Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Okt. 2008 - VI ZB 65/07

published on 28.10.2008 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Okt. 2008 - VI ZB 65/07
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Landgericht Berlin, 38 O 290/06, 17.04.2007
Kammergericht, 26 U 104/07, 26.09.2007

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB 65/07
vom
28. Oktober 2008
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28. Oktober 2008 durch die
Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter Dr. Greiner, Wellner, Stöhr und Zoll

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 26. Zivilsenats des Kammergerichts vom 26. September 2007 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Streitwert: 20.000 €

Gründe:

I.

1
Das Kammergericht hat die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil des Landgerichts vom 17. April 2007 nach § 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO durch Beschluss als unzulässig verworfen, weil der Prozessbevollmächtigte des Klägers weder bei Einlegung der Berufung am 16. Mai 2007 noch zum Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsfrist am 27. Mai 2007 zur Vertretung vor dem Oberlandesgericht zugelassen war. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vorliegenden Rechtsbeschwerde.

II.

2
Die Rechtsbeschwerde ist zwar statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt, insbesondere eine Zulassung nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen.
3
Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Berufung nicht wirksam innerhalb der Berufungsfrist des § 517 ZPO eingelegt worden ist, weil der damalige Prozessbevollmächtigte des Klägers, der die Berufungsschrift unterzeichnet hat, weder bei Einlegung der Berufung am 16. Mai 2007 postulationsfähig war im Sinne des § 78 Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. noch dieser Mangel bis zum Ablauf der Berufungsfrist am 27. Mai 2007 geheilt worden ist. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Notwendigkeit einer besonderen Zulassung beim Amts-, Land- und Oberlandesgericht mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft vom 26. März 2007 (BGBl I S. 358) zum 1. Juni 2007 entfallen ist und seither die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft hierfür ausreicht.
4
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht keine abweichende Beurteilung gerechtfertigt. Die allgemeine Handlungsfreiheit im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG - auf die sich die Rechtsbeschwerde beruft - ist nur im Rahmen der geltenden Gesetze gewährleistet. Auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit des § 25 BRAO a.F. (BVerfG, Urteil vom 13. Dezember 2000 - 1 BvR 335/97 - VersR 2001, 744 = BVerfGE 103, 1 ff.) kann sich der Kläger nicht stützen, da das Bundesverfassungsgericht in diesem Urteil lediglich von der Verfassungswidrigkeit der Singularzulassung bei den Oberlandesgericht ausgegangen ist. Die Notwendigkeit einer Zulassung bei einem Oberlandesgericht und die Be- stimmung des § 78 Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. zur Postulationsfähigkeit unterlagen hingegen bis zu ihrem Außerkrafttreten keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Deshalb war der Gesetzgeber nicht gehindert, sich im Hinblick auf das Außerkrafttreten der Regelung des § 78 Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. - insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit - für einen Stichtag zu entscheiden. Müller Greiner Wellner Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 17.04.2007 - 38 O 290/06 -
KG Berlin, Entscheidung vom 26.09.2007 - 26 U 104/07 -
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(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn1.dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder2.das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.§ 542 Ab

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwer

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
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Das Bundesverfassungsgericht erklärte § 25 der Bundesrechtsanwaltsordnung, der die Singularzulassung von Rechtsanwälten bei einem einzigen Gerichtstyp vorschreibt, für unvereinbar mit dem Grundgesetz, speziell mit dem Artikel 12,
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Das Bundesverfassungsgericht erklärte § 25 der Bundesrechtsanwaltsordnung, der die Singularzulassung von Rechtsanwälten bei einem einzigen Gerichtstyp vorschreibt, für unvereinbar mit dem Grundgesetz, speziell mit dem Artikel 12, der die Berufsfreiheit schützt. Die Entscheidung berücksichtigte technologische Fortschritte und die zunehmende Spezialisierung von Anwälten, welche die ursprünglichen Gründe für die Singularzulassung überholt erscheinen ließen. Trotz der Feststellung der Verfassungswidrigkeit bleibt die Regelung bis Juni 2002 aus Gründen der Übergangsregelung in Kraft. Ab Januar 2002 können bereits bei Oberlandesgerichten zugelassene Anwälte auch bei den für ihre Kanzlei zuständigen Amts- und Landgerichten zugelassen werden. 

(1) Der beschwerdeführende Rechtsanwalt aus Münster hatte geltend gemacht, das beim OLG Hamm bestehende Prinzip der Singularzulassung verletze ihn in seiner Berufsausübungsfreiheit und verstoße gegen den Gleichheitssatz. Er strebt an, neben der Zulassung am Amtsgericht und Landgericht eine Zulassung am Oberlandesgericht zu erhalten. 

