Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Apr. 2008 - VIII ZR 50/06

bei uns veröffentlicht am08.04.2008
vorgehend
Amtsgericht Lichtenberg, 11 C 391/04, 16.03.2005
Landgericht Berlin, 62 S 146/05, 12.01.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 50/06
vom
8. April 2008
in dem Rechtsstreit
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. April 2008 durch den Vorsitzenden
Richter Ball, die Richter Wiechers und Dr. Wolst sowie die Richterin
Dr. Hessel und den Richter Dr. Achilles

beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil der Zivilkammer 62 des Landgerichts Berlin vom 12. Januar 2006 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Gründe:

1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Wert der von den Beklagten mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).
2
Ist wie bei der vorliegenden Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung die Dauer des Mietverhältnisses streitig, richtet sich der Wert der Beschwer nach § 8 ZPO. Zur Bestimmung der "streitigen Zeit“ ist dabei auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem das Mietverhältnis jedenfalls geendet hätte. Lässt sich ein solcher Zeitpunkt - wie hier - nicht sicher feststellen, bemisst sich die Beschwer in entsprechender Anwendung von § 9 ZPO nach dem dreieinhalbfachen Wert der Jahresmiete (Senatsbeschluss vom 13. März 2007 - VIII ZR 189/06, NZM 2007, 355 = WuM 2007, 283 m.w.N.). Ausgehend von einer monatlichen Nettokaltmiete von 422,33 € zuzüglich 40 € für die Garten- nutzung errechnet sich danach im Streitfall eine Rechtsmittelbeschwer von (462,33 € x 42 =) 19.417,86 €.
3
1. Soweit die Beklagten demgegenüber einen Wert der Beschwer von (564,59 € x 42 =) 23.712,78 € errechnen, indem sie die monatliche Betriebskostenvorauszahlung von 102,26 € als nicht gesondert abzurechnende Pauschale ansehen, ist dies unzutreffend. Gemäß § 3 Ziff. 1 des Mietvertrags ist ein "Betriebskostenvorschuss zzt." von 102,26 € vereinbart. Auch in der Anlage zum Mietvertrag (Anlage Seite 2 Mitte) wird auf die gegenwärtige Miete von 422,33 € zuzüglich „jeweiliger Betriebskostenvorschüsse" abgestellt. Nach dem eindeutigen Wortlaut ist daher davon auszugehen, dass es sich hinsichtlich der Zahlung auf die Betriebskosten um einen abzurechnenden Vorschuss und nicht um einen Pauschalbetrag handelt. Die monatliche für den Wert der Beschwer zugrunde zu legende Miete berechnet sich damit ohne die auf die Betriebskosten anfallenden Vorauszahlungen. Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass in § 3 Ziff. 2 Satz 1 des Mietvertrags die Variante "in der Miete sind die nachfolgenden Betriebskosten gemäß § 27 der Zweiten Berechnungsverordnung... enthalten" angekreuzt ist. Denn der nachfolgende Satz, wonach die Betriebskosten als Vorschuss vom Mieter zu zahlen sind und jährlich abgerechnet werden , ist nicht gestrichen.
4
2. Auch soweit die Beklagten meinen, zusätzlich zu der Miete sei der Wert der Aufwendungen von über 17.000 € zu berücksichtigen, die die Beklagten auf die Mietsache getätigt haben wollen, trifft dies nicht zu. Die Beklagten haben in den Vorinstanzen keine Gegenansprüche geltend gemacht. Außerdem haben die Mietvertragsparteien ein Quotenmodell vereinbart, wonach der Vermieter bei Beendigung des Mietverhältnisses vor Ablauf von fünf Jahren für jedes nicht abgewohnte Jahre 20 % der Renovierungskosten in Höhe von insgesamt 4.000 € erstattet. Zwar ist weiterhin vereinbart, dass die Miete in den ers- ten fünf Jahren nicht erhöht werden darf. Hieraus ergibt sich jedoch nicht, dass den Beklagten im Gegenzug für die von ihnen getätigten Aufwendungen auf die Mietsache eine besonders günstige Miete eingeräumt worden wäre. Die Aufwendungen der Beklagten für die Renovierungs- und Umbaumaßnahmen stellen daher keine Gegenleistung für die Gebrauchsüberlassung der Wohnung dar. Sie erhöhen nicht den Wert der Beschwer.
5
3. Auch im Übrigen ergibt sich kein die Wertgrenze von 20.000 € übersteigender Wert der Beschwer. Insoweit meinen die Beklagten, ihnen entgingen bei Wirksamkeit der Kündigung des Mietverhältnisses wirtschaftliche Vorteile im Wert von über 20.000 € aus der ihnen eingeräumten, vermeintlich "günstigen" Miete. Dies trifft jedoch ebenfalls nicht zu, auch nicht unter Berücksichtigung dessen, dass die Miete nur alle drei Jahre um jeweils 20 % erhöht werden kann und so über Jahre hinweg nicht das behauptete Niveau der für vergleichbare Wohnungen zu zahlenden Miete erreicht. Zwar war die Höhe der Miete für fünf Jahre garantiert, jedoch war eine Eigenbedarfskündigung nur für die gegenwärtigen Vermieter und nicht für künftige Erwerber ausgeschlossen. Die Möglichkeit einer Eigenbedarfskündigung durch den Erwerber wird von der Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht angegriffen. Schließlich haben sich die Beklagten den Ausschluss der Mieterhöhung für fünf Jahre auch nicht durch ihre Aufwendungen auf die Wohnung "erkauft", sondern insoweit galt für einen Betrag von 4.000 € das zuvor bereits erwähnte Quotenmodell von 20 % für jedes nicht abgewohnte Jahr. Soweit die Beklagten mehr als diese 4.000 € zur Renovierung der Wohnung aufgewendet hätten, wäre dies entsprechend der Parteivereinbarung nicht ausgleichspflichtig und führt nicht zu einer Erhöhung der Beschwer über die zugrunde liegende Miete hinaus. Ball Wiechers Dr. Wolst Dr. Hessel Dr. Achilles
Vorinstanzen:
AG Berlin-Lichtenberg, Entscheidung vom 16.03.2005 - 11 C 391/04 -
LG Berlin, Entscheidung vom 12.01.2006 - 62 S 146/05 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 9 Wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen


Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere

Zivilprozessordnung - ZPO | § 8 Pacht- oder Mietverhältnis


Ist das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht oder Miete und, wenn der 25fache Betrag des einjährigen Entgelts geringer ist, dieser Betrag für die

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Bundesgerichtshof Beschluss, 13. März 2007 - VIII ZR 189/06

bei uns veröffentlicht am 13.03.2007

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Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Okt. 2014 - VIII ZR 240/14

bei uns veröffentlicht am 14.10.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS VIII ZR 240/14 vom 14. Oktober 2014 in dem Rechtsstreit Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. Oktober 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin Dr. Hessel, den Richter Dr. Schn

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Ist das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht oder Miete und, wenn der 25fache Betrag des einjährigen Entgelts geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung entscheidend.

Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges berechnet. Bei bestimmter Dauer des Bezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Bezüge maßgebend, wenn er der geringere ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 189/06
vom
13. März 2007
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Der Wert der Beschwer einer Verurteilung zur Räumung einer Mietwohnung bestimmt
sich nach § 8 ZPO. Zur Bestimmung der "streitigen Zeit" ist dabei auf den
Zeitpunkt abzustellen, zu dem das Mietverhältnis jedenfalls geendet hätte. Lässt sich
ein solcher Zeitpunkt nicht sicher feststellen, bemisst sich die Beschwer nach dem
dreieinhalbfachen Wert des einjährigen Bezuges (im Anschluss an BGH, Beschluss
vom 25. Oktober 1995 - XII ZR 7/94, WM 1996, 187, unter II 1; Beschluss vom
14. April 2004 - XII ZB 224/02, WuM 2004, 353, unter II; Beschluss vom 16. Februar
2005 - XII ZR 46/03, WuM 2005, 350, unter 2; Urteil vom 17. März 2005 - III ZR
342/04, NJW-RR 2005, 867, unter 2 b; BVerfG NZM 2006, 578).
BGH, Beschluss vom 13. März 2007 - VIII ZR 189/06 - LG Düsseldorf
AG Düsseldorf
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. März 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Milger,
den Richter Dr. Koch und die Richterin Dr. Hessel

beschlossen:
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten gegen das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 9. März 2006 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen. Streitwert für das Beschwerdeverfahren: 4.047,21 €.

