Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Sept. 2011 - VI ZB 9/10

bei uns veröffentlicht am13.09.2011
vorgehend
Landgericht Dresden, 5 O 3201/06, 20.11.2009
Oberlandesgericht Dresden, 3 W 196/10, 24.02.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 9/10
vom
13. September 2011
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Macht die bei einem auswärtigen Gericht verklagte Partei Reisekosten eines Rechtsanwalts
geltend, der weder am Gerichtsort noch am Wohn- oder Geschäftsort der
Partei ansässig ist ("Rechtsanwalt am dritten Ort"), sind die Kosten jedenfalls bis zur
Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen
Rechtsanwalts zu erstatten.
BGH, Beschluss vom 13. September 2011 - VI ZB 9/10 - OLG Dresden
LG Dresden
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. September 2011 durch
den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen
und den Richter Stöhr

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 24. Februar 2010 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. Beschwerdewert: bis 300 €

Gründe:

I.

1
Die Parteien streiten um die Reisekostenabrechnung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin in den Vorinstanzen. Der Rechtsstreit endete in zweiter Instanz mit einem Prozessvergleich. Danach hat die Klägerin 7/12, die Beklagte 5/12 der Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
2
Die Klägerin wohnt in Gröditz, das ca. 60 km entfernt von Dresden liegt. Ihr Prozessbevollmächtigter ist in Riesa niedergelassen, das zum Bezirk des Landgerichts Dresden gehört und ca. 45 km von Dresden entfernt ist. In seiner Kostenrechnung hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin u.a. Reisekosten für drei Termine beim Landgericht Dresden und für den Verhandlungstermin beim Oberlandesgericht Dresden sowie Tage- und Abwesenheitsgelder geltend gemacht.
3
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Reisekosten zugesprochen. Aus § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO folge nicht, dass Reisekosten eines Anwalts, der im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen sei, die Erstattungsfähigkeit abzusprechen wäre. Da die Klägerin in Gröditz wohne, sei die Einschaltung eines in Riesa niedergelassenen Rechtsanwalts eine Maßnahme notwendiger Rechtsverfolgung im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 ZPO, zumal Riesa nur knapp 20 km von Gröditz entfernt und näher an den Dresdner Prozessgerichten gelegen sei. Den Anfall und die Höhe der Reisekosten habe die Beklagte nicht beanstandet.
4
Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde macht die Beklagte weiterhin geltend, die Reisekosten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin seien nicht zu ersetzen, weil die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht notwendig gewesen sei.

II.

5
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Sie ist aber nicht begründet. Das Beschwerdegericht hat zu Recht entschieden, dass die Beklagte der Klägerin die Reisekosten ihres Prozessbevollmächtigten erstatten muss (§ 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO).
6
1. Die Rechtsbeschwerde stellt nicht in Frage, dass Reisekosten eines Prozessbevollmächtigten der - wie hier - im Bezirk des Prozessgerichts nieder- gelassen ist, aber nicht am Ort des Prozessgerichts wohnt, von der unterlegenen Partei zu erstatten sind, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Dies entspricht der Auffassung des Beschwerdegerichts und der Systematik der in § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 ZPO getroffenen Regelung. Das Beschwerdegericht weist zu Recht darauf hin, dass der Wortlaut des § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sogar eher dafür spricht, dass die Reisekosten eines solchen Prozessbevollmächtigten stets und nur die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, eingeschränkt nur insoweit zu erstatten sind, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war (so N. Schneider in Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl., § 91 Rn. 5; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 91 Rn. 13 "auswärtiger Anwalt"; vgl. auch MünchKommZPO/Giebel, 3. Aufl. § 91 Rn. 90). Im Schrifttum wird allerdings die Auffassung vertreten, auch die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der zwar im Gerichtsbezirk niedergelassen , aber nicht am Gerichtsort wohnhaft bzw. kanzleiansässig ist, seien nur zu erstatten, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren (vgl. MünchKommZPO/Giebel, aaO). Aus der Begründung zum Entwurf zum Kostenrechtsmodernisierungsgesetz ergebe sich nämlich, dass die unterschiedliche Erstattungsfähigkeit von Reisekosten für Rechtsanwälte durch die Streichung des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F. durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I, S. 718) beseitigt werden sollte (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 233).
7
2. Auf diese Streitfrage kommt es im Streitfall nicht an. Das Beschwerdegericht hat nämlich die geltend gemachten Reisekosten zu Recht als Maßnahme notwendiger Rechtsverfolgung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Fall 2 ZPO angesehen. Dies entspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
8
a) Danach stellt die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende Partei im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung dar. Ein tragender Grund hierfür ist die Annahme, dass üblicherweise ein persönliches mündliches Gespräch erforderlich und gewünscht ist. Ferner ist von Bedeutung, dass die Partei grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran hat, sich durch einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens auch vor auswärtigen Gerichten vertreten zu lassen (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 11. März 2004 - VII ZB 27/03, VersR 2005, 93; vom 13. September 2005 - X ZB 30/04, NJW-RR 2005, 1662; vom 25. Januar 2007 - V ZB 85/06, MDR 2007, 802, 803; vom 16. April 2008 - XII ZB 214/04, MDR 2008, 829, 830; vom 28. Januar 2010 - III ZB 64/09, JurBüro 2010, 369). Für die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten bedarf es nicht der Feststellung im Einzelfall, dass die Partei zu dem den Termin wahrnehmenden Rechtsanwalt ein besonderes Vertrauensverhältnis gehabt hat. Bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungs - oder Rechtsverteidigungsmaßnahme ist eine typisierende Betrachtungsweise geboten (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 13. September 2005 - X ZB 30/04, aaO; vom 28. Januar 2010 - III ZB 64/09, aaO, 370 mwN). Darauf , ob nach der Klageerhebung ein persönliches Gespräch zwischen der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten stattgefunden hat, kommt es mithin entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht an, zumal die klägerischen Prozessbevollmächtigten nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts bereits vorgerichtlich zum Gegenstand der Klage tätig waren.
9
b) Der Erstattung der Reisekosten steht nicht entgegen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht an ihrem Wohnort niedergelassen ist. Macht die obsiegende Partei Reisekosten eines Rechtsanwalts geltend, der - wie hier - eine Partei vertritt, die bei einem auswärtigen Gericht verklagt wird und der weder am Gerichtsort noch am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässig ist ("Rechtsanwalt am dritten Ort"), sind diese Kosten zwar regelmäßig nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts zu erstatten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. März 2004 - VII ZB 27/03, aaO; vom 23. Januar 2007 - I ZB 42/06, NJW-RR 2007, 1561 Rn. 13; vom 7. Juni 2011 - VIII ZB 102/08, WuM 2011, 433 Rn. 8). Auch nach diesem Grundsatz sind aber die zugesprochenen Reisekosten zu erstatten, weil der Sitz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin näher zu den Dresdner Prozessgerichten gelegen ist.
10
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Galke Zoll Wellner
Diederichsen Stöhr

Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 20.11.2009 - 5 O 3201/06 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 24.02.2010 - 3 W 196/10 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 574 Rechtsbeschwerde; Anschlussrechtsbeschwerde


(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

Zivilprozessordnung - ZPO | § 575 Frist, Form und Begründung der Rechtsbeschwerde


(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der E

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(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

(1) Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Entscheidung, gegen die die Rechtsbeschwerde gerichtet wird und
2.
die Erklärung, dass gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde eingelegt werde.
Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Beschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat zu begründen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend.

