Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Juli 2011 - XII ZB 139/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Die Parteien sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Das Familiengericht hat die Teilklage auf Zugewinnausgleich abgewiesen. Das Urteil ist der Klägerin zu Händen ihrer Prozessbevollmächtigten am 26. August 2010 zuge- stellt worden. Mit einem rechtzeitig beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin Berufung eingelegt. Auf ihren Antrag ist die Berufungsbegründungsfrist bis zum 25. November 2010 verlängert worden. Die - zutreffend - an das Oberlandesgericht Düsseldorf adressierte Berufungsbegründungsschrift vom 23. November 2010 ist am 1. Dezember 2010 dort eingegangen , nachdem sie zuvor am 24. November 2010 an das Oberlandesgericht Celle gelangt und von dort weitergeleitet worden war.
- 2
- Auf richterlichen Hinweis vom 6. Dezember 2010, zugestellt am 9. Dezember 2010, hat die Antragsgegnerin am 22. Dezember 2010 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt. Der Berufungsbegründungsschriftsatz sei am 23. Oktober 2010 diktiert und gefertigt worden. Am gleichen Tag sei auch noch ein weiterer Schriftsatz an das Oberlandesgericht Celle diktiert und gefertigt worden. Die ansonsten zuverlässige Kanzleiangestellte müsse wohl den an das Oberlandesgericht Düsseldorf gerichteten Schriftsatz versehentlich zusammen mit dem anderen Schriftsatz in den an das Oberlandesgericht Celle gerichteten Versandumschlag gelegt haben. Daher sei der Schriftsatz entgegen der erteilten Anweisung auch nicht vorab per Telefax an das Oberlandesgericht Düsseldorf versendet worden.
- 3
- Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin hätten es versäumt, für eine wirksame Postausgangskontrolle zu sorgen. Es fehle die Weisung, die notierte Frist erst dann zu löschen, wenn anhand des zu überprüfenden Sendeprotokolls feststehe, dass die Absendung des Telefaxes erfolgreich gewesen sei.
II.
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- 1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO), denn der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin in ihrem Anspruch auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes.
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- 2. Das Rechtsmittel ist auch begründet. Das Oberlandesgericht hat zu Unrecht der Klägerin die Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist versagt und ihre Berufung verworfen.
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- a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört es zu den Aufgaben des Prozessbevollmächtigten, dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig hergestellt wird und innerhalb der Frist bei dem zuständigen Gericht eingeht. Zu diesem Zweck muss der Rechtsanwalt eine zuverlässige Fristenkontrolle organisieren und insbesondere einen Fristenkalender führen. Die Fristenkontrolle muss gewährleisten, dass der fristwahrende Schriftsatz rechtzeitig hergestellt und postfertig gemacht wird. Ist dies geschehen und ist die weitere Beförderung der ausgehenden Post organisatorisch zuverlässig vorbereitet, so darf die fristwahrende Maßnahme im Kalender als erledigt gekennzeichnet werden. Das ist im Allgemeinen anzunehmen, wenn der fristwahrende Schriftsatz in ein Postausgangsfach des Rechtsanwalts eingelegt wird und die abgehende Post von dort unmittelbar zum Briefkasten oder zur maßgeblichen gerichtlichen Einlaufstelle gebracht wird, das Postausgangsfach also "letzte Station" auf dem Weg zum Adressaten ist (BGH Beschluss vom 12. April 2011 - VI ZB 6/10 - NJW 2011, 2501 Rn. 7 mwN). Wird für die Fristenkontrolle bereits daran angeknüpft, dass der fristwahrende Schriftsatz postfertig gemacht worden ist, muss die Beförderung zu der Stelle, für die der Schriftsatz bestimmt ist, organisatorisch so weit vorbereitet sein, dass sie durch Versehen, welche die eigentliche Beförderung nicht betreffen, nicht mehr verhindert werden kann (BGH Beschluss vom 9. September 1997 - IX ZB 80/97 - NJW 1997, 3446, 3447).
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- b) Nach diesen Maßstäben hat die Klägerin die Fristversäumung ausreichend entschuldigt. Denn durch die Umstände ist glaubhaft gemacht, dass der Berufungsbegründungsschriftsatz versehentlich mit einem anderen, an das Oberlandesgericht Celle gerichteten Schriftsatz in den Postversandumschlag gelangte. Darin liegt ein schlichtes Büroversehen der Kanzleimitarbeiterin, welches nicht auf einem Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten beruht. Die Anforderungen an die anwaltliche Sorgfalt würden überspannt, wollte man verlangen, dass er bei einer Angestellten, an deren Zuverlässigkeit keine Zweifel bestehen, das Einlegen der Sendung in die korrekte Versandtasche zu kontrollieren habe.
- 8
- In der Annahme, das Schriftstück sei in den korrekten Versandumschlag gelangt, durfte die Kanzleimitarbeiterin auch die Frist im Fristenkalender als erledigt kennzeichnen, so dass auch insoweit kein Anhaltspunkt für ein Anwaltsverschulden besteht.
- 9
- c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten auch nicht darin, keine Weisung erteilt zu haben, nach der - von ihm verfügten - Vorabübersendung per Telefax einen Einzelnachweis auszudrucken und auf dieser Grundlage die Vollständigkeit der Übermittlung zu überprüfen. Denn diese Kontrollmaßnahmen sind nur erforderlich , wenn die Vorabübersendung des Telefaxes aus der Warte des Absenders erforderlich scheint, um die Frist einzuhalten, weil eine Postsendung den Empfänger unter Berücksichtigung normaler Postlaufzeiten nicht mehr rechtzeitig erreichte. Ist hingegen aus der Warte des Absenders alles Notwendige veranlasst , um den Eingang des fristgebundenen Schriftsatzes rechtzeitig auf normalem Postwege zu erreichen, bedarf es einer zusätzlichen Vorabübersendung per Telefax grundsätzlich nicht. Für eine - in dem Falle überobligatorische - Vorabfaxübersendung können keine besonderen Sorgfaltsanforderungen aufgestellt werden. Daran ändert nichts, wenn der rechtzeitige Posteingang tatsächlich aus Umständen unterbleibt, für die der Prozessbevollmächtigte - wie hier - kein eigenes Organisationsverschulden trägt.
- 10
- Nach der Glaubhaftmachung der Klägerin hatte ihr Prozessbevollmächtigter alle in seiner anwaltlichen Organisationsverantwortung liegenden Vorkehrungen getroffen, um den fristwahrenden Schriftsatz rechtzeitig postfertig zu machen.
AG Kleve, Entscheidung vom 24.08.2010 - 4 F 433/06 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.02.2011 - II-3 UF 191/10 -
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War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfahren über die nachgeholte Prozesshandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Entscheidung über den Antrag beschränken.
(2) Auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags und auf die Anfechtung der Entscheidung sind die Vorschriften anzuwenden, die in diesen Beziehungen für die nachgeholte Prozesshandlung gelten. Der Partei, die den Antrag gestellt hat, steht jedoch der Einspruch nicht zu.
(3) Die Wiedereinsetzung ist unanfechtbar.
(4) Die Kosten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn
- 1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder - 2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.
(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.