Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2013 - XII ZB 559/12

bei uns veröffentlicht am23.01.2013
vorgehend
Landgericht Erfurt, 8 O 1816/10, 20.04.2012
Thüringer Oberlandesgericht, 2 U 452/12, 17.07.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 559/12
vom
23. Januar 2013
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Übergabe des vom Prozessbevollmächtigten unterschriebenen Schriftsatzes
an die Kanzleiangestellte am Tag des Fristablaufs mit der Bitte, den Schriftsatz
noch am selben Tag auszufertigen und einem auf der Akte angehefteten
Zettel "Frist! Heute noch an OLG Jena faxen", macht ausreichende Vorkehrungen
zur Ausgangs- und Fristenkontrolle am Tagesende nicht entbehrlich.
BGH, Beschluss vom 23. Januar 2013 - XII ZB 559/12 - OLG Jena
LG Erfurt
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Januar 2013 durchden
Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Dr. Klinkhammer, Schilling und Dr. Nedden-Boeger

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 17. Juli 2012 wird auf Kosten des Beklagten verworfen. Beschwerdewert: 5.500 €

Gründe:

I.

1
Mit Urteil vom 20. April 2012, das dem Beklagten am 27. April 2012 zugestellt wurde, hat das Landgericht sein zuvor verkündetes Anerkenntnisvorbehaltsurteil für vorbehaltlos erklärt. Hiergegen hat der Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt und diese mit einem auf den 27. Juni 2012 datierten, bei Gericht per Telefax am 28. Juni 2012, somit verspätet eingegangenen Schriftsatz begründet. Mit Schriftsatz vom gleichen Tag hat der Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung hat er glaubhaft gemacht, sein Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsbegründung am 27. Juni 2012 fertig gestellt und unterschrieben, den Schriftsatz auf die Akte geheftet und diese seiner ansonsten zuverlässigen Kanzleiangestellten übergeben. Auf der Akte sei - wie in der Kanzlei üblich - ein gesonderter farblicher Zettel angebracht gewesen, auf dem die Bitte geäußert worden sei, den Schriftsatz auszufertigen, wobei auf dem Zettel der Zusatz "Frist! Heute noch an OLG Jena faxen" vermerkt gewesen sei. Bei der Übergabe der Akte habe der Rechtsanwalt seine Kanzleiangestellte auch noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Schriftsatz noch am selben Tag an das Oberlandesgericht gefaxt werden müsse. Nach der Übergabe der Akte habe er die Kanzlei wegen eines auswärtigen Termins verlassen müssen und sei an diesem Tag auch nicht mehr in die Kanzlei zurückgekehrt. Aufgrund eines Versehens habe die Kanzleiangestellte vergessen, den Schriftsatz noch am selben Tag an das Oberlandesgericht per Fax zu übersenden.
2
Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Die Berufungsbegründungsfrist sei nicht schuldlos versäumt. Die Weisung seines Prozessbevollmächtigten, den Schriftsatz mittels Telefax an das Gericht zu übermitteln, mache ausreichende büroorganisatorische Maßnahmen einer wirksamen Ausgangskontrolle nicht entbehrlich. Eine qualifizierte Einzelweisung, welche die üblichen büroorganisatorischen Maßnahmen hätte überflüssig machen können, habe der Prozessbevollmächtigte nicht erteilt.

II.

