Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Feb. 2013 - VII ZB 9/11

bei uns veröffentlicht am21.02.2013
vorgehend
Amtsgericht Eutin, 84 M 778/10, 02.09.2010
Landgericht Lübeck, 7 T 12/11, 18.01.2011
Landgericht Lübeck, 7 T 17/11, 18.01.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 9/11
vom
21. Februar 2013
in dem Zwangsvollstreckungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Im Rechtsmittelverfahren kann ein durch richterlichen Beschluss aufgehobener
Pfändungsbeschluss nicht wiederhergestellt werden. Ein nur mit diesem Ziel eingelegtes
Rechtsmittel ist unzulässig (im Anschluss an BGH, Urteil vom
9. Juni 1976 - VIII ZR 19/75, BGHZ 66, 394; Beschluss vom 5. Mai 2011
- VII ZB 25/10, juris).
BGH, Beschluss vom 21. Februar 2013 - VII ZB 9/11 - LG Lübeck
AG Eutin
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. Februar 2013 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka und die Richter Dr. Eick, Halfmeier,
Kosziol und Prof. Dr. Jurgeleit

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck vom 18. Januar 2011 wird verworfen. Der Gläubiger hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

1
Der Gläubiger betreibt aus einem Titel gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung. Auf seinen Antrag hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht - am 18. Juni 2010 einen Pfändungsbeschluss erlassen, mit dem angebliche Gehaltsansprüche des Schuldners gegen den Drittschuldner gepfändet worden sind. Am 6. Juli 2010 hat der Drittschuldner hiergegen Erinnerung eingelegt. Aufgrund einer Verfügung des Vollstreckungsgerichts vom 19. Juli 2010 bewirkte der Gläubiger den Erlass eines neuen, weiteren Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hinsichtlich derselben Forderung.
2
Mit Beschluss vom 23. September 2010 hat das Amtsgericht auf die Erinnerung des Drittschuldners den Pfändungsbeschluss vom 18. Juni 2010 auf- gehoben. Er sei fehlerhaft gewesen, weil er entgegen gesetzlichen Pfändungsbeschränkungen nicht bezeichnet habe, welche Einkommensteile der Pfändung nicht unterworfen seien. Hiergegen hat der Gläubiger sofortige Beschwerde eingelegt. Er hat sie damit begründet, dass der beanstandete Mangel des Pfändungsbeschlusses nicht dessen Aufhebung rechtfertige; vielmehr habe eine klarstellende Entscheidung ergehen müssen. Diesen Klarstellungsantrag stelle er nunmehr; er enthalte auch einen erstmaligen Antrag nach § 850c Abs. 4 ZPO. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde verworfen.
3
Mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte der Gläubiger die Aufhebung des Beschlusses des Beschwerdegerichts sowie des Beschlusses des Amtsgerichts vom 23. September 2010 und die Zurückweisung der Erinnerung des Drittschuldners gegen den Pfändungsbeschluss des Amtsgerichts vom 18. Juni 2010 erreichen.

II.

4
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
5
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, es fehle an einem schützenswerten Interesse des Gläubigers an einer abändernden Entscheidung des Beschwerdegerichts. Aufgrund des für ihn nachträglich ergangenen weiteren Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Zeit ab Erlass dieses Beschlusses, der die Bezüge des Schuldners ab dem Monat August 2010 erfasse. Es gehe dem Gläubiger nur um den Zeitraum davor, nämlich um die Bezüge des Schuldners für den Monat Juli 2010. Hier wolle er erreichen, dass sein Rang gewahrt werde, weil diese Forderung inzwischen von einem anderen Gläubiger gepfändet worden sei. Aber auch hierfür fehle ihm ein Rechtsschutzbedürfnis. Denn die Heilung eines Mangels der Pfändung sei in Bezug auf die Rangfolge nur mit Wirkung ex nunc möglich.
6
2. Dem Gläubiger fehlt auch für seine Rechtsbeschwerde das Rechtsschutzbedürfnis.
7
Die im Wege der Abhilfe auf die Erinnerung des Drittschuldners erfolgte Aufhebung des Pfändungsbeschlusses vom 18. Juni 2010 durch den richterlichen Beschluss vom 23. September 2010 ist ungeachtet der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde des Gläubigers sofort wirksam geworden. Der ursprüngliche Pfändungsbeschluss kann daher nicht wieder hergestellt werden. Eine Rechtsbeschwerde wäre nur mit dem Ziel zulässig, eine Vollstreckung mit neuem Rang zu ermöglichen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 - VII ZB 25/10, juris Rn. 4; Urteil vom 9. Juni 1976 - VIII ZR 19/75, BGHZ 66, 394; KG, OLGZ 1982, 75; OLG Koblenz, Rpfleger 1986, 229; Stöber, Forderungspfändung , 15. Aufl., Rn. 743).
8
Mit diesem Ziel hat der Gläubiger seine Rechtsmittel nicht eingelegt. Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausgeführt hat, fehlt es dem Gläubiger hinsichtlich der wiederkehrenden Bezüge ab August 2010 schon deshalb an einem Rechtsschutzbedürfnis, weil diese von seiner weiteren Pfändung erfasst worden sind. Das greift die Rechtsbeschwerde nicht an. Dem Gläubiger geht es allein um die rangwahrende Pfändung hinsichtlich des Einkommens des Schuldners für den Monat Juli 2010. Das kann nach der erfolgten Aufhebung des erlassenen Pfändungsbeschlusses durch das Amtsgericht nicht mehr erreicht werden.
9
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Kniffka Eick Halfmeier Kosziol Jurgeleit