(3) Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts oder des Berufungsgerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
2.
in den Fällen des § 574 Abs. 1 Nr. 1 eine Darlegung zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 574 Abs. 2,
3.
die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
a)
die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
b)
soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Beschwerde- und die Begründungsschrift anzuwenden. Die Beschwerde- und die Begründungsschrift sind der Gegenpartei zuzustellen.

(5) Die §§ 541 und 570 Abs. 1, 3 gelten entsprechend.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 85/06
vom
25. Januar 2007
in dem Kostenfestsetzungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die bei der Anwendung von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO gebotene typisierende
Betrachtungsweise führt dazu, dass die Notwendigkeit einer zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung zu bejahen ist, wenn eine rechtsunkundige
Partei einen an ihrem Wohn- oder Geschäftssitz ansässigen Rechtsanwalt
mit der Vertretung in einem Prozess beauftragt, der vor einem auswärtigen Gericht
geführt wird.
BGH, Beschl. v. 25. Januar 2007 - V ZB 85/06 - LG Gera
AGStadtroda
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 25. Januar 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin
Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth

beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Kläger werden der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Gera vom 29. Dezember 2005 aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Stadtroda vom 4. August 2005 dahin abgeändert, dass die den Klägern von der Beklagten aufgrund des Urteils des Landgerichts Gera vom 22. Juni 2005 zu erstattenden Kosten auf insgesamt 994,92 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 30. Juni 2005 festgesetzt werden. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt die Beklagte. Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 290,06 €.

Gründe:


I.


1
Durch Prozessvergleich hatte sich die Beklagte verpflichtet, nach Zahlung von 7.669,38 € die Eigentumsumschreibung eines Grundstücks auf die Kläger zu veranlassen. Die Kläger erfüllten den Zahlungsanspruch. Die Beklagte kam ihrer Verpflichtung erst nach Mahnungen nach. Da die Beklagte die bei- gefügte Kostenrechnung des Anwalts der Kläger nicht ausglich, klagten die Kläger auf Zahlung der von ihnen verauslagten Kosten, hatten damit im ersten Rechtszug aber nur teilweise Erfolg. Im Berufungsrechtszug vor dem Landgericht Gera ließen sie sich durch einen an ihrem Wohnort (B. ) ansässigen Anwalt vertreten. Die Berufung war erfolgreich. Die Kosten des Verfahrens wurden der Beklagten auferlegt.
2
Im Kostenfestsetzungsverfahren sind Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder in Höhe von insgesamt 290,06 € nicht als erstattungsfähig anerkannt worden. Erinnerung und sofortige Beschwerde sind erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Kläger ihren Festsetzungsantrag weiter, soweit ihm nicht entsprochen worden ist. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

II.

3
Das Beschwerdegericht steht auf dem Standpunkt, die Beauftragung des in B. ansässigen Prozessbevollmächtigten mit der Prozessvertretung vor dem Landgericht Gera sei nicht notwendig gewesen, weil es im Berufungsrechtszug – für die Kläger erkennbar – nur noch um Rechtsfragen gegangen sei. Bei dieser Sachlage hätte sich ein bei dem Prozessgericht ansässiger Rechtsanwalt allein anhand der Verfahrensakten in den Fall einarbeiten können.

III.

4
1. Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige (§ 575 ZPO) Rechtsbeschwerde ist begründet.
5
a) Der angefochtene Beschluss unterliegt der Aufhebung. Die Erstattungsfähigkeit der in Streit befindlichen Kosten hängt davon ab, ob es für die Kläger notwendig war, in zweiter Instanz einen Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung zu beauftragen, der nicht am Ort des Prozessgerichts ansässig ist (§ 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist diese Frage zu bejahen.
6
Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass es sich im Allgemeinen um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung handelt, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende oder beklagte Partei einen an ihrem Wohn- oder Geschäftssitz ansässigen Rechtsanwalt mit der Vertretung beauftragt (BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2003, I ZB 18/03, NJW-RR 2004, 856; Beschl. v. 6. Mai 2004, I ZB 27/03, NJW-RR 2004, 1500 m.w.N.). Die Erstattungsfähigkeit ist lediglich zu verneinen, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts zweifelsfrei feststeht, dass ein Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich ist (vgl. BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2003, aaO). Davon, dass diese Grundsätze gleichermaßen für die erste wie für die zweite Instanz gelten (BGH, Beschl. v. 6. Mai 2004, aaO), geht das Beschwerdegericht zutreffend aus, meint aber zu Unrecht, die Notwendigkeit der Einschaltung eines nicht am Ort des Prozessgerichts ansässigen Anwalts sei schon dann zu verneinen, wenn nur noch um Rechtsfragen gestritten werde und dies für die Partei erkennbar sei.
7
Das Beschwerdegericht übersieht, dass bei der Prüfung, ob eine Rechtsverfolgungs - oder Rechtsverteidigungsmaßnahme notwendig ist im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO, eine typisierende Betrachtungsweise geboten ist (BGH, Beschl. v. 12. Dezember 2002, I ZB 29/02, NJW 2003, 901, 902; Beschl. v. 13. September 2005, X ZB 30/04, NJW-RR 2005, 1662). Bei dem Kostenfestsetzungsverfahren handelt es sich um ein Massenverfahren, das einer zügigen und möglichst unkomplizierten Abwicklung bedarf. Der Gerechtigkeitsgewinn , der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich einstellenden Nachteilen , wenn in nahezu jedem Einzelfall darüber gestritten werden kann, ob die Kosten einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme zu erstatten sind (BGH, Beschl. v. 13. September 2005, aaO, m.w.N.). Vor diesem Hintergrund hat der Bundesgerichtshof die Notwendigkeit der Beauftragung eines am Wohn- oder Geschäftssitz einer Partei ansässigen Anwalts grundsätzlich verneint, wenn es sich bei der Partei um einen als Rechtsanwalt zugelassenen Insolvenzverwalter (BGH, Beschl. v. 13. Juni 2006, IX ZB 44/04, NZI 2006, 524 m.w.N.), einen Verband zur Förderung gewerblicher Interessen (BGH, Beschl. v. 18. Dezember 2003, I ZB 18/03, NJW-RR 2004, 856), einen Verbraucherverband (BGH, Beschl. v. 21. September 2005, IV ZB 11/04, NJW 2006, 301, 303) oder um ein gewerbliches Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt (vgl. BGH, Beschl. v. 10. April 2003 - I ZB 36/02, NJW 2003, 2027 f.; Beschl. v. 18. Dezember 2003, aaO). In all diesen Konstellationen ist bei typisierender Betrachtung davon auszugehen , dass die Partei in der Regel auch ohne ein persönliches Gespräch für eine sachgerechte Unterrichtung ihres Prozessbevollmächtigten Sorge tragen kann. Das lässt sich für rechtsunkundige Parteien indessen nicht sagen. Das gilt umso mehr, als die Trennlinie zwischen Tatsachenvortrag und Rechtsauffassungen , wobei Letztere wiederum einen Tatsachenkern enthalten können, nur unter Berücksichtigung des wechselseitigen Parteivorbringens im Einzelfall gezogen werden kann und sich das Erfordernis weiteren tatsächlichen Vorbringens zudem auch unter einem neuen rechtlichen Gesichtspunkt ergeben kann, der bislang nicht bedacht worden ist. Mit solchen Erwägungen ist eine nicht häufig mit Rechtsfragen befasste Partei aber regelmäßig überfordert. Vor diesem Hintergrund verbietet sich eine Gleichstellung mit den bislang von dem Bundesgerichtshof anerkannten Ausnahmekonstellationen. Ob eine andere Beurteilung angezeigt ist, wenn das fehlende Erfordernis eines persönlichen Mandantengesprächs auch einer rechtsunkundigen Partei gleichsam ins Auge springen muss, braucht nicht entschieden zu werden. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
8
b) Nach allem kann der angefochten Beschluss keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil sie entscheidungsreif ist im Sinne von § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO. Da die Notwendigkeit der Einschaltung des B. Anwalts bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise nicht zu verneinen ist, sind auch die geltend gemachten Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder festzusetzen. Das führt zu dem tenorierten Betrag.
9
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Krüger Klein Stresemann
Czub Roth
Vorinstanzen:
AG Stadtroda, Entscheidung vom 13.01.2005 - 2 C 553/04 -
LG Gera, Entscheidung vom 29.12.2005 - 5 T 551/05 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 64/09
vom
28. Januar 2010
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Januar 2010 durch den
Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter Dörr, Wöstmann, Seiters und
Tombrink

