Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2013 - V ZR 91/13

bei uns veröffentlicht am10.10.2013
vorgehend
Landgericht Marburg, 2 O 41/11, 21.11.2011
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, 15 U 12/12, 27.02.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 91/13
vom
10. Oktober 2013
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Oktober 2013 durchdie
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub, die Richterinnen
Dr. Brückner und Weinland und den Richter Dr. Kazele

beschlossen:
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten wird das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 27. Februar 2013 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 35.000 €.

Gründe:


I.

1
Die Parteien sind Eigentümer von Grundstücken in R. im Bezirk des Amtsgerichts M. . Auf dem Grundstück des Beklagten ist in Abt. II Nr. 10 eine Belastung mit folgendem Inhalt eingetragen: „DieEigentümer der Parzellen 6 Ktbl. Nr. 30 und 31, der Parz. 6 Nr. 70/25 pp., 71/26 pp. und 72/27 pp. sowie .... haben das Recht, das Grundstück Ktbl. 2 Nr. 2 als Sammelteich, dessen Unterhaltung auf gemeinschaftliche Kosten geschieht, zu benutzen und das Wasser zu ihrem Mühlenbetriebe daraus zu entnehmen. Eingetragen auf Grund der Bewilligung vom 20.09.1889 ... am 25.09.1889…“
2
Die Kläger haben im Jahre 2009 das Grundstück Blatt 1216, zu dessen Bestand die Flurstücke 70/25 und 71/26 gehören, mit der darauf befindlichen Stammsmühle erworben. Dem Mühlenbesitzer war im Jahre 1925 neben dem bereits im Wasserbuch eingetragenen alten Wasserentnahmerecht aus der Servitut ein weiteres Recht zur Ableitung des Wassers durch eine Druckrohrleitung mit einer Weite von 300 mm zum Antrieb einer Turbine für die Stammsmühle verliehen worden. Der frühere Eigentümer stellte Jahrzehnte später den Mühlenbetrieb ein und schloss die Zuleitung auf seinem Grundstück mit Beton. Im Jahre 2007 verfüllte der Beklagte den vor der Druckrohrleitung zum Grundstück der Kläger liegenden Teil des Teiches mit Schotter.
3
Die Kläger beabsichtigen, die Turbinenanlage wieder in Betrieb zu nehmen ; zu welchem Zweck ist zwischen den Parteien streitig. Sie haben von dem Beklagten verlangt, die Verfüllung am Rande des Teiches zu beseitigen und die Turbinenrohrleitung wieder mit dem Teich zu verbinden sowie künftige Beeinträchtigungen der eingetragenen Grunddienstbarkeit zu unterlassen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wollen die Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen.

II.

4
Das Berufungsgericht meint, Ansprüche der Kläger auf Beseitigung und Unterlassung bestünden schon deshalb nicht, weil die von dem Beklagten vorgenommene Verfüllung die Grunddienstbarkeit nicht beeinträchtige. Die Kläger wollten das belastete Grundstück zu Zwecken nutzen, die der Beklagte nach dem Inhalt der Dienstbarkeit nicht zu dulden habe. Die Dienstbarkeit sei für einen Mühlenbetrieb bestellt worden; diese Zweckbestimmung gehöre zu ihrem Inhalt. Die von den Klägern beabsichtigte Gewinnung elektrischer Energie für den eigenen Gebrauch liege außerhalb des Inhalts des dinglichen Rechts.

III.

