Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Dez. 2017 - VIII ZR 204/16

bei uns veröffentlicht am05.12.2017
vorgehend
Amtsgericht Essen, 15 C 708/14, 27.11.2015
Landgericht Essen, 10 S 9/16, 18.08.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 204/16
vom
5. Dezember 2017
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Verkündungsmängel (hier: Verkündung nicht in öffentlicher Sitzung im angegebenen
Sitzungssaal, sondern im Dienstzimmer des Richters) stehen dem wirksamen
Erlass eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen
der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde.
Sind die Mindestanforderungen an eine Verlautbarung gewahrt, hindern auch
Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen
Urteils nicht. Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung vom
Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte
und die Parteien von dem Erlass und dem Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet
wurden (Bestätigung von BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 1954 - GSZ
3/54, BGHZ 14, 39, 44; vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11, NJW 2012, 1591
Rn. 13; Urteile vom 31. Mai 2007 - X ZR 172/04, BGHZ 172, 298 Rn. 12; vom
12. März 2004 - V ZR 37/03, NJW 2004, 2019, unter II 1 b).
BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2017 - VIII ZR 204/16 - LG Essen
AG Essen
ECLI:DE:BGH:2017:051217BVIIIZR204.16.0

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 5. Dezember 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Prof. Dr. Achilles, Dr. Schneider und Dr. Bünger

beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 18. August 2016 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 9.018,60 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Das Amtsgericht hat die auf Räumung einer Mietwohnung und Ersatz vorgerichtlicher Kosten gerichtete Klage abgewiesen.
2
Am Schluss der Berufungsverhandlung vom 21. Juli 2016 hat der Vorsitzende der Kammer Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 18. August 2016, 12 Uhr, bestimmt. Zu der anberaumten Zeit fand die Beklagte den am 21. Juli 2016 angekündigten Sitzungssaal verschlossen vor. Es gelang ihr nicht, die Tür zum Sitzungssaal zu öffnen. Die Beklagte begab sich später am gleichen Tag erneut zum Berufungsgericht. Dort informierte sie der Kammervorsitzende über den Erfolg der Berufung des Klägers und erklärte, dass die Tür zum Sitzungssaal in der Annahme, es sei niemand gekommen, nicht geöffnet worden sei.
3
Das vom Vorsitzenden unterschriebene Verkündungsprotokoll vom 18. August 2016 weist die Anwesenheit der drei Kammermitglieder und eine Verkündung "des anliegenden Urteils" in öffentlicher Verhandlung aus. Die Zustellung des in den Gerichtsakten unmittelbar nach dem Verkündungsprotokoll abgehefteten Berufungsurteils verfügte die Geschäftsstelle am 25. August 2016; die Urteilszustellung erfolgte ausweislich der bei den Akten befindlichen Empfangsbekenntnisse am 8. September 2016 an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten und am 12. September 2016 an den des Klägers.
4
In den vom Senat eingeholten dienstlichen Stellungnahmen erklärten die Beisitzer der Berufungskammer, dass sie an der Verkündung - wie bei gesonderten Verkündungsterminen üblich - nicht teilgenommen hätten. Der Vorsitzende der Berufungskammer teilte mit, dass er an die konkrete Verkündung keine Erinnerung habe; üblicherweise werde der Sitzungssaal verschlossen, wenn vor der Verkündung eine längere Pause liege; zur Verkündung werde die Eingangstüre dann von der Kammer geöffnet und die Entscheidung verkündet, was ausweislich des Protokolls auch geschehen sei.

II.

5
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Zulassung der Revision ist weder im Hinblick auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO).
6
Insbesondere ist die Zulassung der Revision nicht deshalb - unter dem Gesichtspunkt der Sicherung der einheitlichen Rechtsprechung - geboten, weil es sich bei dem Berufungsurteil um einen allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugenden Entscheidungsentwurf (sogenanntes Schein- oder Nichturteil ) handelte. Denn das Berufungsurteil vom 18. August 2016 ist an diesem Tag jedenfalls in der Weise wirksam verkündet worden, dass es als Urteil existent geworden ist.
7
Verkündungsmängel stehen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem wirksamen Erlass eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare , zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht (BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 1954 - GSZ 3/54, BGHZ 14, 39, 44; vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11, NJW 2012, 1591 Rn. 13; Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 37/03, NJW 2004, 2019 unter II 1 b). Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung vom Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien vom Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden (BGH, Urteile vom 12. März 2004 - V ZB 37/03, aaO; vom 31. Mai 2007 - X ZR 172/04, BGHZ 172, 298 Rn. 12; Beschluss vom 8. Februar 2012 - XII ZB 165/11, aaO). Diese Rechtsprechung beruht auf der Überlegung, dass aus Gründen der Rechtssicherheit nicht jeder Verkündungsmangel dazu führen kann, ein Urteil als bloßes Schein- oder Nichturteil einzuordnen, das als solches nicht in Rechtskraft erwachsen kann und dessen Nichtexistenz somit auch noch nach vielen Jahren unabhängig von Rechtsmittelfristen geltend gemacht werden könnte (BGH, Beschluss vom 14. Juni 1954 - GSZ 3/54, aaO S. 48 ff.).
8
Nach diesen Grundsätzen ist das Berufungsurteil ordnungsgemäß "verlautbart" worden. Denn das vom Vorsitzenden unterzeichnete Protokoll vom 18. August 2016 über die "Verkündung des anliegenden Urteils" sowie das von allen Kammermitgliedern unterschriebene Urteil sind zeitnah zur Geschäftsstelle gelangt und den Parteien zugestellt worden. Die Beklagte war zudem nach ihren Angaben schon am Tag der Verkündung auf ihre Nachfrage vom Kammervorsitzenden über den Prozessausgang informiert worden. Es steht daher nicht in Zweifel, dass die Verlautbarung des Urteils vom Gericht beabsichtigt war und die Parteien vom Erlass der Entscheidung auch förmlich unterrichtet worden sind.
9
Dass das Protokoll insoweit unrichtig ist, als nur der Vorsitzende, nicht aber die Beisitzer anwesend waren, ist schon deshalb unschädlich, weil die Verkündung in einem gesonderten Verkündungstermin vom Vorsitzenden in Abwesenheit der anderen Mitglieder des Prozessgerichts vorgenommen werden kann (§ 311 Abs. 4 ZPO) und dies auch der üblichen Praxis entspricht.
10
Es kann auch dahinstehen, ob das Sitzungsprotokoll vom 18. August 2016 - wofür nach den vom Senat im Freibeweis festgestellten Umständen vieles spricht - auch insoweit unrichtig ist, als die Verkündung nicht im Sitzungssaal , sondern etwa im Dienstzimmer des Vorsitzenden stattgefunden hat. Denn in diesem Fall läge zwar ein Verstoß gegen die dienstliche richterliche Pflicht zur Verkündung des Urteils in öffentlicher Sitzung (§ 310 Abs. 1 Satz 1 ZPO; § 169 Satz 1 GVG) vor. Gleichwohl handelte es sich bei dem Berufungsurteil auch dann nicht um ein Scheinurteil. Vielmehr läge - ebenso wie bei einer Verkündung nicht in dem anberaumten Verkündungstermin, sondern in einem anderen , den Parteien nicht bekannt gegebenen Termin (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 1954 - GSZ 3/54, aaO) oder im Falle der fehlerhaften Ersetzung der Verkündung des Urteils durch dessen Zustellung (BGH, Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 37/03 aaO; vgl. ferner BGH, Urteil vom 2. April 1955 - IV ZR 261/54, BGHZ 17, 118, 122) - auch (nur) ein solcher Verkündungsmangel vor, der die Mindestanforderungen an das Existentwerden eines Urteils nicht in Frage stellt. Dass das Berufungsurteil bei der Verkündung bereits vorlag (zur Notwendigkeit des Vorliegens zumindest der schriftlich niedergelegten Urteilsformel im Zeitpunkt der Verkündung vgl. nur BGH, Beschluss vom 21. April 2015 - VI ZR 132/13, NJW 2015, 2342 Rn. 10 mwN) ist durch das Sitzungsprotokoll bewiesen und wird auch durch die von der Beschwerde vorgetragenen Umstände nicht in Frage gestellt.
11
2. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbs. ZPO abgesehen. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Essen, Entscheidung vom 27.11.2015 - 15 C 708/14 -
LG Essen, Entscheidung vom 18.08.2016 - 10 S 9/16 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 169


