Bundesgerichtshof Urteil, 21. Sept. 2011 - 1 StR 95/11

bei uns veröffentlicht am21.09.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 95/11
vom
21. September 2011
in der Strafsache
gegen
wegen vorsätzlicher Brandstiftung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 21. September
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Rothfuß,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Erste Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte - in der Verhandlung - ,
Justizangestellte - bei der Verkündung -
als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Amberg vom 26. Oktober 2010 aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Brandstiftung in Tateinheit mit Versicherungsmissbrauch zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft strebt mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision eine Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung an. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung des Urteils, allerdings nicht aus dem von der Staatsanwaltschaft geltend gemachten Rechtsgrund (nachfolgend unter II. 1.), sondern weil die Strafkammer ihre umfassende Kognitionspflicht verletzt hat (nachfolgend unter II. 2.).

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts kauften der Angeklagte und seine Ehefrau im Jahr 2000 ein Haus in U. , das sie nach einem Umbau ab dem Jahr 2003 bewohnten. Das Haus in V. , das sie bis dahin bewohnt hatten, sollte für 1,4 Millionen € verkauft werden. Die Verkaufsbemühungen erwiesen sich jedoch als erfolglos. Die Eheleute unterhielten deshalb zunächst zwei Wohnsitze, wobei sie hauptsächlich in ihrem neuen Haus in U. wohnten. Ab dem Jahr 2009 gaben sie schließlich ihren Wohnsitz in V. auf. Sie hielten sich dort nur noch selten auf. Bei ihren Besuchen sahen sie nach dem Rechten. Außerdem kümmerten sie sich um die Gartenpflege, die Hausreinigung und die erforderlichen Instandhaltungsarbeiten , da das noch immer möblierte Haus wegen des beabsichtigten Verkaufs in einem „Vorzeigezustand“ erhalten bleiben sollte. Im Rahmenihrer Aufenthalte in V. kam es vereinzelt auch zu Übernachtungen. So übernachteten der Angeklagte und seine Ehefrau im Mai, Juni und Juli 2009 jeweils einmal dort. Im März, April und August 2009 gab es dagegen keine Übernachtung.
3
Da die monatlichen finanziellen Aufwendungen (Kreditzinsen, Unterhaltungs - und Betriebskosten) für die beiden Häuser die Einkünfte des Angeklagten und seiner Ehefrau aus ihren Renten bei Weitem überstiegen, entschloss sich der Angeklagte, das Haus in V. in Brand zu setzen, um anschließend Leistungen aus der Brandversicherung zu erhalten. Seine Ehefrau wusste hiervon nichts. Am 31. August 2009 zündete er im Keller des Hauses, in dem sich außer ihm keine weiteren Personen befanden, u.a. mehrere Federkernmatratzen an. Das Feuer griff über die hölzerne Außenfassade auf den Dachstuhl über. Ein im Dachgeschoss befindliches Schlafzimmer brannte vollständig aus. Durch die Brand- und Rußeinwirkung entstanden im Keller- und Dachgeschoss Schäden in Höhe von mindestens 200.000 €.
4
Mit Schreiben vom 2. September 2009 meldete der Angeklagte das Brandereignis seiner Versicherung. Am 23. Dezember 2009 wendete er sich mit einem weiteren Schreiben an diese.
5
2. Das Landgericht hat eine besonders schwere Brandstiftung gemäß § 306b Abs. 2 Nr. 2, § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB verneint. Das in Brand gesetzte Haus habe zur Tatzeit nicht mehr der Wohnung von Menschen gedient. Die gelegentlichen Aufenthalte des Angeklagten und seiner Frau dort hätten nicht zu einer Verlagerung ihres persönlichen Lebensmittelpunktes geführt. Das Landgericht ist deshalb davon ausgegangen, dass der Angeklagte lediglich den Tatbestand der - einfachen - vorsätzlichen Brandstiftung verwirklicht habe. Tateinheitlich hierzu habe der Angeklagte einen Versicherungsmissbrauch (§ 265 StGB) begangen, weil er in der Absicht gehandelt habe, durch die Inbrandsetzung Versicherungsleistungen von der Brandversicherung in Anspruch nehmen zu können. Mit der Frage, ob der Angeklagte möglicherweise tatmehrheitlich (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 213 mwN) einen versuchten Betrug begangen haben könnte, hat sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt.

II.


6
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist im Ergebnis begründet.
7
1. Soweit die Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel jedoch das Ziel verfolgt, eine Verurteilung des Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung zu erreichen, hat ihr Rechtsmittel keinen Erfolg. Die Bewertung des Landgerichts, wonach der Qualifikationstatbestand der besonders schweren Brandstiftung vorliegend nicht erfüllt ist, weist keinen Rechtsfehler auf.
8
a) Eine Verurteilung wegen besonders schwerer Brandstiftung setzt das Vorliegen einer Haupttat nach § 306a StGB voraus. In Betracht kommt vorliegend allein eine Tat nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Tatvariante des Inbrandsetzens eines Gebäudes, das zur Tatzeit der Wohnung von Menschen dient. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes geht das Landgericht zutreffend davon aus, dass diese Tatbestandsalternative nur dann verwirklicht ist, wenn das Gebäude von seinen Bewohnern zumindest vorübergehend tatsächlich als Mittelpunkt ihrer (privaten) Lebensführung zu Wohnzwecken genutzt wird (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - 3 StR 54/07 mwN). Ob dies der Fall ist, bestimmt sich nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 20. November 1961 - 2 StR 521/61, BGHSt 16, 394, 396; BGH, Urteil vom 24. April 1975 - 4 StR 120/75, BGHSt 26, 121, 122; BGH, Beschluss vom 29. Oktober 2004 - 2 StR 381/04, BGHR StGB § 306a Abs. 1 Nr. 1 Wohnung 4). Indizien für eine Wohnnutzung können hierbei neben der Gebrauchsdauer z.B. das regelmäßige Übernachten (BGH, Beschluss vom 23. November 1993 - 1 StR 742/93, BGHR StGB § 306 Nr. 2 Wohnung 10 mwN) und Zubereiten von Speisen sowie die postalische Erreichbarkeit sein (SSW-Wolters, StGB, § 306a Rn. 7).