5
Das angefochtene Berufungsurteil ist auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten aufzuheben, weil das Berufungsgericht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
6
1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei ihrer Entscheidung in Erwägung zu ziehen (BVerfGE 64, 1, 12; 87, 1, 33). Daraus folgt zwar nicht, dass die Gerichte jedes Vorbringen der Parteien in den Entscheidungsgründen ausdrücklich bescheiden müssten (BVerfGE 88, 366, 375); geht ein Gericht aber auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies grundsätzlich auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen (BVerfGE 47, 182, 189; 86, 133, 146). Da Art. 103 Abs. 1 GG einen Anspruch darauf gewährt, sich vor einer gerichtlichen Entscheidung sowohl zum Sachverhalt als auch zur Rechtslage zu äußern, gelten die vorstehenden Maßstäbe für beide Aspekte (BVerfG, Beschluss vom 14. August 2013 - 1 BvR 3157/11, juris Rn. 14).
7
Hiernach hat das Berufungsgericht das Verfahrensgrundrecht der Kläger dadurch verletzt, dass es ihr Vorbringen über das Bestehen eines selbständigen Abwehranspruchs analog § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB aus einem dem früheren Mühlenbesitzer verliehenen Wasserrecht nicht beschieden hat. Die Nichtzulassungsbeschwerde verweist zur Begründung ihrer Rüge zutreffend auf das Vorbringen der Kläger gegenüber dem Berufungsgericht, in dem diese unter Bezugnahme auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 15. März 2001 - III ZR 154/00, BGHZ 147, 125 ff.) und des Oberlandesgerichts Celle (NJW 1966, 1758 f.) ausgeführt haben, dass ihnen neben der Grunddienstbarkeit eine wasserrechtliche Befugnis zustehe, auf Grund derer ebenso eine Beseitigung der Störung verlangt werden könne. Auf diesen Vortrag über das Bestehen eines nach §§ 46 ff. des Preußischen Wassergesetzes (PrWG) im Jahre 1925 verliehenen, trotz Einstellung des Mühlenbetriebs fortbestehenden und mit dem Erwerb des Grundstücks auf die Kläger übergegangenen Wasserrechts und die sich daraus ergebenden Ansprüche ist das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen mit keinem Wort eingegangen.
8
2. Das übergangene Vorbringen ist entscheidungserheblich. Die Kläger hätten gegen den Beklagten einen Anspruch auf Beseitigung der Verfüllung und auf Verbindung der Turbinenrohrleitung mit dem Sammelteich, wenn ihnen das dem damaligen Mühlenbesitzer verliehene Wasserrecht zustünde.
9
Die nach §§ 46 ff. PrWG verliehenen Rechte sind nämlich von jedermann zu beachtende absolute Rechte, die Abwehr und Schadensersatzansprüche nach §§ 1004, 823 BGB begründen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1975 - VI ZR 43/74, NJW 1976, 46; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht , 3. Aufl., Rn. 1069). Von dem Bestehen eines verliehenen Wasserbenutzungs - und Wasserleitungsrechts wäre hier auf Grund der Eintragungen im Wasserbuch auszugehen. Diese erzeugen zwar nach § 87 Abs. 4 WHG keine rechtsbegründende oder rechtsändernde Wirkung, aber eine tatsächliche Vermutung für das Bestehen des gebuchten Rechts (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 1978 - III ZR 151/76, Warn 1978, Nr. 222; BVerwGE 37, 103, 104), so dass es Sache des Beklagten wäre, gegen die Richtigkeit der Eintragungen im Wasserbuch sprechende Tatsachen vorzutragen.
10
3. Der Rechtsstreit ist auch nicht im Hinblick auf einen Abwehranspruch aus der Grunddienstbarkeit (§§ 1027, 1004 BGB) entscheidungsreif, da die Kläger nicht dargelegt haben, dass die Aufschüttung, deren Beseitigung sie verlangen, auch eine Beeinträchtigung des „alten“ Wasserrechts darstellt.
11
a) Der Betrieb einer Turbine über eine eigens dafür angelegte Druckleitung (statt eines Wasserrades an einem Mühlgraben) führte bei kleineren Gewässern (Sammelteich) in der Regel zu einer Veränderung des Wasserablaufverhaltens , welche die Rechte der anderen Nutzungsberechtigten an dem Gewässer beeinträchtigte. Das für die Turbine erforderliche Wasserbezugsrecht ging damit über ein durch eine Servitut gesichertes Recht zur Wasserentnahme (zu dem Inhalt der Wasserservituten: Endemann, Das ländliche Wasserrecht , S. 60, 64) hinaus und bedurfte unter Geltung des Preußischen Wassergesetzes der Verleihung eines geänderten Benutzungsrechts (Holtz-KreutzSchlegelberger , Das Preußische Wassergesetz, 3. und 4. Aufl., § 379 Anm. 6.d., S. 587).
12
b) Der Umstand, dass 1925 ein solches Wasserrecht verliehen worden ist, sowie dessen - aus der in Ablichtung vorgelegten Verleihungsurkunde ersichtlicher - Inhalt sprechen dafür, dass es sich hier ebenso verhalten hat. Anderes ist jedenfalls nicht festgestellt. Dann aber ist der von den Klägern verfolgte Beseitigungsanspruch allein aus dem verliehenen Wasserrecht begründet, so dass es auf die den Inhalt der Wasserservitut betreffende Frage (zu deren Auslegung nach dem früheren Recht: Senat, Urteil vom 24. Juni 1964 - V ZR 162/61, BGHZ 42, 63, 66) nicht ankommt, ob das als Grunddienstbarkeit anzusehende Recht nur für die Zwecke eines bestimmten Mühlenbetriebs bestellt war (speziell zu dieser Frage: Holtz-Kreutz-Schlegelberger, aaO, S. 588 mwN aus der damaligen Rechtsprechung).

IV.

13
Der Wert der Beschwer ist nach den durch ein Gutachten belegten Ausführungen der Kläger zu den Werten des Grundstücks - mit und ohne Grunddienstbarkeit - auf 35.000 € anzusetzen. Die abweichende Wertfestsetzung der Vorinstanzen kann - entgegen den Ausführungen der Erwiderung - für das Revisionsgericht schon deshalb nicht verbindlich sein, weil sie auf einer falschen Rechtsgrundlage beruhte. Auch bei Streitigkeiten über Ansprüche nach §§ 1027, 1004 BGB ist der Wert nicht nach § 3 ZPO, sondern nach § 7 ZPO festzusetzen, wenn - wie hier - der Bestand der Grunddienstbarkeit im Streit ist (vgl. KG, OLG 31, 73; MünchKomm-ZPO/Wöstmann, 3. Aufl., § 3 Rn. 5; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 7 Rn. 7).
Stresemann Czub Brückner Weinland Kazele
Vorinstanzen:
LG Marburg, Entscheidung vom 21.11.2011 - 2 O 41/11 -
OLG Frankfurt in Kassel, Entscheidung vom 27.02.2013 - 15 U 12/12 -

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Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2013 - V ZR 91/13 zitiert 8 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 103


(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch


(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1027 Beeinträchtigung der Grunddienstbarkeit


Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so stehen dem Berechtigten die in § 1004 bestimmten Rechte zu.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 7 Grunddienstbarkeit


Der Wert einer Grunddienstbarkeit wird durch den Wert, den sie für das herrschende Grundstück hat, und wenn der Betrag, um den sich der Wert des dienenden Grundstücks durch die Dienstbarkeit mindert, größer ist, durch diesen Betrag bestimmt.

