Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Sept. 2017 - VIII ZR 100/17

ECLI:ECLI:DE:BGH:2017:270917BVIIIZR100.17.0
bei uns veröffentlicht am27.09.2017
vorgehend
Landgericht Karlsruhe, 4 O 646/08, 26.02.2016
Oberlandesgericht Karlsruhe, 15 U 48/16, 29.03.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZR 100/17
vom
27. September 2017
ECLI:DE:BGH:2017:270917BVIIIZR100.17.0

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. September 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Schneider, Dr. Bünger und Kosziol

beschlossen:
Der Streitwert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens wird unter Abänderung des Senatsbeschlusses vom 22. August 2017 auf bis zu 30.000 € festgesetzt.

Gründe:

1
Der Kläger hat die Beklagte erstinstanzlich auf Zahlung von - nach Teilrücknahme - 37.717,46 € sowie Erstattung vorprozessualer Rechtsanwaltskosten , jeweils nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, in Anspruch genommen. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 4. Dezember 2015 hat er die Hauptforderung nur noch in Höhe von 15.567,45 € aufrechterhalten und im Übrigen die Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits begehrt.
2
Im Fall einer einseitigen Teilerledigungserklärung des Klägers bestimmt sich der Wert nach dem restlichen Betrag der Hauptsache unter Hinzurechnung der auf den erledigten Teil entfallenden Kosten der Vorinstanzen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. September 1991 - VIII ZR 157/91, WM 1991, 2009 unter II 1 mwN; vom 2. Februar 2016 - XI ZR 138/15, juris Rn. 3). Dabei ist der Wert dieser Kosten durch eine Differenzrechnung zu ermitteln, die ergibt, um welchen Betrag bis zur teilweisen Erledigung diejenigen Kosten überschritten worden sind, die angefallen wären, wenn der Kläger den Rechtsstreit von Anfang an nur über den nicht für erledigt erklärten Teil der Hauptsache geführt hätte (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. September 1991 - VIII ZR 157/91, aaO unter II 2; vom 2. Februar 2016 - XI ZR 138/15, aaO mwN). Die in der ersten Instanz bis zur einseitigen Erledigungserklärung angefallenen Kosten belaufen sich bei einem verbliebenen Streitwert von 37.717,46 € auf 6.608,50 € (Gerichtsgebühren 1.194 €; Anwaltsgebühren 2.707,25 € x 2); bei einem Streitwert von 15.567,45 € hätten sie hingegen lediglich 4.141,30 € (Gerichtsgebühren 726 €; Anwaltsgebühren 1.707,65 € x 2) betragen. Mithinergibt sich vorliegend eine streitwertwirksame Kostendifferenz in Höhe von 2.467,20 €.
3
Zusätzlich sind vorliegend sowohl die vom Kläger erhobene Zinsforderung als auch die geltend gemachten vorprozessualen Anwaltskosten jeweils als ein den Streitwert erhöhender Hauptanspruch zu berücksichtigen, soweit der (zuvor) geltend gemachte Hauptanspruch Gegenstand der einseitigen Teilerledigungserklärung ist. Denn ein die Werterhöhung ausschließendes Abhängigkeitsverhältnis von Nebenforderungen im Sinne von § 4 Abs. 1 ZPO besteht nur, wenn und soweit die betreffende Hauptforderung noch Gegenstand des Rechtsstreits ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 4. Dezember 2007 - VI ZB 73/06, NJW 2008, 999 Rn. 5 ff. mwN; vom 18. Juni 2015 - V ZR 224/14, NJW 2015, 3173 Rn. 6). Die Zinsen aus dem für erledigt erklärten Teil der Hauptfor- derung (22.150,01 €) betrugenseit Rechtshängigkeit der Klage am 5. Dezember 2008 bis zur erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2015 abgegebenen Teilerledigungserklärung des Klägers 7.725,73 €. Die zur Hauptforderung gewordenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten belaufen sich - nach der auch insoweit anzustellenden Differenzrechnung auf Grundlage der sich aus den jeweiligen Streitwerten ergebenden Geschäftsgebühren (1.419,19 € bei einem verbliebenen Streitwert von 37.717,46 € gegenüber 899,40 € bei einem Streitwert von 15.567,45 €) - auf 519,79 €. Streitwertmin- dernd ist allerdings zu berücksichtigen, dass gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Nr. 3100 VV RVG die Geschäftsgebühr hälftig auf die Verfahrensgebühr angerechnet wird (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2007 - VI ZB 73/06, aaO Rn. 9).
4
Bei Addition der sich ergebenden Beträge errechnet sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 26.020,28 € und rechtfertigt eine Änderung der Streitwertfestsetzung des Revisionsverfahrens gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GKG. Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Schneider Dr. Bünger Kosziol
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 26.02.2016 - 4 O 646/08 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 29.03.2017 - 15 U 48/16 -

