Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2004 - XII ZB 25/04

bei uns veröffentlicht am19.05.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 25/04
vom
19. Mai 2004
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Mai 2004 durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof.
Dr. Wagenitz und Dose

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluß des 20. Familiensenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 22. Januar 2004 aufgehoben. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Gerichtskosten, von deren Erhebung abgesehen wird (§ 8 GKG). Beschwerdewert: 940 €

Gründe:

I.

Die Abänderungsklage, mit der der Kläger den Wegfall seiner Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt ab August 2002 begehrte, wurde durch Urteil des Familiengerichts vom 4. Juli 2003, dem Kläger zugestellt am 10. Juli 2003, zurückgewiesen. Mit am 8. August 2003 bei Gericht eingegangenen Schriftsätzen legte der Kläger hiergegen "Berufung" ein mit dem Zusatz, die Durchführung werde
von der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe abhängig gemacht, beantragte Prozeßkostenhilfe für das Berufungsverfahren und legte einen mit der Unterschrift seines beim Berufungsgericht zugelassenen Prozeßbevollmächtigten versehenen Entwurf einer Berufungsbegründung vor. Mit Beschluß vom 27. November 2003, dem Kläger zugegangen am 4. Dezember 2003, bewilligte das Berufungsgericht Prozeßkostenhilfe für eingeschränkte Berufungsanträge. Daraufhin beantragte der Kläger mit einem als Berufung bezeichneten Schriftsatz, der am 19. Dezember 2003 (Freitag) per Fax bei Gericht einging, Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist und begründete die Berufung zugleich unter Beschränkung seiner Berufungsanträge nach Maßgabe der Prozeßkostenhilfebewilligung. Auf einen dem Kläger am 2. Januar 2004 zugestellten Hinweis des Gerichts , die Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO sei durch das am 19. Dezember 2003 eingegangene Wiedereinsetzungsgesuch nicht gewahrt, beantragte der Kläger mit am 15. Januar 2004 eingegangenem Schriftsatz vorsorglich Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist und machte durch eidesstattliche Versicherung seiner Büroangestellten glaubhaft , diese habe versäumt, die Weisung des Prozeßbevollmächtigten zu befolgen , das Wiedereinsetzungsgesuch vom 18. Dezember 2003 noch am gleichen Tage per Fax an das Berufungsgericht zu senden. Das Berufungsgericht sah die am 8. August 2003 eingegangene Berufungsschrift als unbedingt eingelegt an und verwarf die Berufung mangels rechtzeitiger Begründung mit Beschluß vom 22. Januar 2004. Zugleich verweigerte es die vom Kläger beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert. 2. Sie ist auch begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Verwerfungsbeschlusses mit der Folge, daß das Berufungsverfahren fortzusetzen ist. Der Kläger hat weder die Berufungsfrist noch die Berufungsbegründungsfrist versäumt, so daß es einer Wiedereinsetzung nicht bedarf.
a) Das Berufungsgericht hat den am 8. August 2003 eingegangenen Schriftsatz als unbedingt eingelegte Berufung ausgelegt. Diese Auslegung, die das Gericht der Rechtsbeschwerde uneingeschränkt nachprüfen kann, läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Der Berufungsschriftsatz ist innerhalb der Berufungsfrist eingegangen und wahrt die erforderlichen Förmlichkeiten. In ihm wird erklärt, daß gegen das näher bezeichnete Urteil des Amtsgerichts namens und in Vollmacht des Klägers Berufung eingelegt werde. Die Einlegung des Rechtsmittels ist zulässigerweise mit einem Prozeßkostenhilfegesuch verbunden worden. In einem solchen Fall muß der Rechtsmittelführer zwar alles vermeiden, was den Eindruck erweckt , er wolle eine (künftige) Prozeßhandlung nur ankündigen und sie von der Gewährung der Prozeßkostenhilfe abhängig machen (vgl. Senatsbeschluß vom 9. Juli 1986 - IVb ZB 55/86 - FamRZ 1986, 1987). Wenn aber - wie hier - die gesetzlichen Anforderungen an eine Berufungsschrift erfüllt sind, kommt die Deutung, daß der Schriftsatz nicht als unbedingte Berufung bestimmt war, nur
in Betracht, wenn sich dies aus den Begleitumständen mit einer jeden vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlichkeit ergibt (vgl. Senatsbeschluß vom 10. Januar 1990 - XII ZB 134/89 - FamRZ 1990, 995). Mit Rücksicht auf die schwerwiegenden Folgen einer bedingten und damit unzulässigen Berufungseinlegung ist für die Annahme einer derartigen Bedingung eine ausdrückliche zweifelsfreie Erklärung erforderlich, die beispielsweise darin gesehen werden kann, daß der Schriftsatz als "Entwurf einer Berufungsschrift" bezeichnet wird, oder von einer "beabsichtigten Berufung" die Rede ist oder angekündigt wird, daß "nach Gewährung der Prozeßkostenhilfe" Berufung eingelegt werde (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 1995 - VIII ZR 267/94 - BGHR ZPO § 518 Abs. 1 Einlegung

5).