Wasserhaushaltsgesetz - WHG 2009 | § 87 Wasserbuch


(1) Über die Gewässer sind Wasserbücher zu führen. (2) In das Wasserbuch sind insbesondere einzutragen: 1. nach diesem Gesetz erteilte Erlaubnisse, die nicht nur vorübergehenden Zwecken dienen, und Bewilligungen sowie alte Rechte und alte Befugni

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Bundesgerichtshof Urteil, 15. März 2001 - III ZR 154/00

bei uns veröffentlicht am 15.03.2001

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 154/00 Verkündet am: 15. März 2001 F r e i t a g Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja -------------

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 154/00
Verkündet am:
15. März 2001
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
------------------------------------
WHG §§ 11, 15; NdsWassG §§ 16, 32; PrWassG §§ 46, 82, 379

a) Gegen den Inhaber einer wasserrechtlichen Bewilligung kann der betroffene
Dritte nach § 11 Abs. 1 WHG auch dann keinen Anspruch auf Unterlassung
geltend machen, wenn nachteilige Wirkungen der bewilligten
Gewässerbenutzung bei Erteilung der Bewilligung nicht voraussehbar waren.
Dasselbe kann für vom Wasserhaushaltsgesetz aufrechterhaltene
alte Wasserrechte gelten (hier: nach gemeinem Recht und nach preußischem
Wasserrecht verliehene Staurechte).

b) Die Ä nderung des Zwecks einer Gewässerbenutzung (hier: Umwandlung
einer früheren Wassermühle in ein Kleinstwasserkraftwerk) ist von einem
nach dem Preußischen Wassergesetz verliehenen oder aufrechterhalte-
nen Staurecht nicht mehr gedeckt, wenn die wasserwirtschaftlichen Verhältnisse
oder Belange Dritter dadurch in wesentlichem Umfang nachteilig
beeinflußt werden.
BGH, Urteil vom 15. März 2001 - III ZR 154/00 - OLG Oldenburg
LG Osnabrück
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. März 2001 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Rinne und die Richter
Streck, Schlick, Dr. Kapsa und Galke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 8. Juni 2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


Der klagende Anglerverein ist Fischereipächter an einem Teil der Hase, zu dem auch der Flußlauf im Stadtgebiet von O. gehört. Dort liegt eine historische Wassermühle, die sogenannte "Neue Mühle". Für sie sind im Wasserbuch für die Hase zugunsten der Stadt O. als Grundstückseigentümerin zwei unbefristete Staurechte eingetragen. Das erste Recht beruht auf einem zwischen der Stadt und der Königlichen Domänenkammer zu Hannover am 16. April 1850 abgeschlossenen Kaufvertrag und gewährt die Befugnis, das Wasser der Hase durch eine Stau- und Wehranlage bis zu einer bestimmten Höhe zu heben und es zu senken. Durch Verleihungsurkunde des Bezirksausschusses zu O. vom 11. Februar 1930 wurde der Stadt ferner gestattet, das angestaute Wasser anstelle der früheren Wasserräder mittels einer Turbine zu benutzen.
Der Beklagte erwarb gemäß Vertrag vom 11. März 1993 von der Stadt O. ein Erbbaurecht an den Mühlengrundstücken. Mit "öffentlich-rechtlichem Vertrag" vom 6./19. April 1993 überließ ihm die Stadt außerdem die Ausnutzung und Benutzung der Wasserkraft der Hase zum Zwecke der Stromerzeugung. In § 3 dieses Vertrags verpflichtete sich der Erbbauberechtigte, auf seine Kosten eine Sohlgleite zum stadtseitig noch zu erstellenden Fischdurchlaß einzubauen.
Seit dem März 1999 betreibt der Beklagte in der Mühle nach dem Einbau einer neuen Kaplanturbine mit einer Leistung von 40 kW ein Wasserkraftwerk
und speist den gewonnenen Strom in das Netz der Stadtwerke O. ein. Eine Sohlgleite oder eine andere Fischaufstiegsanlage hat er bisher nicht errichtet.
Mit der Behauptung, durch die Schaufelräder der Turbine würden trotz des vorhandenen Einlaufrechens in erheblichem Umfang Fische verletzt und getötet ("gehäckselt"), hat der Kläger den Beklagten auf Unterlassung des Turbinenbetriebs zum Zwecke der Stromerzeugung in Anspruch genommen. Das Landgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens der Klage bedingt - solange keine Sohlgleite eingebaut sei, über die die Fische die Wasserturbine umgehen könnten - stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß auch der Einbau einer entsprechenden anderen Vorrichtung wie einer Fischtreppe die Unterlassungspflicht entfallen lasse. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte vollständige Klageabweisung.

Entscheidungsgründe


Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.