(1) Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich. Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihre

Zivilprozessordnung - ZPO | § 310 Termin der Urteilsverkündung


(1) Das Urteil wird in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, oder in einem sofort anzuberaumenden Termin verkündet. Dieser wird nur dann über drei Wochen hinaus angesetzt, wenn wichtige Gründe, insbesondere der Umfang oder di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 311 Form der Urteilsverkündung


(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. (2) Das Urteil wird durch Vorlesung der Urteilsformel verkündet. Die Vorlesung der Urteilsformel kann durch eine Bezugnahme auf die Urteilsformel ersetzt werden, wenn bei der Verkündung von den Parteien

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(1) Das Urteil wird in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, oder in einem sofort anzuberaumenden Termin verkündet. Dieser wird nur dann über drei Wochen hinaus angesetzt, wenn wichtige Gründe, insbesondere der Umfang oder die Schwierigkeit der Sache, dies erfordern.

(2) Wird das Urteil nicht in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet, so muss es bei der Verkündung in vollständiger Form abgefasst sein.

(3) Bei einem Anerkenntnisurteil und einem Versäumnisurteil, die nach §§ 307, 331 Abs. 3 ohne mündliche Verhandlung ergehen, wird die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt. Dasselbe gilt bei einem Urteil, das den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil verwirft (§ 341 Abs. 2).

(1) Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich. Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts sind unzulässig. Die Tonübertragung in einen Arbeitsraum für Personen, die für Presse, Hörfunk, Fernsehen oder für andere Medien berichten, kann von dem Gericht zugelassen werden. Die Tonübertragung kann zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter oder zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens teilweise untersagt werden. Im Übrigen gilt für den in den Arbeitsraum übertragenen Ton Satz 2 entsprechend.

(2) Tonaufnahmen der Verhandlung einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse können zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken von dem Gericht zugelassen werden, wenn es sich um ein Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland handelt. Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter oder zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens können die Aufnahmen teilweise untersagt werden. Die Aufnahmen sind nicht zu den Akten zu nehmen und dürfen weder herausgegeben noch für Zwecke des aufgenommenen oder eines anderen Verfahrens genutzt oder verwertet werden. Sie sind vom Gericht nach Abschluss des Verfahrens demjenigen zuständigen Bundes- oder Landesarchiv zur Übernahme anzubieten, das nach dem Bundesarchivgesetz oder einem Landesarchivgesetz festzustellen hat, ob den Aufnahmen ein bleibender Wert zukommt. Nimmt das Bundesarchiv oder das jeweilige Landesarchiv die Aufnahmen nicht an, sind die Aufnahmen durch das Gericht zu löschen.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 2 kann das Gericht für die Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in besonderen Fällen Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts zulassen. Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter sowie eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens können die Aufnahmen oder deren Übertragung teilweise untersagt oder von der Einhaltung von Auflagen abhängig gemacht werden.

(4) Die Beschlüsse des Gerichts nach den Absätzen 1 bis 3 sind unanfechtbar.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

13
Auch im Übrigen stehen Verkündungsmängel nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem wirksamen Erlass eines Urteils nur entgegen , wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechts- sinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht (BGHZ GSZ 14, 39, 44 ff.; BGH Urteil vom 16. Oktober 1984 - VI ZR 205/83 - NJW 1985, 1782, 1783). Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden (BGH Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 37/03 - FamRZ 2004, 1187, 1188 mwN).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 37/03 Verkündet am:
12. März 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird ein Urteil entgegen § 310 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht verkündet, den Parteien
aber zum Zwecke der Verlautbarung förmlich zugestellt, so liegt eine bloß fehlerhafte
Verlautbarung vor, die die Wirksamkeit der Entscheidung nicht berührt.
Ein im schriftlichen Verfahren vor dem anberaumten Verkündungstermin erlassenes
Anerkenntnisurteil kann den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs
verletzen.
BGH, Urt. v. 12. März 2004 - V ZR 37/03 - LG Erfurt
AG Sömmerda
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Kläger werden das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 23. Dezember 2002 und das Urteil des Amtsgerichts Sömmerda vom 25. März 2002 nebst dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Amtsgericht Sömmerda zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger erwarben 1999 von der Beklagten mit dem S ondereigentum an mehreren Wohnungen verbundene Miteigentumsanteile eines Grundstücks in S. . Mit der Behauptung, die Beklagte habe den Befall des Gebäu-
des mit echtem Hausschwamm arglistig verschwiegen, haben sie zunächst Kosten einer Schwammsanierung in Höhe von 9.450.- DM geltend gemacht.
Nach der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme, i n der ein früherer Bewohner des Hauses ausgesagt hat, daß sich bei seinem Einzug 1986 meterlange Fruchtkörper des Schwamms an der Außenwand des Gebäudes befunden hätten, er deshalb mehrmals die Woche ein chemisches Nahkampfmittel gespritzt und die Kosten hierfür von der Rechtsvorgängerin der Beklagten erstattet bekommen habe, hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger erklärt, er prüfe, inwieweit ein Rücktritt vom Kaufvertrag in Betracht komme, und eine Klageerweiterung angekündigt.
Anschließend hat das Amtsgericht mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet, eine Schriftsatzfrist „zur Beweiswürdigung“ bis zum 20. März 2002 gesetzt und Verkündungstermin für den 24. April 2002 bestimmt. Am 20. März 2002 haben die Kläger wegen schwebender Vergleichsgespräche gebeten, die Frist bis zum 10. April 2002 zu verlängern und einen gleichlautenden Antrag der Gegenseite angekündigt. Mit Schriftsatz vom 21. März 2002 hat die Beklagte die Klageforderung anerkannt und gleichzeitig mitgeteilt, daß noch Vergleichsverhandlungen liefen, um die Gesamtproblematik einvernehmlich zu klären. Am 25. März 2002 hat das Amtsgericht ohne vorherige Ankündigung ein Anerkenntnisurteil erlassen. Der Beklagten ist es förmlich zugestellt, den Klägern zusammen mit der Abschrift des Anerkenntnisses zunächst formlos übersandt worden.
Die Kläger, die nunmehr die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen , haben gegen das Anerkenntnisurteil Berufung eingelegt. Das Landgericht hat den Parteien mitgeteilt, daß das Amtsgericht auch im Hinblick auf die fehlende Verkündung des Urteils aufgefordert worden sei, die Zustellung des Anerkenntnisurteils an die Kläger zu bewirken, was im Juli 2002 geschehen ist. Anschließend hat das Landgericht die Berufung mangels Beschwer der Kläger als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich ihre - von dem Senat zugelassene - Revision.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht meint, das angefochtene Urteil sei trotz unterbliebener Verkündung infolge der förmlichen Zustellung an die Parteien wirksam geworden. Zwar sehe die Zivilprozeßordnung eine Zustellung an Verkündungs Statt für ein im schriftlichen Verfahren erlassenes Anerkenntnisurteil nicht vor. Gleichwohl sei eine, wenn auch fehlerhafte, Verlautbarung des Urteils vorgenommen worden, so daß nicht etwa ein Nichturteil, sondern ein rechtsmittelfähiges Urteil vorliege. Dieses beschwere die Kläger nicht, da ihrem zuletzt gestellten Antrag voll entsprochen worden sei. Eine Beschwer liege auch nicht darin, daß es den Klägern im erstinstanzlichen Verfahren nicht möglich gewesen sei, einen geänderten Sachantrag zu stellen. Für das Amtsgericht habe keine Veranlassung bestanden, den Klägern nach Eingang des Anerkenntnisses nochmals rechtliches Gehör zu gewähren, nachdem sie den Erlaß eines Anerkenntnisurteils bereits in der Klageschrift beantragt und die bis zum
20. März 2002 gewährte Schriftsatzfrist nicht zu einer Antragsänderung genutzt hätten.

