle versucht mir zu helfen." Diese Empfindungen stehen ohne weiteres mit der These im Einklang, daû K. Kö. lediglich glaubte, als Kind sexuell von ihrem Vater miûbraucht worden zu sein. Ein gegenläufiger Erkenntnisgewinn von Gewicht läût sich aus ihnen ersichtlich nicht ziehen. Es erscheint ausgeschlossen, daû die ausdrückliche Einbeziehung des Inhalts dieser Abschiedszeilen in die Gesamtschau aller Beweisumstände die Zweifel der Strafkammer hätte ausräumen und gar eine tragfähige Grundlage für eine Verurteilung hätte mitbegründen können. cc) Die Strafkammer hat sich nicht etwa auf einen nicht bestehenden allgemein-gültigen Erfahrungssatz gestützt. Soweit die Kammer bei ihrer Beweiswürdigung erwähnt, daû Bruder und Mutter von K. Kö. trotz der Vielzahl der Fälle und der Hellhörigkeit des Hauses über Jahre hinweg nichts aufgefallen sei, daû K. Kö. im Sommer 1988 allein mit dem Angeklagten zurück an den Urlaubsort nach Jugoslawien fuhr und ohne Probleme schon früh sexuelle Beziehungen zu Männern unterhielt, bezieht sie in ihre Würdigung einzelne Umstände ein, die zumal in der Summe mit weiteren Tatsachen und in der Gesamtschau ihre Zweifel an der Richtigkeit der Tatvorwürfe begründeten. Damit hat sie entgegen der Auffassung der Revision nicht etwa allgemein -gültige Erfahrungssätze zugrundegelegt, die keine Ausnahme zulassen und schlechthin zwingende Folgerungen ergeben. Vielmehr handelt es sich um auf Erfahrung beruhende Einsichten, die nur Wahrscheinlichkeitsbewertungen ermöglichen, welche die zu beweisende Tatsache also wahrscheinlicher oder
unwahrscheinlicher machen, die der Richter aber erst anhand weiterer Beweisanzeichen prüfen und in die Gesamtbewertung der Beweise einstellen muû (vgl. BGHSt 31, 86, 89 f.; Kleinknecht/Meyer-Goûner, StPO 45. Aufl. § 337 Rdn. 31). Daû die genannten Umstände hier möglicherweise auch anders hätten bewertet werden können, erweist sich deshalb nicht als rechtlicher Mangel der Beweiswürdigung. dd) Die Beschwerdeführerin rügt vergebens die Einholung eines aussagepsychologischen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. F. . Sie meint, die Beweiswürdigung sei Aufgabe des Tatrichters, der sich nur in Ausnahmefällen eines Sachverständigen bedienen dürfe. Damit will sie erkennbar darauf hinaus, daû der Tatrichter ihres Erachtens seine Verantwortung für die Urteilsfindung auf den Sachverständigen abgeschoben habe. Zudem sei es hier unmöglich, so die Revision weiter, aufgrund der Aussagen "aus zweiter Hand" ein Gutachten über die Glaubhaftigkeit der Angaben einer nicht mehr lebenden Zeugin zu erstellen. Diese Sicht ist von Rechtsirrtum bestimmt. Die Beschwerdeführerin verkennt , daû es gerade dann, wenn wie im vorliegenden Falle die Beweiswürdigung schwierig ist und die maûgebliche Auskunftsperson Fragen aus dem Bereich der Aussagepsychologie und der Jugendpsychiatrie aufwirft, die Pflicht des Tatrichters sein kann (vgl. § 244 Abs. 2 StPO), sich sachverständig beraten zu lassen. Das gilt auch dann, wenn die betreffende Auskunftsperson selbst weder für eine unmittelbare Aussage noch für eine Exploration oder Untersuchung zur Verfügung steht. Daû die tatsächliche Grundlage für Anknüpfungen dann möglicherweise eher schmal ist, schlieût die Einholung sachverständigen Rates nicht aus. Es ist Sache des Sachverständigen, mit zu beurteilen , ob die gegebene Anknüpfungsgrundlage für eine Bewertung ausreicht und
wie verläûlich und aussagekräftig diese sein kann. Die Beschwerdeführerin erkennt in diesem Zusammenhang jedoch zutreffend, daû die Besonderheiten dieses Verfahrens Schwierigkeiten für die Beurteilung der Äuûerungen K. Kö. s gegenüber Dritten begründeten. Das gilt indessen auch und gerade für den Tatrichter. Diesem dann aber verfahrensrechtlich vorwerfen zu wollen, daû er sich für seine Überzeugungsbildung auch des Rates zweier Sachverständiger versichert hat, führt ins Abseits. Das Landgericht hat seine Pflicht zur eigenen Überzeugungsbildung schlieûlich nicht auf den aussagepsychologischen Sachverständigen verschoben , sondern dessen Gutachten bei der gebotenen umfassenden Bewertung der Indiztatsachen lediglich unterstützend herangezogen. Es hat zunächst die Gründe seiner Zweifel am objektiven Wahrheitsgehalt der Darstellungen K. Kö. s begründet und erst im Anschluû hervorgehoben, daû diese durch die eingeholten Gutachten "verstärkt und bestätigt" würden (UA S. 25; siehe auch UA S. 37 unten). ee) Die weiteren Einwände der Beschwerdeführerin erweisen sich in der Sache lediglich als unerhebliche Angriffe auf die tatrichterliche Beweiswürdigung. Damit wird nur der Versuch einer abweichenden Bewertung unternommen , der einer Revision nicht zum Erfolg zu verhelfen vermag.
d) Abschlieûend bemerkt der Senat, daû der Bestand des freisprechenden Urteils hier auch nicht durch die fehlende ausdrückliche Gesamtschau aller be- und entlastenden Beweisanzeichen gefährdet wird. Die Strafkammer hat die für eine Täterschaft des Angeklagten sprechenden Tatsachen festgestellt und in ihrer Beweiswürdigung vornehmlich die Gründe für ihre Zweifel daran dargestellt. Es kann ausgeschlossen werden, daû ihr dabei die belastenden Umstände aus dem Blick geraten sein könnten. Schäfer Nack Wahl Schluckebier Kolz
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(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, - 2.
ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt, - 3.
ein Kind für eine Tat nach Nummer 1 oder Nummer 2 anbietet oder nachzuweisen verspricht.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 1 kann das Gericht von Strafe nach dieser Vorschrift absehen, wenn zwischen Täter und Kind die sexuelle Handlung einvernehmlich erfolgt und der Unterschied sowohl im Alter als auch im Entwicklungsstand oder Reifegrad gering ist, es sei denn, der Täter nutzt die fehlende Fähigkeit des Kindes zur sexuellen Selbstbestimmung aus.
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.
Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer in gleicher Absicht bei einer der in Absatz 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen.
(3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren wird bestraft, wer die falsche Verdächtigung begeht, um eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach § 46b dieses Gesetzes, § 31 des Betäubungsmittelgesetzes oder § 4a des Anti-Doping-Gesetzes zu erlangen. In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.