Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2013 - XII ZB 613/12

bei uns veröffentlicht am21.11.2013
vorgehend
Amtsgericht Schwäbisch Hall, 2 F 331/11, 13.06.2012
Oberlandesgericht Stuttgart, 15 UF 172/12, 21.09.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 613/12
vom
21. November 2013
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. November 2013 durch
den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 15. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 21. September 2012 aufgehoben. Das Verfahren wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 1.000 €

Gründe:

I.

1
Die Beteiligten streiten über den Ausgleich eines als Sicherheit abgetretenen Anrechts im Versorgungsausgleich.
2
Auf den am 5. Juli 2011 zugestellten Antrag hat das Familiengericht die am 5. Juni 1992 geschlossene Ehe der Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) und des Antragsgegners (im Folgenden: Ehemann) durch Verbundbeschluss geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Während der Ehezeit (1. Juni 1992 bis 30. Juni 2011; § 3 Abs. 1 VersAusglG) erwarben beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung, der Ehemann darüber hinaus ein geringfügiges privates Versorgungsanrecht sowie ein weiteres An- recht aus einer Lebensversicherung bei der Beteiligten mit einem ehezeitlichen Kapitalwert von 146.613,15 €, die zwecks Rückbesicherung einer Höchstbetragsbürgschaft über 50.000 €, welche der Ehemann zur Besicherung eines bis zum 30. Juni 2013 endfälligen Darlehensrückzahlungsanspruchs der Sparkasse S gegen die Ehefrau begeben hatte, an die Sparkasse abgetreten ist. Das Familiengericht hat sämtliche Anrechte mit Ausnahme des geringfügigen Anrechts intern geteilt. Auf die Beschwerde des Ehemanns und der Beteiligten hat das Oberlandesgericht angeordnet, dass ein Wertausgleich bei der Scheidung hinsichtlich des bei der Beteiligten erworbenen Anrechts nicht stattfinde. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau. Während des laufenden Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Ehemann für dieses Anrecht das Kapitalwahlrecht ausgeübt.

II.