II.


Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüf ung nicht stand.
1. Nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts , das Anerkenntnisurteil sei, wenn auch fehlerhaft, verlautbart worden und damit wirksam.

a) Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und materiellrechtlichen Wirkungen existent. Vorher liegt nur ein - allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugender - Entscheidungsentwurf vor (BGHZ 14, 39, 44). Die Verlautbarung eines Urteils erfolgt grundsätzlich öffentlich im Anschluß an die mündliche Verhandlung oder in einem hierfür anberaumten Termin durch das Verlesen der Urteilsformel (§§ 310 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 173 Abs. 1 GVG). Im schriftlichen Verfahren sind Urteile in einem nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu bestimmenden Termin zu verkünden. Abweichendes gilt nur für Anerkenntnis- und Versäumnisurteile, die im schriftlichen Vorverfahren (§§ 307 Abs. 2, 331 Abs. 3 ZPO) ergehen; hier wird die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt (§ 310 Abs. 3 ZPO). Da das vom Amtsgericht im schriftlichen Verfahren vorbereitete Anerkenntnisurteil nicht unter die Vorschrift des § 310 Abs. 3 ZPO fiel, entsprach eine Verlautbarung durch Zustellung an die Parteien nicht den gesetzlichen
Formerfordernissen, vielmehr hätte das Urteil in einem zu diesem Zweck anzuberaumenden Termin verkündet werden müssen.

b) Der Verfahrensfehler führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des Anerkenntnisurteils. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehen Verkündungsmängel dem wirksamen Erlaß eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so daß von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt , hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht (vgl. BGHZ 14, 39, 44 ff.; BGH, Urt. v. 16. Oktober 1984, VI ZR 205/83, NJW 1985, 1782, 1783). Zu den Mindestanforderungen gehören, daß die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlaß und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden. Mit dem Wesen der Verlautbarung nicht unvereinbar ist dagegen eine Bekanntgabe des Urteils durch Zustellung statt durch Verkündung in öffentlicher Sitzung, da dies eine gesetzlich vorgesehene, wenn auch anderen Urteilen vorbehaltene Verlautbarungsform (§ 310 Abs. 3 ZPO) erfüllt. Wird ein § 310 Abs. 1 ZPO unterfallendes Urteil den Parteien an Verkündungs Statt förmlich zugestellt, liegt deshalb kein Verstoß gegen unverzichtbare Formerfordernisse, sondern ein auf die Wahl der Verlautbarungsart beschränkter Verfahrensfehler vor (vgl. BGH, Urt. v. 16. Oktober 1984, VI ZR 25/83, VersR 1984, 1192, 1993; BAGE 17, 286, 288; Stein/Jonas, ZPO 21. Aufl., § 310, Rdn. 26; Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 310, Rdn. 10; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 310, Rdn. 6).
Nach diesen Grundsätzen ist das erstinstanzliche Urteil wirksam verlautbart worden. Der erkennende Richter hat die Übersendung des Urteils an die Parteien selbst verfügt, so daß sein Wille, die Entscheidung zu erlassen, trotz des Verstoßes gegen § 310 Abs. 1 Satz 1 ZPO außer Frage steht. Bei der Verfügung ist ihm zwar ein (weiterer) Fehler insoweit unterlaufen, als er die Zustellung des Urteils nur an die Beklagten angeordnet und im übrigen eine formlose Übersendung als ausreichend angesehen hat. Jedoch ist die Zustellung an die Kläger durch das Amtsgericht nachgeholt worden, wobei diese aufgrund des vorausgegangenen Schreibens des Berufungsgerichts nicht darüber im Unklaren sein konnten, daß eine Zustellung an Verkündungs Statt beabsichtigt war.

c) Ist somit von einer wirksamen Verlautbarung des Urteils auszugehen, stellt sich die unterlassene Verkündung in einem gesonderten Termin lediglich als Verfahrensfehler dar, der auf eine Rüge hin nur dann zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils geführt hätte, wenn die Entscheidung auf der Verletzung des Verfahrensrechts beruhte, ohne den Fehler also anders hätte ausfallen können (§ 545 Abs. 1 ZPO). Dafür ist hier aber, wie das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision unbeanstandet angenommen hat, nichts ersichtlich.
2. Unzutreffend ist demgegenüber die Auffassung des Berufungsgerichts , die Berufung gegen das Anerkenntnisurteil sei unzulässig, weil es an der nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Beschwer der Kläger fehle.

a) Die klagende Partei ist beschwert, wenn die angefochtene Entscheidung von ihren in der Instanz gestellten Anträgen abweicht (sog. formelle Be-
schwer, vgl. BGHZ 140, 335, 338; BGH, Urt v. 29. Juni 2000, I ZR 29/98, NJWRR 2001, 620, 621). Das ist der Fall, wenn das Gericht über einen Sachantrag befunden hat, der nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits war (BGH, Urt. v. 9. Oktober 1990, VI ZR 89/90, NJW 1991, 703, 704; BayObLG WE 1997, 117, 118), und zwar auch dann, wenn die Entscheidung der anfechtenden Partei scheinbar günstig ist. Denn auch aus der Zuerkennung eines Anspruchs können , insbesondere im materiellen Recht begründete, unerwünschte Folgen erwachsen , deren Beseitigung der betroffenen Partei möglich sein muß.