Das Berufungsgericht bejaht, sachverständig beraten, einen Unterlassungsanspruch des Klägers analog § 1004 Abs. 1 BGB. Das dem Kläger zu-
stehende Fischereiausübungsrecht sei als absolutes Recht geschützt und werde im Streitfall durch den Betrieb der Wasserturbine ohne einen zusätzlichen Fischdurchlaß beeinträchtigt. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sei bei flußabwärts wandernden Aalen mit einer Schädigungsquote zwischen 25 % und 50 % und bei anderen Fischen (Barschen und Plötzen) von ca. 3 % bis 5 % zu rechnen. Ohne den Einbau einer Sohlgleite oder einer entsprechenden Vorrichtung wie einer Fischtreppe sei dieser Eingriff rechtswidrig. Zwar verfüge die Stadt O., wie die Eintragungen im Wasserbuch zeigten, über alte wasserrechtliche Bewilligungen. Diese berechtigten den Beklagten aber nicht, die Wasserturbine ohne einen Fischdurchlaß zu betreiben, wobei dahinstehen könne, ob er hierfür einer neuen wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung bedürfe. Denn das Fischereiausübungsrecht sei gegenüber der Benutzung des Gewässers aufgrund einer wasserrechtlichen Bewilligung auch dann geschützt, wenn nachträglich Nachteile aufträten, die in dem einer Bewilligung vorhergehenden förmlichen Verfahren nicht vorhersehbar gewesen seien und durch Auflagen nicht verhütet oder ausgeglichen werden könnten. So liege es hier. Die Bewilligung der Gewässernutzung im Jahre 1930 habe nach ihrem Inhalt eine Wasserturbine zum Betrieb einer Wassermühle betroffen. Die Gefahren, die durch die jetzt vom Beklagten verwendete, technisch völlig andersartige Wasserturbine zur Erzeugung von Strom für den Fischbestand ausgingen , seien seinerzeit nicht vorhersehbar gewesen. Sie könnten allerdings durch den Einbau einer Fischtreppe oder Sohlgleite wesentlich eingeschränkt werden.
Hinzu komme, daß der Beklagte in dem mit der Stadt O. abgeschlossenen Vertrag vom 6./19. April 1993 die Verpflichtung übernommen habe, die Entnahme von Wasser zur Speisung einer Fischtreppe zu dulden und auf seine
Kosten eine Sohlgleite zum stadtseitig noch zu erstellenden Fischdurchlaß einzubauen. In den Schutzbereich dieses Vertrags sei auch der Kläger als Fischereiausübungsberechtigter eingebunden.

II.


Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen einen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Unterlassung des Turbinenbetriebs in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB nicht.
1. Zutreffend geht allerdings das Berufungsgericht davon aus, daß das dem Kläger im Pachtvertrag eingeräumte Fischereiausübungsrecht (§§ 1, 11 NdsFischG) wegen des damit verbundenen ausschließlichen Aneignungsrechts durch § 1004 BGB geschützt ist (vgl. dazu BGHZ 49, 231, 234 f.; 50, 73, 74; Senatsurteil vom 21./22. Juli 1969 - III ZR 215/66 - VersR 1969, 928, 929; Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 2. Aufl. Rn. 759). In dieses Recht greift der Beklagte mit dem Betrieb der Turbine ein, da dieser nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ständig in nicht unerheblichem Umfang zu Verletzungen oder zum Tod der hineingeratenen Fische führt. Die dagegen gerichteten Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet; von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 565 a ZPO).
2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann der Kläger indes aufgrund der für die Stadt O. eingetragenen alten Wasserrechte zur Duldung dieser Beeinträchtigungen verpflichtet sein (§ 1004 Abs. 2 BGB).


a) Die beiden im Wasserbuch für die Hase zugunsten der Stadt eingetragenen Staurechte von 1850 und 1930 sind, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend annimmt, wirksam begründet und durch die Überleitungsbestimmungen der §§ 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG, 32 Abs. 1 Nr. 3 Niedersächsisches Wassergesetz (NWG) aufrechterhalten worden. Für das 1850 im damaligen Königreich Hannover (ehemals Fürstentum Osnabrück) der Stadt eingeräumte Mühlenrecht galt - neben dem hannoverschen Gesetz über Entwässerung und Bewässerung der Grundstücke sowie über Stauanlagen vom 22. August 1847 (GS I Abt. S. 263) - gemeines Recht (Linckelmann/Wiedemann, Das hannoversche Privatrecht, 2. Aufl., S. 10, 15, 105). Mühlenrechte zählten im allgemeinen zu den Regalien. Die deswegen erforderliche obrigkeitliche Verleihung (concessio ; s. BGHZ 16, 234, 238) konnte auch im Rahmen eines privatrechtlichen Kaufvertrags - hier mit der Königlichen Domänenkammer - erfolgen (OVG Münster OVGE 32, 237, 238 ff.; LG Hildesheim NdsRpfl 1965, 275, 276; Heimbach in Weiske, Rechtslexikon für Juristen aller teutschen Staaten, Stichwort "Wasserrecht" , 14. Band 1860 S. 147; s. auch BGH, Urteil vom 21. Juni 1961 - V ZR 19/60 - MDR 1961, 924). Als auf einem besonderen Titel beruhend (OVG Münster aaO S. 242; LG Hildesheim aaO) blieb dieses Staurecht nach dem Inkrafttreten des Preußischen Wassergesetzes vom 7. April 1913 (PrWG) gemäß dessen § 379 Abs. 1 Nr. 1 bestehen, was auch durch die Eintragung im alten Wasserbuch für die Hase im Jahre 1921 bestätigt wird. Das zweite, ergänzende Staurecht von 1930 beruht hingegen auf einer Verleihung nach § 46 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. §§ 40 Abs. 2 Nr. 3, 91 PrWG. Für derartige, nach dem Preußischen Wassergesetz erteilte oder in einem von diesem geordneten Verfahren aufrechterhaltene Benutzungsrechte ist gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 3 NWG eine neue wasserrechtliche Erlaubnis oder Bewilligung aufgrund der §§ 7
und 8 WHG nicht erforderlich, vorausgesetzt, daß am 1. März 1960 rechtmäßige Anlagen zur Ausübung des Rechts vorhanden waren. Letzteres hat das Berufungsgericht zwar nicht ausdrücklich festgestellt, es ergibt sich jedoch aus dem Sachvortrag der Parteien. Ob darüber hinaus zu fordern ist, daß bei der Erteilung oder Aufrechterhaltung alter Benutzungsrechte eine irgendwie geartete öffentlich-rechtliche Überprüfung der Wasserbenutzung in wasserrechtlicher Hinsicht stattgefunden hatte (so BVerwGE 37, 103, 105 ff.; BVerwG ZfW 1972, 165, 166 f.; ZfW 1975, 92, 93), hat der Bundesgerichtshof bisher offengelassen (Senatsurteil BGHZ 69, 1, 5; kritisch Czychowski, WHG, 7. Aufl., § 15 Rn. 4; Sieder/Zeitler/Dahme, WHG, AbwAG, § 15 WHG Rn. 5 a). Die Frage ist auch hier nicht zu entscheiden. Denn eine derartige Prüfung hat im Streitfall jedenfalls vor der Verleihung des ergänzenden Staurechts im Jahre 1930 stattgefunden.