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Schwerin vom 8. Juli 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 297,25 € festgesetzt.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Gründe:


I.


1
In dem der Rechtsbeschwerde zugrunde liegenden Verfahren hat die Klägerin, vertreten durch eine Anwaltskanzlei aus D. , im Urkundsprozess gegen die Beklagte eine Forderung über 1.140,81 € nebst außergerichtli- cher Kosten und Zinsen geltend gemacht. Nach der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht S. am 27. Februar 2008 haben sich die Parteien verglichen (Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO vom 24. April 2008). Hierbei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der gegeneinander aufgehobenen Kosten des Vergleichs übernommen. Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens hat die Klägerin unter anderem 303 € (2 x 0,30 € x 505 km) Fahrtkosten sowie 60 € Abwesenheitsgeld ihrer Prozessbevollmächtigten nach Nr. 7003, 7005 VV RVG geltend gemacht. Das Amtsgericht S. hat stattdessen lediglich die fiktiven Kosten eines in S. ansässigen Unterbevollmächtigten zur Teilnahme am Verhandlungstermin in Höhe von 65,75 € berücksichtigt. Die sofortige Beschwerde der Klägerin hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts S. durch ihren Vorsitzenden als Einzelrichter mit Beschluss vom 14. Mai 2009 zurückgewiesen. Auf die hiergegen erhobene Gehörsrüge gemäß § 321a ZPO hat die 5. Zivilkammer - erneut durch den Vorsitzenden als Einzelrichter - mit Beschluss vom 8. Juli 2009 das Beschwerdeverfahren gemäß § 321a Abs. 5 ZPO fortgeführt und den Beschluss vom 14. Mai 2009 - unter Aufrechterhaltung im Übrigen - dahingehend ergänzt, dass die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen wird. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.


2
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Ihre Zulassung ist nicht deshalb unwirksam , weil der Einzelrichter entgegen § 568 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO anstelle des Kollegiums entschieden hat. Der angefochtene Beschluss unterliegt jedoch der Aufhebung, weil er unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzli- chen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist. Der Einzelrichter durfte auf der Grundlage seiner Auffassung, wonach die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen ist, nicht selbst entscheiden. Nach § 568 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO überträgt der Einzelrichter das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Hierbei umfasst der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung - wie in § 348 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und § 526 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 1 ZPO - neben der grundsätzlichen Bedeutung im engeren Sinne die in § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO - wie in § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO - genannten Fälle der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (vgl. nur BGHZ 154, 200, 202; BGH, Beschlüsse vom 9. März 2006 - V ZB 178/05 - juris Rn. 11; 22. Januar 2008 - X ZB 27/07 - juris Rn. 5; 16. Juli 2009 - V ZB 45/09 - juris Rn. 7; 17. September 2009 - V ZB 44/09 - juris Rn. 5). Mit seiner gegenteiligen Entscheidung hat der Einzelrichter damit die Beurteilung der grundsätzlichen Bedeutung der Sache dem Kammerkollegium als dem gesetzlich zuständigen Richter entzogen. Dies führt wegen Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung der Sache an das Beschwerdegericht (BGH, aaO; siehe auch Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2005 - III ZB 66/05 - juris Rn. 3 zu § 17a Abs. 4 Satz 4-6 GVG).

III.