3
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
4
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Zwar sei das Anrecht aus dem Vermögen des Ehemanns geschaffen worden und daher nach § 2 Abs. 1 VersAusglG ein grundsätzlich auszugleichendes Anrecht. Es lägen auch keine Gründe vor, die es rechtfertigen könnten, den Versorgungsausgleich hinsichtlich dieses Anrechts wegen grober Unbilligkeit nach § 27 VersAusglG auszuschließen.
5
Das Anrecht unterfalle jedoch in entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG nicht dem Ausgleich bei der Scheidung, weil noch nicht mit Sicherheit vorhersehbar sei, ob und in welchem Umfang die Sicherheit realisiert werde und sich deshalb auch nicht feststellen lasse, ob das Versorgungsanrecht endgültig und gegebenenfalls in welcher Höhe beim ausgleichspflichtigen Ehegatten verbleibe. Zwar habe sich durch die am 1. September 2009 eingetretene Änderung des Versorgungsausgleichsrechts nichts an der Beurteilung geändert, dass ein zur Sicherheit abgetretenes Anrecht der privaten Altersvorsorge grundsätzlich dem Versorgungsausgleich unterliege. Hierfür sei allein entscheidend, dass es weiterhin wirtschaftlich dem ausgleichsverpflichteten Ehegatten als Sicherungsgeber zuzuordnen sei. Im Unterschied zum früheren Versorgungsausgleichsrecht seien jedoch die einzelnen Versorgungsanwartschaften nicht mehr nur Rechnungsposten im Rahmen einer Gesamtsaldierung , sondern jedes Anrecht werde separat geteilt. Die interne Teilung würde dazu führen, dass in ein Anrecht eingegriffen würde, dessen Inhaber derzeit nicht der Ehemann, sondern das Kreditinstitut sei. Auch stünde die interne Teilung nicht wie ein in den Regelsicherungssystemen vorgenommener Versorgungsausgleich einer späteren Abänderung offen, wenn das zur Sicherheit abgetretene Anrecht später vom Sicherungsnehmer in Anspruch genommen werde und das Anrecht des Ausgleichspflichtigen somit entfiele. Die Unsicherheit darüber, ob die Versorgungsanwartschaft vom Ausgleichspflichtigen jemals in Anspruch genommen werden könne oder vom Sicherungsnehmer verwertet werde, rechtfertige es, das Anrecht als nicht ausgleichsreif zu behandeln. Hinzu komme, dass der Zugriff für den Sicherungsnehmer durch die Aufspaltung in zwei selbstständige Rechte erschwert werde, zumal sich auch das Risiko der Inanspruchnahme der Altersvorsorge nach der Aufteilung wesentlich ändern könne.
6
Die Ehefrau sei durch den schuldrechtlichen Ausgleich auch nicht rechtlos gestellt. Sollte der Ausgleichspflichtige durch sein Tilgungsverhalten die Inanspruchnahme der Sicherheit provozieren, stünde der Ausgleichsberechtigten ein Anspruch aus Eingriffskondiktion gegen den Ausgleichspflichtigen zu. Auch könne die Leistung des Versorgungsträgers an den Sicherungsnehmer als Kapitalleistung an den Pflichtigen gewertet werden und Ansprüche nach § 22 VersAusglG begründen. Ob bei der Bewertung des Anrechts ein Abschlag wegen der erfolgten Abtretung zu erfolgen habe, müsse im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden.
7
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
8
Wie der Senat nach dem Erlass der angefochtenen Entscheidung entschieden hat, kann ein sicherungshalber abgetretenes Anrecht aus einer privaten Lebensversicherung bereits bei der Scheidung intern ausgeglichenwerden (Senatsbeschluss vom 7. August 2013 - XII ZB 673/12 - FamRZ 2013, 1715 Rn. 8 ff.). Die angefochtene Entscheidung kann bereits deshalb keinen Bestand haben.
9
3. Der Senat kann nicht abschließend in der Sache entscheiden, da diese nicht zur Entscheidung reif ist.
10
In einer Versorgungsausgleichssache können im Verfahren der Rechtsbeschwerde Umstände, die erst nach Erlass der angefochtenen Entscheidung eingetreten sind und deshalb vom Tatrichter nicht festgestellt werden konnten, bei der Entscheidung berücksichtigt werden, wenn die zugrundeliegenden Tatsachen ohne weitere tatrichterliche Beurteilung als feststehend angesehen werden können und wenn schützenswerte Belange eines Beteiligten nicht entgegenstehen (Senatsbeschluss vom 19. Juni 2013 - XII ZB 633/11 - FamRZ 2013, 1362 Rn. 12 mwN).
11
Im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Ehemann gegenüber dem Versorgungsträger der Lebensversicherung erklärt, dass er das Kapitalwahlrecht ausübe. Da diese Tatsache unstreitig ist, kann sie als feststehend angesehen werden und ist bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Schützenswerte Belange eines Beteiligten stehen dem nicht entgegen.
12
Wäre die Ausübung des Kapitalwahlrechts als rechtswirksam anzusehen, unterfiele die private Rentenversicherung nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 18. April 2012 - XII ZB 325/11 - FamRZ 2012, 1039 mwN) nicht mehr dem Versorgungsausgleich, sondern dem güterrechtlichen Ausgleich.
13
Ob die vom Ehemann erklärte Ausübung des Kapitalwahlrechts Wirksamkeit erlangt hat, hängt davon ab, ob der Ehemann zur Abgabe der Erklärung befugt war. Das kann zweifelhaft sein, wenn der Ehemann die Ausübung des Kapitalwahlrechts an einen Dritten abgetreten hatte, insbesondere an das sicherungsnehmende Kreditinstitut. Hierzu bedarf es weiterer tatrichterlicher Aufklärung, da die Ehefrau die Befugnis des Ehemanns zur Ausübung des Kapitalwahlrechts in der Rechtsbeschwerdeinstanz angezweifelt hat. Dose Weber-Monecke Schilling Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Schwäbisch Hall, Entscheidung vom 13.06.2012 - 2 F 331/11 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 21.09.2012 - 15 UF 172/12 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2013 - XII ZB 613/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2013 - XII ZB 613/12

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2013 - XII ZB 613/12 zitiert 5 §§.

Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG | § 3 Ehezeit, Ausschluss bei kurzer Ehezeit


(1) Die Ehezeit im Sinne dieses Gesetzes beginnt mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Ehe geschlossen worden ist; sie endet am letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags. (2) In den Versorgungsausgleich sind alle Anrechte einzu

Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG | § 27 Beschränkung oder Wegfall des Versorgungsausgleichs


Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.

Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG | § 19 Fehlende Ausgleichsreife


(1) Ist ein Anrecht nicht ausgleichsreif, so findet insoweit ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht statt. § 5 Abs. 2 gilt entsprechend. (2) Ein Anrecht ist nicht ausgleichsreif, 1. wenn es dem Grund oder der Höhe nach nicht hinreichend verfes

Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG | § 2 Auszugleichende Anrechte


(1) Anrechte im Sinne dieses Gesetzes sind im In- oder Ausland bestehende Anwartschaften auf Versorgungen und Ansprüche auf laufende Versorgungen, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie der Beamt

Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG | § 22 Anspruch auf Ausgleich von Kapitalzahlungen


Erhält die ausgleichspflichtige Person Kapitalzahlungen aus einem noch nicht ausgeglichenen Anrecht, so kann die ausgleichsberechtigte Person von ihr die Zahlung des Ausgleichswerts verlangen. Im Übrigen sind die §§ 20 und 21 entsprechend anzuwenden.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2013 - XII ZB 613/12 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2013 - XII ZB 613/12 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Apr. 2012 - XII ZB 325/11

bei uns veröffentlicht am 18.04.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 325/11 vom 18. April 2012 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja VersAusglG § 2 Abs. 2 Nr. 3 Private Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht unterfallen nach Ausübung des.

Referenzen

(1) Die Ehezeit im Sinne dieses Gesetzes beginnt mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Ehe geschlossen worden ist; sie endet am letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags.

(2) In den Versorgungsausgleich sind alle Anrechte einzubeziehen, die in der Ehezeit erworben wurden.

(3) Bei einer Ehezeit von bis zu drei Jahren findet ein Versorgungsausgleich nur statt, wenn ein Ehegatte dies beantragt.

(1) Anrechte im Sinne dieses Gesetzes sind im In- oder Ausland bestehende Anwartschaften auf Versorgungen und Ansprüche auf laufende Versorgungen, insbesondere aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie der Beamtenversorgung oder der berufsständischen Versorgung, aus der betrieblichen Altersversorgung oder aus der privaten Alters- und Invaliditätsvorsorge.

(2) Ein Anrecht ist auszugleichen, sofern es

1.
durch Arbeit oder Vermögen geschaffen oder aufrechterhalten worden ist,
2.
der Absicherung im Alter oder bei Invalidität, insbesondere wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder Dienstunfähigkeit, dient und
3.
auf eine Rente gerichtet ist; ein Anrecht im Sinne des Betriebsrentengesetzes oder des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes ist unabhängig von der Leistungsform auszugleichen.

(3) Eine Anwartschaft im Sinne dieses Gesetzes liegt auch vor, wenn am Ende der Ehezeit eine für das Anrecht maßgebliche Wartezeit, Mindestbeschäftigungszeit, Mindestversicherungszeit oder ähnliche zeitliche Voraussetzung noch nicht erfüllt ist.

(4) Ein güterrechtlicher Ausgleich für Anrechte im Sinne dieses Gesetzes findet nicht statt.

Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.

