Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Okt. 2009 - V ZR 21/09
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Mit notariellem Vertrag vom 27. Dezember 2006 kauften die Kläger von der Beklagten eine Doppelhaushälfte unter Ausschluss der Haftung des Verkäufers wegen Sachmängeln. Vor Vertragsschluss war das Objekt auf Veranlassung der Beklagten von einer Maklerin (Streithelferin der Kläger) beworben worden. In einer im Internet veröffentlichten Anzeige wurde als Baujahr 1956 angegeben; tatsächlich war das Haus bereits im Jahr 1913 errichtet worden. Gestützt auf die Behauptung, die Beklagte habe arglistig getäuscht, auch hätten sich mittlerweile Schimmelschäden im Keller gezeigt, verlangen die Kläger Zah- lung von 114.103,20 € Zug um Zug gegen Rückübereignung des Objekts. Das Landgericht hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, es liege eine arglistige Täuschung über das Baujahr vor.
- 2
- Im Berufungsrechtszug haben die Kläger u.a. vorgetragen: "Allein die mangelnde Feuchtigkeitsisolierung hinsichtlich des Kellers führte dazu, dass der Keller bis zu einem halben Meter an den Wänden feucht ist. Im Übrigen hatten die Berufungskläger auch hinsichtlich dieser Feuchtigkeitsschäden Kenntnis. Beweis:1. Eidliche Parteivernehmung der Berufungsbeklagten 2.Sachverständigengutachten."
- 3
- Das Oberlandesgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, Arglist hinsichtlich des Baujahrs sei nicht bewiesen. Soweit die Kläger erstmals im Berufungsrechtszug ergänzend arglistig verschwiegene Feuchtigkeit im Keller geltend machten, scheitere die Klage an § 531 Abs. 2 ZPO. Die Kläger könnten nicht mit Erfolg geltend machen, sie hätten insoweit zuvor noch keine Anhaltspunkte für ein arglistiges Verhalten gehabt. Sie hätten nämlich die Arglist "auch jetzt nicht" in zulässiger Weise unter Beweis gestellt. Die Revision hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger.
II.
- 4
- 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht, weil dieses im Zusammenhang mit der geltend gemachten arglistigen Täuschung über Feuchtigkeitsschäden den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (§ 544 Abs. 7 ZPO).
- 5
- a) Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang die Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. § 531 Abs. 2 ZPO rügt, kommt es auf diesen Gesichtspunkt allerdings nicht an. Denn das Berufungsgericht hat die für eine Zurückweisung nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO erforderliche Nachlässigkeit – entgegen dem Zungenschlag auf Seite 8 des Berufungsurteils – letztlich doch nicht bejaht, wenn es im Anschluss ausführt, die Kläger hätten die subjektive Seite der Arglist nicht in zulässiger Weise unter Beweis gestellt. Für den Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde kommt es daher allein darauf an, ob hinsichtlich der Verneinung geeigneter Beweismittel ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt. Diese Frage ist schon deshalb zu bejahen, weil die Bewertung des angebotenen Sachverständigenbeweises als ungeeignetes Beweismittel im Prozessrecht keine Stütze findet (vgl. etwa BVerfG NJW 2003, 125, 127; Senatsbeschl. v. 25. Juli 2002, V ZR 118/02, NJW 2002, 3180, 3181).
- 6
- Das Beweisangebot der Kläger zielt ersichtlich auf die Klärung der Frage ab, ob die behaupteten Feuchtigkeitserscheinungen in einer Weise erkennbar waren, dass sich der Schluss darauf aufdrängt, die Beklagte habe das Vorliegen eines aufklärungspflichtigen Mangels zumindest billigend in Kauf genommen. Die Erkennbarkeit eines Mangels und dessen Aussagekraft stellen aber Fragen dar, die ein Sachverständiger mit den ihm typischerweise zu Gebote stehenden Erkenntnismöglichkeiten beantworten kann. Denn es geht darum, ob sich bestimmte Mängel dem Verkäufer eines Hauses von selbst erschließen oder ob es dazu besonderer Fähigkeiten oder Anstrengungen bedarf (Senat, Beschl. v. 8. Oktober 2009, V ZB 84/09, zur Veröffentlichung vorgesehen). Vor diesem Hintergrund durfte das Beweisangebot nicht als ungeeignet zurückgewiesen werden.