3
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
4
Nach § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO sind Reisekosten eines Rechtsanwalts , der nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, insoweit zu erstatten, als seine Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war.
5
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur Beschlüsse vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02 - juris Rn. 14 ff; 11. März 2004 - VII ZB 27/03 - NJW-RR 2004, 858; 2. Dezember 2004 - I ZB 4/04 - juris Rn. 19; 13. September 2005 - X ZB 30/04 - NJW-RR 2005, 1662; 16. April 2008 - XII ZB 214/04 - NJW 2008, 2122, 2123 f, Rn. 7, 14) stellt die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende Partei im Regelfall eine solche Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung dar. Ein tragender Grund hierfür ist die Annahme, dass üblicherweise ein persönliches mündliches Gespräch erforderlich und gewünscht ist. Ferner ist von Bedeutung, dass die Partei grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran hat, sich durch einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens auch vor auswärtigen Gerichten vertreten zu lassen. Letzteres ist ein entscheidender Gesichtspunkt bereits für die Änderung des Lokalisationsprinzips in § 78 ZPO gewesen (vgl. BT-Drucks. 12/4993, S. 43, 53) und vom Bundesverfassungsgericht im Streit um die Singularzulassung als ein rechtlich anzuerkennender Vorteil für den Mandanten gewürdigt worden (BVerfGE 103, 1, 16).
6
b) Soweit das Beschwerdegericht in diesem Zusammenhang - unter Bezugnahme auf den diesbezüglichen Hinweis der Beklagten, dass die Klägerin vorprozessual sowie im Klage- und im Kostenfestsetzungsverfahren durch unterschiedliche sachbearbeitende Rechtsanwälte vertreten gewesen sei - das Fehlen eines "besonderen" bzw. "speziellen" anwaltlichen Vertrauensverhältnisses , das die Anreise eines dieser Rechtsanwälte zum Termin nach S. gerechtfertigt habe, moniert hat, ist dies rechtsfehlerhaft.
7
Bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungsoder Rechtsverteidigungsmaßnahme ist eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Beurteilung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich ergebenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall darum gestritten werden kann, ob die Kosten zu erstatten sind oder nicht (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2004, aaO Rn. 16; 13. September 2005, aaO; 28. Juni 2006 - IV ZB 44/05 - NJW 2006, 3008, 3009, Rn. 13; 11. Dezember 2007 - X ZB 21/07 - NJW-RR 2008, 1378, Rn. 8; 16. April 2008, aaO S. 2124, Rn. 19). Deshalb bedarf es für die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten nicht der Feststellung im Einzelfall, dass die Partei zu dem den Termin wahrnehmenden Rechtsanwalt ein besonderes Vertrauensverhältnis gehabt hat. Abgesehen davon hat das Beschwerdegericht - selbst bei Zugrundelegung seiner Auffassung - nicht berücksichtigt, dass die Klägerin durchgängig durch Rechtsanwälte der Anwaltskanzlei B. aus D. vertreten worden ist, wobei Rechtsanwalt B. , der die mündliche Verhandlung in S. für die Klägerin wahrgenommen hat, im Übrigen bereits die Anspruchsbegründung vom 16. November 2007 sowie die Replik vom 11. Januar 2008 unterzeichnet, es sich mithin bei ihm ersichtlich um den im Prozess sachbearbeitenden Rechtsanwalt der Kanzlei gehandelt hat.

8
c) Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende Partei im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung darstellt, kann allerdings dann eingreifen , wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Anwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Dies kommt zum Beispiel in Betracht bei gewerblichen Unternehmen, die über eine eigene Rechtsabteilung verfügen, die die Sache bearbeitet hat. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts am Ort des Prozessgerichts kann ferner zur Kostenersparnis zumutbar sein, wenn bei einem in tatsächlicher Hinsicht überschaubaren Streit um eine Geldforderung die Gegenseite versichert hat, nicht leistungsfähig zu sein und gegenüber einer Klage keine Einwendungen zu erheben (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 16. Oktober 2002, aaO Rn. 20; 2. Dezember 2004, aaO Rn. 20 f; 28. Juni 2006, aaO Rn. 8; 16. April 2008, aaO Rn. 8). Dass ein solcher Fall hier vorliegt, ist nicht ersichtlich und vom Beschwerdegericht auch nicht festgestellt worden. Nicht ausreichend ist es demgegenüber , wenn es sich - wie das Beschwerdegericht rückblickend meint - um einen einfach gelagerten Rechtsstreit handelt. Denn welche Schwierigkeiten die Führung eines Rechtsstreits aufwirft, ist für die rechtlich nicht versierte Partei in der Regel nicht überschaubar und hängt darüber hinaus wesentlich vom Verhalten der Gegenseite während des Prozesses ab (vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002, aaO Rn. 21).
9
d) Ist danach die Hinzuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, ist der Partei regelmäßig auch das Recht zuzubilligen, sich durch diesen mit der Sache vertrauten Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen, so dass dessen Reisekosten in vollem Umfang und nicht beschränkt auf die fiktiven Kosten eines unterbevollmächtigten Terminsvertreters zu ersetzen sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. September 2005, aaO; 11. Dezember 2007, aaO Rn. 9 f; siehe auch MünchKomm-ZPO/Giebel, 3. Aufl., § 91 Rn. 66; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 91 Rn. 13, Stichwort: Reisekosten des Anwalts). Auch im umgekehrten Fall, dass eine Partei, weil ausnahmsweise eine entsprechende Hinzuziehung nicht erforderlich ist, einen am Ort des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt beauftragt, würden Reisekosten - dann der Partei zu einem Informationsgespräch mit dem Anwalt - erstattungsfähig sein (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002, aaO Rn. 17). § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO verlangt insoweit keine zusätzliche Prüfung, ob im konkreten Einzelfall auch die Wahrnehmung des Verhandlungstermins gerade durch diesen Rechtsanwalt unbedingt erforderlich war. Vielmehr ist das Interesse der Partei an der Terminswahrnehmung durch ihren Anwalt gegenüber dem Interesse der Gegenseite an einer Kostenersparnis grundsätzlich vorrangig. Dem Umstand, dass die Reisekosten im Einzelfall - bei geringen Streitwerten und großer Entfernung zwischen Kanzleisitz und Prozessgericht - die Kosten eines Unterbevollmächtigten deutlich übersteigen können, kommt insoweit keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2007 - X ZB 21/07 - aaO Rn. 10).

IV.


10
Die Aufhebung führt zur Zurückverweisung der Sache an den Einzelrichter , der den angefochtenen Beschluss erlassen hat.
11
Wegen der durch die Rechtsbeschwerde angefallenen Gerichtskosten macht der Senat von der Möglichkeit des § 21 GKG Gebrauch.
Schlick Dörr Wöstmann
Seiters Tombrink

Vorinstanzen:
AG Schwerin, Entscheidung vom 07.07.2008 - 17 C 174/07 -
LG Schwerin, Entscheidung vom 08.07.2009 - 5 T 380/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 30/04
vom
13. September 2005
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
BGHR: ja
BGHZ: nein
Nachschlagewerk: ja
Auswärtiger Rechtsanwalt V
Die erstattungsfähigen Reisekosten des nicht am Gerichtsort ansässigen
Rechtsanwalts sind der Höhe nach nicht notwendig auf diejenigen Kosten beschränkt
, die durch die Beauftragung eines Terminsvertreters entstanden wären.
BGH, Beschluss vom 13. September 2005 - X ZB 30/04 - OLG München
LG München I
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis, die Richter Scharen, Keukenschrijver, die Richterin Mühlens
und den Richter Prof. Dr. Meier-Beck
am 13. September 2005

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 25. November 2004 aufgehoben, soweit die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München I vom 22. Juli 2004 zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens , an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 183,56 € festgesetzt.