3
Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.
4
1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt den Beklagten weder in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) noch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (vgl. Senatsbeschluss vom 11. Juni 2008 - XII ZB 184/07 - FamRZ 2008, 1605 Rn. 6 mwN).
5
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten (§ 236 Abs. 2 ZPO). Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus der sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht, und auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Versäumung der Frist gekommen ist (vgl. BGH Beschluss vom 3. Juli 2008 - IX ZB 169/07 - NJW 2008, 3501 Rn. 15 mwN).
6
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Rechtsanwalt eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren und insbesondere einen Fristenkalender führen. Die Fristenkontrolle muss gewährleisten, dass die fristgebundene Maßnahme rechtzeitig ergriffen wird. Erst wenn dies geschehen ist, darf die fristwahrende Maßnahme im Kalender als erledigt gekennzeichnet werden. Die Erledigung fristgebundener Sachen ist am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders zu überprüfen (BGH Beschluss vom 12. April 2011 - VI ZB 6/10 - NJW 2011, 2051 Rn. 7 mwN). Es muss sichergestellt sein, dass die im Fristenkalender vermerkten Fristen erst gestrichen oder in anderer Weise als erledigt gekennzeichnet werden, wenn die fristgebundene Maßnahme durchgeführt, der fristwahrende Schriftsatz also rechtzeitig vor Ablauf der Notfrist postfertig gemacht und nötigenfalls vorab per Telefax übermittelt worden ist. Dabei muss der Prozessbevollmächtigte auch Vorkehrungen treffen, die geeignet sind, versehentliche Erledigungsvermerke im Fristenkalender zu verhindern (vgl. BGH Beschluss vom 10. Juli 1997 - IX ZB 57/97 - NJW 1997, 3177, 3178 mwN).
7
3. Nach diesen Maßstäben hat der Beklagte die Fristversäumung nicht ausreichend entschuldigt. Der Wiedereinsetzungsantrag enthielt keinerlei Angaben darüber, welche organisatorischen Vorkehrungen der Prozessbevollmächtigte zur Einhaltung von Fristen und zur Ausgangskontrolle getroffen hatte, auch nicht darüber, ob die konkrete Frist in einem Kalender eingetragen und die Fristenkontrolle an dem Tag durchgeführt worden war.
8
Ausreichende allgemeine Organisationsanweisungen waren auch nicht dadurch entbehrlich und für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag unerheblich geworden, dass der Prozessbevollmächtigte die Akte mitsamt dem unterschriebenen Schriftsatz seiner Kanzleiangestellten übergeben und ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass der Schriftsatz noch am selben Tag an das Oberlandesgericht gefaxt werden müsse. Denn dieser Hinweis wiederholt lediglich die Frist, die im Kalender ohnehin eingetragen war oder hätte eingetragen gewesen sein müssen. Sie macht ausreichende Vorkehrungen zur Ausgangs- und Fristenkontrolle am Tagesende nicht entbehrlich.
9
Zwar kann der Rechtsanwalt seinen Sorgfaltspflichten unabhängig von allgemeinen Organisationsanweisungen dadurch genügen, dass er seiner Kanzleiangestellten eine Einzelanweisung erteilt. Auch dann müssen aber aus- reichende Sicherheitsvorkehrungen dagegen getroffen werden, dass diese nicht in Vergessenheit gerät und die zu treffende Maßnahme unterbleibt (vgl. Senatsbeschluss vom 7. März 2012 - XII ZB 277/11 - FamRZ 2012, 863 Rn. 11 und vom 25. März 2009 - XII ZB 150/08 - FamRZ 2009, 1132 mwN).
10
Das ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die Übergabe der Akte an die Kanzleiangestellte mit dem Hinweis, dass der Schriftsatz noch am selben Tag an das Oberlandesgericht gefaxt werden müsse, bedeutet keine Anweisung zur sofortigen Erledigung vor allen anderen Arbeiten, auf deren Befolgung sich der Prozessbevollmächtigte unabhängig von allgemeinen büroorganisatorischen Maßnahmen einer wirksamen Fristen- und Ausgangskontrolle hätte verlassen dürfen.
Dose Weber-Monecke Klinkhammer Schilling Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
LG Erfurt, Entscheidung vom 20.04.2012 - 8 O 1816/10 -
OLG Jena, Entscheidung vom 17.07.2012 - 2 U 452/12 -

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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 236 Wiedereinsetzungsantrag


(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten. (2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragste

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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