b) Das Amtsgericht durfte den ursprünglichen, auf den sogenannten kleinen Schadensersatz gerichteten Klageantrag im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht mehr als gestellt ansehen.
aa) Grundsätzlich kann das Gericht zwar davon ausgehen, daß ein einmal gestellter Sachantrag aufrechterhalten bleibt und ihn deshalb auch dann zur Grundlage seiner Entscheidung machen, wenn er in einer späteren Verhandlung nicht erneut gestellt worden ist (vgl. Senat, BGHZ 141, 184, 193; Zöller /Greger, aaO., § 137 Rdn. 2). Hält die klagende Partei dagegen an ihrem bisherigen Antrag erkennbar nicht fest, so darf das Gericht, dessen Entscheidungsbefugnis durch den Klageantrag beschränkt ist (§ 308 Satz 1 ZPO), über ihn nicht mehr befinden. Fehlt jeglicher Sachantrag des Klägers, kann die Gegenseite nicht verurteilt werden (vgl. BAGE 23, 146; MünchKommZPO /Musielak, § 308, Rdn. 14). Inwieweit eine Partei ihren zu Beginn einer mündlichen Verhandlung gestellten Antrag zurücknehmen kann, um als säumig zu gelten (vgl. BGHZ 63, 94; Zöller/Herget, aaO., § 333, Rdn. 1), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn den Klägern ging es nicht darum, durch eine Flucht
in die Säumnis den Erlaß eines kontradiktorischen Urteils zu ihren Ungunsten zu verhindern.
bb) Im Zeitpunkt des Erlasses des Anerkenntnisurteils hielten die Kläger an ihrem ursprünglichen Klageantrag nicht mehr fest.
Die Kläger hatten bereits mit ihrer Ankündigung einer Klageerweiterung und der Prüfung, inwieweit ein Rücktritt vom Kaufvertrag in Betracht komme, nach der Beweisaufnahme zu erkennen gegeben, daß ihnen eine abschließende Entscheidung, über welchen Sachantrag das Gericht befinden solle, nicht möglich sei. Ihre Bezugnahme auf den bisherigen Sachantrag stand damit ersichtlich unter dem Vorbehalt einer kurzfristigen Änderun g.
Nach Anordnung des schriftlichen Verfahrens war eine solche Änderung bis zum Ablauf der nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO gesetzten Schriftsatzfrist möglich. Daß das Amtsgericht die Schriftsatzfrist nur „zur Beweiswürdigung“ gewährt hatte, steht dem nicht entgegen. Diese Einschränkung war unbeachtlich , da sie der gesetzlichen Ausgestaltung des schriftlichen Verfahrens zuwiderlief. Sie rechtfertigt auch nicht die Annahme, das Amtsgericht habe den Parteien in Wahrheit nur ein auf eine Stellungnahme zur Beweisaufnahme beschränktes Nachschubrecht einräumen wollen. Abgesehen davon, daß eine solche Verfahrensweise fehlerhaft gewesen wäre, da die Verhandlung über die Beweisaufnahme (§ 285 Abs. 1 ZPO) nicht entsprechend § 283 ZPO durchgeführt werden kann (vgl. Zöller/Greger, aaO., § 285 Rdn. 2), läßt die ausdrückliche , unter Bezugnahme auf § 128 Abs. 2 ZPO erfolgte Anordnung des schriftlichen Verfahrens und die Zustimmung der Parteien hierzu keinen Zweifel an der Absicht des Amtsgerichts, in diese Verfahrensart zu wechseln.

Der rechtzeitig gestellte Antrag auf Verlängerung der Schriftsatzfrist bis zum 10. April 2002 ließ erkennen, daß die Kläger ihren bisherigen Sachantrag nicht mehr zur Entscheidung stellten. Die Kläger hatten sich mit Rücksicht auf die darin erwähnten schwebenden Vergleichsverhandlungen mit der Beklagten ersichtlich noch nicht auf ihr weiteres Vorgehen im Prozeß festgelegt. Der erwogene „Rücktritt“ vom Kaufvertrag war ihnen aus materiell-rechtlichen Gründen allerdings nur möglich, solange keine rechtskräftige Entscheidung über den bislang geltend gemachten kleinen Schadensersatzanspruch erging. Denn das Wahlrecht des Gläubigers sowohl zwischen den in § 463 BGB aufgeführten Gewährleistungsrechten wie auch zwischen den verschiedenen Arten des Schadensersatzes erlischt, wenn einer der möglichen Ansprüche bzw. ein nach einer bestimmten Berechnungsweise geltend gemachter Schadensersatzanspruch rechtskräftig zuerkannt worden ist (vgl. für die Wahl zwischen den Gewährleistungsrechten : Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 465 Rdn. 29; für die Wahl der Schadensberechnung: BGHZ 119, 20, 23 f.). Angesichts dieser Rechtslage und der vorausgegangenen Änderungsankündigung mußte dem Amtsgericht deutlich sein, daß die Kläger eine Entscheidung über ihren bisherigen Antrag nicht wünschten, sie ihn also nicht mehr stellten. Für diese Auslegung sprach auch das Anerkenntnis der Beklagten. Der darin enthaltene Zusatz , es liefen noch Vergleichsverhandlungen, um die Gesamtproblematik zu klären, wies darauf hin, daß das Anerkenntnis nur einen Teil dessen abdeckte, was sich zwischen den Parteien nunmehr im Streit befand, und machte damit deutlich, daß der ursprüngliche Klageantrag infolge der Entwicklung der Ereignisse seit der Beweisaufnahme überholt war.

c) Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 600 Euro. Allerdings läßt sich dieser nicht wie im Regelfall ermitteln, also nach der Differenz zwischen dem in der unteren Instanz gestellten Antrag und dem rechtskraftfähigen Inhalt des angefochtenen Urteils, wenn über einen nicht mehr aufrechterhaltenen Antrag befunden und dem Rechtsmittelführer zugleich die Möglichkeit genommen wurde, einen neuen Antrag zu stellen. Andernfalls fehlte es in einem solchen Fall mangels wirksamen Antrags stets an einer Beschwer. Die Beschwer kann sich deshalb nur nach der Differenz zwischen dem Inhalt des angefochtenen Urteil und dem anhand seines Streitverhaltens zu bestimmenden Rechtsschutzziel des Rechtsmittelführers bemessen (vgl. MünchKommZPO /Rimmelspacher, 2. Aufl., Aktualisierungsband, Vor § 511, Rdn. 15). Da die Kläger beabsichtigten, einen Antrag auf Rückzahlung des Kaufpreises von über 100.000 Euro zu stellen, bleibt das erstinstanzliche Urteil in einem die Anforderungen des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO weit übersteigenden Umfang hinter ihrem Rechtsschutzziel zurück.
3. Die Berufung der Kläger war auch begründet, da der Verstoß des Amtsgerichts gegen § 308 Abs. 1 ZPO von Amts wegen beachtet werden mußte (vgl. BGH, Urt. v. 7. März 1989, VI ZR 183/88, NJW-RR 1989, 1087) und der erstinstanzlichen Entscheidung die Grundlage entzog.
4. Auf die von der Revision angegriffene Auffassung des Berufungsgerichts , die Verfahrensweise des Amtsgerichts habe den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt, weil keine Veranlassung bestanden habe, ihnen das Anerkenntnis der Beklagten zur Kenntnis zu bringen, kommt es bei dieser Sachlage nicht an. Allerdings hat das Berufungsgericht hier Inhalt und Tragweite des Art. 103 Abs. 1 GG grundlegend verkannt.

Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, daß sie ihr Verhalten im Prozeß eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können (BVerfG NJW 2003, 3687; BVerfGE 89, 28, 35). Dem Informationsanspruch der Parteien unterliegt der gesamte Prozeßstoff, einschließlich der verfahrensbezogenen Handlungen der Gegenseite. Hierzu zählt auch das Anerkenntnis einer Partei.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts machte es der in der Klageschrift vorsorglich gestellte Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils nicht entbehrlich, die Kläger über das Anerkenntnis der Beklagten zu informieren. Die Möglichkeiten, auf ein Anerkenntnis zu reagieren, erschöpfen sich nicht in dem - nach der Neufassung des § 307 ZPO durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1887) ohnehin nicht mehr erforderlichen - Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils. Vielmehr soll die Gegenseite auch die Möglichkeit zu einer Stellungnahme und zur Anpassung ihres Verhaltens an die neue prozessuale Situation erhalten. Sie kann im Einzelfall Anlaß haben, sich zur Wirksamkeit oder Reichweite des Anerkenntnisses zu äußern oder einen weitergehenden, vom Anerkenntnis nicht umfaßten Sachantrag zu stellen. Werden einer Partei diese Möglichkeiten durch die Verfahrensweise des Gerichts vorenthalten, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Vorliegend kommt hinzu, daß die Kläger eine Antragsänderung angekündigt hatten, das Amtsgericht also auch nach den konkreten Umständen des Einzelfalls mit einer Reaktion auf das Anerkenntnis rechnen mußte. Das gilt, anders als das Berufungsgericht meint, auch nach Ablauf der bis zum 20. März
2002 gesetzten Schriftsatzfrist. Zum einen hatten die Kläger um eine Verlängerung dieser Frist wegen schwebender Vergleichsverhandlungen gebeten, zum anderen hatte die Beklagte das Anerkenntnis mit dem Bemerken verbunden, die Vergleichsverhandlungen dauerten an, um die Gesamtproblematik einvernehmlich zu klären. Spiegelte das Anerkenntnis aber keinen Abschluß der Auseinandersetzung, sondern nur eine Teileinigung zwischen den Parteien wider , durfte das Amtsgericht nicht davon ausgehen, daß sich eine Stellungnahme der Kläger zu dem Anerkenntnis erübrigte. Vielmehr lag es nahe, daß die Kläger zunächst den Ausgang der Vergleichsverhandlungen abwarten, sich aber für den Fall deren Scheiterns alle prozessualen Möglichkeiten offen halten wollten, wobei sie im Hinblick auf den erst für den 24. April 2002 anberaumten Verkündungstermin vor diesen Zeitpunkt mit einer Entscheidung des Amtsgerichts auch nicht zu rechnen brauchten. Der Erlaß des Anerkenntnisurteils stellt sich deshalb auch als unzulässige Überraschungsentscheidung dar.
5. Da das Urteil des Amtsgerichts an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet, ist die Sache unter Aufhebung des Verfahrens zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten beider Rechtsmittel, an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§§ 563 Abs. 1, 562 Abs. 2, 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Hiervon ausgenommen sind die Gerichtskosten der Revisionsinstanz , die der Senat in Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG niedergeschlagen hat.
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann
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b) Nach der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen vom 14. Juni 1954 (BGHZ 14, 39) stehen Verkündungsmängel dem wirksamen Erlasse eines Urteils jedoch nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht (BGHZ 14, 39, 44 f.). Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet worden sind. Mit dem Wesen der Verlautbarung nicht unvereinbar ist etwa eine Bekanntgabe des Urteils durch Zustellung statt durch Verkündung in öffentlicher Sitzung, da dies eine gesetzlich vorgesehene, wenn auch bestimmten Urteilen vorbehaltene Verlautbarungsform erfüllt. Auf die Frage, ob in diesem Sinne eine zwar fehlerhafte, aber doch wirksame Verkündung vorliegt, ist es ohne Einfluss, wenn nur zwei Richter das verkündete Urteil unterschrieben haben. Das Urteil ist dann im Fall seiner Verkündung existent geworden, wenngleich möglicherweise anfechtbar (BGHZ 137, 49, 52). Ein Urteil ist auch dann wirksam verkündet worden, wenn es in dem zur Verkündung anberaum- ten Termin noch nicht in vollständiger Form abgefasst war. Tatbestand und Entscheidungsgründe sind nicht wesensmäßige Voraussetzungen eines Urteils (BGH, Beschl. v. 29.9.1998 - KZB 11/98, NJW 1999, 143, 144).
13
Auch im Übrigen stehen Verkündungsmängel nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem wirksamen Erlass eines Urteils nur entgegen , wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so dass von einer Verlautbarung im Rechts- sinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt, hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht (BGHZ GSZ 14, 39, 44 ff.; BGH Urteil vom 16. Oktober 1984 - VI ZR 205/83 - NJW 1985, 1782, 1783). Zu den Mindestanforderungen gehört, dass die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlass und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden (BGH Urteil vom 12. März 2004 - V ZR 37/03 - FamRZ 2004, 1187, 1188 mwN).

(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes.

(2) Das Urteil wird durch Vorlesung der Urteilsformel verkündet. Die Vorlesung der Urteilsformel kann durch eine Bezugnahme auf die Urteilsformel ersetzt werden, wenn bei der Verkündung von den Parteien niemand erschienen ist. Versäumnisurteile, Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses erlassen werden, sowie Urteile, welche die Folge der Zurücknahme der Klage oder des Verzichts auf den Klageanspruch aussprechen, können verkündet werden, auch wenn die Urteilsformel noch nicht schriftlich abgefasst ist.

(3) Die Entscheidungsgründe werden, wenn es für angemessen erachtet wird, durch Vorlesung der Gründe oder durch mündliche Mitteilung des wesentlichen Inhalts verkündet.

(4) Wird das Urteil nicht in dem Termin verkündet, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, so kann es der Vorsitzende in Abwesenheit der anderen Mitglieder des Prozessgerichts verkünden.

(1) Das Urteil wird in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, oder in einem sofort anzuberaumenden Termin verkündet. Dieser wird nur dann über drei Wochen hinaus angesetzt, wenn wichtige Gründe, insbesondere der Umfang oder die Schwierigkeit der Sache, dies erfordern.

(2) Wird das Urteil nicht in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, verkündet, so muss es bei der Verkündung in vollständiger Form abgefasst sein.

(3) Bei einem Anerkenntnisurteil und einem Versäumnisurteil, die nach §§ 307, 331 Abs. 3 ohne mündliche Verhandlung ergehen, wird die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt. Dasselbe gilt bei einem Urteil, das den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil verwirft (§ 341 Abs. 2).

(1) Die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse ist öffentlich. Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts sind unzulässig. Die Tonübertragung in einen Arbeitsraum für Personen, die für Presse, Hörfunk, Fernsehen oder für andere Medien berichten, kann von dem Gericht zugelassen werden. Die Tonübertragung kann zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter oder zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens teilweise untersagt werden. Im Übrigen gilt für den in den Arbeitsraum übertragenen Ton Satz 2 entsprechend.

(2) Tonaufnahmen der Verhandlung einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse können zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken von dem Gericht zugelassen werden, wenn es sich um ein Verfahren von herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland handelt. Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter oder zur Wahrung eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens können die Aufnahmen teilweise untersagt werden. Die Aufnahmen sind nicht zu den Akten zu nehmen und dürfen weder herausgegeben noch für Zwecke des aufgenommenen oder eines anderen Verfahrens genutzt oder verwertet werden. Sie sind vom Gericht nach Abschluss des Verfahrens demjenigen zuständigen Bundes- oder Landesarchiv zur Übernahme anzubieten, das nach dem Bundesarchivgesetz oder einem Landesarchivgesetz festzustellen hat, ob den Aufnahmen ein bleibender Wert zukommt. Nimmt das Bundesarchiv oder das jeweilige Landesarchiv die Aufnahmen nicht an, sind die Aufnahmen durch das Gericht zu löschen.

(3) Abweichend von Absatz 1 Satz 2 kann das Gericht für die Verkündung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in besonderen Fällen Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts zulassen. Zur Wahrung schutzwürdiger Interessen der Beteiligten oder Dritter sowie eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verfahrens können die Aufnahmen oder deren Übertragung teilweise untersagt oder von der Einhaltung von Auflagen abhängig gemacht werden.