Gründe:


I. Die in Bonn ansässige Klägerin, die für ihre Gesellschafter Ansprüche wegen des Nachbaus geschützter Sorten geltend macht, hat den Beklagten
durch einen in Hamburg geschäftsansässigen Rechtsanwalt vor dem Landgericht München I auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung für den Nachbau in Anspruch genommen. Das Landgericht hat antragsgemäß erkannt und dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Der Rechtspfleger hat es abgelehnt, die von der Klägerin geltend gemachten Reisekosten ihres Hamburger Prozessbevollmächtigten in Höhe von 214,19 € gegen den Beklagten festzusetzen. Das Beschwerdegericht hat Reisekosten in Höhe von 30,63 € festgesetzt und im Übrigen die sofortige Beschwerde zurückgewiesen (OLG München OLG-Rep. 2005, 261).
Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin ihren Kostenfestsetzungsantrag in dem Umfang weiter, in dem ihre sofortige Beschwerde erfolglos geblieben ist.
II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Sie führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die von der Klägerin geltend gemachten Terminsreisekosten seien dem Grunde nach erstattungsfähig. Die Zuziehung eines am Geschäftssitz der Klägerin ansässigen Rechtsanwalts sei als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig anzuerkennen. Bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines solchen Rechtsanwalts seien auch die Reisekosten eines andernorts (hier: in Hamburg) ansässigen Rechtsanwalts erstattungsfähig. Das steht mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in Einklang (BGH, Beschl. v. 16.9.2002 - VIII ZB 30/02, NJW 2003, 898; Beschl. v. 18.12.2003 - I ZB 21/03, MDR 2004, 839 = GRUR 2004,
447 - Auswärtiger Rechtsanwalt III; Sen.Beschl. v. 13.7.2004 - X ZB 40/03, NJW 2004, 3187; BGH, Beschl. v. 14.9.2004 - VI ZB 37/04, BB 2004, 2548; Beschl. v. 2.12.2004 - I ZB 4/04, BB 2005, 294 = GRUR 2005, 271 - Unterbevollmächtigter III) und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
2. Das Berufungsgericht hat weiterhin die Auffassung vertreten, die Erstattung der Reisekosten sei jedoch der Höhe nach auf diejenigen Mehrkosten beschränkt, die bei Einschaltung eines Unterbevollmächtigten für die Vertretung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entstanden wären (hier: 30,63 €). Unter mehreren gleichartigen Maßnahmen habe die Partei die kostengünstigste auszuwählen; Terminskosten eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten seien daher nur erstattungsfähig, soweit sie die Mehrkosten der Einschaltung eines Terminsvertreters nicht wesentlich überstiegen.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Reisekosten, die einer Partei durch die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts entstanden sind, sind zu erstatten, wenn sie im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig waren. Dabei kommt es darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftige Partei die die Kosten auslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Veranlassung als sachdienlich ansehen durfte. Dabei darf die Partei ihr berechtigtes Interesse verfolgen und die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte ergreifen. Sie ist lediglich - was das Beschwerdegericht im Ausgangspunkt richtig gesehen hat - gehalten, unter mehreren gleichartigen Maßnahmen die kostengünstigste auszuwählen (BGH NJW 2003, 898; Beschl. v. 11.11.2003 - VI ZB 41/03, MDR 2004, 539; Beschl. v. 9.9.2004 - I ZB 5/04, GRUR 2005, 84 - Unterbevollmächtigter II). Bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme ist zudem eine typisierende Betrachtungsweise gebo-
ten. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Betrachtung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich einstellenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall darüber gestritten werden könnte, ob die Kosten einer bestimmten Rechtsverfolgungs- oder Rechtsverteidigungsmaßnahme zu erstatten sind oder nicht (vgl. BGH, Beschl. v. 12.12.2002 - I ZB 29/02, NJW 2003, 901, 902 = WRP 2003, 391 - Auswärtiger Rechtsanwalt I).
Hiernach hat das Beschwerdegericht die Beauftragung eines Terminsvertreters zu unrecht als gleichartige, jedoch kostengünstigere Maßnahme angesehen. Die Anerkennung der Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Unterbevollmächtigten in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beruht gerade auf der Erwägung, dass die Terminsreisekosten des nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts, dessen Hinzuziehung als notwendig anzuerkennen ist, ihrerseits grundsätzlich erstattungsfähig wären (BGH NJW 2003, 898; BB 2004, 2548; BB 2005, 294). Der Bundesgerichtshof hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass die Erweiterung der Postulationsfähigkeit vor den Landgerichten auf alle bei einem Amts- oder Landgericht zugelassenen Anwälte wesentlich auch damit begründet worden sei, dass das Interesse der Mandanten dahingehe, von einem Rechtsanwalt ihres Vertrauens auch vor auswärtigen Zivilgerichten vertreten werden zu können (BGH NJW 2003, 898, 901). Wird die Beauftragung eines nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts als aus der Sicht einer verständigen Partei notwendig anerkannt, ist der Partei regelmäßig das Recht zuzubilligen, sich durch diesen mit der Sache vertrauten Rechtsanwalt auch in der mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen, zumal die hierdurch entstehenden Kosten im Allgemeinen geringer sein werden als die zusätzliche Beauftragung eines Terminsvertreters.
3. Die Sache ist daher zur Prüfung der entstandenen Reisekosten an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Melullis Scharen Keukenschrijver
Mühlens Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
III ZB 64/09
vom
28. Januar 2010
in dem Rechtsstreit
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Januar 2010 durch den
Vizepräsidenten Schlick sowie die Richter Dörr, Wöstmann, Seiters und
Tombrink

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Schwerin vom 8. Juli 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 297,25 € festgesetzt.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

Gründe:


I.


1
In dem der Rechtsbeschwerde zugrunde liegenden Verfahren hat die Klägerin, vertreten durch eine Anwaltskanzlei aus D. , im Urkundsprozess gegen die Beklagte eine Forderung über 1.140,81 € nebst außergerichtli- cher Kosten und Zinsen geltend gemacht. Nach der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht S. am 27. Februar 2008 haben sich die Parteien verglichen (Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO vom 24. April 2008). Hierbei hat die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der gegeneinander aufgehobenen Kosten des Vergleichs übernommen. Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens hat die Klägerin unter anderem 303 € (2 x 0,30 € x 505 km) Fahrtkosten sowie 60 € Abwesenheitsgeld ihrer Prozessbevollmächtigten nach Nr. 7003, 7005 VV RVG geltend gemacht. Das Amtsgericht S. hat stattdessen lediglich die fiktiven Kosten eines in S. ansässigen Unterbevollmächtigten zur Teilnahme am Verhandlungstermin in Höhe von 65,75 € berücksichtigt. Die sofortige Beschwerde der Klägerin hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts S. durch ihren Vorsitzenden als Einzelrichter mit Beschluss vom 14. Mai 2009 zurückgewiesen. Auf die hiergegen erhobene Gehörsrüge gemäß § 321a ZPO hat die 5. Zivilkammer - erneut durch den Vorsitzenden als Einzelrichter - mit Beschluss vom 8. Juli 2009 das Beschwerdeverfahren gemäß § 321a Abs. 5 ZPO fortgeführt und den Beschluss vom 14. Mai 2009 - unter Aufrechterhaltung im Übrigen - dahingehend ergänzt, dass die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen wird. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.