6
Die nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) geboten. Der angefochtene Beschluss verletzt den Beklagten in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung vorgesehenen Instanz nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfG NJW-RR 2002, 1004; BGHZ 151, 221, 227; Senatsbeschluss vom 9. November 2005 - XII ZB 270/04 - FamRZ 2006, 192). Dies bedeutet, dass einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen versagt werden darf, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und mit denen sie unter Berücksichtigung der Entscheidungspraxis des angerufenen Spruchskörpers auch nicht rechnen musste.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

15
b) Die Partei muss im Rahmen ihres Antrages auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist gemäß § 236 Abs. 2 ZPO die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen vortragen und glaubhaft machen. Hierzu gehört eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe , aus denen sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht (BGH, Beschl. v. 14. Juni 1978 - VIII ZB 6/78, VersR 1978, 942; Urt. v. 7. März 2002 - IX ZR 235/01, NJW 2002, 2107, 2108; Beschl. v. 17. Mai 2004 - II ZB 22/03, NJW 2004, 2525; 2526; v. 14. März 2005 - II ZB 31/03, NJW-RR 2005, 793, 794). Der Antragsteller muss sich auf einen Sachverhalt festlegen. Er kann nicht alternativ vortragen oder den tatsächlichen Geschehensablauf offen lassen, wenn dabei die Möglichkeit der verschuldeten Fristversäumung offen bleibt (BGH, Beschl. v. 22. Oktober 1981 - VII ZB 17/81, VersR 1982, 144; Musielak/Grandel, ZPO 6. Aufl. § 236 Rn. 4; Hk-ZPO/ Saenger, 2. Aufl. § 236 Rn. 4).
7
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Rechtsanwalt eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren und insbesondere einen Fristenkalender führen. Die Fristenkontrolle muss gewährleisten, dass der fristwahrende Schriftsatz rechtzeitig hergestellt und postfertig gemacht wird. Ist dies geschehen und ist die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet, so darf die fristwahrende Maßnahme im Kalender als erledigt gekennzeichnet werden. Das ist im Allgemeinen anzunehmen, wenn der fristwahrende Schriftsatz in ein Postausgangsfach des Rechtsanwalts eingelegt wird und die abgehende Post von dort unmittelbar zum Briefkasten oder zur maßgeblichen gerichtlichen Einlaufstelle gebracht wird, das Postausgangsfach also "letzte Station" auf dem Weg zum Adressaten ist. Eine zusätzliche Überwachung der abgehenden Post, etwa durch Führung eines Postausgangsbuchs , ist unter diesen Umständen nicht erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom 23. Mai 2006 - VI ZB 77/05, VersR 2006, 1563, 1564; BGH, Urteil vom 11. Januar 2001 - III ZR 148/00, VersR 2002, 380, 381; vom 22. Mai 2003 - I ZB 32/02, BGH-Report 2003, 1035 f.; vom 16. Februar 2010 - VIII ZB 76/09, NJW 2010, 1378 Rn. 7). Die Erledigung fristgebundener Sachen ist am Abend eines jeden Arbeitstages anhand des Fristenkalenders zu überprüfen (Senatsbeschluss vom 23. Mai 2006 - VI ZB 77/05, aaO; BGH, Beschluss vom 16. Februar 2010 - VIII ZB 76/09, aaO). Einen Nachweis dafür, dass das Schriftstück tatsächlich in den Postlauf gelangt ist, hat der Bundesgerichtshof ebenso wenig gefordert wie eine - meist nicht mögliche - Darlegung, wann und wie genau ein Schriftstück verloren gegangen ist; vielmehr genügt die Glaubhaftmachung , dass der Verlust mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in dem Bereich eingetreten ist, für den die Partei - auch über die Zurechnung des Verschuldens ihres Prozessbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO - verantwortlich ist (BGH, Beschluss vom 16. Februar 2010 - VIII ZB 76/09, aaO).
11
Zwar darf ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen, dass seine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete schriftliche Einzelweisung befolgt. Deshalb ist er im Allgemeinen nicht verpflichtet , sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. April 2010 - XII ZB 64/09 - FamRZ 2010,1067 und vom 9. Dezember 2009 - XII ZB 154/09 - MDR 2010, 400 jeweils mwN). Erteilt der Rechtsanwalt dagegen lediglich eine mündliche Anweisung, eine Rechtsmittelfrist einzutragen, müssen ausreichende Sicherheitsvorkehrungen dagegen getroffen werden, dass diese nicht in Vergessenheit gerät und die Eintragung der Frist unterbleibt (Senatsbeschluss vom 25. März 2009 - XII ZB 150/08 - FamRZ 2009, 1132 mwN). Daran fehlt es hier.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 150/08
vom
25. März 2009
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. März 2009 durch die
Richter Sprick und Prof. Dr. Wagenitz, die Richterin Dr. Vézina sowie die
Richter Dose und Dr. Klinkhammer