(1) Ist ein Anrecht nicht ausgleichsreif, so findet insoweit ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht statt. § 5 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) Ein Anrecht ist nicht ausgleichsreif,

1.
wenn es dem Grund oder der Höhe nach nicht hinreichend verfestigt ist, insbesondere als noch verfallbares Anrecht im Sinne des Betriebsrentengesetzes,
2.
soweit es auf eine abzuschmelzende Leistung gerichtet ist,
3.
soweit sein Ausgleich für die ausgleichsberechtigte Person unwirtschaftlich wäre,
4.
wenn es bei einem ausländischen, zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Versorgungsträger besteht oder
5.
wenn sich bei einem Anrecht aus der betrieblichen Altersversorgung oder der privaten Altersvorsorge nach dem Ende der Ehezeit der Kapitalwert als maßgebliche Bezugsgröße und damit der Ausgleichswert verändert hat, weil die ausgleichspflichtige Person innerhalb der bisher bestehenden Leistungspflicht eine Versorgung aus dem Anrecht bezogen hat, und die ausgleichsberechtigte Person verlangt, dass das Anrecht vom Wertausgleich bei der Scheidung ausgenommen wird.

(3) Hat ein Ehegatte nicht ausgleichsreife Anrechte nach Absatz 2 Nr. 4 erworben, so findet ein Wertausgleich bei der Scheidung auch in Bezug auf die sonstigen Anrechte der Ehegatten nicht statt, soweit dies für den anderen Ehegatten unbillig wäre.

(4) Ausgleichsansprüche nach der Scheidung gemäß den §§ 20 bis 26 bleiben unberührt.

Erhält die ausgleichspflichtige Person Kapitalzahlungen aus einem noch nicht ausgeglichenen Anrecht, so kann die ausgleichsberechtigte Person von ihr die Zahlung des Ausgleichswerts verlangen. Im Übrigen sind die §§ 20 und 21 entsprechend anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 325/11
vom
18. April 2012
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Private Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht unterfallen nach Ausübung
des Kapitalwahlrechts nicht mehr dem Versorgungsausgleich, selbst wenn das
Kapitalwahlrecht nach Ende der Ehezeit vor der letzten tatrichterlichen Entscheidung
ausgeübt wurde. Es kommt lediglich ein güterrechtlicher Ausgleich in
Betracht (im Anschluss an die Senatsbeschlüsse vom 5. Oktober 2011 - XII ZB
555/10 - FamRZ 2011, 1931; BGHZ 153, 393 = FamRZ 2003, 664 und vom
19. März 2003 - XII ZB 42/99 - FamRZ 2003, 923).
BGH, Beschluss vom 18. April 2012 - XII ZB 325/11 - KG Berlin
AG Tempelhof-Kreuzberg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. April 2012 durch die
Richter Dose, Weber-Monecke, Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. NeddenBoeger

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 13. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 24. Mai 2011 wird auf Kosten der Antragstellerin zurückgewiesen. Beschwerdewert: 1.000 €

Gründe:

I.

1
Die Eheleute streiten um die Einbeziehung einer privaten Altersrentenversicherung in den Versorgungsausgleich nach Ausübung des Kapitalwahlrechts.
2
Auf die am 10. und 11. Dezember 2009 wechselseitig zugestellten Anträge hat das Familiengericht die am 30. Dezember 2004 geschlossene Ehe der Antragstellerin (Ehefrau) und des Antragsgegners (Ehemann) - insoweit rechtskräftig - geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt.
3
Beide Eheleute erwarben während der Ehezeit (1. Dezember 2004 bis 30. November 2009, § 3 Abs. 1 VersAusglG) Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung, von deren Ausgleich das Familiengericht wegen nur geringer Differenz der Ausgleichswerte gemäß § 18 Abs. 1 VersAusglG abgesehen hat. Daneben erwarb der Ehemann während der Ehezeit Anrechte aus einer privaten fondsgebundenen Rentenversicherung, die das Familiengericht gemäß § 10 VersAusglG intern geteilt hat.
4
Zusätzlich erwarb der Ehemann Anrechte aus einer privaten Rentenversicherung bei der Victoria Lebensversicherung AG mit einem ehezeitlichen Kapitalwert von 24.579,40 €. Für diese Versicherung übte er am 17. Oktober 2010 das ihm vertraglich eingeräumte Kapitalwahlrecht aus. Die Teilungsordnung des Versicherers sieht vor, dass private Rentenversicherungen dem Versorgungsausgleich unterliegen, soweit nicht zum Ehezeitende das Kapitalwahlrecht ausgeübt wurde.
5
Das Familiengericht hat die Durchführung des Versorgungsausgleichs für das Anrecht abgelehnt, da es sich nach Ausübung des Kapitalwahlrechts nicht mehr um eine ausgleichsfähige Rentenanwartschaft handle. Das Kammergericht hat die Beschwerde der Ehefrau, mit der sie die Einbeziehung der privaten Lebensversicherung des Ehemannes bei der Victoria Lebensversicherung AG begehrt, zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Ehefrau ihr Beschwerdeziel weiter.

