Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Mai 2017 - VIII ZB 55/16

ECLI: ECLI:DE:BGH:2017:090517BVIIIZB55.16.0
published on 09/05/2017 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Mai 2017 - VIII ZB 55/16
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Previous court decisions
Amtsgericht Brühl, 21 C 31/16, 26/04/2016
Landgericht Köln, 1 T 294/16, 19/08/2016

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VIII ZB 55/16
vom
9. Mai 2017
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
RVG § 2 Abs. 2 i.V.m. RVG VV Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2
Ein Rechtsanwalt wirkt an einer "auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten
Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts" nur mit - und verdient damit eine
Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG -, wenn bei Beginn des Gesprächs eine
Einigung der Parteien noch nicht erzielt worden war.
BGH, Beschluss vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 55/16 - LG Köln
AG Brühl
ECLI:DE:BGH:2017:090517BVIIIZB55.16.0

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Mai 2017 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, die Richter Prof. Dr. Achilles und Dr. Schneider, die Richterin Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 19. August 2016 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 608,40 € festgesetzt.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin hat die Beklagten mit am 9. März 2016 zugestellter Klage auf Räumung und Herausgabe einer Mietwohnung sowie auf Zahlung rückständiger Miete in Anspruch genommen.
2
Am 16. März 2016 kam es zu einem Telefonat zwischen dem Beklagten zu 2 und einem Mitarbeiter der von der Klägerin beauftragten Hausverwaltung, in welchem dem Beklagten mitgeteilt wurde, dass für den Fall des vollständigen Ausgleichs der rückständigen Mietzahlungen an dem Räumungsbegehren nicht mehr festgehalten werde. Der Mitarbeiter der Hausverwaltung bat den Beklagten , dies auch dem anwaltlichen Vertreter der Klägerin telefonisch mitzuteilen. Nachdem die Beklagte zu 1 noch am selben Tag im Büro des anwaltlichen Ver- treters der Klägerin angerufen und um Rückruf gebeten hatte, rief der Anwalt die Beklagte später zurück. In diesem Gespräch teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Inhalt des Gesprächs mit dem Mitarbeiter der Hausverwaltung mit.
3
Nach vollständiger Zahlung der Mietrückstände hat die Klägerin den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 23. März 2016 in der Hauptsache für erledigt erklärt; dem sind die Beklagten nicht entgegengetreten. Mit Beschluss vom 26. April 2016 hat das Amtsgericht den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91a ZPO auferlegt.
4
Am 29. April 2016 hat die Klägerin einen Kostenfestsetzungsantrag gestellt , in dem unter anderem die 1,2-fache Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG in Höhe von 608,40 € beansprucht wird. Das Amtsgericht hat die genann- te Terminsgebühr abgesetzt und die Kosten im Übrigen antragsgemäß durch Beschluss vom 10. August 2016 festgesetzt. Die hinsichtlich der nicht berücksichtigten Terminsgebühr eingelegte sofortige Beschwerde ist vom Landgericht zurückgewiesen worden. Mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

II.

