Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2005 - XII ZB 31/05
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
Durch Urteil des Amtsgerichts vom 16. August 2004, dem Beklagten zugestellt am 16. November 2004, wurde dieser zur Zahlung von Kindesunterhalt an die Klägerin verurteilt. Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2004, der am 14. Dezember 2004 beim Berufungsgericht einging, legte der Beklagte dagegen Berufung ein und begründete sie. Mit einem weiteren Schriftsatz vom 9. Dezember 2004, der zeitgleich bei Gericht einging, beantragte der Beklagte Prozeßkostenhilfe für das Rechtsmittelverfahren mit dem Hinweis, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse werde nachgereicht. Darauf folgt, unmittelbar über der Unterschrift seines Prozeßbevollmächtigten, die Erklärung: "Berufung wird nur für den Fall von Gewährung der Prozeßkostenhilfe erhoben". Diese Zeile stehtfür sich allein und ist - ebenso wie der eigentliche Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe - zentriert gedruckt. Seine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse reichte der Beklagte mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2004 nach. Auf den Hinweis des Berufungsgerichts, gegen die Zulässigkeit der Berufung bestünden Bedenken, weil diese mit einer Bedingung verknüpft worden sei, erklärte der Prozeßbevollmächtigte des Beklagten mit Schriftsatz vom 14. Januar 2005, dieser Satz sei nur durch ein Büroversehen in den Schriftsatz geraten. Der Antrag auf Prozeßkostenhilfe werde zurückgenommen, so daß die Berufung als unbedingt zu gelten habe. Das Berufungsgericht verwarf die Berufung des Beklagten als unzulässig , weil sie nur bedingt eingelegt worden sei, nämlich "nur für den Fall von Gewährung der Prozeßkostenhilfe". Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO in Verbindung mit § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft, hat jedoch keinen Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung der höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht. 1. Eine an die Gewährung von Prozeßkostenhilfe geknüpfte Berufungseinlegung ist unzulässig (vgl. BGH, Beschluß vom 8. Oktober 1992 - V ZB 6/92 - VersR 1993, 713). Sind allerdings die gesetzlichen Anforderungen an eine Berufungsschrift - wie hier - erfüllt, kommt eine Deutung, daß der Schrift-satz nicht als unbedingte Berufung bestimmt war, nur dann in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (vgl. BGH, Beschluß vom 22. Januar 2002 - VI ZB 51/01 - NJW 2002, 1352 f.). Das ist hier indes der Fall.
a) Zweifel daran, daß die Einlegung der Berufung hier an eine Bedingung geknüpft war, ergeben sich hier - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - nicht schon daraus, daß die Berufungsschrift selbst eine solche Bedingung nicht enthält und diese sich nur aus dem gesondert eingereichten Antrag auf Prozeßkostenhilfe ergibt. Die Zusammengehörigkeit beider Schriftsätze ergibt sich nämlich daraus, daß sie jeweils die vollständigen Parteibezeichnungen enthalten und das Prozeßkostenhilfegesuch sich insoweit auf die eingelegte Berufung bezieht, als es Prozeßkostenhilfe für dieses Rechtsmittelverfahren begehrt. Anhaltspunkte dafür, daß etwa ein weiteres Verfahren der gleichen Parteien in die Rechtsmittelinstanz geraten sein könnte, sind nicht ersichtlich.
b) Die in dem zeitgleich mit der Berufungsschrift eingegangenen Schriftsatz enthaltene Erklärung, Berufung werde nur für den Fall von Gewährung der Prozeßkostenhilfe erhoben, ist eindeutig. Sie ist nicht mit der Erklärung vergleichbar , die Durchführung der Berufung werde von der Gewährung von Prozeßkostenhilfe abhängig gemacht, was die Auslegung rechtfertigen kann, der Kläger lege unbedingt Berufung ein und behalte sich lediglich für den Fall der Versagung der Prozeßkostenhilfe die Zurücknahme der Berufung vor (vgl. BGH, Beschluß vom 19. Mai 2004 - XII ZB 25/04 - FamRZ 2004, 1553 ff.).
c) Ebenfalls ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde auf einen Beschluß des BGH vom 22. September 1977 (IV ZB 50/77 - VersR 1978, 181), der indes einen anders gelagerten Einzelfall betrifft. Dort hatte der IV. Zivilsenat die Erklärung "Im übrigen gestatte ich mir den Hinweis, daß die Berufung nur dann
als eingelegt gelten soll, wenn dem Kläger das Armenrecht für die Anfechtung des erstinstanzlichen Urteils bewilligt wird" in Anbetracht des Gesamtzusammenhangs nicht als Bedingung für die Einlegung der Berufung ausgelegt, weil sie weder im Schriftbild hervorgehoben noch besonders gekennzeichnet war und auch die ihr vom Kläger durch die Einleitung ersichtlich beigemessene Beiläufigkeit einer solchen Auslegung entgegenstand. Derartige besondere Umstände liegen hier nicht vor. 2. Die vom Beklagten nach gerichtlichem Hinweis mit Schriftsatz vom 14. Januar 2005 erklärte Rücknahme des Prozeßkostenhilfegesuchs mit der Klarstellung, die Berufung sei unbedingt eingelegt, vermag daran nichts zu ändern , da sie erst nach Ablauf der Berufungsfrist erfolgte.
a) Zwar kann der Berufungskläger eine nur bedingt eingelegte und deshalb unzulässige Berufung durch Rücknahme der Bedingung zulässig machen. Eine solche Erklärung ist als erneute Berufungsschrift anzusehen (vgl. BGH, Beschluß vom 8. Oktober 1992 - V ZB 6/92 - VersR 1993, 713 f.). Ist diese erst nach Ablauf der Berufungsfrist eingelegt worden, ist auch grundsätzlich von Amts wegen Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn der Berufungskläger innerhalb der Berufungsfrist Prozeßkostenhilfe beantragt hatte, weil die der ersten, bedingt eingelegten Berufung beigefügte ordnungsgemäße Berufungsbegründung insoweit auch für die erneute, bedingungslos eingelegte Berufung gilt. Die Wiedereinsetzung hat dann zur Folge, daß der angefochtene Beschluß, durch den die Berufung als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos wird und zur Klarstellung aufgehoben werden kann (vgl. BGH, Beschluß vom 8. Oktober 1992 aaO).
b) Eine solche Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Berufung wäre hier auch nicht an der Rücknahme des Prozeßkostenhilfe-
gesuches gescheitert, wenn der Beklagte bis zu diesem Zeitpunkt mit der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe hätte rechnen können.
c) Eine Wiedereinsetzung kam hier aber nicht in Betracht, weil der Beklagte innerhalb der Berufungsfrist kein vollständiges Prozeßkostenhilfegesuch eingereicht hatte. Weder hatte er die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse innerhalb dieser Frist eingereicht, noch hatte er vor Ablauf dieser Frist auf die in erster Instanz eingereichten Unterlagen mit der Erklärung Bezug genommen, an seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen habe sich seitdem nichts geändert. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten daher zu Recht als unzulässig verworfen.
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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Die Berufung findet gegen die im ersten Rechtszug erlassenen Endurteile statt.
(2) Die Berufung ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder - 2.
das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
(3) Der Berufungskläger hat den Wert nach Absatz 2 Nr. 1 glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides statt darf er nicht zugelassen werden.
(4) Das Gericht des ersten Rechtszuges lässt die Berufung zu, wenn
Das Berufungsgericht ist an die Zulassung gebunden.(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.