b) Es besteht kein Anhalt dafür, daß diese beiden Benutzungsrechte nachträglich entfallen sein oder aus anderen Gründen heute nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Sie wurden unbefristet erteilt. Der Umstand, daß die Stadt O. nach dem Vortrag des Klägers die Stauanlage jahrzehntelang nicht mehr betrieben hat, hätte allenfalls die Wasserbehörde gemäß §§ 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 WHG, 33 Satz 2 Nr. 1 NWG zum Widerruf der Verleihung berechtigt (vgl. Senatsurteil vom 2. Oktober 1978 - III ZR 151/76 - LM § 15 WHG Nr. 5 = ZfW 1979, 159, 162; BVerwG NVwZ 1994, 783). Ein Widerruf ist jedoch nicht erfolgt. Angesichts dieser als abschließend zu verstehenden öffentlich -rechtlichen Regelung ist für eine zusätzliche Anwendung privatrechtlicher Grundsätze über die Verwirkung von Rechten, auf die der Kläger sich beruft , kein Raum.

c) Zur Ausübung der für die Stadt O. eingetragenen Staurechte ist nunmehr der Beklagte befugt. Ob sich dies daraus ergibt, daß ihm die Stadt die Benutzung der Wasserkraft durch den als "öffentlich-rechtlich" bezeichneten Vertrag vom 6./19. April 1993 ausdrücklich überlassen hat oder ob die Wasserrechte mit der Übernahme der Mühle durch den Beklagten gemäß § 81 Abs. 1 PrWG kraft Gesetzes auf ihn übergegangen sind, ist dafür ohne Belang.