- 7
- b) Unterliegt das Berufungsurteil schon deshalb der Aufhebung, kommt es nicht mehr darauf an, ob in der unterlassenen Parteivernehmung ein weiterer Verstoß gegen Art. 103 GG deshalb zu erblicken ist, weil aus dem Sinnzusammenhang ohne weiteres ersichtlich ist, dass der Antrag auf eidliche Parteivernehmung ("im Umfang der behaupteten Arglist") nur auf die Beklagte gemünzt sein konnte, und ob für das Berufungsgericht zumindest Veranlassung zu einer Nachfrage nach § 139 ZPO bestanden hätte. Da die Nichtzulassungsbeschwerde jedenfalls nunmehr klargestellt hat, wie das Beweisangebot zu verstehen ist, liegt auch insoweit ein geeigneter Beweisantritt vor, dem das Berufungsgericht nach § 445 ZPO nachzugehen haben wird.
- 8
- 2. Dagegen greifen die im Übrigen geltend gemachten Zulassungsgründe nicht durch. Von einer näheren Begründung wird nach § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.
Vorinstanzen:
LG Dortmund, Entscheidung vom 11.03.2008 - 3 O 452/07 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 15.12.2008 - 22 U 90/08 -
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(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.
(1) Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszuge zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.
(2) Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel sind nur zuzulassen, wenn sie
- 1.
einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist, - 2.
infolge eines Verfahrensmangels im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht wurden oder - 3.
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden sind, ohne dass dies auf einer Nachlässigkeit der Partei beruht.
(1) Das Gericht hat das Sach- und Streitverhältnis, soweit erforderlich, mit den Parteien nach der tatsächlichen und rechtlichen Seite zu erörtern und Fragen zu stellen. Es hat dahin zu wirken, dass die Parteien sich rechtzeitig und vollständig über alle erheblichen Tatsachen erklären, insbesondere ungenügende Angaben zu den geltend gemachten Tatsachen ergänzen, die Beweismittel bezeichnen und die sachdienlichen Anträge stellen. Das Gericht kann durch Maßnahmen der Prozessleitung das Verfahren strukturieren und den Streitstoff abschichten.
(2) Auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, darf das Gericht, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, seine Entscheidung nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien.
(3) Das Gericht hat auf die Bedenken aufmerksam zu machen, die hinsichtlich der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte bestehen.
(4) Hinweise nach dieser Vorschrift sind so früh wie möglich zu erteilen und aktenkundig zu machen. Ihre Erteilung kann nur durch den Inhalt der Akten bewiesen werden. Gegen den Inhalt der Akten ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(5) Ist einer Partei eine sofortige Erklärung zu einem gerichtlichen Hinweis nicht möglich, so soll auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, in der sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann.
(1) Eine Partei, die den ihr obliegenden Beweis mit anderen Beweismitteln nicht vollständig geführt oder andere Beweismittel nicht vorgebracht hat, kann den Beweis dadurch antreten, dass sie beantragt, den Gegner über die zu beweisenden Tatsachen zu vernehmen.
(2) Der Antrag ist nicht zu berücksichtigen, wenn er Tatsachen betrifft, deren Gegenteil das Gericht für erwiesen erachtet.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht unterliegt der Beschwerde (Nichtzulassungsbeschwerde).
(2) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur zulässig, wenn
- 1.
der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20 000 Euro übersteigt oder - 2.
das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen hat.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sechs Monaten nach der Verkündung des Urteils bei dem Revisionsgericht einzulegen. Mit der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, vorgelegt werden.
(4) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber bis zum Ablauf von sieben Monaten nach der Verkündung des Urteils zu begründen. § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 gilt entsprechend. In der Begründung müssen die Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2) dargelegt werden.
(5) Das Revisionsgericht gibt dem Gegner des Beschwerdeführers Gelegenheit zur Stellungnahme.
(6) Das Revisionsgericht entscheidet über die Beschwerde durch Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Die Entscheidung über die Beschwerde ist den Parteien zuzustellen.
(7) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils. § 719 Abs. 2 und 3 ist entsprechend anzuwenden. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(8) Wird der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(9) Hat das Berufungsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Revisionsgericht abweichend von Absatz 8 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.