Bundesgerichtshof Beschluss, 29. März 2007 - V ZR 213/06

bei uns veröffentlicht am29.03.2007
vorgehend
Landgericht Lüneburg, 1 O 325/05, 20.03.2006
Oberlandesgericht Celle, 4 U 60/06, 06.09.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 213/06
vom
29. März 2007
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 29. März 2007 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger und die Richter Dr. Klein, Dr. Lemke,
Dr. Schmidt-Räntsch und Dr. Roth

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 6. September 2006 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 15.000 €.

Gründe:

I.

1
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten die Bewilligung der Löschung eines für ihn im Grundbuch eingetragenen, auf den ersten Verkaufsfall beschränkten Vorkaufsrechts. Der Beklagte erklärte die Ausübung dieses Rechts, nachdem die Klägerin das belastete Grundstück für 150.000 € an Dritte verkauft hatte. Eine Auflassungserklärung der Parteien wurde nicht beurkundet, weil der Beklagte in dem Beurkundungstermin erklärte, den Kaufpreis gegenwärtig nicht zahlen zu können, und sich außerdem gegenüber dem Notar weigerte, seine Wohnanschrift anzugeben. Darauf setzte die Klägerin dem Beklagten erfolglos eine Frist zur Vorlage einer die Zahlungspflicht absichernde Bankbürgschaft sowie zur Angabe der Wohnanschrift und trat nach Fristablauf von dem Kaufvertrag mit dem Beklagten zurück.
2
Das Landgericht hat der Klage unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Unwirksamkeit der Vorkaufsrechtsausübungserklärung wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Nach Auffassung des Berufungsgerichts war die Klägerin zum Rücktritt von dem Kaufvertrag mit dem Beklagten berechtigt, weil sie aus der Sicht eines verständigen Betrachters davon habe ausgehen können, dass der Beklagte den Kaufpreis nicht zahlen könne, und weil der Beklagte dem Verlangen nach Beibringung einer Sicherheit unberechtigterweise nicht nachgekommen sei.
3
Mit seiner Beschwerde will der Beklagte die Zulassung der Revision gegen das Berufungsurteil erreichen, damit er in dem angestrebten Revisionsverfahren seinen Klageabweisungsantrag weiterverfolgen kann.

II.

4
Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO). Das Berufungsurteil beschwert den Beklagten nur mit 15.000 € (1/10 des Grundstückswerts).
5
1. Der Wert der Beschwer ist von dem Gericht mangels besonderer Wertvorschriften nach freiem Ermessen festzusetzen (§ 3 ZPO). Maßgeblich für den Wert ist hier das Interesse des Beklagten an der Beseitigung der von dem Berufungsgericht bestätigten Verurteilung, die Löschung des im Grundbuch eingetragenen Vorkaufsrechts zu bewilligen. Der Wert dieses Interesses hängt davon ab, welche Vorteile der Beklagte von der Eintragung des Rechts im Grundbuch hat. Handelt es sich um eine bloße Buchposition, die ihm keine Möglichkeit verschafft, durch Ausübung des Vorkaufsrechts einen Grundstückskaufvertrag mit der Klägerin herbeizuführen (vgl. § 464 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1098 Abs. 1 BGB), hat die Grundbucheintragung nur noch formale Bedeutung. Das Interesse, diese aufrechtzuerhalten, kann allenfalls mit 1/10 des Grundstückswerts bewertet werden.
6
2. So liegen die Dinge hier. Die Eintragung des Vorkaufsrechts im Grundbuch gewährt dem Beklagten keine materielle Berechtigung. Sein Vorkaufsrecht ist nämlich erloschen.
7
a) Das ergibt sich allerdings nicht aus den Erwägungen des Berufungsgerichts , mit denen es - ohne einen erkennbaren rechtlichen Anknüpfungspunkt - einen Rücktritt der Klägerin von einem mit dem Beklagten zustande gekommenen Kaufvertrag wegen objektiv begründeter Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Beklagten angenommen hat; auch die Hilfsbegründung in dem Berufungsurteil , wonach die Klägerin nach §§ 321, 468 BGB zum Rücktritt von dem Vertrag berechtigt gewesen sei, trägt die Entscheidung nicht. Vielmehr ist die Klage bereits aufgrund des Vortrags des Beklagten begründet. Denn danach hat er sein Vorkaufsrecht wirksam ausgeübt. Dadurch kam zwischen ihm und der Klägerin ein Grundstückskaufvertrag zustande (§ 464 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1098 Abs. 1 BGB). Damit erlosch das nur für den ersten Verkaufsfall bestellte (vgl. § 1097 BGB) Vorkaufsrecht (Staudinger/Mader, BGB [2002], § 1094 Rdn. 36) unabhängig davon, ob der Vertrag später durchgeführt wurde.
8
b) Zu keinem anderen Ergebnis führt es, wenn man der Entscheidung des Rechtsstreits den Vortrag der Klägerin zugrunde legt. Danach war die Erklärung des Beklagten, mit der er sein Vorkaufsrecht ausgeübt hat, wegen seiner Zahlungsunfähigkeit unwirksam. Dieser Erklärung ist deshalb die rechtliche Anerkennung zu versagen (RG HRR 1932 Nr. 1208). Das hat zur Folge, dass das Vorkaufsrecht bei Eintritt des Vorkaufsfalls nicht ausgeübt wurde und aus diesem Grund erlosch (Staudinger/Mader aaO).
9
3. Für die Bewertung der Interessen der Parteien bei Rechtsstreitigkeiten über ein Vorkaufsrecht bietet grundsätzlich der Wert des Gegenstandes, auf den sich das Recht bezieht, einen Anhaltspunkt; der vereinbarte Kaufpreis stellt ein Indiz für diesen Wert dar (BGH, Beschluss vom 4. Dezember 1996, VIII ZR 87/96, WM 1997, 643). Hier ist nichts dafür ersichtlich, dass der zwischen der Klägerin und dem Dritten vereinbarte Kaufpreis von 150.000 € nicht dem Wert des verkauften Grundstücks entsprach. Deshalb ist dieser Betrag der Festsetzung der Beschwer des Beklagten zugrunde zu legen. Sie beträgt somit 15.000 €.