(4) Die Beschlüsse des Gerichts nach den Absätzen 1 bis 3 sind unanfechtbar.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 37/03 Verkündet am:
12. März 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Wird ein Urteil entgegen § 310 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht verkündet, den Parteien
aber zum Zwecke der Verlautbarung förmlich zugestellt, so liegt eine bloß fehlerhafte
Verlautbarung vor, die die Wirksamkeit der Entscheidung nicht berührt.
Ein im schriftlichen Verfahren vor dem anberaumten Verkündungstermin erlassenes
Anerkenntnisurteil kann den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs
verletzen.
BGH, Urt. v. 12. März 2004 - V ZR 37/03 - LG Erfurt
AG Sömmerda
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. März 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Kläger werden das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 23. Dezember 2002 und das Urteil des Amtsgerichts Sömmerda vom 25. März 2002 nebst dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Amtsgericht Sömmerda zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Kläger erwarben 1999 von der Beklagten mit dem S ondereigentum an mehreren Wohnungen verbundene Miteigentumsanteile eines Grundstücks in S. . Mit der Behauptung, die Beklagte habe den Befall des Gebäu-
des mit echtem Hausschwamm arglistig verschwiegen, haben sie zunächst Kosten einer Schwammsanierung in Höhe von 9.450.- DM geltend gemacht.
Nach der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme, i n der ein früherer Bewohner des Hauses ausgesagt hat, daß sich bei seinem Einzug 1986 meterlange Fruchtkörper des Schwamms an der Außenwand des Gebäudes befunden hätten, er deshalb mehrmals die Woche ein chemisches Nahkampfmittel gespritzt und die Kosten hierfür von der Rechtsvorgängerin der Beklagten erstattet bekommen habe, hat der Prozeßbevollmächtigte der Kläger erklärt, er prüfe, inwieweit ein Rücktritt vom Kaufvertrag in Betracht komme, und eine Klageerweiterung angekündigt.
Anschließend hat das Amtsgericht mit Zustimmung der Parteien das schriftliche Verfahren angeordnet, eine Schriftsatzfrist „zur Beweiswürdigung“ bis zum 20. März 2002 gesetzt und Verkündungstermin für den 24. April 2002 bestimmt. Am 20. März 2002 haben die Kläger wegen schwebender Vergleichsgespräche gebeten, die Frist bis zum 10. April 2002 zu verlängern und einen gleichlautenden Antrag der Gegenseite angekündigt. Mit Schriftsatz vom 21. März 2002 hat die Beklagte die Klageforderung anerkannt und gleichzeitig mitgeteilt, daß noch Vergleichsverhandlungen liefen, um die Gesamtproblematik einvernehmlich zu klären. Am 25. März 2002 hat das Amtsgericht ohne vorherige Ankündigung ein Anerkenntnisurteil erlassen. Der Beklagten ist es förmlich zugestellt, den Klägern zusammen mit der Abschrift des Anerkenntnisses zunächst formlos übersandt worden.
Die Kläger, die nunmehr die Rückabwicklung des Kaufvertrags verlangen , haben gegen das Anerkenntnisurteil Berufung eingelegt. Das Landgericht hat den Parteien mitgeteilt, daß das Amtsgericht auch im Hinblick auf die fehlende Verkündung des Urteils aufgefordert worden sei, die Zustellung des Anerkenntnisurteils an die Kläger zu bewirken, was im Juli 2002 geschehen ist. Anschließend hat das Landgericht die Berufung mangels Beschwer der Kläger als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich ihre - von dem Senat zugelassene - Revision.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht meint, das angefochtene Urteil sei trotz unterbliebener Verkündung infolge der förmlichen Zustellung an die Parteien wirksam geworden. Zwar sehe die Zivilprozeßordnung eine Zustellung an Verkündungs Statt für ein im schriftlichen Verfahren erlassenes Anerkenntnisurteil nicht vor. Gleichwohl sei eine, wenn auch fehlerhafte, Verlautbarung des Urteils vorgenommen worden, so daß nicht etwa ein Nichturteil, sondern ein rechtsmittelfähiges Urteil vorliege. Dieses beschwere die Kläger nicht, da ihrem zuletzt gestellten Antrag voll entsprochen worden sei. Eine Beschwer liege auch nicht darin, daß es den Klägern im erstinstanzlichen Verfahren nicht möglich gewesen sei, einen geänderten Sachantrag zu stellen. Für das Amtsgericht habe keine Veranlassung bestanden, den Klägern nach Eingang des Anerkenntnisses nochmals rechtliches Gehör zu gewähren, nachdem sie den Erlaß eines Anerkenntnisurteils bereits in der Klageschrift beantragt und die bis zum
20. März 2002 gewährte Schriftsatzfrist nicht zu einer Antragsänderung genutzt hätten.

II.


Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüf ung nicht stand.
1. Nicht zu beanstanden ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts , das Anerkenntnisurteil sei, wenn auch fehlerhaft, verlautbart worden und damit wirksam.

a) Ein Urteil wird erst durch seine förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und materiellrechtlichen Wirkungen existent. Vorher liegt nur ein - allenfalls den Rechtsschein eines Urteils erzeugender - Entscheidungsentwurf vor (BGHZ 14, 39, 44). Die Verlautbarung eines Urteils erfolgt grundsätzlich öffentlich im Anschluß an die mündliche Verhandlung oder in einem hierfür anberaumten Termin durch das Verlesen der Urteilsformel (§§ 310 Abs. 1 Satz 1, 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 173 Abs. 1 GVG). Im schriftlichen Verfahren sind Urteile in einem nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu bestimmenden Termin zu verkünden. Abweichendes gilt nur für Anerkenntnis- und Versäumnisurteile, die im schriftlichen Vorverfahren (§§ 307 Abs. 2, 331 Abs. 3 ZPO) ergehen; hier wird die Verkündung durch die Zustellung des Urteils ersetzt (§ 310 Abs. 3 ZPO). Da das vom Amtsgericht im schriftlichen Verfahren vorbereitete Anerkenntnisurteil nicht unter die Vorschrift des § 310 Abs. 3 ZPO fiel, entsprach eine Verlautbarung durch Zustellung an die Parteien nicht den gesetzlichen
Formerfordernissen, vielmehr hätte das Urteil in einem zu diesem Zweck anzuberaumenden Termin verkündet werden müssen.