9
b) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat sich das Landgericht nicht davon überzeugen können, dass das von dem Angeklagten in Brand gesetzte Haus in V. zur Tatzeit noch der Wohnung von Menschen diente. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
10
Die Aufgabe, sich auf der Grundlage der vorhandenen Beweismittel eine Überzeugung vom tatsächlichen Geschehen zu verschaffen, obliegt grundsätzlich allein dem Tatrichter. Seine Beweiswürdigung hat das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Es ist ihm verwehrt, sie durch eine eigene zu ersetzen oder sie etwa nur deshalb zu beanstanden, weil aus seiner Sicht eine andere Bewertung der Beweise näher gelegen hätte. Kann der Tatrichter vorhandene Zweifel nicht überwinden, so kann das Revisionsgericht eine solche Entscheidung nur im Hinblick auf Rechtsfehler überprüfen, insbesondere darauf, ob die Beweiswürdigung in sich widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, die Beweismittel nicht ausschöpft, Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze aufweist oder ob der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10. August 2011 - 1 StR 114/11; BGH, Urteil vom 1. Juni 2011 - 2 StR 90/11 jew. mwN). Solche Rechtsfehler liegen hier nicht vor.
11
aa) Das Revisionsvorbringen der Staatsanwaltschaft erschöpft sich in dem unzulässigen Versuch, die tatrichterliche Beweiswürdigung durch eine eigene zu ersetzen.
12
bb) Die Beweiswürdigung ist auch nicht lückenhaft. Das Landgericht hat sich in den Urteilsgründen mit allen Umständen auseinandergesetzt, die für eine Wohnnutzung des in Brand gesetzten Gebäudes zur Tatzeit sprechen könnten. Dabei hat es, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, insbesondere nicht außer Acht gelassen, dass es bis zu der Tat zu gelegentlichen Aufenthalten - einschließlich vereinzelter Übernachtungen - des Angeklagten und seiner Frau in dem Haus gekommen war. Weiterhin hat es bei seiner Beweiswürdigung auch berücksichtigt, dass das Haus bis zum Brand „fast“ vollständig möbliert und dass der Pool beheiztwar. Dennoch hat es sich keine Überzeugung von einer Wohnnutzung verschaffen können. Zur Begründung hat es entscheidend darauf abgestellt, dass der Angeklagte und seine Ehefrau nicht mehr regelmäßig in dem Haus in V. übernachteten und sich dort, wie sich aus den im Urteil mitgeteilten Angaben der Ehefrau in der Hauptverhandlung ergibt, nur noch deshalb aufhielten, um es wegen des beabsichtigten Verkaufs sauber zu halten und um die Gartenpflege zu bewerkstelligen. Selbst die Nachbarn und der Polizeibeamte, der am Tag nach dem Brand den Tatort untersuchte, hielten das Haus für unbewohnt. Angesichts dieser Umstände ist die Annahme des Landgerichts, dass es sich bei dem Haus in V. nicht (mehr) um den Lebensmittelpunkt des Angeklagten und seiner Ehefrau handelte, eine nahe liegende Schlussfolgerung, die revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
13
Das Landgericht musste sich in diesem Zusammenhang auch nicht mit der Frage auseinandersetzen, wie oft sich der Angeklagte und seine Ehefrau in dem Haus aufhielten, ohne dort zu übernachten. Da Wohnen mehr ist als sich nur Aufhalten (S/S-Heine, StGB, 28. Aufl., § 306a Rn. 5), kann selbst eine Vielzahl von Besuchen in einem Gebäude, die ausschließlich der Vornahme von Instandhaltungsarbeiten, der Hausreinigung oder der Gartenpflege dienen, nicht zur Begründung eines - auch nur vorübergehenden - räumlichen Lebensmittelpunktes führen.
14
2. Auch wenn die Bewertung des Landgerichts, der Angeklagte habe vorliegend - nur - den Tatbestand einer (einfachen) vorsätzlichen Brandstiftung verwirklicht, nicht rechtsfehlerhaft ist, kann das Urteil im Ergebnis gleichwohl keinen Bestand haben, weil das Landgericht seiner umfassenden Kognitionspflicht nicht genügt hat. Das Sachurteil muss den durch die zugelassene Anklage abgegrenzten Prozessstoff erschöpfen; der einheitliche geschichtliche Lebensvorgang , der den Gegenstand der Untersuchung bildet, muss vollständig abgeurteilt werden (BGH, Urteile vom 9. August 2011 - 1 StR 194/11 und vom 28. November 1995 - 1 StR 558/95 jew. mwN). Dies ist hier nicht geschehen.
15
a) Das Landgericht hätte sich nicht damit begnügen dürfen, lediglich eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen eines - tateinheitlich neben der Brandstiftung begangenen - Versicherungsmissbrauchs zu bejahen. Es hätte vielmehr erörtern müssen, ob sich der Angeklagte stattdessen möglicherweise wegen versuchten Betruges zum Nachteil der Versicherung schuldig gemacht hat. Eine solche Tat würde zur Brandstiftung nicht nur in Tatmehrheit stehen (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211, 213 mwN), sondern ließe auch die tateinheitliche Verurteilung wegen Versicherungsmissbrauchs aufgrund der in § 265 Abs. 1 StPO enthaltenen Subsidiaritätsklausel entfallen (vgl. Sackreuther in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 1. Aufl. 2011, StGB § 265 Rn. 32 f. mwN).
16
Eine Strafbarkeit wegen versuchten Betruges kommt hier nach den Feststellungen schon deshalb in Betracht, weil der Angeklagte nicht nur bei der Brandlegung bereits in der Absicht handelte, Versicherungsleistungen zu erlangen , um seine desolate finanzielle Situation zu verbessern, sondern weil er sich nach der Brandstiftung auch mit zwei Schreiben an die Brandversicherung wandte, was die Strafkammer als einen Beleg für ein Handeln des Angeklagten aus rein finanziellen Gründen wertet. Ob diese beiden Schreiben lediglich der Vorbereitung des Betruges dienten oder schon ein unmittelbares Ansetzen zum Betrugsversuch darstellten (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211), von dem der Angeklagte möglicherweise in der Folgezeit freiwillig zurückgetreten ist, kann der Senat anhand der vom Landgericht getroffenen und insoweit lückenhaften Feststellungen nicht überprüfen. So wird hinsichtlich des ersten Schreibens lediglich mitgeteilt, dass der Angeklagte das „Brandereignis“ seiner Versicherung gemeldet habe. Der Inhalt des zweiten Schreibens wird überhaupt nicht dargelegt. Diesen Feststellungen kann somit nicht entnommen werden, ob der Angeklagte bereits Täuschungshandlungen gegenüber der Versicherung unternommen hat, um an die von ihm erstrebten Versicherungsleistungen zu gelangen. Auch ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht, warum dies letztlich gescheitert ist.
17
b) Einer Verurteilung wegen versuchten Betruges stünde vorliegend auch nicht das Verfahrenshindernis einer unwirksamen Anklage entgegen.
18
Zwar finden sich in der - unverändert zugelassenen - Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Amberg vom 30. März 2010 keine näheren Angaben zu einer versuchten Täuschung der Versicherung. Im Rahmen der rechtlichen Wür- digung wird lediglich ausgeführt, dass „von einem mitverwirklichten Versicherungsmissbrauch (§ 265 StGB) auszugehen“ sei, weil „bislang keine Ansprüche gegen die Brandversicherung erhoben wurden.“ Die fehlenden Angaben zu einem versuchten Betrug des Angeklagten zum Nachteil seiner Brandversicherung haben gleichwohl nicht zur Folge, dass diese nicht Gegenstand der Anklage wären und die Untersuchung sich nicht auf sie hätte erstrecken dürfen; denn sie bilden mit der Brandstiftung, die der Angeklagte - wie hier - zum Zweck der Täuschung der Versicherung vorgenommen hat, eine Tat im prozessualen Sinn (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211,

212).