III.

10
1. Der Gegenstandswert beträgt ebenfalls 15.000 €. Denn das Interesse der Klägerin an der Beseitigung der formalen Buchposition des Beklagten ist nicht höher als mit 1/10 des Grundstückswerts zu bewerten (vgl. OLG Naumburg OLGR 1999, 336; ebenso OLG Celle NdsRpflege 1970, 167 [Löschung einer gegenstandslosen Auflassungsvormerkung]; LG Bayreuth JurBüro 1979, 1884 f. [Löschung eines unbegründeten Widerspruchs gegen die Eigentümereintragung ]).
11
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth
Vorinstanzen:
LG Lüneburg, Entscheidung vom 20.03.2006 - 1 O 325/05 -
OLG Celle, Entscheidung vom 06.09.2006 - 4 U 60/06 -

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Referenzen - Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 464 Ausübung des Vorkaufsrechts


(1) Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Verpflichteten. Die Erklärung bedarf nicht der für den Kaufvertrag bestimmten Form. (2) Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt der Kauf zwischen dem Berechtigten und dem

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 321 Unsicherheitseinrede


(1) Wer aus einem gegenseitigen Vertrag vorzuleisten verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung verweigern, wenn nach Abschluss des Vertrags erkennbar wird, dass sein Anspruch auf die Gegenleistung durch mangelnde Leistungsfähigkeit des ander

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1098 Wirkung des Vorkaufsrechts


(1) Das Rechtsverhältnis zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten bestimmt sich nach den Vorschriften der §§ 463 bis 473. Das Vorkaufsrecht kann auch dann ausgeübt werden, wenn das Grundstück von dem Insolvenzverwalter aus freier Hand verkauf

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1097 Bestellung für einen oder mehrere Verkaufsfälle


Das Vorkaufsrecht beschränkt sich auf den Fall des Verkaufs durch den Eigentümer, welchem das Grundstück zur Zeit der Bestellung gehört, oder durch dessen Erben; es kann jedoch auch für mehrere oder für alle Verkaufsfälle bestellt werden.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 468 Stundung des Kaufpreises


(1) Ist dem Dritten in dem Vertrag der Kaufpreis gestundet worden, so kann der Vorkaufsberechtigte die Stundung nur in Anspruch nehmen, wenn er für den gestundeten Betrag Sicherheit leistet. (2) Ist ein Grundstück Gegenstand des Vorkaufs, so beda

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Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

(1) Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Verpflichteten. Die Erklärung bedarf nicht der für den Kaufvertrag bestimmten Form.