Demgegenüber ist der hier zu beurteilenden Berufungsschrift eine solche eindeutige, jeden vernünftigen Zweifel ausschließende Bedingung nicht zu entnehmen. Er ist mit "Berufung" überschrieben und enthält zunächst die ausdrückliche und einschränkungslose Erklärung, es werde Berufung eingelegt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß die Einlegung der Berufung, der Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe und die darin in Bezug genommene, als "Entwurf der Berufungsbegründungsschrift" bezeichnete Begründung jeweils in gesonderten Schriftsätzen eingereicht wurden und die Begründungsschrift mit der Überschrift "Entwurf" versehen wurde, die Berufungsschrift im Gegensatz dazu aber nicht. Wenn sodann in der Berufungsschrift nach der Erklärung, daß Berufung eingelegt werde, der Absatz folgt "Die Durchführung des Berufungsverfahrens wird von der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe abhängig gemacht“,
so ist dies nicht eindeutig, da diese Erklärung auch dahin verstanden werden kann, daß nur die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang die (weitere ) Durchführung des Rechtsmittelverfahrens - die die Einlegung des Rechtsmittels voraussetzt - von der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe abhängig gemacht wird, nicht aber die Einlegung selbst, und daß der Kläger sich für den Fall vollständiger Versagung der Prozeßkostenhilfe die Zurücknahme der Berufung vorbehält (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 1995 aaO.).
b) Zu Unrecht hat aber das Berufungsgericht den dem Berufungsschriftsatz beigefügten Entwurf einer Berufungsbegründungsschrift nicht als solche genügen lassen. Entgegen der im angefochtenen Beschluß vertretenen Auffassung kann auch die - hier: in der Berufungsschrift ausdrücklich erklärte - Bezugnahme auf ein eingereichtes Prozeßkostenhilfegesuch zugleich als Berufungsbegründung ausreichen. Dies gilt erst recht, wenn sich die Bezugnahme - wie hier - auf einen zugleich beigefügten gesonderten Entwurf einer Berufungsbegründung erstreckt , der von dem beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben ist und auch sonst allen Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO entspricht. Da nämlich im allgemeinen keine Partei die mit der Versäumung einer Rechtsmittelfrist verbundenen Nachteile in Kauf nehmen will, muß im Zweifel angenommen werden, daß ein inhaltlich den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO entsprechendes, von dem beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnetes Prozeßkostenhilfegesuch auch als Berufungsbegründung dienen soll, sofern nicht ein anderer Wille des Rechtsmittelführers erkennbar ist (st. Rspr., vgl. Senatsbeschluß vom 16. August 2000 - XII ZB 65/00 - NJW-RR 2001, 789 m.N.).
So liegt der Fall auch hier, zumal dem Umstand, daß der gesondert beigefügte "Entwurf" im Prozeßkostenhilfegesuch als "Entwurf der Berufungsbegründungsschrift“ bezeichnet wird, zu entnehmen ist, daß er nicht nur der Begründung des Prozeßkostenhilfegesuchs, sondern zugleich auch der Begründung der bereits eingelegten Berufung dienen soll. Der Bezeichnung als "Entwurf" ist jedenfalls nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß dieser Schriftsatz nicht schon als Berufungsbegründung dienen, sondern diese erst ankündigen soll. Dagegen spricht bereits die Unterzeichnung des Schriftsatzes, die, wenn der Entwurf nur der Begründung des Prozeßkostenhilfegesuchs dienen soll, nicht erforderlich ist und üblicherweise unterbleibt. Die Bezeichnung als "Entwurf" kann auch bedeuten, daß im Falle einer noch innerhalb der Begründungsfrist ergehenden, die Prozeßkostenhilfe nur teilweise bewilligenden Entscheidung eine Modifizierung der Berufungsanträge und/oder eine weitere Auseinandersetzung mit der Begründung der teilweise ablehnenden Prozeßkostenhilfeentscheidung vorbehalten bleiben soll.
Dem steht auch nicht entgegen, daß der Kläger hier nach der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt hat. Dieser Antrag ist als nur vorsorglich gestellt anzusehen , da in ihm zugleich ausgeführt wird, daß die Berufung (fristgerecht) am 6. August 2003 eingelegt und ihr "gleichzeitig eine Begründungsschrift beigefügt“ worden sei. Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2004 - XII ZB 25/04