2
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Ihre Zulassung ist nicht deshalb unwirksam , weil der Einzelrichter entgegen § 568 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO anstelle des Kollegiums entschieden hat. Der angefochtene Beschluss unterliegt jedoch der Aufhebung, weil er unter Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzli- chen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen ist. Der Einzelrichter durfte auf der Grundlage seiner Auffassung, wonach die Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen ist, nicht selbst entscheiden. Nach § 568 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO überträgt der Einzelrichter das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Hierbei umfasst der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung - wie in § 348 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und § 526 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 1 ZPO - neben der grundsätzlichen Bedeutung im engeren Sinne die in § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO - wie in § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO - genannten Fälle der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (vgl. nur BGHZ 154, 200, 202; BGH, Beschlüsse vom 9. März 2006 - V ZB 178/05 - juris Rn. 11; 22. Januar 2008 - X ZB 27/07 - juris Rn. 5; 16. Juli 2009 - V ZB 45/09 - juris Rn. 7; 17. September 2009 - V ZB 44/09 - juris Rn. 5). Mit seiner gegenteiligen Entscheidung hat der Einzelrichter damit die Beurteilung der grundsätzlichen Bedeutung der Sache dem Kammerkollegium als dem gesetzlich zuständigen Richter entzogen. Dies führt wegen Verletzung des Verfassungsgebots des gesetzlichen Richters zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung der Sache an das Beschwerdegericht (BGH, aaO; siehe auch Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2005 - III ZB 66/05 - juris Rn. 3 zu § 17a Abs. 4 Satz 4-6 GVG).

III.


3
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
4
Nach § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO sind Reisekosten eines Rechtsanwalts , der nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, insoweit zu erstatten, als seine Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war.
5
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. nur Beschlüsse vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02 - juris Rn. 14 ff; 11. März 2004 - VII ZB 27/03 - NJW-RR 2004, 858; 2. Dezember 2004 - I ZB 4/04 - juris Rn. 19; 13. September 2005 - X ZB 30/04 - NJW-RR 2005, 1662; 16. April 2008 - XII ZB 214/04 - NJW 2008, 2122, 2123 f, Rn. 7, 14) stellt die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende Partei im Regelfall eine solche Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung dar. Ein tragender Grund hierfür ist die Annahme, dass üblicherweise ein persönliches mündliches Gespräch erforderlich und gewünscht ist. Ferner ist von Bedeutung, dass die Partei grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran hat, sich durch einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens auch vor auswärtigen Gerichten vertreten zu lassen. Letzteres ist ein entscheidender Gesichtspunkt bereits für die Änderung des Lokalisationsprinzips in § 78 ZPO gewesen (vgl. BT-Drucks. 12/4993, S. 43, 53) und vom Bundesverfassungsgericht im Streit um die Singularzulassung als ein rechtlich anzuerkennender Vorteil für den Mandanten gewürdigt worden (BVerfGE 103, 1, 16).
6
b) Soweit das Beschwerdegericht in diesem Zusammenhang - unter Bezugnahme auf den diesbezüglichen Hinweis der Beklagten, dass die Klägerin vorprozessual sowie im Klage- und im Kostenfestsetzungsverfahren durch unterschiedliche sachbearbeitende Rechtsanwälte vertreten gewesen sei - das Fehlen eines "besonderen" bzw. "speziellen" anwaltlichen Vertrauensverhältnisses , das die Anreise eines dieser Rechtsanwälte zum Termin nach S. gerechtfertigt habe, moniert hat, ist dies rechtsfehlerhaft.
7
Bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungsoder Rechtsverteidigungsmaßnahme ist eine typisierende Betrachtungsweise geboten. Denn der Gerechtigkeitsgewinn, der bei einer übermäßig differenzierenden Beurteilung im Einzelfall zu erzielen ist, steht in keinem Verhältnis zu den sich ergebenden Nachteilen, wenn in nahezu jedem Einzelfall darum gestritten werden kann, ob die Kosten zu erstatten sind oder nicht (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 2. Dezember 2004, aaO Rn. 16; 13. September 2005, aaO; 28. Juni 2006 - IV ZB 44/05 - NJW 2006, 3008, 3009, Rn. 13; 11. Dezember 2007 - X ZB 21/07 - NJW-RR 2008, 1378, Rn. 8; 16. April 2008, aaO S. 2124, Rn. 19). Deshalb bedarf es für die Erstattungsfähigkeit von Reisekosten nicht der Feststellung im Einzelfall, dass die Partei zu dem den Termin wahrnehmenden Rechtsanwalt ein besonderes Vertrauensverhältnis gehabt hat. Abgesehen davon hat das Beschwerdegericht - selbst bei Zugrundelegung seiner Auffassung - nicht berücksichtigt, dass die Klägerin durchgängig durch Rechtsanwälte der Anwaltskanzlei B. aus D. vertreten worden ist, wobei Rechtsanwalt B. , der die mündliche Verhandlung in S. für die Klägerin wahrgenommen hat, im Übrigen bereits die Anspruchsbegründung vom 16. November 2007 sowie die Replik vom 11. Januar 2008 unterzeichnet, es sich mithin bei ihm ersichtlich um den im Prozess sachbearbeitenden Rechtsanwalt der Kanzlei gehandelt hat.