5
Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass im Streitfall eine 1,2-fache Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 in Verbindung mit Nr. 3104 VV RVG nicht angefallen ist.
6
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, zwar entstehe die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG auch für die Mitwir- kung an Besprechungen, die auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtet seien, insbesondere auch in Fällen in denen der Bevollmächtigte einer Partei im Rahmen des Telefonats die auf eine Erledigung des Verfahrens gerichteten Äußerungen der Gegenseite zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei zur Kenntnis nehme. Im Streitfall hätten sich die Parteien indes bereits in dem vorangegangenen Gespräch mit der Hausverwaltung geeinigt; das Gespräch mit dem Prozessbevollmächtigten habe lediglich dazu gedient, diesen von der Einigung in Kenntnis zu setzen. Dies reiche für das Entstehen der Terminsgebühr nicht aus.
7
2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen ist.
8
a) Nach § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG verdient der Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch durch die Mitwirkung an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung ohne Beteiligung des Gerichts. Nach der Intention des Gesetzgebers sollte mit dieser Regelung der Anwendungsbereich der Terminsgebühr erweitert werden; die Gebühr soll insbesondere bereits dann verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Rechtsstreits des Verfahrens gerichteten Besprechungen mitwirkt, insbesondere wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Einigung zielen (BT-Drucks. 15/1971, S. 209). Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof an das Merkmal der - auch telefonisch durchführbaren - Besprechung keine besonderen Anforderungen gestellt und die Terminsgebühr als entstanden angesehen, wenn der Gegner die auf eine Erledigung des Verfahrens gerichteten Äußerungen zwecks Prüfung und Weiterleitung an seine Partei zur Kenntnis nimmt (BGH, Beschluss vom 20. November 2006 - II ZB 9/06, NJW-RR 2007, 286 Rn. 7 mwN) oder sich auch nur an Ge- sprächen mit dem Ziel einer Einigung interessiert zeigt (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2007 - XI ZB 38/05, NJW 2007, 2858 Rn. 10).
9
b) Ausgehend von vorstehenden rechtlichen Erwägungen fällt - wie das Landgericht zutreffend erkannt hat - das Telefonat der Beklagten zu 1 mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 16. März 2016 selbst bei Zugrundelegung eines gebotenen weiten Verständnisses nicht mehr unter den Begriff der Besprechung im Sinne des § 2 Abs. 2 RVG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 VV RVG. Für diese rechtliche Wertung ist von entscheidender Bedeutung , dass eine Mitwirkung an einer auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung jedenfalls voraussetzt, dass bei Beginn des Gesprächs, das den genannten Gebührentatbestand auslösen soll, eine Einigung noch nicht erzielt worden ist. Denn nur in diesem Fall kann die Besprechung auf die (zukünftige) Erledigung des Verfahrens gerichtet sein. Dies verkennt die Rechtsbeschwerde, wenn sie ausführt, dem Umstand, dass sich die Beklagtenseite mit dem Mitarbeiter der Hausverwaltung der Klägerin zuvor bereits über die Modalitäten einer Einigung verständigt hatte, komme für die Erfüllung des Gebührentatbestandes keine Bedeutung zu, weil hierfür allein entscheidend sei, dass sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin an einer außergerichtlichen Erledigung interessiert gezeigt habe. Vielmehr erschöpfte sich das Gespräch der Beklagten zu 1 mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der bloßen Übermittlung der bereits zuvor erzielten Einigung und damit einer dieser nachfolgenden (reinen) Sachinformation. Dr. Milger Dr. Achilles Dr. Schneider Dr. Fetzer Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Brühl, Entscheidung vom 26.04.2016 - 21 C 31/16 -
LG Köln, Entscheidung vom 19.08.2016 - 1 T 294/16 -
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

4 Referenzen - Gesetze

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksich

(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert). (2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1
3 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 27/02/2007 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XI ZB 38/05 vom 27. Februar 2007 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja _____________________ RVG § 2; RVG VV Nr. 3202, 3104, Vorbem. 3 Abs. 3 Für die Entstehung einer Terminsgebühr gemäß N
published on 20/11/2006 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS II ZB 9/06 vom 20. November 2006 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja RVG § 2 Abs. 2; RVG VV Nr. 3104 Eine Terminsgebühr fällt an, wenn der Gegner eine auf die Erledigung des Verfahrens g
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.
published on 27/09/2017 00:00

Tenor Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 10. Februar 2015 wird aufgehoben. Die Erinnerung gegen den Prozesskostenhilfe-Festsetzungsbeschluss vom 20. April 2011 wird zurückgewiesen. Gründe I. 1 Die Beschwerde betrifft den Anfall
{{count_recursive}} Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren {{Doctitle}}.

Annotations

(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).

(2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Gebühren werden auf den nächstliegenden Cent auf- oder abgerundet; 0,5 Cent werden aufgerundet.

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).

(2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Gebühren werden auf den nächstliegenden Cent auf- oder abgerundet; 0,5 Cent werden aufgerundet.