(2) Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt der Kauf zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten unter den Bestimmungen zustande, welche der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat.

(1) Das Rechtsverhältnis zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten bestimmt sich nach den Vorschriften der §§ 463 bis 473. Das Vorkaufsrecht kann auch dann ausgeübt werden, wenn das Grundstück von dem Insolvenzverwalter aus freier Hand verkauft wird.

(2) Dritten gegenüber hat das Vorkaufsrecht die Wirkung einer Vormerkung zur Sicherung des durch die Ausübung des Rechts entstehenden Anspruchs auf Übertragung des Eigentums.

(3) Steht ein nach § 1094 Abs. 1 begründetes Vorkaufsrecht einer juristischen Person oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft zu, so gelten, wenn seine Übertragbarkeit nicht vereinbart ist, für die Übertragung des Rechts die Vorschriften der §§ 1059a bis 1059d entsprechend.

(1) Wer aus einem gegenseitigen Vertrag vorzuleisten verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung verweigern, wenn nach Abschluss des Vertrags erkennbar wird, dass sein Anspruch auf die Gegenleistung durch mangelnde Leistungsfähigkeit des anderen Teils gefährdet wird. Das Leistungsverweigerungsrecht entfällt, wenn die Gegenleistung bewirkt oder Sicherheit für sie geleistet wird.

(2) Der Vorleistungspflichtige kann eine angemessene Frist bestimmen, in welcher der andere Teil Zug um Zug gegen die Leistung nach seiner Wahl die Gegenleistung zu bewirken oder Sicherheit zu leisten hat. Nach erfolglosem Ablauf der Frist kann der Vorleistungspflichtige vom Vertrag zurücktreten. § 323 findet entsprechende Anwendung.

(1) Ist dem Dritten in dem Vertrag der Kaufpreis gestundet worden, so kann der Vorkaufsberechtigte die Stundung nur in Anspruch nehmen, wenn er für den gestundeten Betrag Sicherheit leistet.

(2) Ist ein Grundstück Gegenstand des Vorkaufs, so bedarf es der Sicherheitsleistung insoweit nicht, als für den gestundeten Kaufpreis die Bestellung einer Hypothek an dem Grundstück vereinbart oder in Anrechnung auf den Kaufpreis eine Schuld, für die eine Hypothek an dem Grundstück besteht, übernommen worden ist. Entsprechendes gilt, wenn ein eingetragenes Schiff oder Schiffsbauwerk Gegenstand des Vorkaufs ist.

(1) Die Ausübung des Vorkaufsrechts erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Verpflichteten. Die Erklärung bedarf nicht der für den Kaufvertrag bestimmten Form.

(2) Mit der Ausübung des Vorkaufsrechts kommt der Kauf zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten unter den Bestimmungen zustande, welche der Verpflichtete mit dem Dritten vereinbart hat.

(1) Das Rechtsverhältnis zwischen dem Berechtigten und dem Verpflichteten bestimmt sich nach den Vorschriften der §§ 463 bis 473. Das Vorkaufsrecht kann auch dann ausgeübt werden, wenn das Grundstück von dem Insolvenzverwalter aus freier Hand verkauft wird.

(2) Dritten gegenüber hat das Vorkaufsrecht die Wirkung einer Vormerkung zur Sicherung des durch die Ausübung des Rechts entstehenden Anspruchs auf Übertragung des Eigentums.

(3) Steht ein nach § 1094 Abs. 1 begründetes Vorkaufsrecht einer juristischen Person oder einer rechtsfähigen Personengesellschaft zu, so gelten, wenn seine Übertragbarkeit nicht vereinbart ist, für die Übertragung des Rechts die Vorschriften der §§ 1059a bis 1059d entsprechend.

Das Vorkaufsrecht beschränkt sich auf den Fall des Verkaufs durch den Eigentümer, welchem das Grundstück zur Zeit der Bestellung gehört, oder durch dessen Erben; es kann jedoch auch für mehrere oder für alle Verkaufsfälle bestellt werden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)