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c) Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die Zuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende Partei im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung darstellt, kann allerdings dann eingreifen , wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Anwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Dies kommt zum Beispiel in Betracht bei gewerblichen Unternehmen, die über eine eigene Rechtsabteilung verfügen, die die Sache bearbeitet hat. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts am Ort des Prozessgerichts kann ferner zur Kostenersparnis zumutbar sein, wenn bei einem in tatsächlicher Hinsicht überschaubaren Streit um eine Geldforderung die Gegenseite versichert hat, nicht leistungsfähig zu sein und gegenüber einer Klage keine Einwendungen zu erheben (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 16. Oktober 2002, aaO Rn. 20; 2. Dezember 2004, aaO Rn. 20 f; 28. Juni 2006, aaO Rn. 8; 16. April 2008, aaO Rn. 8). Dass ein solcher Fall hier vorliegt, ist nicht ersichtlich und vom Beschwerdegericht auch nicht festgestellt worden. Nicht ausreichend ist es demgegenüber , wenn es sich - wie das Beschwerdegericht rückblickend meint - um einen einfach gelagerten Rechtsstreit handelt. Denn welche Schwierigkeiten die Führung eines Rechtsstreits aufwirft, ist für die rechtlich nicht versierte Partei in der Regel nicht überschaubar und hängt darüber hinaus wesentlich vom Verhalten der Gegenseite während des Prozesses ab (vgl. nur BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002, aaO Rn. 21).
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d) Ist danach die Hinzuziehung eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, ist der Partei regelmäßig auch das Recht zuzubilligen, sich durch diesen mit der Sache vertrauten Rechtsanwalt in der mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen, so dass dessen Reisekosten in vollem Umfang und nicht beschränkt auf die fiktiven Kosten eines unterbevollmächtigten Terminsvertreters zu ersetzen sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. September 2005, aaO; 11. Dezember 2007, aaO Rn. 9 f; siehe auch MünchKomm-ZPO/Giebel, 3. Aufl., § 91 Rn. 66; Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 91 Rn. 13, Stichwort: Reisekosten des Anwalts). Auch im umgekehrten Fall, dass eine Partei, weil ausnahmsweise eine entsprechende Hinzuziehung nicht erforderlich ist, einen am Ort des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalt beauftragt, würden Reisekosten - dann der Partei zu einem Informationsgespräch mit dem Anwalt - erstattungsfähig sein (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002, aaO Rn. 17). § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO verlangt insoweit keine zusätzliche Prüfung, ob im konkreten Einzelfall auch die Wahrnehmung des Verhandlungstermins gerade durch diesen Rechtsanwalt unbedingt erforderlich war. Vielmehr ist das Interesse der Partei an der Terminswahrnehmung durch ihren Anwalt gegenüber dem Interesse der Gegenseite an einer Kostenersparnis grundsätzlich vorrangig. Dem Umstand, dass die Reisekosten im Einzelfall - bei geringen Streitwerten und großer Entfernung zwischen Kanzleisitz und Prozessgericht - die Kosten eines Unterbevollmächtigten deutlich übersteigen können, kommt insoweit keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Dezember 2007 - X ZB 21/07 - aaO Rn. 10).

IV.


10
Die Aufhebung führt zur Zurückverweisung der Sache an den Einzelrichter , der den angefochtenen Beschluss erlassen hat.
11
Wegen der durch die Rechtsbeschwerde angefallenen Gerichtskosten macht der Senat von der Möglichkeit des § 21 GKG Gebrauch.
Schlick Dörr Wöstmann
Seiters Tombrink

Vorinstanzen:
AG Schwerin, Entscheidung vom 07.07.2008 - 17 C 174/07 -
LG Schwerin, Entscheidung vom 08.07.2009 - 5 T 380/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VII ZB 27/03
vom
11. März 2004
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Reisekosten eines beim Prozeßgericht nicht zugelassenen und weder am Gerichtsort
noch am Geschäfts- oder Wohnort der Prozeßpartei ansässigen Prozeßbevollmächtigten
zur Terminswahrnehmung sind jedenfalls insoweit zu erstatten, als sie
sich im Rahmen der erstattungsfähigen Reisekosten halten, die angefallen wären,
wenn die Partei einen Prozeßbevollmächtigten entweder am Gerichtsort oder an ihrem
Geschäfts- oder Wohnort beauftragt hätte.
BGH, Beschluß vom 11. März 2004 - VII ZB 27/03 - OLG München
LG München I
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. März 2004 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter Hausmann, Dr. Wiebel,
Prof. Dr. Kniffka und Bauner

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluß des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 6. Juni 2003 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Beschwerdewert: 506,04 €

Gründe:

I.

Die Beklagte hat unter anderem die jetzt noch streitigen Reisekosten ihrer Prozeßbevollmächtigten zu zwei Terminen vor dem Landgericht München I zur Kostenfestsetzung angemeldet. Die Klage ist gegen die Beklagte unter einer Anschrift in S. gerichtet; dort hat die Beklagte nach ihrem Vortrag eine Betriebsstätte. Die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten sind in B. ansässig.
Das Landgericht hat die Festsetzung dieser Kosten abgelehnt. Das Oberlandesgericht hat die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.

1. Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, Reisekosten auswärtiger, am Gerichtsort weder zugelassener noch ansässiger Prozeßbevollmächtigter seien grundsätzlich nicht zu erstatten, wenn die Prozeßbevollmächtigten ihre Kanzlei nicht in der Nähe der Partei hätten. Davon sei hier auszugehen, weil die Beklagte in größerer Entfernung von dem Kanzleisitz der Prozeßbevollmächtigten ansässig sei. In Betracht komme dann nur ein Anspruch auf Erstattung der Kosten einer fiktiven Informationsreise, sofern eine persönliche Information erforderlich gewesen sei. Das sei nicht anzunehmen. 2. Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Die unterlegene Partei hat die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit diese zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren (§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dementsprechend sind Reisekosten zur Terminswahrnehmung eines Prozeßbevollmächtigten , der weder bei dem Prozeßgericht zugelassen noch am Gerichtsort ansässig ist, insoweit zu erstatten, als dessen Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war (§ 91 Abs. 2 Satz 1 zweiter Halbsatz ZPO). Ob diese Notwendigkeit gegeben war, bemißt sich danach , was eine vernünftige und kostenorientierte Partei als sachdienlich anse-
hen durfte (Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl. § 91 Rdn. 12; MünchKomm-Belz, ZPO, 2. Aufl., § 91 Rdn. 17). Eine nicht am Gerichtsort ansässige Partei ist in diesem Rahmen kostenrechtlich nicht darauf angewiesen, einen Rechtsanwalt am Ort des Prozeßgerichts mit ihrer Prozeßvertretung zu beauftragen. Vielmehr kann sie grundsätzlich die Kosten ihres Prozeßbevollmächtigten auch dann erstattet verlangen, wenn dieser bei dem Prozeßgericht nicht zugelassen und am Gerichtsort auch nicht ansässig ist. Das hat der Bundesgerichtshof wiederholt entschieden für den Fall, daß die Partei einen in ihrer Nähe ansässigen Rechtsanwalt beauftragt hat (BGH, Beschluß vom 16. Oktober 2002 - VIII ZB 30/02 - NJW 2003, 898, 900; BGH, Beschluß vom 11. November 2003 - VI ZB 41/03 - EBE/BGH 2004, 11). Ein tragender Grund hierfür ist zunächst die Annahme, daß ein persönliches mündliches Gespräch erforderlich und gewünscht ist. Damit hat es nicht sein Bewenden. Ebenso gewichtig ist, daß eine Partei ein berechtigtes Interesse haben kann, sich durch den Rechtsanwalt ihres Vertrauens auch vor auswärtigen Gerichten vertreten zu lassen. Dieser weitere Gesichtspunkt ist ein entscheidender Grund gewesen für die Änderung des Lokalisationsprinzips in § 78 ZPO (vgl. BT-Drucks. 12/4993, S. 43 und 53). Das Bundesverfassungsgericht hat seinerseits im Streit um die Singular- oder Simultanzulassung von Rechtsanwälten das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant, das auf Aktenkenntnis im konkreten Fall oder auch auf langjähriger Beratung und erfolgreicher begleitender Zusammenarbeit gründen könne, als einen rechtlich anzuerkennenden Vorteil aus der Sicht des Mandanten gewürdigt (BVerfG, Urteil vom 13. Dezember 2000 - 1 BvR 335/97 - BVerfGE 103, 1, 16). Nichts anderes kann bei der Entscheidung gelten, inwieweit die Kosten des beim Prozeßgericht nicht zugelassenen und am Gerichtsort nicht ansässigen Prozeßbevollmächtigten zu erstatten sind.
Hier ist ebenso wie dem Bedarf an persönlichem Kontakt auch dem Vertrauensverhältnis zwischen der Partei und dem von ihr ausgewählten Rechtsanwalt Rechnung zu tragen. Zu berücksichtigen ist im übrigen, daß einem Zivilprozeß in vielen Fällen vorgerichtliche Auseinandersetzungen vorausgehen. Auch von einer kostenbewußten Partei kann selbst im Interesse der erstattungspflichtigen Gegenpartei nicht erwartet werden, auf den mit der Sache bereits vertrauten Rechtsanwalt zu verzichten und einen neuen Prozeßbevollmächtigten am Gerichtsort zu beauftragen (BGH, Beschluß vom 16. Oktober 2002 aaO).
b) Nach diesen Grundsätzen sind die den Prozeßbevollmächtigten der Beklagten entstandenen Reisekosten in die Kostenfestsetzung einzubeziehen (zu einem vergleichbaren Sachverhalt siehe auch BGH, Beschluß vom 18. Dezember 2003 – I ZB 21/03, zur Veröffentlichung bestimmt). (1) Die Beklagte war kostenrechtlich nicht darauf beschränkt, in M. ansässige Prozeßbevollmächtigte zu beauftragen. Wie bereits das Landgericht zutreffend erkannt hat, hätte sie ohne kostenrechtliche Nachteile auch Rechtsanwälte aus S. auswählen können. Dann stand es der Beklagten erst recht frei, die in B. ansässigen Rechtsanwälte ihrer Wahl zu beauftragen. Deren Reisekosten nach M. mußten von vornherein geringer ausfallen als diejenigen von Kollegen aus dem viel weiter entfernten Ort, in welchem die Beklagte ansässig ist. Ob direkte mündliche Gespräche zwischen der Beklagten und ihren Prozeßbevollmächtigten stattgefunden haben, ist nicht entscheidend. Die Erstattung der Kosten von Prozeßbevollmächtigten, die in der Nähe der Partei ansässig sind, rechtfertigt sich aus der Annahme, daß in der Regel ein persönliches mündliches Gespräch gesucht wird und erforderlich ist. Die Erstattung der von
der Beklagten geltend gemachten Reisekosten ihrer Prozeßbevollmächtigten wiederum rechtfertigt sich daraus, daß aus der Entfernung zum Gerichtsort nur geringere Kosten entstehen konnten, als es bei Rechtsanwälten aus S. der Fall gewesen wäre. (2) Nicht begründet ist die Befürchtung des Beschwerdegerichts, am Ende könne eine Prozeßpartei jeden beliebigen Rechtsanwalt in der Bundesrepublik Deutschland mit nicht mehr hinnehmbaren Kostenfolgen auswählen. Die unterlegene Partei muß die Kosten tragen, die aus dem Auseinanderfallen von Gerichtsort einerseits und Geschäfts- oder Wohnort einer Prozeßpartei andererseits entstehen. Dementsprechend sind die Reisekosten eines an einem dritten Ort ansässigen Prozeßbevollmächtigten jedenfalls insoweit zu erstatten, als sie sich im Rahmen der Reisekosten halten, die angefallen wären, wenn die Partei einen Prozeßbevollmächtigten entweder am Gerichtsort oder an ihrem Geschäfts- oder Wohnort beauftragt hätte. Ob ausnahmsweise auch darüber hinausgehende Kosten aus der Beauftragung eines an einem dritten Ort ansässigen Prozeßbevollmächtigten zu erstatten sein können, kann offenbleiben. Die Beklagte hat mit Hinblick auf die Entfernung zum Gerichtsort nicht höhere, sondern niedrigere Reisekosten angemeldet als sie bei Prozeßbevollmächtigten aus S. angefallen wären. Reisekosten speziell aufgrund der Entfernung zwischen ihrer Betriebsstätte und dem Kanzleisitz ihrer Prozeßbevollmächtigten schließlich hat die Beklagte nicht geltend gemacht.

III.

Das Beschwerdegericht hat von seinem Standpunkt aus folgerichtig keine Feststellungen zur Höhe der entstandenen Reisekosten einschließlich der Abwesenheitsgelder getroffen. Im Rechtsbeschwerdeverfahren können diese Feststellungen nicht nachgeholt werden (§ 577 Abs. 2 Satz 4 ZPO i.V. mit § 559 ZPO). Der angefochtene Beschluß ist deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, damit es die nötigen Feststellungen nachholen kann. Dressler Hausmann Bauner Kniffka Wiebel
13
b) Im Grundsatz ebenfalls zutreffend ist die Beurteilung des Beschwerdegerichts , dass die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der eine Partei vertritt, die bei einem auswärtigen Gericht klagt, und der weder am Gerichtsort noch am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässig ist ("Rechtsanwalt am dritten Ort"), regelmäßig nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohnoder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts zu erstatten sind (vgl. BGH, Beschl. v. 18.12.2003 - I ZB 21/03, NJW-RR 2004, 855, 856 - Auswärtiger Rechtsanwalt III; Beschl. v. 11.3.2004 - VII ZB 27/03, NJW-RR 2004, 858 f.; Musielak/Wolst, ZPO, 5. Aufl., § 91 Rdn. 17; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 91 Rdn. 13 "Reisekosten des Anwalts", m.w.N.).
8
Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO umfassen die von der unterlegenen Partei zu tragenden Kosten auch die Reisekosten eines Rechtsanwalts , der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts zugelassen ist und am Ort der Prozesspartei auch nicht wohnt, nur insoweit, als die Beauftragung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Macht die obsiegende Partei Reisekosten eines Rechtsanwalts geltend, der - wie hier - eine Partei vertritt, die bei einem auswärtigen Gericht verklagt wird, und der weder am Gerichtsort noch am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässig ist ("Rechtsanwalt am dritten Ort"), sind diese Kosten regelmäßig nur bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts zu erstatten (st. Rspr.; z.B. BGH, Beschluss vom 23. Januar 2007 - I ZB 42/06, NJW-RR 2007, 1561 Rn. 13 mwN).

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)