II.

6
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft. An die Zulassung durch das Oberlandesgericht ist der Senat gebunden (§ 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG). Die Rechtsbeschwerde ist auch sonst zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
7
1. Das Kammergericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt : Das Anrecht des Ehemannes bei der Victoria Lebensversicherung AG unterliege nicht dem Versorgungsausgleich, da es nach der Ausübung des Kapitalwahlrechtes nicht mehr auf eine Rentenleistung gerichtet sei und auch keine der in § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG genannten Versicherungsformen vorlie- ge. Dies gelte auch, wenn das Kapitalwahlrecht erst nach dem Ende der Ehezeit ausgeübt worden sei. Maßgeblich sei, dass das Anrecht im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mehr dem Versorgungsausgleich unterworfen werden könne.
8
Auch ein Ausgleich nach § 22 VersAusglG sei nicht möglich. Voraussetzung hierfür sei nämlich, dass ein noch nicht ausgleichsreifes Anrecht im Sinne von § 19 VersAusglG vorliege. Ein solches bestehe jedoch nicht, vielmehr unterliege der Anspruch dem Zugewinnausgleich.
9
Daran ändere auch nichts die in der Teilungsordnung des Versicherers enthaltene Regelung, nach der private Rentenversicherungen dem Versorgungsausgleich unterliegen, soweit nicht zum Ehezeitende das Kapitalwahlrecht ausgeübt worden sei. Damit solle nur die gesetzliche Lage wiedergegeben werden, wonach grundsätzlich alle zum Ehezeitende bestehenden Anrechte in den Versorgungsausgleich einzubeziehen seien. Zu dem besonderen Fall, dass das Kapitalwahlrecht nachträglich bis zur Entscheidung ausgeübt werde, verhalte sich die Regelung nicht. Mit der privatrechtlichen Teilungsordnung könne ohnehin nicht darüber verfügt werden, welche Anrechte dem Versorgungsausgleich unterliegen, da dieses gesetzlich geregelt sei. Eine Korrektur der möglicherweise treuwidrigen Ausübung des Kapitalwahlrechts komme nicht in Betracht.
10
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
11
a) Wie der Senat wiederholt ausgesprochen hat, können nur die im Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung noch dem Versorgungsausgleich unterfallenden Anrechte in diesen einbezogen werden (Senatsbeschlüsse vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 13; BGHZ 153, 393 = FamRZ 2003, 664, 665; vom 19. März 2003 - XII ZB 42/99 - FamRZ 2003, 923 f.; vom 19. Oktober 1994 - XII ZB 158/93 - FamRZ 1995, 31 und vom 18. September 1991 - XII ZB 92/89 - FamRZ 1992, 45, 46). Der Versorgungsausgleich ist grundsätzlich auf den Ausgleich von Renten zugeschnitten (Senatsbeschlüsse vom 19. März 2003 - XII ZB 42/99 - FamRZ 2003, 923 f. und vom 13. Januar 1993 - XII ZB 75/89 - FamRZ 1993, 684, 685). Anrechte aus einer privaten Kapitalversicherung sind schon deswegen nicht im Versorgungsausgleich zu berücksichtigen, weil sie nicht auf eine Rente, sondern auf Auszahlung eines Kapitalbetrages gerichtet sind, über den der Berechtigte frei verfügen kann (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 13). Dies gilt auch, wenn der Berechtigte einer privaten Rentenversicherung von dem vertraglich vereinbarten Kapitalwahlrecht Gebrauch gemacht hat. Unerheblich ist somit, ob sich der private Versicherungsvertrag von Beginn an auf eine Kapitalversicherung bezog oder ob im Falle einer Rentenversicherung bis zur Entscheidung des Beschwerdegerichts das vereinbarte Kapitalwahlrecht ausgeübt worden ist. In beiden Fällen unterliegt das ehezeitlich erworbene Anrecht nicht (mehr) dem Versorgungsausgleich, sondern ist einer Berücksichtigung im Zugewinnausgleich vorbehalten (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 13; vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 153, 393 = FamRZ 2003, 664, 665 und vom 19. März 2003 - XII ZB 42/99 - FamRZ 2003, 923 f.; vgl. auch Ruland Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 157; Borth Versorgungsausgleich 6. Aufl. Rn. 71).