19
3. Die Verurteilung wegen vorsätzlicher Brandstiftung in Tateinheit mit Versicherungsmissbrauch war wegen der Verletzung der Kognitionspflicht aufzuheben. Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können jedoch bestehen bleiben, denn sie sind von dem dargelegten Rechtsfehler nicht betroffen. Der neue Tatrichter wird weitere ergänzende Feststellungen, insbesondere zu einer Strafbarkeit des Angeklagten wegen versuchten Betruges und zur Frage eines Rücktritts, zu treffen haben, soweit diese nicht zu den bisherigen in Widerspruch stehen.
20
4. Der Senat weist vorsorglich daraufhin, dass der vom Landgericht bei der Strafzumessung als Strafmilderungsgrund berücksichtigte Umstand, dass der Angeklagte „infolge der Tat einen hohen Eigenschaden erlitten“ hat, „den er nicht durch eine Versicherungsleistung wird kompensieren können“, keine ge- ringere Strafe rechtfertigt, da der Angeklagte diese typischen und für ihn vorhersehbaren Auswirkungen der Tat in vorwerfbarer Weise selbst herbeigeführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2005 - 2 StR 168/05, BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 40). Nack Rothfuß Elf Graf Sander

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(1) Wer fremde 1. Gebäude oder Hütten,2. Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen,3. Warenlager oder -vorräte,4. Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge,5. Wälder, Heiden oder Moore oder6. land-, ernährungs- o

Strafgesetzbuch - StGB | § 306a Schwere Brandstiftung


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer 1. ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,2. eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder3.

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(1) Wer durch eine Brandstiftung nach § 306 oder § 306a eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

Strafgesetzbuch - StGB | § 265 Versicherungsmißbrauch


(1) Wer eine gegen Untergang, Beschädigung, Beeinträchtigung der Brauchbarkeit, Verlust oder Diebstahl versicherte Sache beschädigt, zerstört, in ihrer Brauchbarkeit beeinträchtigt, beiseite schafft oder einem anderen überläßt, um sich oder einem Dri

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 505/16 vom 7. März 2017 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen versuchten Mordes u.a. hier: Revisionen der Angeklagten N. , D. und B. ECLI:DE:BGH:2017:070317B3STR505.16.0 Der 3. Strafsenat des Bunde

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(1) Wer durch eine Brandstiftung nach § 306 oder § 306a eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter in den Fällen des § 306a

1.
einen anderen Menschen durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt,
2.
in der Absicht handelt, eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken oder
3.
das Löschen des Brandes verhindert oder erschwert.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,
2.
eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder
3.
eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen,
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Wer eine gegen Untergang, Beschädigung, Beeinträchtigung der Brauchbarkeit, Verlust oder Diebstahl versicherte Sache beschädigt, zerstört, in ihrer Brauchbarkeit beeinträchtigt, beiseite schafft oder einem anderen überläßt, um sich oder einem Dritten Leistungen aus der Versicherung zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 263 mit Strafe bedroht ist.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,
2.
eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder
3.
eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen,
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Wer fremde

1.
Gebäude oder Hütten,
2.
Betriebsstätten oder technische Einrichtungen, namentlich Maschinen,
3.
Warenlager oder -vorräte,
4.
Kraftfahrzeuge, Schienen-, Luft- oder Wasserfahrzeuge,
5.
Wälder, Heiden oder Moore oder
6.
land-, ernährungs- oder forstwirtschaftliche Anlagen oder Erzeugnisse
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört, wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
ein Gebäude, ein Schiff, eine Hütte oder eine andere Räumlichkeit, die der Wohnung von Menschen dient,
2.
eine Kirche oder ein anderes der Religionsausübung dienendes Gebäude oder
3.
eine Räumlichkeit, die zeitweise dem Aufenthalt von Menschen dient, zu einer Zeit, in der Menschen sich dort aufzuhalten pflegen,
in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört.

(2) Ebenso wird bestraft, wer eine in § 306 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 bezeichnete Sache in Brand setzt oder durch eine Brandlegung ganz oder teilweise zerstört und dadurch einen anderen Menschen in die Gefahr einer Gesundheitsschädigung bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 114/11
vom
10. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 10. August
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Sander,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin
als Verteidigerin,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerin,
die Nebenklägerin persönlich,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 27. Oktober 2010 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf der sexuellen Nötigung u.a. aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Revision der Nebenklägerin. Diese hat mit der Sachrüge Erfolg, da die Beweiswürdigung des Landgerichts rechtsfehlerhaft ist. Eines näheren Eingehens auf die zusätzlich erhobenen Aufklärungsrügen bedarf es somit nicht.

I.


2
1. In der (im Wesentlichen auf den Angaben der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren beruhenden) unverändert zugelassenen Anklage der Staatsanwaltschaft Konstanz vom 12. Juli 2010 ist dem Angeklagten zur Last gelegt worden, dass er bei der Behandlung der Nebenklägerin in mindestens acht Fällen gegen deren Willen aus sexuellen Gründen mit seinem Finger in deren Vaginalbereich eingedrungen sei. Der Angeklagte hat die Vorwürfe bestritten. Das Landgericht hat sich nicht von seiner Schuld zu überzeugen vermocht. Hinsichtlich des Sachverhalts konnte es lediglich folgende Feststellungen treffen:
3
In der Zeit von August bis November 2009 begab sich die damals 18 Jahre alte Nebenklägerin wegen ihres Heuschnupfens mindestens fünf Mal in die Behandlung des als Heilpraktiker tätigen Angeklagten. Dieser war ihr persönlich bekannt, da sie bei dessen Tochter eine Ausbildung zur Kosmetikerin absolvierte. Zur Behandlung des Heuschnupfens führte der Angeklagte bei der Nebenklägerin jeweils zunächst eine Eigenblutbehandlung durch, bei der er ihr das zuvor entnommene Blut in ihren Gesäßmuskel spritzte und die Einstichstelle mit einer schmerzstillenden Salbe massierte. Anschließend nahm er noch eine Lymphdrainage vor, bei der er die Lymphknoten mit einem Massagegerät abtastete.
4
Mitte bzw. Ende November 2009 kam es wegen häufiger Krankmeldungen zu einem Streit zwischen der Nebenklägerin und ihrer Arbeitgeberin, der Tochter des Angeklagten, woraufhin die Nebenklägerin ihren Ausbildungsplatz vorzeitig kündigte.
5
In einem Brief vom 13. Januar 2010 schrieb der Angeklagte der Nebenklägerin Folgendes: „Meine Liebe Jenni. Beginnend möchte ich dich bitten, dass dieser Brief nur uns beide betrifft !!!! Es tut mir sehr leid, dass ich dich nicht mehr hier haben kann. (…) Ich hoffe, dass die Zuneigung zu dir nicht der Grund deiner Kündi- gung gewesen ist. (…) Bitte (…) mach keine trotz Aktionen mit der A. (…). Ich grüße und küsse dich herzlich, bitte melde dich. PS: Wenn du mir schreiben willst, dann schreibe als Absender Apotheke R. “.
6
Dieser Brief veranlasste die Nebenklägerin, zur Polizei zu gehen und gegen den Angeklagten Anzeige zu erstatten.
7
2. Zur Begründung des Freispruchs hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:
8
Die Nebenklägerin und die Zeugin G. , die einen (von der Staats- anwaltschaft nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellten) „vergleichbaren Vorfall“ wie die Nebenklägerin geschildert habe, hätten auf die Strafkammer zwar „keinen unglaubwürdigen Eindruck“ gemacht. Dennoch seien Zweifel an der Glaubhaf- tigkeit der Aussagen der beiden miteinander bekannten Zeuginnen verblieben. So habe es in der Aussage der Nebenklägerin „Unsicherheiten bzw. Abweichungen zu ihren polizeilichen Angaben, die auch den Kernbereich der Tatvor- würfe betreffen“, gegeben. Außerdem hätten beide Zeuginnen ein Belastungs- motiv, da sie beide mit der Tochter des Angeklagten Streit gehabt hätten.