b) Der Verfahrensfehler führt jedoch nicht zur Unwirksamkeit des Anerkenntnisurteils. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stehen Verkündungsmängel dem wirksamen Erlaß eines Urteils nur entgegen, wenn gegen elementare, zum Wesen der Verlautbarung gehörende Formerfordernisse verstoßen wurde, so daß von einer Verlautbarung im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Sind deren Mindestanforderungen hingegen gewahrt , hindern auch Verstöße gegen zwingende Formerfordernisse das Entstehen eines wirksamen Urteils nicht (vgl. BGHZ 14, 39, 44 ff.; BGH, Urt. v. 16. Oktober 1984, VI ZR 205/83, NJW 1985, 1782, 1783). Zu den Mindestanforderungen gehören, daß die Verlautbarung von dem Gericht beabsichtigt war oder von den Parteien derart verstanden werden durfte und die Parteien von Erlaß und Inhalt der Entscheidung förmlich unterrichtet wurden. Mit dem Wesen der Verlautbarung nicht unvereinbar ist dagegen eine Bekanntgabe des Urteils durch Zustellung statt durch Verkündung in öffentlicher Sitzung, da dies eine gesetzlich vorgesehene, wenn auch anderen Urteilen vorbehaltene Verlautbarungsform (§ 310 Abs. 3 ZPO) erfüllt. Wird ein § 310 Abs. 1 ZPO unterfallendes Urteil den Parteien an Verkündungs Statt förmlich zugestellt, liegt deshalb kein Verstoß gegen unverzichtbare Formerfordernisse, sondern ein auf die Wahl der Verlautbarungsart beschränkter Verfahrensfehler vor (vgl. BGH, Urt. v. 16. Oktober 1984, VI ZR 25/83, VersR 1984, 1192, 1993; BAGE 17, 286, 288; Stein/Jonas, ZPO 21. Aufl., § 310, Rdn. 26; Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 310, Rdn. 10; Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 310, Rdn. 6).
Nach diesen Grundsätzen ist das erstinstanzliche Urteil wirksam verlautbart worden. Der erkennende Richter hat die Übersendung des Urteils an die Parteien selbst verfügt, so daß sein Wille, die Entscheidung zu erlassen, trotz des Verstoßes gegen § 310 Abs. 1 Satz 1 ZPO außer Frage steht. Bei der Verfügung ist ihm zwar ein (weiterer) Fehler insoweit unterlaufen, als er die Zustellung des Urteils nur an die Beklagten angeordnet und im übrigen eine formlose Übersendung als ausreichend angesehen hat. Jedoch ist die Zustellung an die Kläger durch das Amtsgericht nachgeholt worden, wobei diese aufgrund des vorausgegangenen Schreibens des Berufungsgerichts nicht darüber im Unklaren sein konnten, daß eine Zustellung an Verkündungs Statt beabsichtigt war.

c) Ist somit von einer wirksamen Verlautbarung des Urteils auszugehen, stellt sich die unterlassene Verkündung in einem gesonderten Termin lediglich als Verfahrensfehler dar, der auf eine Rüge hin nur dann zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils geführt hätte, wenn die Entscheidung auf der Verletzung des Verfahrensrechts beruhte, ohne den Fehler also anders hätte ausfallen können (§ 545 Abs. 1 ZPO). Dafür ist hier aber, wie das Berufungsgericht zutreffend und von der Revision unbeanstandet angenommen hat, nichts ersichtlich.
2. Unzutreffend ist demgegenüber die Auffassung des Berufungsgerichts , die Berufung gegen das Anerkenntnisurteil sei unzulässig, weil es an der nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Beschwer der Kläger fehle.

a) Die klagende Partei ist beschwert, wenn die angefochtene Entscheidung von ihren in der Instanz gestellten Anträgen abweicht (sog. formelle Be-
schwer, vgl. BGHZ 140, 335, 338; BGH, Urt v. 29. Juni 2000, I ZR 29/98, NJWRR 2001, 620, 621). Das ist der Fall, wenn das Gericht über einen Sachantrag befunden hat, der nicht (mehr) Gegenstand des Rechtsstreits war (BGH, Urt. v. 9. Oktober 1990, VI ZR 89/90, NJW 1991, 703, 704; BayObLG WE 1997, 117, 118), und zwar auch dann, wenn die Entscheidung der anfechtenden Partei scheinbar günstig ist. Denn auch aus der Zuerkennung eines Anspruchs können , insbesondere im materiellen Recht begründete, unerwünschte Folgen erwachsen , deren Beseitigung der betroffenen Partei möglich sein muß.

b) Das Amtsgericht durfte den ursprünglichen, auf den sogenannten kleinen Schadensersatz gerichteten Klageantrag im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht mehr als gestellt ansehen.
aa) Grundsätzlich kann das Gericht zwar davon ausgehen, daß ein einmal gestellter Sachantrag aufrechterhalten bleibt und ihn deshalb auch dann zur Grundlage seiner Entscheidung machen, wenn er in einer späteren Verhandlung nicht erneut gestellt worden ist (vgl. Senat, BGHZ 141, 184, 193; Zöller /Greger, aaO., § 137 Rdn. 2). Hält die klagende Partei dagegen an ihrem bisherigen Antrag erkennbar nicht fest, so darf das Gericht, dessen Entscheidungsbefugnis durch den Klageantrag beschränkt ist (§ 308 Satz 1 ZPO), über ihn nicht mehr befinden. Fehlt jeglicher Sachantrag des Klägers, kann die Gegenseite nicht verurteilt werden (vgl. BAGE 23, 146; MünchKommZPO /Musielak, § 308, Rdn. 14). Inwieweit eine Partei ihren zu Beginn einer mündlichen Verhandlung gestellten Antrag zurücknehmen kann, um als säumig zu gelten (vgl. BGHZ 63, 94; Zöller/Herget, aaO., § 333, Rdn. 1), bedarf hier keiner Entscheidung. Denn den Klägern ging es nicht darum, durch eine Flucht
in die Säumnis den Erlaß eines kontradiktorischen Urteils zu ihren Ungunsten zu verhindern.
bb) Im Zeitpunkt des Erlasses des Anerkenntnisurteils hielten die Kläger an ihrem ursprünglichen Klageantrag nicht mehr fest.
Die Kläger hatten bereits mit ihrer Ankündigung einer Klageerweiterung und der Prüfung, inwieweit ein Rücktritt vom Kaufvertrag in Betracht komme, nach der Beweisaufnahme zu erkennen gegeben, daß ihnen eine abschließende Entscheidung, über welchen Sachantrag das Gericht befinden solle, nicht möglich sei. Ihre Bezugnahme auf den bisherigen Sachantrag stand damit ersichtlich unter dem Vorbehalt einer kurzfristigen Änderun g.
Nach Anordnung des schriftlichen Verfahrens war eine solche Änderung bis zum Ablauf der nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO gesetzten Schriftsatzfrist möglich. Daß das Amtsgericht die Schriftsatzfrist nur „zur Beweiswürdigung“ gewährt hatte, steht dem nicht entgegen. Diese Einschränkung war unbeachtlich , da sie der gesetzlichen Ausgestaltung des schriftlichen Verfahrens zuwiderlief. Sie rechtfertigt auch nicht die Annahme, das Amtsgericht habe den Parteien in Wahrheit nur ein auf eine Stellungnahme zur Beweisaufnahme beschränktes Nachschubrecht einräumen wollen. Abgesehen davon, daß eine solche Verfahrensweise fehlerhaft gewesen wäre, da die Verhandlung über die Beweisaufnahme (§ 285 Abs. 1 ZPO) nicht entsprechend § 283 ZPO durchgeführt werden kann (vgl. Zöller/Greger, aaO., § 285 Rdn. 2), läßt die ausdrückliche , unter Bezugnahme auf § 128 Abs. 2 ZPO erfolgte Anordnung des schriftlichen Verfahrens und die Zustimmung der Parteien hierzu keinen Zweifel an der Absicht des Amtsgerichts, in diese Verfahrensart zu wechseln.