12
Einer Berücksichtigung des erst nach Ende der Ehezeit ausgeübten Kapitalwahlrechts steht auch das Stichtagsprinzip der §§ 3 Abs. 1 und 2, 5 Abs. 2 VersAusglG nicht entgegen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung eines Anrechts ist zwar nach § 5 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG das Ende der Ehezeit. Rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit sind jedoch zu berücksichtigen, wenn sie auf den Ehezeitanteil zurückwirken (§ 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG). Die spätere Ausübung des Kapitalwahlrechts wirkt sich zwar nicht auf den Wert des Anrechts aus, aber auf dessen Ausgleichsform (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 14). Die Rechtsposition des Ehemanns aus dem Versicherungsvertrag mit der Victoria Lebensversicherung AG ist durch die Ausübung des Kapitalwahlrechts nicht ersatzlos untergegangen, sondern hat sich in ein Anrecht auf Zahlung des vereinbarten Kapitals gewandelt (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 153, 393, 398 = FamRZ 2003, 664, 665). Umgekehrt ist dieses Kapitalrecht auch nicht nach dem Stichtagsprinzip des § 1384 BGB dem Zugewinnausgleich entzogen. Auch wenn das Anrecht ursprünglich noch auf ein Rentenrecht gerichtet war, war es bereits als wirtschaftlicher Wert bei Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags im Endvermögen des Berechtigten vorhanden. Der bloße Wechsel der Ausgleichsform schließt es nicht aus, das Anrecht nach Ausübung des Kapitalwahlrechts mit diesem Wert in die Zugewinnausgleichsbilanz einzustellen (Senatsbeschlüsse vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 14 und BGHZ 153, 393 = FamRZ 2003, 664, 666).
13
Hierdurch wird auch der Halbteilungsgrundsatz nicht verletzt (vgl. die Kritik von Deisenhofer FamRZ 2003, 745), da dieser Vermögenswert im Zugewinnausgleichsverfahren ausgeglichen wird. In den Fällen, in denen es etwa aufgrund von vereinbarter Gütertrennung zu einem Nichtausgleich kommt, ist dies Folge eines unter notarieller Beratung geschlossenen Vertrages über den Güterstand (vgl. Senatsbeschluss vom 19. März 2003 - XII ZB 42/99 - FamRZ 2003, 923, 924) und nicht Folge dessen, dass solche Ansprüche nicht dem Versorgungsausgleich unterliegen.
14
b) Hieran hat sich durch die Neuregelung des Versorgungsausgleichs durch das am 1. September 2009 in Kraft getretene Versorgungsausgleichsgesetz für private Lebensversicherungen nichts geändert (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 15).
15
aa) Auch gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG sind Anrechte grundsätzlich nur dann im Versorgungsausgleich auszugleichen, wenn sie auf eine Rente gerichtet sind. Eine Ausnahme ist vorgesehen für Anrechte im Sinne des Betriebsrentengesetzes oder des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes (AltZertG), diese sind unabhängig von der Leistungsform auszugleichen. Weder private Kapitallebensversicherungen noch private Rentenversicherungen nach Ausübung des vereinbarten Kapitalwahlrechts unterfallen dieser Ausnahmeregelung (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 16). Auch nach den übrigen Vorschriften des neuen Versorgungsausgleichsgesetzes ist eine Einbeziehung dieses Anspruchs in den Versorgungsausgleich nicht gerechtfertigt (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 16).