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 28. Juli 2008 wird auf Kosten der Klägerin verworfen. Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens: 3.700 €

Gründe:

I.

1
Die Klägerin hat eine Abänderungsklage gegen einen Prozessvergleich über nachehelichen Unterhalt erhoben. Das Amtsgericht - Familiengericht - hat durch am 3. Dezember 2007 verkündetes, aber erst am 22. Mai 2008 zugestelltes Urteil der Klage teilweise stattgegeben und den Unterhalt auf vier Jahre ab Rechtskraft der Scheidung befristet.
2
Dagegen hat die Klägerin Berufung eingelegt, die am 29. Mai 2008 bei dem Berufungsgericht eingegangen ist. Die Berufungsbegründung ist am 14. Juli 2008 eingegangen. Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2008, der am selben Tag beim Gericht einging, hat die Klägerin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
3
Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die von der Klägerin eingelegte Rechtsbeschwerde.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
5
1. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die am 14. Juli 2008 eingegangene Berufungsbegründung verspätet sei, weil sie unter Beachtung der Frist von fünf Monaten seit der Verkündung gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO bis zum 3. Juli 2008 hätte eingehen müssen. Die Verkündung des amtsgerichtlichen Urteils sei wirksam, was durch das Verkündungsprotokoll bewiesen werde. Dass das Urteil bei seiner Verkündung noch nicht vollständig abgefasst vorgelegen habe, stehe der Wirksamkeit der Verkündung und dem Beginn der Frist nicht entgegen.
6
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist sei unbegründet. Die Fristversäumung beruhe auf einem Verschulden der zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Klägerin. Der Rechtsanwalt müsse eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren , was von der Klägerin nicht dargelegt und glaubhaft gemacht worden sei. Eine dem Rechtsanwaltsfachangestellten F. G. auf den konkreten Fall bezogene - und von diesem versehentlich nicht befolgte - mündliche Einzelanweisung , die Berufungsbegründungsfrist auf den 3. Juli 2008 einzutragen, hätte durch ausreichende Vorkehrungen dagegen gesichert werden müssen, dass die Eintragung in Vergessenheit gerate. Das Fehlen jeder Sicherung bedeute einen entscheidenden Organisationsmangel, den die Klägerin sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse.
7
2. Die Rechtsbeschwerde ist zwar nach §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Es fehlt indessen an den besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 574 Abs. 2 ZPO, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.
8
Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und verletzt die Klägerin auch nicht in ihren Verfahrensgrundrechten.
9
a) Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist die Entscheidung des Berufungsgerichts zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Tenor des angefochtenen Beschlusses enthält allein dazu eine Entscheidung.
10
Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist durch den angefochtenen Beschluss nicht zugleich auch die von der Klägerin eingelegte Berufung verworfen worden. Das Verfahren auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ein vom Berufungsverfahren getrenntes Verfahren (vgl. § 238 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Dass das Berufungsgericht über den Tenor hinausgehend auch über die Berufung entscheiden wollte, folgt auch aus den Gründen der Entscheidung jedenfalls nicht mit der nötigen Sicherheit. Dem Beschluss fehlt etwa eine Kostenentscheidung , die bei einer Verwerfung der Berufung zu treffen gewesen wäre. Zwar enthält die Begründung