d) Das Berufungsgericht läßt dahinstehen, ob auch der Betrieb der Wasserturbine zum Zwecke der Stromerzeugung von den aufrechterhaltenen Mühlenrechten gedeckt ist. Es meint, bei nachträglich auftretenden und im Bewilligungsverfahren nicht vorhersehbaren Nachteilen müsse sich jedenfalls das Fischereiausübungsrecht des Klägers gegenüber der Gewässerbenutzung aufgrund einer wasserrechtlichen Bewilligung durchsetzen. Diese Auffassung ist unzutreffend und findet auch in der vom Oberlandesgericht angeführten Kommentierung bei Tesmer/Messal (NdsFischG, § 1 Anm. 9 a) keine Stütze.
aa) Zunächst begegnet es schon erheblichen Bedenken, diese Frage mit dem Berufungsgericht nach dem gegenwärtig geltenden Wasserrecht zu entscheiden. Inhalt und Umfang fortbestehender alter Benutzungsrechte bestimmen sich, wenn sie auf einem besonderen Titel beruhen, nach diesem, sonst nach den bisherigen Gesetzen (§ 36 Abs. 1 NWG; vgl. Senatsurteil BGHZ 124, 394, 400; Czychowski, § 15 Rn. 12 a). Das legt es nahe, auch Kollisionen mit anderen subjektiven Rechten nicht auf der Grundlage des heutigen Rechtszustands , sondern entsprechend dem für die Begründung solcher Rechte maßgebenden früheren Recht zu beurteilen (so BayObLGZ 1962, 421, 430; Czychowski, § 15 Rn. 12 c und 12 d; Sieder/Zeitler/Dahme, § 15 Rn. 23; hiervon geht auch das Senatsurteil vom 29. April 1976 - III ZR 89/73 - LM
PreußWasserG Nr. 20 stillschweigend aus). Letztlich mag dies jedoch offenbleiben , da in jeder Alternative bei berechtigter Benutzung ein Unterlassungsanspruch des Klägers ausgeschlossen ist.
bb) Der Verleihung eines Benutzungsrechts nach früherem preußischem Wasserrecht vergleichbar ist heute die wasserrechtliche Bewilligung (§§ 8 WHG, 13 NWG). Wegen nachteiliger Wirkungen einer bewilligten Benutzung könnte indes gemäß §§ 11 WHG, 16 Abs. 1 NWG der Betroffene - dazu gehört auch ein Fischereiberechtigter (Czychowski, § 8 Rn. 49 m.w.N.; Haupt/Reffken/ Rhode, NWG, § 13 Rn. 8) - keine Ansprüche geltend machen, die auf Unterlassung der Benutzung gerichtet sind; insofern wirkt die Bewilligung - anders als die einfache Erlaubnis (Senatsurteil vom 5. Oktober 1995 - III ZR 61/93 - NVwZ 1996, 821, 823) - privatrechtsgestaltend (Senatsurteile BGHZ 88, 34, 40; 92, 114, 116 f.; 99, 256, 259; Czychowski, § 11 Rn. 1). Das gilt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch dann, wenn solche Nachteile im Bewilligungsverfahren nicht voraussehbar waren. In diesem Fall ist der Betroffene darauf verwiesen, nachträglich Auflagen oder Entschädigung zu verlangen (§ 10 Abs. 2 WHG), er muß die Beeinträchtigungen jedoch weiter dulden. Nur auf Ersatz solcher Schäden bezieht sich auch die vom Berufungsgericht zu Unrecht verallgemeinerte Bemerkung in dem Kommentar von Tesmer/Messal (aaO). Darum geht es hier indes nicht. Nach heutigem Recht ist demnach ein Unterlassungsanspruch des Klägers zu verneinen, wenn und soweit sich der Beklagte - wie das Berufungsgericht unterstellt - im Rahmen der bewilligten Benutzung hält.
cc) Daß der Kläger sich gleichwohl der Stadt gegenüber vertraglich zum Einbau einer Sohlgleite als Teil eines Fischdurchlasses verpflichtet hat, womit
sich das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang - offenbar hilfsweise - befaßt, vermag einen Unterlassungsanspruch nicht zu begründen. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich nicht, daß die Vertragsparteien dem Kläger auch Ansprüche auf Unterlassung des Turbinenbetriebs einräumen wollten, solange ein Fischdurchlaß und eine Sohlgleite nicht vorhanden waren, selbst wenn die vertraglichen Verpflichtungen auf Herstellung der Sohlgleite nach der Auslegung des Berufungsgerichts auch zugunsten des Klägers wirken sollten. Ein etwaiger Herstellungsanspruch des Klägers ist nicht Gegenstand der Unterlassungsklage
dd) Nicht anders läge es bei Anwendung des für das verliehene Recht zur Turbinenbenutzung ursprünglich maßgebenden Preußischen Wassergesetzes , dessen § 82 Abs. 1 inhaltlich den heutigen §§ 11 und 10 Abs. 2 WHG entspricht (vgl. Holtz/Kreutz/Schlegelberger, PrWG, 4. Aufl., § 82 Anm. 1, 3 f.; Czychowski, § 11 Rn. 1; s. im übrigen zum Vorrang eines regalen Mühlenrechts Heimbach in Weiske aaO S. 198, 201).
Mit der gegebenen Begründung kann das Berufungsurteil nach alledem nicht bestehenbleiben.

III.