II.


9
Das freisprechende Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
10
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20).
11
Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich somit darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgeht, etwa hinsichtlich des Umfangs und der Bedeutung des Zweifelssatzes , wenn sie lückenhaft ist, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 und 9. März 2011 - 2 StR 467/10 mwN). Insbesondere ist die Beweiswürdigung auch dann rechtsfehlerhaft, wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20, sowie BGH, Urteil vom 21. November 2006 - 1 StR 392/06) oder sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, dass die einzelnen Beweisergebnisse in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 mwN).

12
2. Diesen Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung wird das angefochtene Urteil in mehrfacher Hinsicht nicht gerecht.
13
a) Die Beweiswürdigung ist bereits deshalb rechtsfehlerhaft, weil es an einer geschlossenen Darstellung der Aussagen der Nebenklägerin und der Zeugin G. fehlt.
14
Zwar ist der Tatrichter grundsätzlich nicht gehalten, im Urteil Zeugenaussagen in allen Einzelheiten wiederzugeben. In Fällen, in denen - wie hier - Aussage gegen Aussage steht, muss aber der entscheidende Teil einer Aussage in das Urteil aufgenommen werden, da dem Revisionsgericht ohne Kenntnis des wesentlichen Aussageinhalts ansonsten die sachlich-rechtliche Überprüfung der Beweiswürdigung nach den oben aufgezeigten Maßstäben verwehrt ist.
15
aa) Die Darstellung der Aussagen der Nebenklägerin bei der Polizei und in der Hauptverhandlung beschränkt sich auf die Wiedergabe und Bewertung einzelner aus dem Gesamtzusammenhang der Aussage gerissener Angaben, die das Landgericht als „Unsicherheiten bzw. Abweichungen“ bezeichnet, „die auch den Kernbereich der Tatvorwürfe betreffen“. Die Bekundungen der Ne- benklägerin zu den von ihr erhobenen Vergewaltigungsvorwürfen, insbesondere konkrete Details zum unmittelbaren Tatgeschehen, werden dagegen nicht mitgeteilt. Auch ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, ob die Nebenklägerin die vom Landgericht aufgezeigten Widersprüche im Aussageinhalt nachvollziehbar erklären konnte oder nicht. Auf dieser Grundlage kann der Senat schon nicht hinreichend überprüfen, ob das Landgericht eine fachgerechte Analyse der - im Urteil nicht weiter mitgeteilten - Aussage der Nebenklägerin zum Kern- geschehen vorgenommen und die dabei von ihr aufgezeigten „Unsicherheiten bzw. Abweichungen“ zutreffend gewichtet hat (zur Gewichtung von Aussage- konstanz und Widerspruchsfreiheit vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1997 - 4 StR 526/96).
16
bb) Eine zusammenhängende Schilderung der von der Zeugin G. gegen den Angeklagten erhobenen Vorwürfe ist den Urteilsgründen ebenfalls nicht zu entnehmen. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil beschränken sich auf den Hinweis, die Zeugin habe einen „vergleichbaren Vorfall“ geschildert. Weitere Einzelheiten der Aussage werden nicht mitgeteilt. Der Senat kann daher auch in Bezug auf die Aussage der Zeugin G. nicht überprüfen, ob das Landgericht die für die Glaubhaftigkeitsbeurteilung wesentlichen Umstände erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat, zumal das Landgericht seine Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin G. mit einem Streit zwischen ihr und der Tochter des Angeklagten begründet hat, ohne hierüber nähere Einzelheiten, z.B. zur Ursache, zum genauen Zeitpunkt, zum Verlauf oder zur Intensität des Streits, mitzuteilen.
17
b) Das Landgericht hat seine Zweifel an der Schuld des Angeklagten wesentlich auf „Abweichungen bzw. Unsicherheiten“ in der Aussage der Ne- benklägerin gestützt. So habe die Nebenklägerin unterschiedliche Angaben zum erstmaligen Einsatz eines Massagestabes - bei der ersten bzw. bei der zweiten Behandlung durch den Angeklagten - gemacht. Auch habe sie sich an die Anzahl der Behandlungstermine nur noch „grob“ erinnern können; zunächst habe sie von vier bis fünf, später dann von fünf bis acht Terminen gesprochen. Bei der Bewertung dieser ungenauen Gedächtnisleistungen der Nebenklägerin hätte sich das Landgericht mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob diese derart schwerwiegend sind, dass sie Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt der Aussage erlauben. Denn nicht jede Inkonstanz stellt bereits einen Hinweis auf eine mangelnde Glaubhaftigkeit der Angaben insgesamt dar (BGH, Urteil vom 30. Juli 1999 - 1 StR 618/98, BGHSt 45, 164, 172). Das Landgericht lässt dabei zudem auch die Einlassung des Angeklagten außer Acht, die in diesem Zusammenhang nicht wesentlich von den Angaben der Nebenklägerin abweicht. So hat der Angeklagte nicht nur angegeben, dass er die Nebenklägerin fünfmal in seiner Praxis behandelt habe, sondern auch, dass er dabei regelmäßig das Massagegerät eingesetzt habe.
18
c) Aus dem Brief vom 13. Januar 2010, den der Angeklagte an die Nebenklägerin geschrieben hat und der letztlich nach den Feststellungen der Aus- löser für ihre Strafanzeige gewesen ist, konnte das Landgericht keine „zwingenden Schlüsse“ hinsichtlich der Tatvorwürfe ziehen. Diese Formulierung lässt besorgen, dass das Landgericht die Anforderungen, die an die richterliche Überzeugung von der Schuld des Angeklagten zu stellen sind, überspannt hat. Voraussetzung für die Überzeugung des Tatrichters von einem bestimmten Sachverhalt ist nicht eine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende Gewissheit. Vielmehr genügt ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2003 - 5 StR 358/03 mwN).
19
d) Bei der Bewertung des Briefes vom 13. Januar 2010 hat sich das Landgericht zudem lediglich mit den Textstellen auseinandergesetzt, in denen der Angeklagte von seiner Zuneigung zu der Nebenklägerin spricht, sie auffordert , Trotzreaktionen zu unterlassen, und sie bittet, bei Schreiben an ihn einen falschen Absender anzugeben. Dagegen bleibt die für ein Schreiben eines Therapeuten an seine Patientin ungewöhnliche Grußformel „ich küsse dich herzlich“ unerörtert. Für eine Erörterung auch dieser Textstelle hätte hier schon deshalb Anlass bestanden, weil der Angeklagte an anderer Stelle des Briefes seine Zuneigung zur Nebenklägerin zum Ausdruck bringt, so dass die von ihm verwendete Grußformel darauf hindeuten könnte, dass es bei der Behandlung der Nebenklägerin zu sexuellen Handlungen gekommen war.
20
e) Die erforderliche Gesamtschau der Beweisergebnisse fehlt.
21
Liegen mehrere Beweisanzeichen vor, so genügt es nicht, sie jeweils einzeln abzuhandeln. Das einzelne Beweisanzeichen ist vielmehr mit allen anderen Indizien in eine Gesamtwürdigung einzustellen. Erst die Würdigung des gesamten Beweisstoffes entscheidet letztlich darüber, ob der Richter die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen gewinnt. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreichen würde, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtheit dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln können (BGH, Urteile vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03 und 15. Juli 2008 - 1 StR 231/08 jew. mwN).
22
Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, dass die Umstände, die für eine Täterschaft des Angeklagten sprechen, im Zusammenhang gewürdigt worden sind. Das Landgericht hat diese lediglich einzeln erörtert und nur geprüft, ob sie für sich allein zur Überführung des Angeklagten ausreichen. Dies genügt hier den Anforderungen an eine lückenlose Beweiswürdigung schon deshalb nicht, weil die Nebenklägerin und die Zeugin G. - wie dies an mehreren Stellen des Urteils ausgeführt wird (UA S. 7, 13 und 14) - auf das Landgericht „keinen unglaubwürdigen Eindruck“ gemacht haben. Der Senat kann daher nicht aus- schließen, dass das Landgericht bei einer umfassenden Gesamtschau der belastenden Umstände den jeweils isoliert aufgezeigten Zweifeln an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Nebenklägerin und der Zeugin G. ein geringe- res Gewicht beigemessen und sich nicht nur von der Richtigkeit ihrer Angaben, sondern letztlich auch von der Täterschaft des Angeklagten überzeugt hätte.
Nack Wahl Elf Graf Sander