Vorinstanzen:
AG Eutin, Entscheidung vom 02.09.2010 - 84 M 778/10 -
LG Lübeck, Entscheidung vom 18.01.2011 - 7 T 12/11 u. 7 T 17/11 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 850c Pfändungsgrenzen für Arbeitseinkommen


(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als1.1 178,59 Euro monatlich,2.271,24 Euro wöchentlich oder3.54,25 Euro täglichbeträgt. (2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen

Zivilprozessordnung - ZPO | § 776 Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln


In den Fällen des § 775 Nr. 1, 3 sind zugleich die bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln aufzuheben. In den Fällen der Nummern 4, 5 bleiben diese Maßregeln einstweilen bestehen; dasselbe gilt in den Fällen der Nummer 2, sofern nicht durch die E

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In den Fällen des § 775 Nr. 1, 3 sind zugleich die bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln aufzuheben. In den Fällen der Nummern 4, 5 bleiben diese Maßregeln einstweilen bestehen; dasselbe gilt in den Fällen der Nummer 2, sofern nicht durch die Entscheidung auch die Aufhebung der bisherigen Vollstreckungshandlungen angeordnet ist.

(1) Arbeitseinkommen ist unpfändbar, wenn es, je nach dem Zeitraum, für den es gezahlt wird, nicht mehr als

1.
1 178,59 Euro monatlich,
2.
271,24 Euro wöchentlich oder
3.
54,25 Euro täglich
beträgt.

(2) Gewährt der Schuldner auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung seinem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, seinem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner, einem Verwandten oder nach den §§ 1615l und 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil Unterhalt, so erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 für die erste Person, der Unterhalt gewährt wird, und zwar um

1.
443,57 Euro monatlich,
2.
102,08 Euro wöchentlich oder
3.
20,42 Euro täglich.
Für die zweite bis fünfte Person, der Unterhalt gewährt wird, erhöht sich der Betrag nach Absatz 1 um je
1.
247,12 Euro monatlich,
2.
56,87 Euro wöchentlich oder
3.
11,37 Euro täglich.

(3) Übersteigt das Arbeitseinkommen den Betrag nach Absatz 1, so ist es hinsichtlich des überschießenden Teils in Höhe von drei Zehnteln unpfändbar. Gewährt der Schuldner nach Absatz 2 Unterhalt, so sind für die erste Person weitere zwei Zehntel und für die zweite bis fünfte Person jeweils ein weiteres Zehntel unpfändbar. Der Teil des Arbeitseinkommens, der

1.
3 613,08 Euro monatlich,
2.
831,50 Euro wöchentlich oder
3.
166,30 Euro täglich
übersteigt, bleibt bei der Berechnung des unpfändbaren Betrages unberücksichtigt.

(4) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz macht im Bundesgesetzblatt Folgendes bekannt (Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung):

1.
die Höhe des unpfändbaren Arbeitseinkommens nach Absatz 1,
2.
die Höhe der Erhöhungsbeträge nach Absatz 2,
3.
die Höhe der in Absatz 3 Satz 3 genannten Höchstbeträge.
Die Beträge werden jeweils zum 1. Juli eines Jahres entsprechend der im Vergleich zum jeweiligen Vorjahreszeitraum sich ergebenden prozentualen Entwicklung des Grundfreibetrages nach § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes angepasst; der Berechnung ist die am 1. Januar des jeweiligen Jahres geltende Fassung des § 32a Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 des Einkommensteuergesetzes zugrunde zu legen.

(5) Um den nach Absatz 3 pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens zu berechnen, ist das Arbeitseinkommen, gegebenenfalls nach Abzug des nach Absatz 3 Satz 3 pfändbaren Betrages, auf eine Zahl abzurunden, die bei einer Auszahlung für

1.
Monate bei einer Teilung durch 10 eine natürliche Zahl ergibt,
2.
Wochen bei einer Teilung durch 2,5 eine natürliche Zahl ergibt,
3.
Tage bei einer Teilung durch 0,5 eine natürliche Zahl ergibt.
Die sich aus der Berechnung nach Satz 1 ergebenden Beträge sind in der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung als Tabelle enthalten. Im Pfändungsbeschluss genügt die Bezugnahme auf die Tabelle.

(6) Hat eine Person, welcher der Schuldner auf Grund gesetzlicher Verpflichtung Unterhalt gewährt, eigene Einkünfte, so kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers nach billigem Ermessen bestimmen, dass diese Person bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt; soll die Person nur teilweise berücksichtigt werden, so ist Absatz 5 Satz 3 nicht anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)