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2004 - XII ZB 25/04

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2004 - XII ZB 25/04 zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Zivilprozessordnung - ZPO | § 518 Berufungsfrist bei Urteilsergänzung


Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt (§ 321), so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urteil von

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 8 Strafsachen, Bußgeldsachen


In Strafsachen werden die Kosten, die dem verurteilten Beschuldigten zur Last fallen, erst mit der Rechtskraft des Urteils fällig. Dies gilt in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten entsprechend.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2004 - XII ZB 25/04 zitiert oder wird zitiert von 23 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2004 - XII ZB 25/04 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Aug. 2000 - XII ZB 65/00

bei uns veröffentlicht am 16.08.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 65/00 vom 16. August 2000 in dem Rechtsstreit Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. August 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Hahne, Gerber und Prof. D
22 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Mai 2004 - XII ZB 25/04.

Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Jan. 2007 - XII ZB 207/06

bei uns veröffentlicht am 31.01.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 207/06 vom 31. Januar 2007 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO §§ 234 Abs. 1 B, 236 Abs. 2 Satz 2, 115 Abs. 4 Hat eine anwaltlich vertretene Partei innerhalb der Rechtsmittelf

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Okt. 2017 - VIII ZR 135/16

bei uns veröffentlicht am 25.10.2017

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES VERSÄUMNISURTEIL VIII ZR 135/16 Verkündet am: 25. Oktober 2017 Ermel, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit ECLI:DE:BGH:2017:251017UVIIIZR13

Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Okt. 2010 - XII ZB 113/10

bei uns veröffentlicht am 27.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 113/10 vom 27. Oktober 2010 in der Familiensache Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Oktober 2010 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Dr. Klinkha

Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Nov. 2010 - VIII ZB 55/10

bei uns veröffentlicht am 16.11.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VIII ZB 55/10 vom 16. November 2010 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 233 B, D a) Versäumt eine mittellose Partei die Frist zur Berufungseinlegung und Berufungsbegründung ,

Referenzen

In Strafsachen werden die Kosten, die dem verurteilten Beschuldigten zur Last fallen, erst mit der Rechtskraft des Urteils fällig. Dies gilt in gerichtlichen Verfahren nach dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten entsprechend.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Wird innerhalb der Berufungsfrist ein Urteil durch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt (§ 321), so beginnt mit der Zustellung der nachträglichen Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist auch für die Berufung gegen das zuerst ergangene Urteil von neuem. Wird gegen beide Urteile von derselben Partei Berufung eingelegt, so sind beide Berufungen miteinander zu verbinden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 65/00
vom
16. August 2000
in dem Rechtsstreit
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. August 2000 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Dr. Hahne,
Gerber und Prof. Dr. Wagenitz

beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluß des 8. Zivilsenats - 2. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Naumburg vom 13. März 2000 aufgehoben. Wert: 2.138 DM.

Gründe:

I.

Der Kläger ist ein volljähriger Sohn des Beklagten aus dessen geschiedener Ehe. Mit der Klage macht er einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt geltend. Beide Eltern sind berufstätig, das Kindergeld wird der Mutter ausgezahlt. Der Beklagte hat einen Anspruch auf Zahlung von 500 DM monatlich anerkannt , insofern ist ein Teilanerkenntnisurteil ergangen. Der weitergehenden Klage hat das Familiengericht durch Schlußurteil vom 11. November 1999 teilweise stattgegeben, im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit einem per Fax am 27. Dezember 1999 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger zur Durchführung einer beabsichtigten Berufung Prozeßkostenhilfe beantragt. Wegen der Erfolgsaussicht hat er auf einen als Anlage beigefügten "Entwurf der Berufungsbegründung" verwiesen. Die Anlage ist mit "Be-
rufung" überschrieben, ohne einen weiteren Zusatz, daß es sich lediglich um einen Entwurf handelt. Sie enthält das volle Rubrum, Berufungsanträge und auf insgesamt acht Seiten eine Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil. Der Prozeßkostenhilfeantrag und die Anlage sind unterzeichnet von einer beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwältin. Durch Beschluß vom 7. Januar 2000 hat das Berufungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zurückgewiesen mit der Begründung , die wirtschaftlichen Voraussetzungen seien nicht gegeben, weil der Kläger von seinen Eltern einen Prozeßkostenvorschuß verlangen könne. Dieser Beschluß wurde dem Kläger am 12. Januar 2000 zugestellt. Daraufhin hat er mit einem am 25. Januar 2000 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und erneut zur Durchführung der Berufung Prozeßkostenhilfe beantragt. Ausführungen zur Begründung der Berufung enthält dieser Schriftsatz nicht. Durch Beschluß vom 26. Januar 2000 hat das Berufungsgericht dem Kläger wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt und seinen erneuten Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zurückgewiesen. Auf einen entsprechenden Hinweis des Berufungsgerichts hin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 9. März 2000 die Ansicht vertreten, die Berufung sei bereits mit der Anlage zu dem ersten Prozeßkostenhilfegesuch ordnungsgemäß begründet worden. Durch den angefochtenen Beschluß hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers.