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 90/11
vom
1. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 1. Juni 2011, an
der teilgenommen haben:
Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer
als Vorsitzender,
die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Appl,
Dr. Berger,
Dr. Eschelbach,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Staatsanwältin
als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 3. November 2010 im Schuldspruch dahin geändert , dass der Angeklagte der gefährlichen Körperverletzung und der vorsätzlichen Körperverletzung schuldig ist. 2. Im Übrigen wird der Angeklagte freigesprochen; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten. 3. Das vorbezeichnete Urteil wird im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbliebenen Kosten der Rechtsmittel, an eine andere, allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 5. Die weitergehenden Revisionen werden als unbegründet verworfen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Nebenklägerin haben den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet.

I.

2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts erschlich sich der Angeklagte am späten Vormittag des 5. Februar 2010 den Zutritt zur Wohnung seiner damaligen Freundin, der späteren Geschädigten, indem er sich an der Türsprechanlage als Polizeibeamter ausgab. Hintergrund war, dass die Geschädigte den Angeklagten nach einem heftigen Streit am Vorabend nicht treffen wollte. Nachdem die Geschädigte die Tür geöffnet hatte, drängte sich der Angeklagte sofort in die Wohnung , schloss die Tür ab, packte die schreiende Geschädigte an Hals und Kopf und zerrte sie ins Badezimmer. Er schlug auf sie ein und begann dann, sie sowohl von vorne als auch von hinten mit beiden Händen heftig zu würgen. Die Geschädigte verlor dabei ein- oder zweimal kurzzeitig das Bewusstsein und war nahe dem Erstickungstod. Als Folge erlitt sie starke Einblutungen in den Bindehäuten beider Augen. Der Angeklagte, der den Tod der Geschädigten billigend in Kauf genommen hatte, beendete das Würgen letztlich von sich aus, obwohl er es hätte fortsetzen können.
3
Das Geschehen verlagerte sich nun in den Wohn-Schlafraum. Es folgten über Stunden abwechselnd eher ruhige Phasen, in denen beide miteinander redeten oder am Computer saßen, sowie Phasen mit erneuten, auch körperlichen Auseinandersetzungen. Der Angeklagte verlangte mehrfach und eindringlich von der Geschädigten, alle auf dem Computer gespeicherten gemeinsamen Bilder zu löschen. Die Geschädigte weigerte sich jedes Mal und schlug mit einer Vase und einem Telefonhörer dem Angeklagten auf den Kopf. Auch kam es zu Oralverkehr, wobei sich der Angeklagte letztlich selbst befriedigte. Insoweit konnte die Kammer nicht feststellen, dass die sexuellen Handlungen gegen den Willen der Nebenklägerin stattfanden und von wem "letztlich der Anstoß ausging" (UA S. 11).
4
Gegen 20 Uhr trafen die Mutter und die Tante des Angeklagten in Begleitung der Zeugin S. ein, da sie nach einem kurzen telefonischen Kontakt mit der Geschädigten befürchteten, dass "etwas nicht stimme" (UA S. 12). Es folgten Gespräche in unterschiedlichen Konstellationen, wobei sich der Angeklagte und die Geschädigte auch küssten. Letztlich eskalierte die Situation und der Angeklagte begann erneut, die Geschädigte zu würgen. Das Würgen erfolgte mit einer Hand und war weniger intensiv als zuvor; auch wollte der Angeklagte die Geschädigte nicht töten. Mutter und Tante des Angeklagten versuchten, der Geschädigten zu helfen. Nach einem Biss in den Finger ließ der Angeklagte schließlich von der Geschädigten ab, die panisch zu einem Nachbarn flüchtete.
5
Insgesamt hielt sich der Angeklagte ca. 10 Stunden in der Wohnung der Geschädigten auf.
6
2. Das Landgericht hat das Tatgeschehen vom Eindringen des Angeklagten bis zum Verlassen der Wohnung als einheitliche Tat gewürdigt und den Angeklagten auf der Grundlage seiner Feststellungen wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB verurteilt. Den späteren Würgevorgang und "weitere Körperverletzungsdelikte" hat es als nicht gesondert verfolgbare Teilakte angesehen (UA S. 25). Im Hinblick auf den versuchten Totschlag durch das anfängliche Würgen der Geschädigten ist das Gericht von einem strafbefreienden Rücktritt des Angeklagten ausgegangen.

II.

