Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Dez. 2006 - VI ZR 114/06

bei uns veröffentlicht am04.12.2006
vorgehend
Landgericht Köln, 28 O 201/05, 07.09.2005
Oberlandesgericht Köln, 6 U 171/05, 05.05.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZR 114/06
vom
4. Dezember 2006
in dem Rechtsstreit
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 4. Dezember 2006 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner, die Richterin Diederichsen und
die Richter Stöhr und Zoll

beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 5. Mai 2006 wird zurückgewiesen, weil sie nicht aufzeigt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt erfolglos einen Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Recht auf den gesetzlichen Richter soll der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorbeugen, die durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte (vgl. BVerfGE 95, 322, 327 und 89, 28, 36). Eine "Entziehung" des gesetzlichen Richters liegt jedenfalls dann vor, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar ist oder wenn die richterliche Entscheidung Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkennt (vgl. BVerfGE 82, 286, 299 und BVerfG, NJW 2005, 3410, 3411). Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder grober Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht oder ob sie darauf hindeu- tet, dass ein Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat, kann nur anhand der besonderen Umstände des Einzelfalles beurteilt werden. Danach hat das Berufungsgericht das Recht der Beklagten auf den gesetzlichen Richter weder bei Annahme seiner Zuständigkeit nach dem Geschäftsverteilungsplan noch durch die Entscheidungen in den Ablehnungsverfahren verletzt. Auch wenn es seine Zuständigkeit aufgrund eines fehlerhaften Verständnisses der Bestimmungen des Geschäftsverteilungsplanes angenommen hätte, waren hierfür nicht willkürliche Erwägungen entscheidend. Das Berufungsgericht hat seine Zuständigkeit wegen des Sachzusammenhangs des Rechtsstreits mit dem vorhergehenden Verfahren auf einstweilige Verfügung angenommen. In dieser Auffassung ist es vom 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln bestätigt worden, der aus den gleichen Gründen seine Zuständigkeit für nicht gegeben erachtet hat. Von unverständlichen oder offensichtlich unhaltbaren Entscheidungen kann danach nicht die Rede sein. Die Richter Dr. S. und von H. sind auch nicht kraft Gesetzes oder wegen Befangenheit ausgeschlossen. § 41 Nr. 6 ZPO, auf den sich die Nichtzulassungsbeschwerde beruft, greift nicht ein, weil das Verfahren über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren kein "früherer Rechtszug" ist. Das Hauptsacheverfahren dient nicht der Überprüfung des vorausgegangenen Verfahrens zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes. Auch das Beschwerde- verfahren gegen eine Entscheidung im Widerspruchsverfahren gegen eine einstweilige Verfügung stellt im Verhältnis zum späteren Berufungsverfahren keinen "früheren Rechtszug" dar (vgl. Musielak/Heinrich ZPO 4. Aufl. § 41 Rn. 13). Die Richter Dr. S. und von H. sind auch nicht wegen einer die Besorgnis der Befangenheit begründeten Selbstbetroffenheit durch den Artikel der Beklagten ausgeschlossen. Die Nichtzulassungsbeschwerde verkennt zum einen, dass das eigene Verhalten der ablehnenden Partei als solches einen Ablehnungsgrund nicht begründet (vgl. Musielak/Heinrich aaO § 42 Rn. 6; Zöller/Vollkommer , ZPO 25. Aufl. § 42 Rn. 29). Zum anderen stellt die von der Verfahrensordnung grundsätzlich vorgesehene Vorbefassung des Richters, wie bei dem vorherigen Erlass der einstweiligen Verfügung , nicht ohne weiteres einen Ablehnungsgrund dar (vgl. OLG Saarbrücken, OLGZ 1976, 468). Die übrigen gegen die Sachentscheidung des Berufungsgerichts gerichteten Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat geprüft. Die Zulassung der Revision rechtfertigende Rechtsfehler, denen eine über den Einzelfall hinausgehende Wirkung beigemessen werden könnte, sind ersichtlich nicht gegeben. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbs. ZPO abgesehen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO). Streitwert: 101.326,20 € Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Köln, Entscheidung vom 07.09.2005 - 28 O 201/05 -
OLG Köln, Entscheidung vom 05.05.2006 - 6 U 171/05 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 41 Ausschluss von der Ausübung des Richteramtes


Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen: 1. in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht;2.

Referenzen

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen:

1.
in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder bei denen er zu einer Partei in dem Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht;
2.
in Sachen seines Ehegatten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht;
2a.
in Sachen seines Lebenspartners, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht;
3.
in Sachen einer Person, mit der er in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war;
4.
in Sachen, in denen er als Prozessbevollmächtigter oder Beistand einer Partei bestellt oder als gesetzlicher Vertreter einer Partei aufzutreten berechtigt ist oder gewesen ist;
5.
in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist;
6.
in Sachen, in denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt;
7.
in Sachen wegen überlanger Gerichtsverfahren, wenn er in dem beanstandeten Verfahren in einem Rechtszug mitgewirkt hat, auf dessen Dauer der Entschädigungsanspruch gestützt wird;
8.
in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)