II.


Die sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Das Berufungsgericht führt aus, die Berufung sei unzulässig, weil sie nicht rechtzeitig begründet worden sei (§ 519 ZPO). Der Schriftsatz, der als Anlage zu dem ersten Prozeßkostenhilfegesuch eingereicht worden sei, erfülle zwar inhaltlich die an eine Berufungsbegründung zu stellenden Anforderungen. Er könne aber nicht als Berufungsbegründung gewertet werden, weil der Kläger ihn in dem Prozeßkostenhilfegesuch ausdrücklich als Entwurf bezeichnet habe. Nachdem der Kläger Berufung eingelegt habe, habe er zur Begründung dieser Berufung nichts mehr vorgetragen und auch nicht - jedenfalls nicht rechtzeitig - auf den zuvor eingereichten Entwurf einer Berufungsbegründung Bezug genommen. Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht beruft sich für seine Ansicht zu Unrecht auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart (FamRZ 2000, 240), die - wie das Berufungsgericht zutreffend anführt - vom Bundesgerichtshof bestätigt worden ist (Senatsbeschluß vom 15. September 1999 - XII ZB 114/99). In dem damals entschiedenen Fall war zwar auch zusammen mit einem Prozeßkostenhilfegesuch der Entwurf einer eine Begründung enthaltenden Berufungsschrift eingereicht worden. Es handelte sich damals aber nicht darum, ob die Anlage als ordnungsgemäße Berufungsbegründung angesehen werden könne, es handelte sich vielmehr darum, ob die Partei ordnungsgemäß Berufung eingelegt habe. Der Senat hat diese Frage verneint und entscheidend darauf abgestellt, wenn eine Partei Prozeßkostenhilfe beantrage und den Entwurf einer Berufungsschrift vorlege, könne man daraus nicht entnehmen, daß sie schon unbedingt Berufung einlegen wolle, weil sie im Falle
der unbedingten Einlegung eines Rechtsmittels ein Kostenrisiko eingehen würde , das sie gerade vermeiden wolle. Dieser Gesichtspunkt hat für den vorliegenden Fall keine Bedeutung. Es entspricht vielmehr der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß auch die Bezugnahme auf ein bei den Akten befindliches Prozeßkostenhilfegesuch , die nicht ausdrücklich erfolgen muß, sondern sich auch aus den Begleitumständen oder dem Zusammenhang ergeben kann, als Berufungsbegründung ausreichend sein kann. Da im allgemeinen keine Partei die mit der Versäumung einer Rechtsmittelfrist verbundenen Nachteile in Kauf nehmen will, muß im Zweifel angenommen werden, daß ein inhaltlich den Anforderungen des § 519 Abs. 3 ZPO entsprechendes, von dem beim Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnetes Prozeßkostenhilfegesuch auch als Berufungsbegründung dienen soll, sofern nicht ein anderer Wille des Rechtsmittelführers erkennbar ist (Senatsbeschluß vom 9. November 1988 - IVb ZB 154/88 - FamRZ 1989, 269; MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, 2. Aufl. § 519 Rdn. 5; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO 21. Aufl. § 519 Rdn. 37; Musielak /Ball, ZPO § 519 Rdn. 35; Thomas/Putzo, ZPO 22. Aufl. § 519 Rdn. 2; Baumbach/Albers, ZPO 58. Aufl. § 519 Rdn. 28, jeweils m.w.N.). Anhaltspunkte für einen entgegenstehenden Willen des Rechtsmittelführers , der sich zum Beispiel daraus ergeben könnte, daß er in irgendeiner Form die Einreichung einer eigenen Berufungsbegründung angekündigt hat, sind vom Berufungsgericht nicht festgestellt und auch nicht ersichtlich. Der Kläger ist vielmehr erkennbar davon ausgegangen, eine weitere Begründung der Berufung sei nicht mehr erforderlich.
Der Rechtsstreit muß an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, damit das Berufungsgericht in der Sache über die Berufung des Klägers entscheiden kann. Blumenröhr Krohn Hahne Gerber Wagenitz