Der rechtzeitig gestellte Antrag auf Verlängerung der Schriftsatzfrist bis zum 10. April 2002 ließ erkennen, daß die Kläger ihren bisherigen Sachantrag nicht mehr zur Entscheidung stellten. Die Kläger hatten sich mit Rücksicht auf die darin erwähnten schwebenden Vergleichsverhandlungen mit der Beklagten ersichtlich noch nicht auf ihr weiteres Vorgehen im Prozeß festgelegt. Der erwogene „Rücktritt“ vom Kaufvertrag war ihnen aus materiell-rechtlichen Gründen allerdings nur möglich, solange keine rechtskräftige Entscheidung über den bislang geltend gemachten kleinen Schadensersatzanspruch erging. Denn das Wahlrecht des Gläubigers sowohl zwischen den in § 463 BGB aufgeführten Gewährleistungsrechten wie auch zwischen den verschiedenen Arten des Schadensersatzes erlischt, wenn einer der möglichen Ansprüche bzw. ein nach einer bestimmten Berechnungsweise geltend gemachter Schadensersatzanspruch rechtskräftig zuerkannt worden ist (vgl. für die Wahl zwischen den Gewährleistungsrechten : Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., § 465 Rdn. 29; für die Wahl der Schadensberechnung: BGHZ 119, 20, 23 f.). Angesichts dieser Rechtslage und der vorausgegangenen Änderungsankündigung mußte dem Amtsgericht deutlich sein, daß die Kläger eine Entscheidung über ihren bisherigen Antrag nicht wünschten, sie ihn also nicht mehr stellten. Für diese Auslegung sprach auch das Anerkenntnis der Beklagten. Der darin enthaltene Zusatz , es liefen noch Vergleichsverhandlungen, um die Gesamtproblematik zu klären, wies darauf hin, daß das Anerkenntnis nur einen Teil dessen abdeckte, was sich zwischen den Parteien nunmehr im Streit befand, und machte damit deutlich, daß der ursprüngliche Klageantrag infolge der Entwicklung der Ereignisse seit der Beweisaufnahme überholt war.

c) Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 600 Euro. Allerdings läßt sich dieser nicht wie im Regelfall ermitteln, also nach der Differenz zwischen dem in der unteren Instanz gestellten Antrag und dem rechtskraftfähigen Inhalt des angefochtenen Urteils, wenn über einen nicht mehr aufrechterhaltenen Antrag befunden und dem Rechtsmittelführer zugleich die Möglichkeit genommen wurde, einen neuen Antrag zu stellen. Andernfalls fehlte es in einem solchen Fall mangels wirksamen Antrags stets an einer Beschwer. Die Beschwer kann sich deshalb nur nach der Differenz zwischen dem Inhalt des angefochtenen Urteil und dem anhand seines Streitverhaltens zu bestimmenden Rechtsschutzziel des Rechtsmittelführers bemessen (vgl. MünchKommZPO /Rimmelspacher, 2. Aufl., Aktualisierungsband, Vor § 511, Rdn. 15). Da die Kläger beabsichtigten, einen Antrag auf Rückzahlung des Kaufpreises von über 100.000 Euro zu stellen, bleibt das erstinstanzliche Urteil in einem die Anforderungen des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO weit übersteigenden Umfang hinter ihrem Rechtsschutzziel zurück.
3. Die Berufung der Kläger war auch begründet, da der Verstoß des Amtsgerichts gegen § 308 Abs. 1 ZPO von Amts wegen beachtet werden mußte (vgl. BGH, Urt. v. 7. März 1989, VI ZR 183/88, NJW-RR 1989, 1087) und der erstinstanzlichen Entscheidung die Grundlage entzog.
4. Auf die von der Revision angegriffene Auffassung des Berufungsgerichts , die Verfahrensweise des Amtsgerichts habe den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht verletzt, weil keine Veranlassung bestanden habe, ihnen das Anerkenntnis der Beklagten zur Kenntnis zu bringen, kommt es bei dieser Sachlage nicht an. Allerdings hat das Berufungsgericht hier Inhalt und Tragweite des Art. 103 Abs. 1 GG grundlegend verkannt.

Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, daß sie ihr Verhalten im Prozeß eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können (BVerfG NJW 2003, 3687; BVerfGE 89, 28, 35). Dem Informationsanspruch der Parteien unterliegt der gesamte Prozeßstoff, einschließlich der verfahrensbezogenen Handlungen der Gegenseite. Hierzu zählt auch das Anerkenntnis einer Partei.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts machte es der in der Klageschrift vorsorglich gestellte Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils nicht entbehrlich, die Kläger über das Anerkenntnis der Beklagten zu informieren. Die Möglichkeiten, auf ein Anerkenntnis zu reagieren, erschöpfen sich nicht in dem - nach der Neufassung des § 307 ZPO durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl I S. 1887) ohnehin nicht mehr erforderlichen - Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils. Vielmehr soll die Gegenseite auch die Möglichkeit zu einer Stellungnahme und zur Anpassung ihres Verhaltens an die neue prozessuale Situation erhalten. Sie kann im Einzelfall Anlaß haben, sich zur Wirksamkeit oder Reichweite des Anerkenntnisses zu äußern oder einen weitergehenden, vom Anerkenntnis nicht umfaßten Sachantrag zu stellen. Werden einer Partei diese Möglichkeiten durch die Verfahrensweise des Gerichts vorenthalten, ist der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Vorliegend kommt hinzu, daß die Kläger eine Antragsänderung angekündigt hatten, das Amtsgericht also auch nach den konkreten Umständen des Einzelfalls mit einer Reaktion auf das Anerkenntnis rechnen mußte. Das gilt, anders als das Berufungsgericht meint, auch nach Ablauf der bis zum 20. März
2002 gesetzten Schriftsatzfrist. Zum einen hatten die Kläger um eine Verlängerung dieser Frist wegen schwebender Vergleichsverhandlungen gebeten, zum anderen hatte die Beklagte das Anerkenntnis mit dem Bemerken verbunden, die Vergleichsverhandlungen dauerten an, um die Gesamtproblematik einvernehmlich zu klären. Spiegelte das Anerkenntnis aber keinen Abschluß der Auseinandersetzung, sondern nur eine Teileinigung zwischen den Parteien wider , durfte das Amtsgericht nicht davon ausgehen, daß sich eine Stellungnahme der Kläger zu dem Anerkenntnis erübrigte. Vielmehr lag es nahe, daß die Kläger zunächst den Ausgang der Vergleichsverhandlungen abwarten, sich aber für den Fall deren Scheiterns alle prozessualen Möglichkeiten offen halten wollten, wobei sie im Hinblick auf den erst für den 24. April 2002 anberaumten Verkündungstermin vor diesen Zeitpunkt mit einer Entscheidung des Amtsgerichts auch nicht zu rechnen brauchten. Der Erlaß des Anerkenntnisurteils stellt sich deshalb auch als unzulässige Überraschungsentscheidung dar.
5. Da das Urteil des Amtsgerichts an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet, ist die Sache unter Aufhebung des Verfahrens zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten beider Rechtsmittel, an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§§ 563 Abs. 1, 562 Abs. 2, 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Hiervon ausgenommen sind die Gerichtskosten der Revisionsinstanz , die der Senat in Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG niedergeschlagen hat.
Wenzel Krüger Klein Gaier Stresemann
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die wirksame Urteilsverkündung weiter voraus, dass zumindest die Urteilsformel im Zeitpunkt der Verkündung schriftlich niedergelegt ist, weil sie sonst weder verlesen noch in Bezug genommen werden kann (§ 311 Abs. 2 Sätze 1 und 2 ZPO, vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1998 - LwZR 3/98, NJW 1999, 794; Senatsurteil vom 16. Oktober 1984 - VI ZR 205/83, NJW 1985, 1782, 1783; BGH, Urteil vom 13. April 2011 - XII ZR 131/09, NJW 2011, 1741 Rn. 17; Musielak in Münchener Kommentar zur ZPO, 4. Aufl., § 311 Rn. 7; Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 310 Rn. 2; Thole in Prütting/Gehrlein, ZPO, 6. Aufl., § 310 Rn. 8).