Die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung des Turbinenbetriebs wäre dennoch im Ergebnis zu bestätigen, wenn entgegen der Unterstellung des Berufungsgerichts die dem Beklagten zustehenden oder von ihm ausgeübten alten Mühlenrechte eine Verwendung der Stau- und Wehranlage zur
Stromerzeugung aus Rechtsgründen nicht umfaßten, eine über die bloße Anpassung an neue technische Entwicklungen und Modernisierung (zu ihrer Zulässigkeit statt aller Czychowski, § 7 Rn. 33, § 15 Rn. 12 a) hinausgehende Umwandlung der ursprünglichen Wassermühle in ein Wasserkraftwerk mithin ohne erneute wasserrechtliche Bewilligung oder Erlaubnis unzulässig wäre. Ungeachtet dessen, daß unter solchen Umständen auch die Wasserbehörde zum Einschreiten befugt wäre, würde der Beklagte dann aus dem Blickwinkel des Privatrechts zugleich ohne rechtfertigenden Grund in das Fischereiausübungsrecht des Klägers eingreifen. Auf der Grundlage des für die Revisionsinstanz maßgebenden Sachverhalts läßt sich diese Entscheidung indes nicht treffen, hierzu bedarf es vielmehr weiterer tatrichterlicher Aufklärung.
1. Wasserrechtliche Benutzungsrechte wurden nach preußischem Recht, ähnlich wie heute die Bewilligung nach dem Wasserhaushaltsgesetz (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2), nur für ein näher bezeichnetes Unternehmen verliehen, dem ein bestimmter Plan zugrunde lag (§§ 48, 72 Nr. 1 PrWG). Maßgebend für Inhalt und Umfang des verliehenen Rechts ist daher auch der Unternehmenszweck (vgl. PrOVG ZAgruWR 13, 142, 144 f.; Holtz/Kreutz/Schlegelberger, Vorbem. zu § 48, § 48 Anm. 1, § 72 Anm. 2). Eine wesentliche Ä nderung dieses Zwecks würde deswegen die Staurechte überschreiten und eine neue Genehmigung bedingen. Das gilt im Streitfall unmittelbar für das der Stadt O. im Jahre 1930 eingeräumte zweite Staurecht, kann aber für das ebenfalls zu einem bestimmten Unternehmenszweck verliehene regale Mühlenrecht von 1850 nicht anders gelten (vgl. Heimbach in Weiske aaO S. 146 f.; differenzierend Holtz/Kreutz/Schlegelberger, Vorbem. D zu § 42).
2. Wesentlich in diesem Sinne sind indessen Zweckänderungen regelmäßig nur dann, wenn sie sich auch wasserwirtschaftlich auswirken, insbesondere das Gewässer stärker beanspruchen, oder wenn sie Dritte in höherem Maße belasten. Das entspricht der überwiegenden Meinung und war insbesondere ständige Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts (PrOVGE 83, 245, 247 ff. = ZAgruWR 13, 142, 144; ZAgruWR 15, 31, 34 f.; 20, 15, 17; 21, 207, 210; ebenso OLG Celle NJW 1966, 1758, 1759; OVG Lüneburg RdL 1972, 276; für Grunddienstbarkeiten Holtz/Kreutz/Schlegelberger, § 379 Anm. 6 d S. 587; wohl auch Sieder/Zeitler, § 2 WHG Rn. 9; a.A. Czychowski, § 7 Rn. 34, § 15 Rn. 12 a; Thieme, RdL 1986, 141, 142 f.; s. auch VGH BadenWürttemberg ZfW 1982, 358, 361; OVG Münster OVGE 31, 132, 137 f.). Jedenfalls für die hier in Rede stehenden alten Benutzungsrechte schließt sich der Senat der überwiegenden Auffassung an. Daß nicht jede Ä nderung des Benutzungszwecks nach den Vorstellungen des Gesetzgebers schon die Grenzen der genehmigten Nutzung überschreitet, ergibt sich für den heutigen Rechtszustand bereits aus den unterschiedlichen Regelungen in den §§ 12 Abs. 2 und 15 Abs. 4 WHG über den Widerruf einer Bewilligung und eines alten Benutzungsrechts bei Zweckänderung (§§ 12 Abs. 2 Nr. 2, 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WHG) oder bei unzulässig ausgedehnter Benutzung (§§ 12 Abs. 2 Nr. 3, 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 WHG). Für eine erneute behördliche Überprüfung der Gewässerbenutzung gibt es - nach altem wie nach neuem Recht - keinen hinreichenden Grund, falls nicht durch die Nutzungsänderung Umstände berührt werden, die bei der Erteilung der Genehmigung zu beachten waren und auch jetzt zu beachten sind. Hierzu gehören aber - als Bestandteil des allgemeinen Wohls (§§ 49 PrWG, 6 WHG) sowie nach den Vorschriften der §§ 41 PrWG, 8 Abs. 3 und 4 WHG - in erster Linie die genannten Gesichtspunkte (vgl. hierzu BVerwGE 55, 220, 229 ff.; 81, 347, 348 ff.; Czychowski, § 6 Rn. 15, 21 ff., § 8
Rn. 40 ff.). Sind indes zur Ausübung eines alten Rechts bereits rechtmäßige Anlagen vorhanden, so verbieten es der Vertrauensschutz und das eigentumsrechtlich geschützte Bestandsinteresse des Unternehmers, deren weitere wirtschaftliche Nutzung, die vielfach nur mit einer Zweckänderung rentabel sein wird, ohne schwerwiegende Gründe zu unterbinden und unterschiedslos von einer erneuten wasserrechtlichen Gestattung abhängig zu machen. Die vom Wasserhaushaltsgesetz und den neuen Landeswassergesetzen geschaffenen Ordnungsprinzipien, auf die Thieme (aaO) für seine gegenteilige Ansicht verweist , treten bei alten Rechten aus dem Gedanken der Rechtssicherheit zurück (dazu Czychowski, Vorbem. Rn. 1 vor §§ 15-17).
3. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:
Der Wechsel des Unternehmenszwecks vom Antrieb einer Mühle zu der Erzeugung von Strom für eine Einspeisung in das öffentliche Netz erscheint für sich betrachtet von den Staurechten gedeckt. Auch die dafür notwendige Verwendung einer Turbine anstelle der früheren Wasserräder ist der Stadt (und dem Beklagten) mit der Verleihung von 1930 ausdrücklich gestattet. Sie umfaßt auch den Einbau einer moderneren leistungsfähigeren Turbine. Es kommt deshalb darauf an, ob der Wasserlauf durch die jetzige Kraftwerksanlage insgesamt stärker belastet wird als durch den alten Mühlenbetrieb, etwa deshalb, weil das Staurecht, wie der Kläger behauptet hat, früher nur zeitweise ausgeübt werden mußte und ausgeübt worden ist, während nunmehr dauernd gestaut wird (vgl. Holtz/Kreutz/Schlegelberger, § 42 Vorbem D. S. 289 f., § 379 Anm. 6 d S. 587). Hierzu hat das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen ; für die Revisionsinstanz ist somit davon auszugehen, daß Veränderungen dieser Art nicht eingetreten oder nur geringfügig sind. Von Bedeutung
können darüber hinaus Verschlechterungen für Dritte, insbesondere für die Fischereiberechtigten sein. Solche Nachteile hat das Berufungsgericht zwar angenommen, wenn es bemerkt, die vom Betrieb der neuen, "technisch völlig andersartigen" Wasserturbine zur Erzeugung von Strom für den Fischbestand ausgehenden Gefahren seien im Jahre 1930 noch nicht vorhersehbar gewesen. Mit Recht rügt die Revision diese tatsächliche Feststellung jedoch als verfahrensfehlerhaft (§ 286 ZPO). Sie läßt sich weder auf unstreitiges Parteivorbringen oder das vom Landgericht eingeholte Sachverständigengutachten stützen noch hat das Berufungsgericht entsprechende eigene Sachkunde dargelegt. Eine nähere Begründung für die vom Berufungsgericht zugrunde gelegte technisch wesentliche Ä nderung und nachteilige Entwicklung wäre, worauf die Revision ebenfalls zutreffend hinweist, nicht zuletzt deshalb erforderlich gewesen, weil Wasserturbinen der jetzt vom Beklagten verwendeten Bauart (Kaplanturbine) bereits seit 1919 verwendet werden und es infolgedessen jedenfalls nicht auf der Hand liegt, daß sich das mit dem zugelassenen Betrieb einer Wasserturbine (dieser oder anderer Bauart) verbundene Gefahrenpotential für den Fischbestand seit 1930 signifikant erhöht hat. Dabei ist noch zusätzlich zu berücksichtigen, daß die derzeit eingebaute Turbine nach dem für die Revision als richtig zu unterstellenden Vorbringen des Beklagten im Gegensatz zu früheren Konstruktionen einen verletzungsminimierenden Doppelkugelmantel aufweist.