des angefochtenen Beschlusses Ausführungen zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist. Auch führt das Berufungsgericht am Ende der Begründung aus, dass sich nach alledem die Berufung mangels Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig darstelle. Diese Aus- führungen können indessen auch im Zusammenhang mit der Wiedereinsetzung einen Sinn ergeben, weil diese die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist voraussetzt. Der Hinweis auf die Unzulässigkeit der Berufung kann sich ebenfalls auf die sich aus dem Beschluss des Berufungsgerichts ergebende Folge beziehen, ohne diese zugleich aussprechen zu wollen. Bei verbleibenden Zweifeln ist davon auszugehen, dass das Berufungsgericht nur soviel entscheiden wollte, wie aus dem Entscheidungsausspruch auch hervorgeht.
11
3. Das Berufungsgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin zu Recht zurückgewiesen. Seine Auffassung entspricht der Rechtsprechung des Senats.
12
Das Berufungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO fünf Monate nach der Verkündung des amtsgerichtlichen Urteils am 3. Dezember 2007, also am 3. Mai 2008, zu laufen begann und mit dem 3. Juli 2008 abgelaufen ist.
13
Entgegen der Auffassung der Klägerin war diese nicht gemäß § 233 ZPO ohne Verschulden daran gehindert, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten.
14
a) Dass das Urteil des Amtsgerichts nicht rechtzeitig in vollständiger Form abgefasst und zugestellt worden ist, hätte die Klägerin nicht daran gehindert , die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Die Versagung der beantragten Wiedereinsetzung verstößt entgegen den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren.
15
Das Urteil des Amtsgerichts war allerdings entgegen § 310 Abs. 2 ZPO bei seiner Verkündung nicht in vollständiger Form abgefasst. Es war auch fünf Monate nach der Verkündung jedenfalls noch nicht in vollständiger Form unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben (vgl. GemS OGB Beschluss vom 27. April 1993 - GmS-OGB 1/92 - NJW 1993, 2603; Senatsurteil vom 19. Mai 2004 - XII ZR 270/02 - FamRZ 2004, 1277). Darin liegt zwar ein schwerer Verfahrensmangel , der im Revisionsverfahren nach § 547 Nr. 6 ZPO einen absoluten Revisionsgrund darstellen würde. Das enthebt die betroffenen Parteien aber nicht davon, gegen das Urteil ein Rechtsmittel einzulegen und dieses rechtzeitig zu begründen. Dass die Fristen für die Einlegung der Berufung (§ 517 ZPO) und für ihre Begründung (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO) jeweils erst fünf Monate nach der Verkündung des Urteils zu laufen beginnen, trägt dem Verfahrensmangel hinreichend Rechnung.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das die Bestimmung eines gesonderten Verkündungstermins enthaltene Verkündungsprotokoll vom 12. November 2007 der Klägerin erst mit dem Urteil zugestellt wurde (vgl. BGHZ (GSZ) 14, 39, 52 f.). Ohne Kenntnis des Beschlusses, der den Verkündungstermin hinausgeschoben hat, bestand für sie überdies sogar Grund zu der Annahme, dass sogleich im Anschluss an die Sitzung des Amtsgerichts möglicherweise ein Urteil verkündet worden war.
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Dessen ungeachtet war die Klägerin durch die für sie zunächst bestehende Unklarheit nicht daran gehindert, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Denn das vollständig abgefasste Urteil des Amtsgerichts ist ihr am 22. Mai 2008 zugestellt worden. Die Berufung hat sie daraufhin rechtzeitig eingelegt , zu ihrer Begründung hatte sie noch Zeit bis zum 3. Juli 2008.
