Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Mai 2018 - X ARZ 258/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Mai 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski und Hoffmann und die Richterinnen Dr. Kober-Dehm und Dr. Marx
beschlossen:
Gründe:
- 1
- Die Antragstellerin macht geltend, sie habe beim Amtsgericht Alzey um Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen die Antragsgegnerin nachgesucht, die das Amtsgericht verweigert habe, weil das beabsichtigte Klagebegehren in die Zuständigkeit der Sozialgerichte falle; die hiergegen eingelegte Beschwerde sei erfolglos geblieben. Das Sozialgericht habe sich geweigert, den "Prozesskostenhilfeantrag in die Gerichtsrolle aufzunehmen". Ihr Widerspruch hiergegen sei erfolglos geblieben; die Klage vor dem Verwaltungsgericht stehe noch aus.
- 2
- Der Antrag ist unzulässig, weil es keine gesetzliche Grundlage für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts durch den Bundesgerichtshof gibt.
- 3
- Er bestimmt nach § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 3 Satz 2 ZPO nur dann das zuständige Gericht, wenn sich verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, rechtskräftig für unzuständig erklärt haben, und das nach § 36 Abs. 2 ZPO an sich für die Gerichtsstandsbestimmung zuständige Oberlandesgericht ihm die Sache vorlegt, weil es von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Eine - regelmäßig lediglich deklaratorische - Bestimmung des zuständigen Gerichts durch den Bundesgerichtshof oder einen anderen obersten Gerichtshof des Bundes kommt in entsprechender Anwendung des § 36 ZPO darüber hinaus bei negativen Kompetenzkonflikten zwischen Gerichten verschiedener Rechtswege in Betracht, wenn trotz eines nach § 17a GVG ergangenen und unanfechtbar gewordenen Beschlusses, mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, Zweifel an der bindenden Wirkung der Verweisung aufgekommen sind und deshalb keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten (BGH, Beschluss vom 11. Juli 2017 - X ARZ 76/17, WM 2017, 1755 Rn. 4; Beschluss vom 29. April 2014 - X ARZ 172/14, NJW 2014, 2125 Rn. 5; Beschluss vom 14. Mai 2013 - X ARZ 167/13, MDR 2013, 1242 Rn. 5 mwN).
- 4
- Keiner dieser Fälle, in denen der Bundesgerichtshof bei negativen Kompetenzkonflikten zur Zuständigkeitsbestimmung berufen ist, liegt im Streitfall vor. Darauf hat die Rechtspflegerin die Antragstellerin zutreffend hingewiesen. Insbesondere streiten Amtsgericht und Sozialgericht nicht über die Wirksamkeit einer Verweisung an das Gericht des anderen Rechtswegs. Eine allgemeine Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs zur Zuständigkeitsbestimmung zur Wahrung einer funktionierenden Rechtspflege, auf die sich die Antragstellerin berufen möchte, besteht nicht.
Vorinstanzen:
AG Alzey, Entscheidung vom 06.02.2017 - 28 C 16/17 -
Sozialgericht Mainz, Entscheidung vom 10.04.2018 - S 1 AR 12/18 -
Annotations
(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
(1) Hat ein Gericht den zu ihm beschrittenen Rechtsweg rechtskräftig für zulässig erklärt, sind andere Gerichte an diese Entscheidung gebunden.
(2) Ist der beschrittene Rechtsweg unzulässig, spricht das Gericht dies nach Anhörung der Parteien von Amts wegen aus und verweist den Rechtsstreit zugleich an das zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller auszuwählende Gericht verwiesen oder, wenn die Wahl unterbleibt, an das vom Gericht bestimmte. Der Beschluß ist für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, hinsichtlich des Rechtsweges bindend.
(3) Ist der beschrittene Rechtsweg zulässig, kann das Gericht dies vorab aussprechen. Es hat vorab zu entscheiden, wenn eine Partei die Zulässigkeit des Rechtsweges rügt.
(4) Der Beschluß nach den Absätzen 2 und 3 kann ohne mündliche Verhandlung ergehen. Er ist zu begründen. Gegen den Beschluß ist die sofortige Beschwerde nach den Vorschriften der jeweils anzuwendenden Verfahrensordnung gegeben. Den Beteiligten steht die Beschwerde gegen einen Beschluß des oberen Landesgerichts an den obersten Gerichtshof des Bundes nur zu, wenn sie in dem Beschluß zugelassen worden ist. Die Beschwerde ist zuzulassen, wenn die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn das Gericht von der Entscheidung eines obersten Gerichtshofes des Bundes oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht. Der oberste Gerichtshof des Bundes ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden.
(5) Das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, prüft nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist.
(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten für die in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuständigen Spruchkörper in ihrem Verhältnis zueinander entsprechend.