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Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Zivilprozessordnung - ZPO | § 4 Wertberechnung; Nebenforderungen


(1) Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage, in der Rechtsmittelinstanz der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, bei der Verurteilung der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht,

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Im Fall einer einseitigen Teilerledigungserklärung des Klägers bestimmt sich der Wert nach dem restlichen Betrag der Hauptsache unter Hinzurechnung der auf den erledigten Teil entfallenden Kosten der Vorinstanzen (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 1991 - VIII ZR 157/91, WM 1991, 2009). Der Wert dieser Kosten ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln, die ergibt, um welchen Betrag bis zur teilweisen Erledigung diejenigen Kosten überschritten worden sind, die angefallen wären, wenn der Kläger den Rechtsstreit von Anfang an nur über den nicht für erledigt erklärten Teil der Hauptsache geführt hätte (BGH, Beschlüsse vom 13. Juli 1988 - VIII ZR 289/87, WM 1988, 1682, 1683 und vom 25. September 1991 - VIII ZR 157/91, WM 1991, 2009, 2010). Diese Kostendifferenz ist im vorliegenden Fall geringer als 3.500 €, so dass der Gesamtwert unter 25.000 € liegt. Der Gegenstandswert ist somit auf bis zu 25.000 € festzusetzen.

(1) Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt der Einreichung der Klage, in der Rechtsmittelinstanz der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels, bei der Verurteilung der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, entscheidend; Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bleiben unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden.

(2) Bei Ansprüchen aus Wechseln im Sinne des Wechselgesetzes sind Zinsen, Kosten und Provision, die außer der Wechselsumme gefordert werden, als Nebenforderungen anzusehen.

5
a) Inzwischen ist höchstrichterlich geklärt, dass vorprozessual aufgewendete Kosten zur Durchsetzung des im laufenden Verfahren geltend gemachten Hauptanspruchs nicht werterhöhend wirken, wenn dieser Hauptanspruch noch Gegenstand des laufenden Verfahrens ist. Wird der materiellrechtliche Kostenerstattungsanspruch neben der Hauptforderung, aus der er sich herleitet, geltend gemacht, ist er von dem Bestehen der Hauptforderung abhängig und stellt deshalb eine Nebenforderung im Sinne von § 4 Abs. 1 ZPO dar. Dieses - eine Werterhöhung ausschließende - Abhängigkeitsverhältnis besteht , solange die Hauptforderung Gegenstand des Rechtsstreits ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 2007 - X ZB 7/06 - VersR 2007, 1102; Senatsurteil vom 12. Juni 2007 - VI ZR 200/06 - juris Rn. 5 ff. sowie Senatsbeschlüsse vom 15. Mai 2007 - VI ZB 18/06 - BGH-Report 2007, 845, 846 und vom 25. September 2007 - VI ZB 22/07, juris Rn. 5 f.).
6
a) Zu berücksichtigen sind zunächst die zur Hauptforderung gewordenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.348,94 € sowie die Zinsen aus der nicht mehr rechtshängigen Hauptforderung in Höhe von - beziffert - 1.684,29 €, so dass sich nach der insoweit zutreffenden Berechnung der Beklagten ein Betrag in Höhe von 4.033,23 € ergibt.
5
a) Inzwischen ist höchstrichterlich geklärt, dass vorprozessual aufgewendete Kosten zur Durchsetzung des im laufenden Verfahren geltend gemachten Hauptanspruchs nicht werterhöhend wirken, wenn dieser Hauptanspruch noch Gegenstand des laufenden Verfahrens ist. Wird der materiellrechtliche Kostenerstattungsanspruch neben der Hauptforderung, aus der er sich herleitet, geltend gemacht, ist er von dem Bestehen der Hauptforderung abhängig und stellt deshalb eine Nebenforderung im Sinne von § 4 Abs. 1 ZPO dar. Dieses - eine Werterhöhung ausschließende - Abhängigkeitsverhältnis besteht , solange die Hauptforderung Gegenstand des Rechtsstreits ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Januar 2007 - X ZB 7/06 - VersR 2007, 1102; Senatsurteil vom 12. Juni 2007 - VI ZR 200/06 - juris Rn. 5 ff. sowie Senatsbeschlüsse vom 15. Mai 2007 - VI ZB 18/06 - BGH-Report 2007, 845, 846 und vom 25. September 2007 - VI ZB 22/07, juris Rn. 5 f.).

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.