7
Mit ihren zu Ungunsten des Angeklagten eingelegten Revisionen rügen Staatsanwaltschaft und Nebenklägerin zu Recht die Bewertung des Tatgeschehens als einheitliche Tat. Die tatmehrheitliche Verurteilung wegen vorsätzlicher Körperverletzung war daher nachzuholen. Im Übrigen hält der Schuldspruch rechtlicher Überprüfung stand.
8
1. Die der Nichtverurteilung des Angeklagten wegen versuchter Tötung (durch das spätere Würgen), Geiselnahme und Vergewaltigung zugrundeliegende Beweiswürdigung lässt - entgegen dem Revisionsvorbringen - keine durchgreifenden Rechtsfehler erkennen.
9
a) Sieht der Tatrichter von einer weitergehenden Verurteilung ab, weil er Zweifel nicht zu überwinden vermag, so ist dies vom Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Der revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt insoweit nur, ob dem Tatgericht bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; vgl. BGH NStZ-RR 2004, 238; 2005, 147).
10
b) Diesen Anforderungen wird die Beweiswürdigung der Kammer im Ergebnis gerecht. Zwar werden weder die Angaben der Geschädigten noch die Einlassung des Angeklagten zusammenhängend geschildert. Das Ergebnis der Beweiswürdigung ist indes unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Urteilsgründe noch vertretbar dargestellt. Es wird deutlich, dass der Tatrichter alle nahe liegenden wesentlichen Beweistatsachen gesehen und jedenfalls nicht unzutreffend gewertet hat. Aus einzelnen denkbaren oder tatsächlichen Lücken der Erörterung kann nicht abgeleitet werden, der Tatrichter habe nach den sonstigen Urteilsgründen auf der Hand liegende Wertungsgesichtspunkte nicht bedacht.
11
Soweit das Landgericht zugunsten des Angeklagten davon ausgegangen ist, dass es der Geschädigten möglich gewesen wäre, die Wohnung "mittels des Schlüssels" zu verlassen (UA S. 24), kann allein daraus, dass ausdrückliche Feststellungen zum zwischenzeitlichen Verbleib des Schlüssels fehlen, nicht geschlossen werden, das Landgericht könnte nicht bedacht haben, dass der Angeklagte die Wohnung zunächst abgeschlossen hatte. Das Landgericht hat im Rahmen der Beweiswürdigung auch diesen Umstand ausdrücklich erwähnt und ergänzend erörtert , dass die Geschädigte - wenngleich zu einem späteren Zeitpunkt - die Wohnung kurzzeitig verlassen hatte, um zu rauchen.
12
Die Beweiswürdigung im Hinblick auf die zu Gunsten des Angeklagten angenommene Einvernehmlichkeit der sexuellen Handlungen erfolgt unter Berücksichtigung der Beweisergebnisse und Indizien im Rahmen einer Gesamtwürdigung. Die Kammer würdigt die Angaben der Geschädigten, sie habe aufgrund des vorangegangenen Würgens die sexuellen Handlungen über sich ergehen lassen, "um Schlimmerem zu entgehen" (UA S. 16, 17). Wenn die Kammer gleichwohl unter Berücksichtigung dessen, dass es auch nach Angaben der Geschädigten friedliche Phasen gab, in denen einvernehmlich Zärtlichkeiten ausgetauscht wurden (UA S. 18), der insgesamt außerordentlich ambivalenten Beziehung der beiden Beteiligten und aufgrund des Umstandes, dass nach dem ersten Würgevorgang die zeitli- che Reihenfolge der Geschehnisse in der Wohnung nicht sicher festgestellt werden konnten, letztlich nicht ohne vernünftige Zweifel ausschließen konnte, dass die sexuellen Handlungen einvernehmlich stattfanden oder der Angeklagte zumindest davon ausgehen konnte (UA S. 18), lässt diese Würdigung einen Rechtsfehler nicht erkennen.
13
Auch soweit sich die Kammer im Hinblick auf den späteren Würgevorgang nicht vom Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes zu überzeugen vermochte, hält dies revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Die Kammer stützt sich insoweit auf die Angaben der Geschädigten, der Würgegriff sei nur mit einer Hand und weniger intensiv als der frühere geführt worden, und sie habe sich mit einem Biss in den Finger des Angeklagten befreien können (UA S. 20). Eine Lebensbedrohlichkeit konnte nicht festgestellt werden und weitere Beweiszeichen, aus denen auf das Vorstellungsbild des Angeklagten zu diesem Zeitpunkt geschlossen werden könnte und mit denen sich die Kammer hätte auseinandersetzen müssen, fehlen.
14
2. Die Feststellungen des Landgerichts tragen indes nicht die Bewertung des mehraktigen Tatgeschehens als einheitliche Tat.
15
Für die Annahme von Tateinheit fehlt es bereits an einer zumindest teilweisen Identität der Ausführungshandlungen in einem für die verwirklichten Körperverletzungsdelikte notwendigen Teil. Die beiden Würgevorgänge liegen zeitlich weit auseinander, dazwischen gab es wiederholt friedliche Phasen, in denen die Beteiligten auch Zärtlichkeiten austauschten; weitere Körperverletzungen, deren Ausführungshandlungen diesen Zeitraum überdauert haben könnten, hat die Kammer nur seitens der Geschädigten festgestellt (UA S. 25). Auch die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit liegt fern (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2010 - 2 StR 453/10).
16
Der Angeklagte ist wegen des anfänglichen lebensbedrohlichen Würgens der gefährlichen Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) und wegen des späteren Würgens der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) schuldig. Die insoweit mangels Strafantrags der Geschädigten gemäß § 230 StGB erforderliche Annahme des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfol- gung wurde seitens der Strafverfolgungsbehörde im Rahmen des Revisionsverfahrens erklärt.
17
Der Senat hat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst geändert, da ergänzende Feststellungen - auch im Hinblick auf weitere Körperverletzungsdelikte - nicht zu erwarten sind. § 265 Abs. 1 StPO steht dem nicht entgegen. Der Angeklagte hätte sich insoweit nicht anders verteidigen können.

III.

18
Wegen der veränderten Bewertung der Konkurrenzverhältnisse war der Angeklagte aufgrund der auch zu seinen Gunsten wirkenden Revisionen (§ 301 StPO) im Übrigen freizusprechen um klarzustellen, dass die angeklagte Vergewaltigung dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden konnte.
19
Im Eröffnungsbeschluss war für alle Gesetzesverletzungen Tateinheit angenommen worden, weil dort, in Übereinstimmung mit der Anklage, ein die ganze Zeit über andauerndes Verbrechen der Geiselnahme gemäß § 239b StGB angenommen wurde. Da aber die Geiselnahme in der Hauptverhandlung nicht erwiesen werden konnte, ist die durch sie bewirkte rechtliche Klammer zwischen den untereinander in Tatmehrheit stehenden Körperverletzungsdelikte und der mit diesen in keinem Zusammenhang stehenden angeklagten Vergewaltigung entfallen. Erweist sich aber nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung die Annahme von Tateinheit als offensichtlich fehlerhaft und ist eine der Taten nicht erwiesen, so ist jedenfalls aus Billigkeitsgründen ein Teilfreispruch geboten (BGH NStZ 1992, 398; MeyerGoßner StPO 53. Aufl. § 260 Rn. 12 mwN). Dies gilt auch für den Fall des Wegfalls einer Dauerstraftat, wenn dadurch der tateinheitliche Zusammenhang mit mehreren rechtlich selbständigen Taten, von denen eine nicht erwiesen werde konnte, verloren geht (vgl. BGH VRS 21, 341, 343). Der Senat hat aus diesem Grunde den Teilfreispruch mit der Kostenfolge aus § 467 Abs. 1 StPO nachgeholt.