(2) Das BVerfG hat die die Singularzulassung regelnde Norm für unvereinbar mit Art. 12 Abs. 1 GG erklärt. Die Verfassungsbeschwerde (Vb) gegen die Entscheidungen, mit denen dem Beschwerdeführer (Bf) die Zulassung beim Oberlandesgericht (OLG) verweigert worden war, hat es jedoch zurückgewiesen. 

(a) Was bedeutet das Prinzip der Singularzulassung? Das Prinzip der Singularzulassung ist ein rechtliches Konzept, das in der Anwaltschaft in bestimmten Rechtssystemen Anwendung findet. Nach diesem Prinzip darf ein Rechtsanwalt nur bei einem einzigen Gericht eines bestimmten Typs oder einer bestimmten Hierarchieebene zugelassen sein. Das bedeutet konkret, dass ein Anwalt, der beispielsweise bei einem Oberlandesgericht zugelassen ist, nicht gleichzeitig die Zulassung bei einem anderen Gericht wie einem Amtsgericht oder Landgericht haben darf.

Ein solches Prinzip war in der deutschen Rechtsanwaltsordnung (BRAO) verankert, bevor es durch das Bundesverfassungsgericht in dieser mündlichen Verhandlung in Frage gestellt wurde. Die Singularzulassung diente ursprünglich dazu, eine hohe Qualität der Rechtsberatung und -vertretung sicherzustellen, indem sie die Bindung des Anwalts an ein bestimmtes Gericht und damit eine spezifische gerichtliche Praxis und lokale Rechtskultur förderte. Sie wurde dahingehend im Laufe der Zeit als problematisch erachtet, da sie die Berufsfreiheit der Anwälte verletzen könnte. Die technologische Entwicklung und die größere Mobilität in der modernen Gesellschaft haben dazu geführt, dass die ursprünglichen Begründungen für die Singularzulassung an Bedeutung verloren haben. 

(b)  In seinen Entscheidungsgründen führte das Gericht folgendes aus: Der § 25 der Bundesrechtsanwaltsordnung, der eine Singularzulassung von Rechtsanwälten vorsieht, ist laut Bundesverfassungsgericht nicht mit Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar, da die Regelung die Berufsfreiheit einschränkt und nicht mehr zeitgemäß ist. Die Gründe für die ursprüngliche Einführung der Singularzulassung, wie z.B. die Erreichbarkeit von Anwälten und ihre Spezialisierung, sind durch technologischen Fortschritt und die Entwicklung der Rechtsberatungsbranche überholt. Trotz der Verfassungswidrigkeit wird § 25 BRAO bis zum 30. Juni 2002 weiter angewandt, um eine Übergangszeit zu ermöglichen. Ab 1. Januar 2002 ist es Anwälten, die bisher nur bei einem Oberlandesgericht zugelassen waren, gestattet, auch an den für ihre Kanzlei zuständigen Amts- und Landgerichten zugelassen zu werden.

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Annotations

(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.

(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass

1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat,
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat,
3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und
4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Das Berufungsgericht oder der Vorsitzende hat zuvor die Parteien auf die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung und die Gründe hierfür hinzuweisen und dem Berufungsführer binnen einer zu bestimmenden Frist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Beschluss nach Satz 1 ist zu begründen, soweit die Gründe für die Zurückweisung nicht bereits in dem Hinweis nach Satz 2 enthalten sind. Ein anfechtbarer Beschluss hat darüber hinaus eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen zu enthalten.

(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.

(1) Gegen einen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft, wenn

1.
dies im Gesetz ausdrücklich bestimmt ist oder
2.
das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.
§ 542 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.

(3) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. Das Rechtsbeschwerdegericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Der Rechtsbeschwerdegegner kann sich bis zum Ablauf einer Notfrist von einem Monat nach der Zustellung der Begründungsschrift der Rechtsbeschwerde durch Einreichen der Rechtsbeschwerdeanschlussschrift beim Rechtsbeschwerdegericht anschließen, auch wenn er auf die Rechtsbeschwerde verzichtet hat, die Rechtsbeschwerdefrist verstrichen oder die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen worden ist. Die Anschlussbeschwerde ist in der Anschlussschrift zu begründen. Die Anschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Rechtsbeschwerde zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird.

Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; sie ist eine Notfrist und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.

(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ist in einem Land auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht anzuwenden.

(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.