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b) Das Berufungsgericht hat es als nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht angesehen, dass den zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten kein (Organisations-)Verschulden an der Fristversäumung trifft. Der dargelegten und durch eidesstattliche Versicherung des Rechtsanwaltsfachangestellten F. G. glaubhaft gemachten Einzelanweisung, die Berufungsbegrün- dungsfrist zu notieren, fehle es an ausreichenden begleitenden Sicherungsvorkehrungen. Das ist nicht zu beanstanden.
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aa) Betrifft die Anweisung des Rechtsanwalts einen so wichtigen Vorgang wie die Eintragung einer Rechtsmittelfrist oder Rechtsmittelbegründungsfrist und wird sie nur mündlich erteilt, müssen ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen sein oder werden, dass die Anweisung (etwa im Drang der übrigen Geschäfte) in Vergessenheit gerät und die Fristeintragung unterbleibt (Senatsbeschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 189/07 - FamRZ 2008, 1338, 1339 m.w.N.; BGH Beschluss vom 26. Januar 2009 - II ZB 6/08 - zur Veröffentlichung bestimmt). Diese Sorgfaltsanforderungen galten hier erst recht, weil es sich um den Ausnahmefall handelte, dass die Berufungsbegründungsfrist nicht erst ab der Zustellung des Urteils, sondern gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO fünf Monate nach dessen Verkündung zu laufen begann.
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Zwar genügt auch in diesem Fall die klare und präzise Anweisung, die Frist sofort einzutragen, insbesondere wenn zudem eine weitere allgemeine Büroanweisung bestand, einen solchen Auftrag stets vor allen anderen auszuführen. Die Gefahr, dass eine solche sofort auszuführende Weisung sogleich vergessen oder aus sonstigen Gründen nicht befolgt wird, macht eine nachträgliche Kontrolle ihrer Ausführung dann nicht erforderlich (Senatsbeschluss vom 2. April 2008 - XII ZB 189/07 - FamRZ 2008, 1338, 1339 m.w.N.; BGH Beschluss vom 26. Januar 2009 - II ZB 6/08 - zur Veröffentlichung bestimmt).
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Solche zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen hat die Klägerin indessen mit ihrem Wiedereinsetzungsgesuch weder dargelegt noch glaubhaft gemacht. Nach dem Wiedereinsetzungsgesuch wurden zunächst beide Fristen, Berufungseinlegungsfrist und Berufungsbegründungsfrist, unrichtig eingetragen, nämlich auf den 23. Juni 2008 (Montag) und den 22. Juli 2008, berechnet je- weils ausgehend vom Zustellungsdatum. Dem Rechtsanwaltsfachangestellten F. G. sei dann aber aufgefallen, dass die Berufungsfrist bereits mit dem 3. Juni 2008 ablaufe. Er habe daraufhin die Akte am 29. Mai 2008 dem Rechtsanwalt vorgelegt. Dieser habe noch am selben Tag per Telefax Berufung eingelegt und den Angestellten angewiesen, „die Berufungsbegründungsfrist nunmehr auf den 03.07.2008 zu notieren“. Nach der - damit nicht vollständig übereinstimmenden - eidesstattlichen Versicherung des Angestellten hat der Rechtsanwalt ihn angewiesen, „auch die Berufungsbegründungsfrist noch einmal zu kontrollieren und entsprechend zu notieren“. Der Angestellte habe die Akte jedoch wegen der ausnahmsweise sehr hohen Arbeitsbelastung an jenem Tag nach der Erledigung der Berufungseinlegung weggelegt, obwohl er dem Rechtsanwalt zuvor die Anweisung bestätigt habe. Die Akte sei dem Rechtsanwalt erst im üblichen Betriebsablauf am 14. Juli 2008 wieder vorgelegt worden, als die Berufungsbegründungsfrist bereits abgelaufen gewesen sei.