IV.

20
Die auf Grundlage der Annahme des Vorliegens einer einheitlichen Tat verhängte Freiheitsstrafe war (auch gemäß § 301 StPO) aufzuheben. Zwar muss allein eine fehlerhafte Beurteilung der Konkurrenzen bei gleich bleibenden Schuldund Unrechtsgehalt nicht zwingend auch den Strafausspruch im Ergebnis gefährden (BGH NJW 1996, 936, 938; BGH Beschluss vom 17. März 2011 - 1 StR 407/10; vgl. Fischer StGB 58. Aufl. § 46 Rn. 58). Hier muss der Strafausspruch aber schon deshalb aufgehoben werden, weil für die vorsätzliche Körperverletzung noch eine Einzelstrafe festzusetzen ist.
Fischer Appl Berger Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 194/11
vom
9. August 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 9. August
2011, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf,
Prof. Dr. Jäger,
Prof. Dr. Sander,
Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter des Nebenklägers,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26. November 2010 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die von dem Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.

I.

2
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen :
3
a) Spätestens im Februar bzw. März 2010 gelangte die Angeklagte zu der Überzeugung, ihre ehemalige Freundin und Arbeitskollegin R. versuche durch "legale Machenschaften" ihr Leben zu zerstören. Sie trug sich deshalb mit dem Gedanken, sich an R. zu rächen und sie "ggf." zu töten. Am 15. März 2010 rief sie, ohne ihren Namen zu nennen, bei R. an und teilte ihr mit: "Du bist tot." Im Anschluss daran bemühte sie sich darum, eine Schusswaffe zu erwerben, mit der sie R. erschießen wollte. Ihre Bemühungen scheiterten aber. Schließlich packte sie am 13. Mai 2010 (Christi Himmelfahrt) mehrere Messer und einen Teleskopschlagstock in ihre Tasche und fuhr zu R. , um gegen diese "eine erhebliche Gewalttat" zu verüben (UA S. 12) bzw. diese mit einem Messer anzugreifen und "unter Umständen lebensgefährlich" zu verletzen (UA S. 38).
4
Bewaffnet mit einem Brotmesser mit einer Klingenlänge von etwa 13 cm gelangte die Angeklagte unbemerkt in das Wohnhaus, in dem sich die Wohnung ihrer ehemaligen Freundin befand. Sie klingelte an der Wohnungstür. Nach ihrem Tatplan wollte sie das Überraschungsmoment ausnutzen und R. unmittelbar nach dem Öffnen der Tür angreifen (UA S. 34). Entgegen ihrer Erwartung wurde die Wohnungstür aber nicht von ihrer ehemaligen Freundin geöffnet, sondern von deren Lebensgefährten, dem Geschädigten H. . Die Angeklagte richtete ihr Messer gegen seinen Oberkörper, machte eine Stichbewegung und versuchte, sich an ihm vorbei in die Wohnung zu drängen. H. gelang es jedoch, die Angeklagte zu umklammern und festzuhalten. Um sich zu befreien, schnitt die Angeklagte ihm mit dem Messer in den linken Unterarm. Als er sie dennoch nicht losließ, biss sie ihm in den Arm. Daraufhin gelang es H. , die Angeklagte in das Treppenhaus zu schieben und die Tür hinter ihr zu verschließen.
5
b) Das Landgericht hat einen Tötungsvorsatz hinsichtlich des Geschädigten H. im Wesentlichen mit der Erwägung verneint, dass das eigentliche Angriffsziel der Angeklagten nicht der Geschädigte, sondern dessen Lebensgefährtin R. gewesen sei. Gegen diese habe sich die ganze Wut der Angeklagten ausschließlich gerichtet. An dem Geschädigten habe sich die Angeklagte zunächst nur vorbeidrängen wollen. Aus der Schnittverletzung lasse sich ebenfalls kein Rückschluss auf einen Tötungsvorsatz ziehen, da die Angeklagte sich habe befreien wollen und den Schnitt nur mit geringer Kraft ausgeführt habe. Das Landgericht hat das Tatgeschehen zum Nachteil des Geschädigten H. als gefährliche Körperverletzung gewertet. An einer Verurteilung der Angeklagten wegen des gegen die Zeugin R. gerichteten Tatgeschehens hat sich das Landgericht gehindert gesehen, weil dieses nach seiner Auffassung nicht angeklagt gewesen sei.
6
2. Die Staatsanwaltschaft beanstandet mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision, dass das Landgericht das festgestellte Tatgeschehen nicht erschöpfend gewürdigt habe. Insbesondere sei rechtsfehlerhaft nicht geprüft worden, ob sich die Angeklagte - neben der Tat zum Nachteil des Geschädigten H. - auch wegen versuchten Mordes betreffend R. strafbar gemacht habe.

II.