Gründe:

1
Die Beschwerde ist unzulässig, weil die mit der Revision geltend zu machende Beschwer von über 20.000 € nicht erreicht ist (§ 26 Nr. 8 EGZPO). Die (Rechtsmittel-) Beschwer des Beklagten beträgt 12.388,11 € und setzt sich aus dem in der Revisionsinstanz noch streitigen Zahlungsanspruch in Höhe von 710,85 € sowie einem Wert von 11.677,26 € für den Räumungsanspruch zusammen.
2
Hinsichtlich des Räumungsanspruchs bestimmt sich der Wert der Beschwer nach § 8 ZPO, weil das Bestehen eines Mietverhältnisses streitig ist. Die "streitige Zeit" im Sinne dieser Vorschrift beginnt grundsätzlich mit der Klageerhebung und endet mit dem regulären Ende der Vertragslaufzeit. § 8 ZPO ist nach seinem Wortlaut und Sinn auf Fälle zugeschnitten, in denen sich die "streitige Zeit" entweder - wie bei einem Vertrag von bestimmter Dauer - von vornherein genau bestimmen lässt oder in denen - bei Mietverhältnissen von unbestimmter Dauer - feststeht, dass und wann das Mietverhältnis aufgrund der Kündigung jedenfalls endet; insoweit wird der Wert lediglich durch das 25-fache des Jahresentgeltes begrenzt (BGH, Urteil vom 1. April 1992 - XII ZR 200/91, NJW-RR 1992, 1359, unter 2; BGH, Urteil vom 17. März 2005 - III ZR 342/04, NJW-RR 2005, 867, unter 2 b). Demgegenüber kommt § 8 ZPO nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht die Aufgabe zu, den Wert bei Verträgen von unbestimmter Dauer oder in Fällen, in denen der Nutzungsberechtigte eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses verlangen kann, zu bestimmen (BGH, Urteil vom 17. März 2005, aaO). In diesen Fällen ist auf den Zeitpunkt abzustellen, den der Nutzungsberechtigte für sich als den günstigsten in Anspruch nimmt; hat er keinen konkreten Zeitpunkt genannt oder sich auf ein lebenslanges Nutzungsrecht berufen, ist in entsprechender Anwendung des § 9 ZPO auf einen Zeitraum von dreieinhalb Jahren abzustellen (BGH, Beschluss vom 25. Oktober 1995 - XII ZR 7/94, WM 1996, 187, unter II 1; Beschluss vom 14. April 2004 - XII ZB 224/02, WuM 2004, 353, unter II; Beschluss vom 16. Februar 2005 - XII ZR 46/03, WuM 2005, 350, unter 2; Urteil vom 17. März 2005, aaO; BVerfG NZM 2006, 578).
3
Bei einem auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietvertrag über Wohnraum lässt sich ein Zeitpunkt, zu dem das Mietverhältnis jedenfalls beendet wäre, meist schon deshalb nicht sicher feststellen, weil eine ordentliche Kündigung des Vermieters nur zulässig ist, wenn der Vermieter an der Beendigung des Mietverhältnisses ein berechtigtes Interesse hat (§ 573 Abs. 1 BGB). Derartige Umstände sind aber regelmäßig - wie auch hier - nicht absehbar oder streitig, so dass sich das Ende der Mietzeit nicht verlässlich bestimmen lässt. Gemäß § 9 ZPO bemisst sich die Beschwer deshalb in diesen Fällen nach dem dreieinhalbfachen Wert der Jahresnettomiete. Ausgehend von einer Nettomiete von 278,03 € im Monat ergibt sich eine Summe von 11.677,26 € als maßgeblicher Wert (42 Monate x 278,03 €). Ball RiBGH Dr. Frellesen ist Dr. Milger erkrankt und daher gehindert, seine Unterschrift beizufügen. Karlsruhe, 27.03.2007 Ball Dr. Koch Dr. Hessel
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 19.07.2005 - 33 C 13560/04 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 01.06.2006 - 21 S 331/05 -