IV.


Entgegen der Meinung der Revision ist der Rechtsstreit allerdings auch nicht im Sinne einer Klageabweisung zur Entscheidung reif. Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar ein Abwehranspruch, der die Einstellung eines Betriebs oder einer Anlage zur Folge hätte, ausgeschlossen sein, wenn die störenden Einwirkungen der Erfüllung von Aufgaben dienen , die im Allgemeininteresse liegen und von öffentlichen Trägern oder von unmittelbar dem öffentlichen Interesse verpflichteten gemeinwichtigen Einrichtungen ausgehen (Urteil vom 7. April 2000 - V ZR 39/99 - NJW 2000, 2901, 2902 m.w.N., für BGHZ 144, 200 bestimmt; ebenso für das Wasserrecht Sieder /Zeitler/Dahme, § 15 WHG Rn. 23). Hierzu gehören indes privat betriebene Kleinstkraftwerksanlagen trotz ihrer Förderung durch die öffentliche Hand nicht, mindestens aber wären bei Wasserkraftwerken die oben behandelten differenzierten Regeln des Wasserrechts allein maßgebend. Daran hat auch das von der Revision für ihre abweichende Auffassung herangezogene neuere Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energien vom 29. März 2000 (BGBl. I S. 305), das sich lediglich mit einer Abnahme- und Vergütungspflicht für Netzbetreiber befaßt, nichts geändert.

V.


Das Berufungsgericht wird demzufolge zu klären haben, ob sich durch die Umwandlung der Mühle in eine Wasserkraftanlage die wasserwirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich verändert haben und hierdurch in Rechte Dritter, insbesondere des Klägers, in erheblich stärkerem Umfang eingegriffen wird als früher. Zu diesem Zweck ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Sollte das Berufungsgericht hiernach erneut zu einer Verurteilung des Beklagten kommen, wäre zu beachten, daß
das Urteil nicht zu dessen Nachteil hinter der aufgehobenen Entscheidung zurückbleiben darf (Musielak/Ball, ZPO, 2. Aufl., § 536 Rn. 15 m.w.N.).
Rinne Streck Schlick Kapsa Galke

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Über die Gewässer sind Wasserbücher zu führen.

(2) In das Wasserbuch sind insbesondere einzutragen:

1.
nach diesem Gesetz erteilte Erlaubnisse, die nicht nur vorübergehenden Zwecken dienen, und Bewilligungen sowie alte Rechte und alte Befugnisse, Planfeststellungsbeschlüsse und Plangenehmigungen nach § 68,
2.
Wasserschutzgebiete,
3.
Risikogebiete und festgesetzte Überschwemmungsgebiete.
Von der Eintragung von Zulassungen nach Satz 1 Nummer 1 kann in Fällen von untergeordneter wasserwirtschaftlicher Bedeutung abgesehen werden.

(3) Unrichtige Eintragungen sind zu berichtigen. Unzulässige Eintragungen und Eintragungen zu nicht mehr bestehenden Rechtsverhältnissen sind zu löschen.

(4) Eintragungen im Wasserbuch haben keine rechtsbegründende oder rechtsändernde Wirkung.

Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so stehen dem Berechtigten die in § 1004 bestimmten Rechte zu.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Wird eine Grunddienstbarkeit beeinträchtigt, so stehen dem Berechtigten die in § 1004 bestimmten Rechte zu.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Der Wert einer Grunddienstbarkeit wird durch den Wert, den sie für das herrschende Grundstück hat, und wenn der Betrag, um den sich der Wert des dienenden Grundstücks durch die Dienstbarkeit mindert, größer ist, durch diesen Betrag bestimmt.