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Demnach fehlte es an Vorkehrungen, die die Notierung der Frist hinreichend sicherten. Wenn der Rechtsanwalt keine schriftliche Weisung erteilte, hätte er seinen Angestellten zumindest anweisen müssen, die Frist sofort zu notieren, damit sie nicht wieder in Vergessenheit geraten konnte. Das gilt erst recht in Anbetracht der an diesem Tag bestehenden sehr hohen Arbeitsbelastung und der Tatsache, dass der Angestellte am folgenden Tag, einem Freitag, wegen des Geburtstages seines Sohnes Urlaub hatte.
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bb) Die mit der Rechtsbeschwerde nachgeholten und mit eidesstattlichen Versicherungen versehenen weiteren Angaben zu ergänzenden Anweisungen sind nicht mehr zu berücksichtigen. Nach § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO muss der Antrag auf Wiedereinsetzung die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Beruht - wie im vorliegenden Fall - das Versäumnis auf dem Versehen eines Büroangestellten, so hat die Partei alle Umstände darzulegen und glaubhaft zu machen, die ein Organisationsoder sonstiges Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ausschließen.
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Dabei können allerdings erkennbar unklare oder ungenaue Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten ist, auch über die Frist nach §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 ZPO hinaus erläutert oder vervollständigt werden (BGH Beschlüsse vom 4. März 2004 - IX ZB 71/03 - FamRZ 2004, 1552 und vom 29. Januar 2002 - VI ZB 28/01 - BGH-Report 2002, 434).
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Um einen solchen Fall handelt es sich hier indessen nicht. Die Angaben im Wiedereinsetzungsgesuch und der beigefügten eidesstattlichen Versicherung sind - abgesehen von dem genauen Inhalt der erteilten Anweisung - vollständig und klar. Dass darin zusätzliche Sicherungsvorkehrungen nicht angegeben worden sind, lässt für sich genommen noch keine Ergänzungs- oder Erläuterungsbedürftigkeit des Vorbringens erkennen. Wenn der geschilderte Ablauf innerhalb der Kanzleiorganisation der Prozessbevollmächtigten der Klägerin die zu stellenden Sorgfaltsanforderungen nicht vollständig erfüllte, ergibt sich daraus noch nicht, dass dem Berufungsgericht das Vorbringen der Klägerin ergänzungsbedürftig erscheinen musste. Eine Erläuterungs- oder Ergänzungsbedürftigkeit wäre etwa dann erkennbar gewesen, wenn bestimmte durch Anweisung festgelegte Arbeitsroutinen beschrieben wären, aus denen sich sowohl eine sorgfaltsgemäße als auch eine sorgfaltswidrige Ausführung ergeben kann. In diesen Fällen darf das Gericht nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die sorgfaltswidrige Alternative nicht entkräftet worden sei, und muss auf eine Aufklärung hinwirken (vgl. BGH Beschlüsse vom 4. März 2004 - IX ZB 71/03 - FamRZ 2004, 1552 m.w.N. und vom 29. Januar 2002 - VI ZB 28/01 - BGHReport 2002, 434).
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Es würde indessen die Hinweispflicht überspannen, wenn das Berufungsgericht den Antragsteller eines Wiedereinsetzungsgesuchs über einzelne Lücken in den von ihm dargelegten Sicherungsvorkehrungen aufzuklären hätte. Das Berufungsgericht kann vielmehr im Zweifel davon ausgehen, dass der Antragsteller seiner aus § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO ergebenden Verpflichtung zur vollständigen Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen auch nachgekommen ist. Im vorliegenden Fall durfte das Berufungsgericht daher davon ausgehen, dass die ausführlichen und detaillierten Darlegungen im Wiedereinsetzungsgesuch und der zur Glaubhaftmachung vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vollständig waren. Sprick Wagenitz Vézina Dose Klinkhammer
Vorinstanzen:
AG Eisenhüttenstadt, Entscheidung vom 03.12.2007 - 7 F 20/06 -
OLG Brandenburg, Entscheidung vom 28.07.2008 - 10 UF 76/08 -