16
Der Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG ist eindeutig und schließt eine Erstreckung der von der Leistungsform unabhängigen Einbeziehung in den Versorgungsausgleich auf private Lebensversicherungen aus. Für eine Ausweitung der Ausnahmen gibt der Wortlaut nichts her (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 17). Mit der Aufnahme der beiden Ausnahmen des § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG hat der Gesetzgeber indirekt den Ausschluss der übrigen privaten Kapitallebensversicherungen aus dem Versorgungsausgleich bestätigt (Ruland Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 159).
17
Auch eine teleologische Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die vom Gesetzgeber als Ausnahmen geregelten Fälle sind weder mit privaten Kapitallebensversicherungen noch mit privaten Rentenversicherungen nach Ausübung des Kapitalwahlrechts vergleichbar. Anders als diese haben private Lebensversicherungen schon strukturell nicht stets Vorsorgecharakter (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 18). Sie weisen keinen primären Altersvorsorgecharakter auf, sondern dienen vielfach auch dem Konsum (Glockner/Hoenes/Weil Der neue Versorgungsausgleich Rn. 21; vgl. Hauß/Eulering Versorgungsausgleich und Verfahren in der Praxis Rn. 75). Zudem kann die ausgleichspflichtige Person schon in der Anwartschaftsphase über das angesparte Kapital verfügen, z.B. durch eine vorzeitige Kündigung. Dies ist bei Anrechten der betrieblichen Altersversorgung regelmäßig nicht möglich (BT-Drucks. 16/10144 S. 47). Anrechte nach dem Altersvorsorge -Zertifizierungsgesetz können nicht in einen reinen Kapitalbetrag umgewandelt werden (BT-Drucks. 16/10144 S. 47; vgl. Johannsen /Henrich/Hahne Familienrecht 5. Aufl. § 2 VersAusglG Rn. 14; Borth Versorgungsausgleich 6. Aufl. Rn. 72).
18
Weiter spricht der Wille des Gesetzgebers gegen eine Ausweitung der Ausnahmeregelung in § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG auf private Rentenversicherungen nach Ausübung eines Kapitalwahlrechts. Das Beschwerdegericht hat zu Recht ausgeführt, dass der Gesetzgeber deren Einbeziehung bewusst abgelehnt hat. Denn er hat die Neuregelung in Kenntnis der Rechtsprechung des Senats zur Einordnung der Anrechte aus einer Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht geschaffen (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 19). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat er in Kenntnis der Rechtsprechung des Senats ausdrücklich auf Anrechte im Sinne des Betriebsrentengesetzes oder des Altersvorsorge-Zertifizierungsgesetzes begrenzt. Schließlich wäre die Regelung in § 2 Abs. 2 Nr. 3 VersAusglG auch überflüssig, wenn Kapitalversicherungen nach anderen Vorschriften des Versorgungsausgleichsgesetzes stets in den Versorgungsausgleich einbezogen werden müssten (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 19).
19
bb) Eine analoge Anwendung auf private Kapitalversicherungen nach Ausübung des Kapitalwahlrechts kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dafür fehlt es bereits an einer unbewussten Regelungslücke, weil der Gesetzgeber die Regelung bewusst auf ihren unmittelbaren Inhalt beschränkt und nicht auf weitere Kapitalversicherungen erstreckt hat (Senatsbeschluss vom 5. Oktober 2011 - XII ZB 555/10 - FamRZ 2011, 1931 Rn. 20). Dose Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
AG Tempelhof-Kreuzberg, Entscheidung vom 04.01.2011 - 158 F 18469/10 -
KG Berlin, Entscheidung vom 24.05.2011 - 13 UF 45/11 -