7
Die Revision ist begründet. Die Staatsanwaltschaft rügt zu Recht, dass das Landgericht das von ihm festgestellte Tatgeschehen in Bezug auf R. nicht in seine Urteilsfindung mit einbezogen, sondern isoliert nur unter dem Gesichtspunkt einer Tat zum Nachteil des Geschädigten H. gewürdigt hat.
8
1. Entgegen der Auffassung des Landgerichts liegt in Bezug auf das Tatgeschehen betreffend R. eine wirksame Anklage vor. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht.
9
a) Die Anklageschrift hat gemäß § 200 Abs. 1 StPO die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung so genau zu bezeichnen , dass die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt und erkennbar wird, welche bestimmte Tat gemeint ist; sie muss sich von anderen gleichartigen strafbaren Handlungen desselben Täters unterscheiden lassen. Es darf nicht unklar bleiben, über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urteilen soll. Die begangene konkrete Tat muss vielmehr durch bestimmte Tatumstände so genau gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welche Handlungen dem Angeklagten zur Last gelegt werden. Erfüllt die Anklage ihre Umgrenzungsfunktion nicht, so ist sie unwirksam (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 28. April 2006 - 2 StR 174/05 und vom 28. Oktober 2009 - 1 StR 205/09 mwN). Bei der Überprüfung, ob die Anklage die gebotene Umgrenzung leistet, dürfen die Ausführungen im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zur Ergänzung und Auslegung herangezogen werden (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 19. Februar 2008 - 1 StR 596/07 und KK-Schneider, 6. Aufl., § 200 Rn. 30 jew. mwN).
10
b) An diesen Maßstäben gemessen wird die Anklage der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 11. August 2010 ihrer Umgrenzungsfunktion auch in Bezug auf das Tatgeschehen betreffend R. hinreichend gerecht.
11
Zwar wird der Angeklagten im abstrakten Anklagesatz lediglich ein Fall des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (zum Nachteil des H. ) zur Last gelegt. Im konkreten Anklagesatz teilt die Staatsanwaltschaft jedoch nicht nur den Angriff auf den Geschädigten mit, sondern auch, dass die mit dem Messer bewaffnete Angeklagte am Tattag auf dem Weg zu dessen Lebensgefährtin gewesen sei. Dies wird im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen weiter dahingehend konkretisiert, dass die Angeklagte im Ermittlungsverfahren zugegeben habe, dass sie nicht auf H. , sondern auf R. habe "losgehen wollen". Die Staatsanwaltschaft geht im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen zudem davon aus, dass die Angeklagte die Absicht gehabt habe, ihre ehemalige Freundin aus Hass zu töten. Gestützt wird diese Annahme auf eine umfassende Beweiswürdigung zur Tatvorgeschichte, insbesondere auf die Bemühungen der Angeklagten, sich eine Schusswaffe zu besorgen, um "die (gemeint ist R. ) abzuknallen", sowie auf den Telefonanruf der Angeklagten bei ihrer ehemaligen Freundin mit den Worten "Du bist tot".
12
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist damit in der Anklage nicht nur die Identität des geschichtlichen Vorgangs klargestellt, sondern auch erkennbar , welche Tat gemeint ist und über welchen Sachverhalt das Gericht nach dem Willen der Staatsanwaltschaft urteilen soll. Aus den Schilderungen zur Motivation der Angeklagten wird deutlich, dass zu dem von der Anklage umrissenen Tatgeschehen nicht nur der Angriff der Angeklagten auf den Geschädigten gehört, sondern auch das Fehlverhalten der Angeklagten in Bezug auf R. , da diese am Tattag das eigentliche Ziel der Angeklagten gewe- sen ist und es letztlich nur deshalb nicht zu einem gegen diese gerichteten Angriff gekommen ist, weil zufällig der Geschädigte der Angeklagten die Tür geöffnet und sich ihr anschließend in den Weg gestellt hat. Die einzelnen Handlungen gehen hier nicht nur äußerlich ineinander über, sondern sind auch innerlich unmittelbar miteinander verknüpft. Der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung kann nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden. Ihre getrennte Würdigung und Aburteilung in verschiedenen Verfahren würde - worauf der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hinweist - einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1999 - 4 StR 700/98, BGHSt 45, 211 mwN).
13
2. Das Landgericht hat die angeklagte Tat, so wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt (§ 264 Abs. 1 StPO), nicht erschöpfend abgeurteilt.
14
a) Die Feststellungen des Landgerichts legen es nahe, dass sich die Angeklagte nicht nur wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten H. , sondern auch wegen eines versuchten Mordes in Bezug auf R. strafbar gemacht hat. Die Tatvorgeschichte und die Motivation der Angeklagten deuten auf das Vorliegen eines entsprechenden Tatentschlusses hin. Die Angeklagte dürfte zudem unmittelbar zur Tat angesetzt haben, als sie an der Wohnungstür geklingelt hat. Nach dem vom Landgericht festgestellten Tatplan wollte die Angeklagte "für den geplanten Messereinsatz das Überraschungsmoment ausnutzen", da sie davon ausging, dass ihr R. und nicht deren Lebensgefährte nach dem Klingeln die Tür öffnen werde.
15
b) An der Aburteilung dieses Verhaltens war das Landgericht nicht dadurch gehindert, dass die im Eröffnungsbeschluss zugelassene Anklage nur http://www.juris.de/jportal/portal/t/1rag/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=2&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR006290950BJNE038001309&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 9 - den Vorwurf des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten H. erhob.
16
Nach § 264 StPO muss das Gericht die in der Anklage bezeichnete Tat so, wie sie sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt, unter allen rechtlichen Gesichtspunkten aburteilen. Es ist verpflichtet, den Unrechtsgehalt der "Tat" voll auszuschöpfen, sofern - wie hier - keine rechtlichen Hindernisse im Wege stehen (BGH, Beschluss vom 9. November 1972 - 4 StR 457/71, BGHSt 25, 72). Der Tatbegriff des § 264 Abs. 1 StPO entspricht dabei demjenigen des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO (BGH, Beschluss vom 30. März 2011 - 4 StR 42/11).
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Danach gehörte hier zur Tat nicht nur der Angriff auf den Geschädigten H. , in dessen Verlauf es zu dem Messerschnitt in den Unterarm kam, sondern das gesamte strafrechtlich relevante Verhalten der Angeklagten am Tattag , das auch die geplante Tötung von R. mit umfasste, zu der sie mit dem Klingeln an der Wohnungstür bereits unmittelbar angesetzt haben dürfte. Diese Tathandlungen - sowohl H. als auch R. betreffend - stellen aufgrund ihres engen zeitlichen, örtlichen und sachlichen Zusammenhanges einen einheitlichen Vorgang dar, unabhängig davon, ob sie sachlichrechtlich als eine Tat oder mehrere Taten angesehen werden (KK-Engelhardt, 6. Aufl., § 264 Rn. 3 mwN). Diesen Vorgang hatte das Landgericht - ggf. unter Erfüllung seiner Hinweispflicht nach § 265 Abs. 1 StPO (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2003 - 3 StR 222/02, BGHSt 48, 221, 223) - bei seiner Urteilsfindung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend zu prüfen. Dieser Pflicht ist das Landgericht vorliegend jedoch rechtsfehlerhaft nicht nachgekommen. Dies stellt nicht nur eine Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 264 StPO dar, sondern auch einen sachlich-rechtlichen Mangel, auf dem das Urteil beruht (vgl. BGH, Urteile vom 10. Dezember 1974 - 5 StR 578/74 und vom 16. Dezember 1982 - 4 StR 644/82, NStZ 1983, 174 mwN).
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3. Dieser Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils in vollem Umfang, da sich die - an sich rechtsfehlerfreien - Feststellungen hinsichtlich der Tathandlung zum Nachteil des Geschädigten H. nicht von den Feststellungen zum übrigen Tatgeschehen trennen lassen. Der neue Tatrichter wird unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 2010 - 3 StR 105/10 mwN) nähere Feststellungen zum Vorstellungsbild der Angeklagten zu treffen haben, um danach die Frage beurteilen zu können, ob die Angeklagte zur Tötung von R. unmittelbar angesetzt hat.

Nack Elf Graf Jäger Sander

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Wer eine gegen Untergang, Beschädigung, Beeinträchtigung der Brauchbarkeit, Verlust oder Diebstahl versicherte Sache beschädigt, zerstört, in ihrer Brauchbarkeit beeinträchtigt, beiseite schafft oder einem anderen überläßt, um sich oder einem Dritten Leistungen aus der Versicherung zu verschaffen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wenn die Tat nicht in § 263 mit Strafe bedroht ist.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.